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Nachdem er die Delegation hinausgeworfen hatte, beschäftigte sich der Direktor bis zum Abend eifrig mit dienstlichen Angelegenheiten. Er ging von Werkhalle zu Werkhalle und durch die Räume der Verwaltung, bis die Sirene das Ende des Arbeitstages verkündete und der Leiter der „Trauergesellschaft" ihn abholte.
Sagara bedauerte nicht im Geringsten, dass er die Arbeiter so grob behandelt hatte. Von seinem Standpunkt aus waren alle diese Vorschläge ein bloßes Missverständnis. Natürlich hatte er gesagt, das „Beratungskomitee" müsse im Geiste gegenseitigen Vertrauens arbeiten, auf der gleichen Grundlage, auf der die Beziehungen zwischen Eltern und Kindern beruhen.
Dabei mussten aber die Kinder Kinder bleiben und die Führung den Eltern überlassen.
Solche Vorfälle jedoch, wie das Erscheinen dieser Delegation, waren etwas Unerhörtes, Empörendes. Immer wieder musste er an Araki denken: Das hat alles dieser Kerl angestiftet!
Aus Polizeiberichten wusste Sagara schon von der Kriegszeit her, dass Araki mit Leuten Umgang hatte, die als „politische Verbrecher" galten. Früher hatte sich Araki ruhig verhalten; außerdem arbeitete er seit einem Jahrzehnt ununterbrochen in den Betrieben der „Tokio-Electro". In letzter Zeit aber hatte sich das Benehmen des Meisters geändert. Takenoutschi hatte
Sagara mitgeteilt, dass die berüchtigte Sammlung von Vorschlägen auf Initiative der Dreherei, in der Araki arbeitete, unternommen worden sei. Sagara wusste auch, dass der Gemeindeschreiber Fumija, der als „Roter" galt, Araki oft besuchte.
Die Sitzung der „Trauergesellschaft" fand im Unterrichtsraum statt. Eine Nische war mit Blumen ausgeschmückt; dafür hatten einige Arbeiterinnen gesorgt, die darin recht geschickt waren. Obgleich der Kern der Gesellschaft aus Büroangestellten der Fabrik bestand, waren auch die ortsansässigen Arbeiter da, und so war die Zahl der Anwesenden beträchtlich. Die meisten von ihnen waren entlassene Soldaten. Der alte Oberbuchhalter, ein Major der Reserve, fehlte, und so erfüllte, wie auch schon bei der ersten Zusammenkunft der Gesellschaft, der Nächstfolgende im Rang, Oberleutnant Komatsu Nobujoschi, die Pflichten des Versammlungsleiters. „Meine Herren, bevor ich die Versammlung eröffne, möchte ich Ihnen einen Antrag bezüglich der Umbenennung unserer Gesellschaft unterbreiten", begann Komatsu und ließ den Blick über die Zuhörer schweifen, die inzwischen Platz genommen hatten. Jedem wurde ein Gläschen mit Reisschnaps vorgesetzt. Komatsu berichtete über die Empfehlung des Direktors, die „Trauergesellschaft" in „Tenrjugesellschaft" umzubenennen. „Dieser Name ist natürlich von unserem Fluss Tenrju (Anm.: Himmelsdrache.) entlehnt. So lautet der Vorschlag unseres Vorsitzenden, und ich hoffe, alle werden damit einverstanden sein..."
Nun erteilte Komatsu dem Vorsitzenden der Gesellschaft das Wort. Direktor Sagara begann:
„Ah - äh... Ich freue mich außerordentlich, meine Herren, dass Sie meinen Vorschlag zur Umbenennung unserer Gesellschaft angenommen haben. Der neue Name bedeutet natürlich durchaus nicht, dass sich der Geist unserer Gesellschaft auch nur im Geringsten geändert habe. Unser Ziel ist nach wie vor das Wiederaufblühen Japans. Geduld und Ausdauer - das ist nach wie vor unsere Devise. Aber jetzt ist das Zeitalter der Demokratie angebrochen... Wie müssen wir diesen neuen Geist der Demokratie auffassen? In welchem Sinne sollen wir ihn verstehen?" Sagara zog sein Taschentuch hervor und schnäuzte sich die Nase. Dann hob er den Blick zur Decke und runzelte die Stirn. „Selbstverständlich begrüßen wir die Demokratie. Man muss das Alte hinwegfegen und das Neue festigen. Jedoch zwischen Japan und Amerika gibt es einen Unterschied, ja einen großen Unterschied, obwohl es sich um ein und dieselbe Art Demokratie handelt. Und worin besteht er?"
Als Sagara das sagte, merkte er gar nicht, wie sehr seine Worte im Widerspruch standen zu der Tatsache, dass ihn gerade die Anwesenheit der Amerikaner unter den Alliierten beruhigt hatte. „Dieser Unterschied besteht darin, dass unser Land eine ganz besondere Staatsform hat. Ja, eben das ist es! Wir haben Seine Majestät den Kaiser..."
Von nun an ging ihm alles leicht und glatt über die Zunge. Er schob die Finger in die Ärmelausschnitte seiner Weste und fuhr fort: „Mit diesem Umstand
müssen sogar die ausländischen Mächte rechnen."
Einmütiger Beifall ertönte, und jemand rief: „Es lebe Seine Majestät der Kaiser!" Sagara war sehr zufrieden. Sein Blick umfasste die Versammelten. Er beobachtete, wie die Sakeflaschen von Hand zu Hand gingen, wie der Alkohol bereits seine Wirkung auszuüben begann, und er war fest überzeugt, dass seine Worte in das Bewusstsein der Anwesenden eingedrungen waren und sie begeisterten. Die älteren Angestellten der Verwaltung, der Leiter der Produktionsabteilung und der Kanzleichef, waren zwar nicht da, doch Sagara empfand Genugtuung darüber, dass er sich auf die mittleren Angestellten, die hier vor ihm saßen, verlassen konnte.
„Arakikun? He, Arakikun!" rief Sagara und hob jedesmal das Schnapsglas, wenn Araki, der in der entferntesten Ecke des Saales Platz genommen hatte, in sein Blickfeld geriet.
Aber die Stimme des Direktors drang nicht durch. Die berauschten Menschen lärmten. Obermeister Schima aus der Werkzeugabteilung, ein Mann von etwa 35 Jahren, versuchte fortwährend, eine Rede über die Staatsform Japans zu halten. Lautes Stimmengewirr erfüllte den Raum. Araki bemerkte trotzdem, dass Sagara ihn rief.
„He, Arakikun! Komm mal einen Augenblick her!" schrie der Direktor wieder.
Araki wechselte einen Blick mit Nakatani, der den Schnaps nicht anrührte und ruhig eine Zigarette, rauchte. Es war Unsinn, an dieser Versammlung teilzunehmen. Aber es wäre unklug gewesen, nicht zu erscheinen. Sie warteten beide nur auf eine günstige Gelegenheit, sich zu verdrücken. Doch der Direktor ließ nicht locker.
„Na schön, geh schon hin", flüsterte Nakatani lächelnd. Sie machten sich nichts daraus, dass Sagara ihnen feindlich gesinnt war. Betrunkene sind streitsüchtig, das wussten sie. Und sie hatten ja auch ihre Erfahrungen mit ihm.
Araki drängte sich zwischen schwatzenden, lachenden und trinkenden Menschen bis zum Tisch des Direktors durch. Sagara drückte ihn auf einen Stuhl nieder und goss ihm eigenhändig Schnaps ein. Die fleischige Hand, die den Flaschenhals umklammert hielt, zitterte, und seine gelblichen Äuglein funkelten hinter den Brillengläsern, als ob er den Meister mit seinem Blick durchbohren wollte. „Trink! Was ist, willst du etwa zu meinen Feinden überlaufen?" Araki schwieg. „Hast du mir heute diese Bande Halsabschneider geschickt, he?" fuhr Sagara fort und lehnte sich mit dem Rücken gegen einen Stützpfeiler. „Sie irren sich. Ich habe damit nichts zu tun", entgegnete Araki entrüstet. Der Direktor unterbrach ihn: „Nein, lass uns ganz offen reden... Gib doch zu, dass du Kommunist bist!" Sagara sprach ziemlich laut.
Araki war nicht Mitglied der Kommunistischen Partei. Er wollte es erklären, er wollte sagen, dass er kein Kommunist sei, aber er brachte kein Wort heraus. Beim Klang der Stimme des Direktors drehten sich Obermeister Tschidschiwa aus der Schleiferei und Obermeister Schima gleichzeitig um.
„Was? Ein Kommunist?" Der glattrasierte Kopf Schimas mit der kahlen, fliehenden Stirn bewegte sich auf Araki zu, eine Alkoholdunstwolke schlug ihm entgegen. Dann taumelte Schima zur Seite, und Tschidschiwa trat an seine Stelle. „Das ist ja interessant! Arakikun ist also Kommunist? Interessant! Na, ich habe keine Angst vor Kommunisten. Hör mal zu, Araki! Lass uns mal diskutieren! Also, Araki... euer ,Herr' Tokuda Kjuitschi lehnt das monarchistische System ab... Ausgezeichnet. Er lehnt also die Monarchie ab? In diesem Falle..."
Tschidschiwa stieß seinen Kopf gegen Arakis Brust. Araki geriet in eine schwierige Lage. Jede Entgegnung, jeder Widerspruch war zwecklos. Nakatani und einige andere Freunde des Meisters erhoben sich von ihren Plätzen, vermochten aber nicht, nahe heranzukommen. Araki saß eingekeilt auf seinem Stuhl und blickte wütend um sich. Der Direktor lachte hämisch.
„Herr Direktor, Herr Direktor!" Takenoutschi Tadaitschi klopfte Sagara auf die Schulter. Offenbar wollte er die Rolle des Vermittlers spielen. Aber Sagara schien ihn nicht zu bemerken.
Von allen Seiten ertönten Zurufe. Tschidschiwa schrie ununterbrochen und wollte auf Araki losgehen.
Hinter Tschidschiwas Rücken gebärdete sich Schima wie toll und brüllte: „Schlagt den Staatsverräter!" Jemand hielt ihn zurück.
Die meisten der Anwesenden waren leidenschaftliche Verteidiger der monarchistischen Staatsform Japans. Unter den Demobilisierten, die noch ihre Uniformen trugen, gab es natürlich auch solche, die der Kommunistischen Partei nicht feindlich gegenüberstanden; doch sie durften den Mund nicht aufmachen, da die „Tokio-Electro-Company" in ihrer Struktur seit jeher einer militärischen Organisation glich. Die Angestellten der Gesellschaft, die aus den Reihen der Arbeiter hervorgegangen waren, bildeten gleichsam die untersten Rangstufen. Dann folgten die Leute mit Schulbildung: die Obermeister, die Abteilungsleiter, die Werkhallenleiter, die Beiräte und die Direktoren. In jeder Gruppe ging es streng nach Rang; man brauchte nur einmal zu straucheln, und ein weiterer beruflicher Aufstieg war unmöglich. „Weg da!" ertönte plötzlich eine Stimme über Arakis Kopf, und Oberleutnant Komatsu stand vor ihm. Seine Mundwinkel waren herabgezogen, und seine Augen richteten sich auf einen Punkt. Sein ganzer Körper bebte. Mit einem Fußtritt stieß er den tobenden Schima zur Seite, packte den schreienden Tschidschiwa am Kragen und schleuderte ihn weit von sich. „Du!" Er rüttelte Araki an der Schulter, zerrte ihn hoch und starrte ihm ins Gesicht: „Nimm dich in acht, du!..."
Bedrückende Stille trat ein.
„Na, wenn ich mich geirrt habe, umso besser, umso besser", sagte der Direktor in sanftem Ton. Er wollte vermeiden, dass man ihn als Urheber dieses Skandals ansah. „Aber ich möchte betonen: Ich bin in den Betrieben der Company großgeworden und liebe die Kommunisten nicht. Ich lasse es nicht zu, dass sich im Werk Kawasoi Kommunisten einnisten. Das werde ich mit allen Mitteln zu verhindern wissen!"
Alle blickten auf Araki, der inzwischen an seinen Platz zurückgekehrt war und mit gesenktem Kopf dasaß, die Arme über der Brust verschränkt. Komatsu Nobujoschi stützte die Ellbogen auf die hochgezogenen Knie und schwankte von einer Seite zur anderen.
Araki und Nakatani traten auf den dunklen Fabrikhof hinaus und blieben eine Weile schweigend stehen. Sie fühlten beide, dass die „Vorschlägesammlung" endgültig gescheitert sei. „Ich will noch mal kurz in den Betrieb schauen." Nakatani verabschiedete sich von Araki und ging auf die Galerie zu, die in die Werkhallen führte.
Araki war noch immer aufgeregt. Er schritt allein durch das Dunkel. Eine verwirrende Fülle von Gedanken bestürmte ihn. Schon mehrmals hatte er wegen der Arbeit Zusammenstöße mit dem Direktor gehabt; aber der heutige Vorfall war von ganz anderer Art. Man hatte ihn offen herausgefordert. Araki stellte sich die Gesichter seiner alten Mutter, seiner Frau und seiner Kinder vor, erinnerte sich an die lächelnden Gesichter der Arbeiter, die mit dem Einsammeln der „Vorschläge" beschäftigt waren, und an die Gesichter der Abgesandten, die in den Betrieb zurückgekehrt waren, nachdem der Direktor sie aus seinem Arbeitszimmer hinausgeworfen hatte. „Bleib fest, Araki!" sagte er spöttisch zu sich selbst. In diesem Augenblick - er wollte gerade auf das Licht zugehen, das durch das Fenster des Pförtnerhäuschens schimmerte - vernahm er eilige Schritte hinter sich. Ein plötzlicher Schlag riss ihn fast zu Boden. Ihm wurde schwarz vor den Augen, und er schwankte.
Als er wieder fest auf den Beinen stand, war niemand mehr zu sehen, nur der Wind pfiff in der Finsternis. Er fuhr sich mit der Hand über das Gesicht, und etwas Warmes, Klebriges lief ihm zwischen die Finger.
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