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Sunao Tokunaga - Stille Berge (1948)
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Es war am zweiten Mai, kurz vor der Mittagspause. Furukawa Schiro hatte seine Mütze mit dem Schirm nach hinten aufgesetzt und die Hängelampe tief bis in Augenhöhe herabgezogen. Er beugte sich über den Drehstahl und presste krampfhaft den Griff des Supports.
So ging es ihm oft - über der Arbeit vergaß er alles andere auf der Welt.
Mit halboffenem Mund, die Zungenspitze vorgeschoben, arbeitete er konzentriert. Tags zuvor hatte er den Auftrag erhalten, Gewinde mit dreißig Millimeter Durchmesser zu schneiden. Jetzt führte er den Drehstahl zur Seite und schaltete den Motor ab.
„Hört, ihr Arbeiter in aller Welt, Wie sieghaft dieses Lied erklingt..."
Wenn ihm die Arbeit leicht von der Hand ging, dann pflegte er zu singen.
Alle standen offenbar noch unter dem Eindruck der Maidemonstration vor dem Gebäude der Stadtverwaltung von Okaja - in der Halle hörte man die Melodie dieses Liedes.  Dreitausend Arbeiter aus Okaja hatten an der Maidemonstration teilgenommen, fünfhundert allein aus dem Werk Kawasoi. In den Reihen der Demonstranten fielen besonders die Mitglieder des Gewerkschaftsverbandes der Fabrik auf, unter denen es viele Jungkommunisten gab. Die dicht geschlossenen  Reihen  der  Arbeiterinnen,  in den gleichen dunkelblauen Jacken, mit roten Nelken auf der Brust, waren nach allgemeiner Ansicht die Zierde der Maifeier in Okaja gewesen. „Furukawakun! Bist du hier?" ertönte eine Stimme. Furukawa hörte nicht. Er sang weiter. Da er einige Worte des Textes nicht mehr wusste, summte er nur die Melodie vor sich hin:
„Trantatatam..."
Er war ganz in seine Arbeit versunken.
„He, Furukawa!" rief die Stimme wieder. Endlich reagierte er und wandte sich um. Obermeister Araki stand in dem Gang zwischen den Drehbänken. Furukawa schaltete die Maschine ab und lief mit klappernden Holzschuhen zu Araki.
„Du wirst ins Büro des Direktors versetzt!" sagte Araki mit leisem Spott. Furukawa riss vor Staunen den Mund auf.
„Ich habe eben telefonisch Bescheid bekommen. Hat der Direktor früher Mal davon gesprochen?"
„Kein Wort..."
Araki stützte die Arme auf eine Drehbank und blickte Furukawa durchdringend an.
„Na schön, was soll man dazu sagen?" meinte er. „Geh nur. Jedenfalls ist es ein Glück für dich."
Furukawa wusste nicht, was es bedeutete, ins „Büro des Direktors" versetzt zu werden. Aber er verstand den Gesichtsausdruck Arakis.
„Pass nur auf, dass man dir da nicht den Schwanz einklemmt!" Araki lachte und drückte Furukawa fest die Hand. „Ich werde mich gelegentlich erkundigen."

Der Direktor und der Verwaltungschef saßen an einem großen, mit grünem Tuch überzogenen Tisch.
„Ah, da bist du ja!" sagte Sagara mit einer Miene, als hätte er schon lange auf ihn gewartet. „Setz dich!"
Furukawa blieb stehen und nahm seine Mütze ab. Es war ein Unterschied, ob man als Angehöriger des Gewerkschaftskomitees oder in einer dienstlichen Angelegenheit mit dem Direktor sprechen sollte. Unbewusst spürte er diesen Unterschied. Und überhaupt - was bedeutete das „im Büro des Direktors arbeiten"? Warum übertrug man ihm plötzlich eine andere Arbeit? Er witterte eine Falle und war unwillkürlich auf der Hut.
„Du bist ab heute befördert. Herzlichen Glückwunsch", sagte der Direktor wohlwollend. Der Verwaltungschef richtete sich in seinem Sessel  auf, las etwas vor und überreichte Furukawa ein Blatt Papier.
„...Herrn Furukawa Schiro... den Titel eines Angestellten zweiten Grades zu verleihen..."
Stempel und Unterschrift des  Präsidenten der Tokio-Electro-Aktiengesellschaft, Fudschikuma Rejo.
Furukawa klemmte die Mütze unter den Arm, nahm das Papier mit beiden Händen entgegen und verbeugte sich. Ein Wunder war geschehen!
Angestellter zweiten Grades - das war mehr als einfacher „Lohnarbeiter"! Dieser Titel eröffnete Perspektiven für einen weiteren Aufstieg bis zur Stellung eines Meisters - vorausgesetzt natürlich, dass er sich nichts zuschulden kommen ließ. Meister zu werden war sein Wunschtraum schon damals gewesen, bevor er Soldat wurde. Und wie hatte er sich angestrengt, was hatte er gelernt, um dieses Ziel zu erreichen!... Nun erschien ihm auf einmal alles, wonach er gestrebt hatte, so weit entfernt, als wäre ein Vorhang zwischen ihm und seiner Vergangenheit niedergegangen. „Wie lange hast du die Abendschule besucht?" „Dreizehn Semester."
„Du warst doch, soviel ich weiß, der beste Schüler?"
„Sieh mal einer an!" bemerkte der Verwaltungschef mit einem kurzen Blick auf Furukawa.
„Jaja, er ist ein begabter Bursche." Der Direktor musterte ihn abschätzend. „In früheren Zeiten hätte er ein Stipendium bekommen, um sein Studium fortzusetzen."
Furukawa wartete darauf, dass der Direktor von der Gewerkschaft und von dem Kommunistischen Jugendverband reden würde; Sagara aber schien nicht daran zu denken. Die Gefühle Furukawas waren ihm offenbar gleichgültig.
„So, also - ich möchte dich zu meinem Assistenten ernennen", sagte er und blickte Furukawa ins Gesicht. „Kannst du Englisch?"
„Schlecht... Ganz wenig."
In der Abendschule hatte er sich besonders in Mathematik und im Englischen ausgezeichnet. Er hatte sich auch außerhalb des Unterrichts viel mit diesen Fächern beschäftigt und beherrschte sie recht gut.
„Macht nichts, macht nichts. Es ist nicht schlimm, wenn du noch etwas Zeit brauchst. Du musst eben noch lernen, hörst du?"
Der Direktor stand auf, öffnete einen Schrank in der Ecke des Zimmers, nahm ein paar Bücher heraus und forderte Furukawa durch eine Kopfbewegung auf, ihm in eine andere Ecke des Raumes hinter einen hohen Wandschirm zu folgen.
„Hier ist dein Arbeitsplatz." Lächelnd verzog er die Oberlippe mit dem grauen Bärtchen.
„Du brauchst dich nicht zu beeilen. Hier hast du ein Buch. Versuch es zu lesen. Wenn es allzu schwer wird, dann gebe ich dir eine andere Arbeit, vorläufig aber..." Er legte ein englischjapanisches Lexikon und ein umfangreiches Buch in englischer Sprache vor Furukawa hin.
„Economic of eff... eff... Wie spricht man das aus?"
Der dicke Wälzer in dunkelbraunem Ledereinband war 1914 in New York erschienen.
Furukawa machte runde Augen vor Staunen. „Efficiency... Aha, Arbeitsproduktivität! ,Die Ökonomik der Arbeitsproduktivität'... Donnerwetter!"
Furukawa setzte sich in seinem „Arbeitsraum" eine Seite Wand, eine Seite Fenster, zwei Seiten Wandschirm - an den rohgezimmerten Tisch und vermochte sich von seinem Staunen noch immer nicht zu erholen. War er ins Gefängnis geraten?
Als er aber am nächsten Tage die „Ökonomik der Arbeitsproduktivität" zu lesen begann, riss ihn die Lektüre so mit, dass er alles andere vergaß. Er betrachtete seinen Platz hinter dem Wandschirm nicht mehr als Gefängnis. Vor den Augen des Direktors huschte hin und wieder ein schmutziges Soldatenhemd vorbei, was ihn ganz nervös machte, oder es erscholl plötzlich Gesang aus der Ecke, so dass schließlich der Direktor mehr als Furukawa unter der Nachbarschaft zu leiden hatte.
„He, geht es nicht ein bisschen leiser?" rief er, und Furukawa verstummte erschrocken. Er hatte gar nicht die Absicht, Lärm zu machen - das Buch war eben so interessant! Es gab viele unverständliche Stellen darin, und obgleich er ein Wörterbuch zur Hand hatte, lief er doch öfter zum Verwaltungschef oder zum Leiter der Planabteilung, die gut Englisch konnten. In seiner Hast stieß er unterwegs einen Stuhl um oder er vergaß, die Tür zu schließen.
„Furukawasan, kommen Sie doch mal einen Augenblick her", flüsterte ihm Torisawa Ren eines Tages zu, als sie ihn auf dem Korridor traf. „Gestern war der Direktor bei Komatsu und hat sich verplappert. ,Es ist gut', sagte er, ,dass ich Furukawa auf meine Seite gezogen habe; aber schlecht ist es, dass ich in meinem Zimmer jetzt über nichts reden kann... Wie im besetzten Gebiet!'"
Ren kicherte, und Furukawa sah sie fragend an.

„Die Komplizierung des Produktionsapparates in den Vereinigten Staaten und der immer schärfer werdende Konkurrenzkampf haben eine neue Ära für die Geschäftswelt heraufbeschworen. Die Verdienstspanne hängt mehr als je zuvor von der Arbeitsproduktivität ab. Heutzutage ist die Produktivität unlösbar mit der Vergrößerung und der Entwicklung der Industrie verknüpft."
Furukawa brauchte einige Tage für die Übersetzung des kurzen Vorworts und des Kapitels „Ausnutzung des Betriebes und Fragen der Arbeit".
„Die Probleme der Ausrüstung und der Rohstoffe wurden bereits Ende des vorigen Jahrhunderts eingehend studiert. Die Fragen der Arbeit aber wurden bis jetzt noch nicht genügend beleuchtet. Erst seit ganz kurzer Zeit haben die Unternehmer endlich die Bedeutung des Faktors Arbeitskraft für den Prozess der Warenproduktion erkannt. Namentlich die Menschen, die ihre geistige und physische Kraft im Betrieb einsetzen, sind die entscheidende Voraussetzung für die Leistung und den Erfolg eines Unternehmens."
Nachdem Furukawa diesen Abschnitt übersetzt hatte, begann er, fieberhaft in den Büchern zu wühlen, die vor ihm auf dem Tisch lagen. Es war ein ganzer Berg, darunter sein eigenes „Wörterbuch der sozialpolitischen Terminologie", jene Bücher, die Araki und Ikenobe gehörten, zum Beispiel „Lohnarbeit und Kapital" und „Die Grundlagen des Leninismus".
Halt! dachte Furukawa. Wann ist denn dieses Buch herausgekommen, das solche Begeisterung bei den japanischen Kapitalisten hervorgerufen hat? 1914... 1914?
Wie aus dem „Wörterbuch der sozialpolitischen Terminologie" ersichtlich war, hatte 1914 der erste Weltkrieg begonnen. Die USA traten 1917 in den Krieg ein; doch bereits beim Erscheinen dieses Buches hatte der Konkurrenzkampf die kapitalistischen Staaten in eine Sackgasse gedrängt, so dass die weitere Erzielung von Profit ohne bewaffneten Zusammenstoß nicht mehr möglich war.
„Na, machen wir Fortschritte?" fragte der Direktor und trat, eine Zigarette zwischen den Lippen, hinter Furukawa.
Der klatschte sich auf die Schenkel.
„So ist das also? Ach, diese Halunken!" schrie er so laut, dass der Direktor erschrocken zurückfuhr.
„Es ist wohl sehr interessant?" „Ja, sehr."
„Ein aufschlussreiches Buch, nicht wahr?" „Ja, sehr aufschlussreich!" Sie hatten sehr verschiedene Gedanken bei diesen
Worten.
„Ich erinnere mich." Stolz klang aus der Stimme des Direktors. „Als meine Freunde und ich das Institut absolviert hatten und eine Stellung bei der Company annahmen, legte man uns ans Herz, dieses Buch zu lesen... In die Unternehmen unserer Gesellschaft wurde nämlich  Kapital der  General-Electric investiert; wir stützen uns in allem auf das amerikanische System..." „Interessant!" warf Furukawa ein. „Du bist jetzt auch Angestellter der Company, und darum musst du lernen... Das sogenannte Fließbandsystem wurde gleich nach dem Erscheinen dieses Buches eingeführt. Unsere Company hat als erste in Japan - zumindest als erstes Unternehmen des Mitsuikonzerns - diese Methode in vollem Umfange angewendet." Der Direktor schob die Daumen in die Ärmelausschnitte seiner Weste, reckte den Bauch vor, wippte auf den Fußspitzen und klappte ab und zu die Absätze gegeneinander. Sein Blick streifte den Tisch. Er bemerkte den Namen Marx auf dem Umschlag des Buches „Lohnarbeit und Kapital", sagte aber nichts.
„Efficiency, mit andern Worten: Arbeitsproduktivität! Wenn du damit fertig bist, dann gebe ich dir andere Bücher - über das Slippersystem und das Jetonsystem (Anm.:  Lohnzahlungssysteme, die der verstärkten Ausbeutung der Arbeiter dienen; sogenannte „Antreibersysteme".)."
„Das Slippersystem? Ist das ein Lohnzahlungssystem?"
„Richtig. In dem Schrank dort stehen diese Bücher, alle geordnet... Arbeite nur fleißig." Der Direktor legte Furukawa die Hand auf die Schulter und sah ihm ins Gesicht. „Denke daran, dass du jetzt Angestellter der Company bist, hörst du? Nicht Arbeiter, sondern Angestellter! Und das heißt", seine Augen blickten forschend und zugleich selbstbewusst und herrisch, „dass du deine Kraft vor allem der Company widmen musst. Die Gewerkschaft und ähnliche Scherze - das kommt alles erst in zweiter Linie. Du musst dein Schicksal mit dem der Company verknüpfen. Verstehst du?"
Furukawa schaute mit halbgeschlossenen Augen aus dem Fenster.
„Na schön, arbeite nur. Nimm zum Beispiel unseren Leiter der Produktionsabteilung, einen ehemaligen technischen Zeichner. Er hat auch als unterer Angestellter angefangen." Der Direktor ging, und Furukawa machte sich wieder an die Arbeit. Die Feder fuhr kratzend über das Papier. Dann hob er plötzlich den Kopf und sah wieder aus dem Fenster.
Soll ich sagen, dass ich nicht will, dass ich in die Werkhalle zurück möchte? Peinlich, überlegte Furukawa.
Er fürchtete, mit der Zeit die Dinge genauso zu sehen  wie die Verfasser dieses  Buches.  Studium der Arbeitsproduktivität - das hieß unter den Bedingungen  des  Kapitalismus:  Studium  der Ausbeutungsmethoden. „Furukawa!" rief der Direktor. Als er vor den grünen Tisch trat, lehnte Sagara im Sessel und blätterte in einer Zeitschrift. „Lies das hier mal und übersetze es! Sinngemäß genügt. Ich kann nicht mehr so viel Englisch." Er warf die Zeitschrift, die er in der Hand hielt, auf den Tisch. „Und das da mit der Arbeitsproduktivität... das kannst du einstweilen weglegen."
Die Zeitschrift in dem hübschen, himmelblauen Umschlag war eine neue Nummer des „Reader's Digest".
Der Umschlag roch nach Druckerschwärze. Offenbar hatte diese amerikanische Zeitschrift den Ozean erst vor ganz kurzer Zeit überquert. Auf dem Umschlag stand das Datum - Mai 1946. Wo hatte der Direktor das her? Zuerst las Furukawa mit Hilfe des Wörterbuchs das Inhaltsverzeichnis. Er stürzte sich stets eifrig auf jede neue Arbeit, nicht so sehr aus Pflichtgefühl als aus Interesse an der Sache, das sofort in ihm erwachte. Er legte die Zeitschrift Tag und Nacht nicht aus der Hand, stopfte seine Tasche bis zum Platzen voll englischjapanischer  Wörterbücher,  nahm sie mit nach Hause, ins Fabrikheim, und las sogar noch im Bett.
Eines Abends hatte er sich den Artikel „Können die USA die Welt führen?" vorgenommen. Er fröstelte, ein Schauer lief ihm über den Rücken. „Was hast du, bist du krank? Dein Gesicht ist ja ganz rot", fragte Schinitschi besorgt, als er den Freund husten hörte. Er selbst las eifrig in dem Buch „Staat und Revolution".
Furukawas nackte Schultern ragten unter der Decke hervor, während er mit kratzender Feder lauter saubere Papierbogen der Company vollschrieb. Plötzlich hielt er inne.
„Hör mal!" sagte er und blickte gespannt zu Ikenobe hinüber. „Was meinst du, muss diese Okkupationsarmee nicht auch die Beschlüsse des Potsdamer Abkommens durchführen?"
„Nun ja, so heißt es", antwortete Ikenobe. Furukawa kniff die Augen zusammen, legte den Kopf auf die Seite und dachte angestrengt nach: Ich möchte nur wissen, ob die japanischen Kommunisten diese Zeitschriften lesen, ob ihnen bekannt ist, was diese Zeitschriften schreiben.

Am nächsten Tage saß Furukawa wieder hinter dem Wandschirm im Büro des Direktors und kämpfte gegen ein Schwindelgefühl an.
Er arbeitete an der Übersetzung des Artikels „Können die USA die Welt führen?" Er spürte eine Schwäche im ganzen Körper, stützte ab und zu die Ellbogen auf den Tisch und legte die Stirn in die Hand.
In der hübschen ausländischen Zeitschrift waren zwischen dem Text in zarten, angenehmen Farben Hundeköpfe und Menschengesichter abgebildet. Eine Zeitschrift, die Ozeane überflogen hatte! Eine Zeitschrift, die sich bemühte, die amerikanische Ideologie über die ganze Welt zu verbreiten!
Hier stimmt doch etwas nicht, überlegte Furukawa. Merkwürdig - bis jetzt hat noch keiner bezweifelt, dass die Beschlüsse der Potsdamer Deklaration wirklich durchgeführt werden.
Er bekam plötzlich keine Luft mehr. Wütend warf er den Federhalter hin.
Wussten die Genossen, zum Beispiel Araki, was man hier schrieb?
Ihm lief es kalt über den Rücken. Draußen vor dem Fenster lachte die Sonne; ihre Strahlen überfluteten die in frischem Grün leuchtenden Berghänge. Sie rückten immer mehr in die Ferne, als sähe er sie nur im Traum.
Nein, alles kommt daher, dass wir, die Arbeiter, zu wenig wissen. Wenn unseren Leuten so eine amerikanische Zeitschrift in die Hände käme, dann würden sie sich wahrscheinlich wundern, was darin steht!
Er schlug den Kragen seines Soldatenmantels hoch und griff wieder zur Feder. Wie kalt es war! Oder sollte er wirklich krank sein?
„Furukawakun! Na, zeig mal, was du fertig hast!" drang die Stimme des Direktors an sein Ohr.
Er raffte die sauber beschriebenen Blätter zusammen und ging zu dem grünen Tisch.
„Setz dich!" Der Direktor zog einen Stuhl heran und ließ Furukawa neben sich Platz nehmen. Offenbar war er in glänzender Laune. „Was ist denn mit dir? Hast du dich erkältet?"
„Kann sein." Der Direktor nahm die Übersetzung in die Hand; und schob die Brille auf die Stirn.
„So geht das nicht, du musst achtgeben auf dich", murmelte er, während er die Übersetzung las. Dann drehte er sich jäh mitsamt dem Sessel zu Furukawa um. „Na, was sagst du? Sind die USA nicht ein großartiges Land?"
„Hm."
„Jedenfalls sind sie in der Nachkriegsperiode das führende Land der Welt. Nicht wahr?"
Furukawa fühlte eine bleierne Müdigkeit. Er hockte zusammengekauert neben dem runden Gasofen.
„Nimm zum Beispiel unsere Fabrik. Sie hat in der ganzen Gegend den Ruf, ,rot' zu sein. Schlimm ist das! Nun wollte ich dich bitten, uns zu helfen, mit diesen... na, wie heißen sie doch noch gleich... diesen Jungkommunisten aufzuräumen."
Furukawa hob überrascht den Kopf und starrte den Direktor an.
„Nein, nein, ich will mich ja nur mit dir beraten." Sagara sah ihm ebenfalls aufmerksam ins Gesicht, als wollte er feststellen, welche Wirkung seine Worte hervorriefen. Er lächelte. „Ich bin durchaus nicht gegen Demokratie oder, sagen wir, gegen die Gewerkschaft. Das wollte ich damit nicht zum Ausdruck bringen."
Er nahm Zigaretten vom Tisch, beugte sich vor und bot Furukawa eine an. „Man muss sich auch einmal in meine Lage versetzen! Ich bin der Company für achthundert Menschen verantwortlich, die man mir anvertraut hat. Ich habe mich noch nie beschwert, aber ich spreche ganz offen... Wie viel Jungkommunisten gibt es in der Fabrik?" „Hundertsieben."
„Und wer ist der Anführer? Du, nicht wahr?" „Nein, Ikenobe Schinitschikun aus der Versuchsabteilung."
„Ikenobe? Hm, hm... Du leitest doch, soviel ich weiß, die Jugendsektion der Gewerkschaft? Dann kannst du uns vielleicht trotzdem helfen?"
Furukawa schrak zusammen. Vor seinen Augen drehte sich alles; das Gesicht des Direktors verschwamm.
Bis jetzt hatte er ohne Bedenken geantwortet es handelte sich ja um eine Massenorganisation. Aber was hatten die letzten Worte Sagaras zu bedeuten? „Was soll ich tun?" Er geriet in eine gereizte Stimmung. Die Zigarette schmeckte ihm auf einmal nicht mehr. „Siehst du... äh... begreifst du denn wirklich nicht?"
Der Direktor lehnte sich im Sessel zurück. Seine Mundwinkel zuckten nervös. „Eine großartige Zukunft liegt vor dir."
Furukawa wandte sich ab und zerdrückte die Zigarette im Aschenbecher. „Urteile selbst..." Der Direktor trommelte mit seinen dicken Fingern auf die Blätter der Übersetzung. „Ich nehme an, dass dir schon dieses Material hier gezeigt hat, wie die Besatzungsmächte über die Kommunistische Partei denken."
Die fiebrig glänzenden Augen Furukawas sprühten Funken. Jetzt erkannte er, warum der Direktor ihn gezwungen hatte, aus „Reader's Digest" zu übersetzen. Das Blut schoss ihm in die Wangen. „Nein, das hat es nicht."
Das war eine unverblümte Abfuhr für den Direktor. „Nicht?" „Nein."
Die Zornesader schwoll auf der Stirn des Direktors.
„Aber du... du... Ich habe für dich, meine ich, soviel..." Er hieb mit der Faust auf den Tisch. „Ist dein Kopf immer noch mit diesen verdrehten Begriffen von Demokratie vollgestopft? Denkst du immer noch an den Kommunismus?" brüllte er.
„Nun ist mir alles klar!" Furukawa hob gleichfalls die Stimme.
„Und ich sage dir, dass es verdrehte Begriffe sind!" Das Telefon und die Blumenvase sprangen unter dem Faustschlag des Direktors in die Höhe. „Amerika ist das Ursprungsland der Demokratie!"
„Aber in der Sowjetunion ist sie jetzt zu Hause."
Beide sprangen auf und standen, durch den Gasofen getrennt, einander gegenüber.
„Raus! Mach, dass du rauskommst!"
Der Verwaltungschef stürzte herbei, um den Direktor zu beruhigen.
Es gelang ihm nur mit Mühe, seiner Erregung Herr zu werden. Schwer atmend wischte er sich den Schweiß von der Stirn.
„Schluss... Genug! Raus! Scher dich wieder an die Werkbank!"

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