Nemesis-Archiv   WWW    

Willkommen bei Nemesis - Sozialistisches Archiv für Belletristik

Nemesisarchiv
Robert Tressell – Die Menschenfreunde in zerlumpten Hosen (1914)
http://nemesis.marxists.org

47. Kapitel Die „Fünfundsechziger"

Am nächsten Morgen nach dem Frühstück gingen Philpot, Sawkins, Harlow und Barrington zum Gerätehof, um die lange Leiter zu holen - die Fünfundsechziger -, so geheißen, weil sie fünfundsechzig Sprossen hatte. Eigentlich war es eine so genannte Baugerüstleiter, verstärkt mit mehreren Eisenbolzen oder -stangen, die direkt unter einigen Sprossen hindurchführten. Um eine Seite der Leiter war ein Eisenband spiralförmig gewunden und festgenagelt. Für Malerarbeiten eignete sie sich überhaupt nicht, denn sie war viel zu schwer und unhandlich. Da jedoch keine andere Leiter die nötige Länge hatte, um bis zu dem hohen Giebel der Villa „Zuflucht" hinaufzureichen, brachten sie nach einigen Anstrengungen die Fünfundsechziger von den Haken herunter und luden sie auf einen Handwagen; bald darauf fuhren sie durch die dem Gerätehof benachbarten Straßen mit den schäbigen, schmutzigen Häusern und begannen den langen Hügelweg hinanzusteigen.
Während der Nacht hatte es stark geregnet, und der Himmel war noch immer mit dunkelgrauen Wolken bedeckt. Der Wagen schob sich schwer über die schlammige Straße; Sawkins ging hinten, er hielt das Leiterende und steuerte, während die anderen ein wenig weiter vorn neben dem Karren liefen.
Es ging so schwer, dass sie erschöpft und außer Atem anhalten mussten, um sich auszuruhen, als sie den Hügel erst zur Hälfte bewältigt hatten.
„Das ist vielleicht 'ne feine Sache, was?" bemerkte Harlow, während er seine Mütze abnahm und sich mit dem Taschentuch den Schweiß von der Stirn wischte.
„Freilich, Mann", sagte Philpot düster nach einer Weile. „'s ist auch 'ne Art, sich seinen Lebensunterhalt zu verdienen, aber 's gibt 'ne Menge bessere Arten!"
Sein Rheumatismus war besonders schlimm, und dazu fühlte er sich heute morgen ungewöhnlich bedrückt; wahrscheinlich hatten das trübe Wetter und die Aussicht, den lieben langen Tag auf der Leiter arbeiten zu müssen, etwas damit zu tun.
„Ein ,Lebensunterhalt' ist gut gesagt", meinte Barrington bitter. Er war ebenfalls erschöpft von dem mühevollen Weg bergauf und erzürnt durch das leidende Aussehen des armen alten Philpot, der vor Anstrengung keuchte und bebte.
Sie schwiegen wieder. Die unerklärliche Niedergeschlagenheit, von der Philpot beherrscht wurde, nahm ihm seine übliche Freude am Scherzen und ließ melancholische Gedanken in ihm aufkommen. Diesen Hügel war er schon viele Male unter ähnlichen Umständen hinauf- und hinuntergestiegen, und er sagte sich, wenn er jetzt ein halbes Pfund für jedes Mal bekäme, da er einen Karren diese Straße hinaufgeschoben hatte, so brauchte er für den Rest seines Lebens niemand mehr den Arbeitsplatz wegzunehmen.
Der Betrieb, in dem er seine Lehrzeit verbracht hatte, war dort unten, gerade am Fuß des Hügels gewesen; das Gebäude war schon vor Jahren niedergerissen worden, und auf dem Gelände standen jetzt anspruchsvollere Bauten. Nicht ganz so weit unten an der Straße - auf der anderen Seite - konnte er die Kirche sehen, in die er als Junge zur Sonntagsschule gegangen und in der er vor genau dreißig Jahren getraut worden war. Gleich - sobald sie oben auf dem Hügel angelangt waren - konnte er durch das Tal
blicken und den Turm der anderen Kirche sehen, der auf dem Friedhof, auf dem alle seine Lieben nacheinander zur Ruhe gebettet worden waren. Er dachte, es werde ihm nicht leid tun, wenn die Zeit käme und er dort zu ihnen gelegt würde. Vielleicht konnten sie in der anderen Welt -falls es eine gab - alle wieder miteinander vereint sein.
Plötzlich wurde er durch einen Ausruf Harlows aus seinen Gedanken gerissen.
„Achtung! Da kommt Rushton."
Sie machten sich sofort wieder auf den Weg. Rushton kam in seinem zweirädrigen Einspänner den Hügel heraufgefahren, und Schinder saß neben ihm. Sie fuhren so nahe vorbei, dass die Wagenräder Philpot, der auf dieser Seite des Karrens ging, mit Schlamm bespritzten.
„Das sind doch welche von Ihren Leuten, was?" bemerkte Schinder.
„Ja", antwortete Rushton. „Wir machen da oben 'ne Arbeit."
„Ich würde meinen, 's machte sich für Sie besser bezahlt, wenn Sie für so 'ne Arbeit 'n Pferd nehmen würden", sagte Schinder.
„Wir nehmen auch die Pferde, wenn's für sehr große Lasten nötig ist, wissen Sie", erwiderte Rushton und setzte lachend hinzu: „Aber für so 'ne Arbeit sind die Esel stark genug."
Die „Esel" quälten sich etwa noch hundert Meter weit bergauf und mussten dann wieder stehen bleiben.
„Lang dürfen wir nicht Halt machen, hört ihr!" sagte Harlow. „Wahrscheinlich ist er zur Arbeitsstelle gefahren und wartet dort, damit er sieht, wie viel Zeit wir bis dahin brauchen."
Barrington war versucht zu sagen, dann müsse Rushton eben warten; er schwieg jedoch, denn er dachte daran, dass zwar er persönlich keinen Pfifferling drum gab, ob er entlassen wurde oder nicht, dass sich die anderen aber nicht in einer so glücklichen Lage befanden.
Während sie sich ausruhten, kam noch ein zweibeiniger Esel vorbei, der gleichfalls einen Karren schob - oder vielmehr ihn zurückhielt, denn er fuhr langsam den Berg herunter. Noch solch ein Erbe aller Zeitalter, noch solch ein Imperialist - ein verkommener, verwilderter armer Teufel, in schmutzige, stinkende Lumpen gekleidet; seine Zehen guckten aus den brüchigen, zerrissenen Stiefeln heraus, die er mit Schnur um die strumpflosen Füße gebunden hatte. per klapprige Karren war mit leeren Flaschen und fauligen Lumpen beladen, die lose aufgehäuft oder in einen großen Sack gepackt lagen: alte Röcke und Hosen, Kleider, Unterröcke und Unterwäsche - speckig, schimmelig und übel riechend. Während der Mann mit auf den Boden gerichtetem Blick vorbeischlich, gab er von Zeit zu Zeit raue, unartikulierte Töne von sich.
„Auch 'ne Art, sich seine Piepen zu verdienen!" sagte Sawkins lachend, als der armselige Kerl vorbeischlurfte.
Harlow lachte gleichfalls, und Barrington sah sie forschend an. Er dachte, es sei seltsam: sie schienen sich nicht darüber klar zu sein, dass es auch ihnen eines Tages wie diesem Mann gehen konnte.
„Hab mich schon oft gefragt, was sie woll mit all diesen dreckigen ollen Lumpen machen", sagte Philpot.
„Papier", erklärte Harlow kurz.
„Aus einigen", meinte Barrington, „und aus anderen werden schäbige Stoffe hergestellt und daraus dann Sonntagsanzüge für Arbeiter gemacht."
„'s gibt die verschiedensten Arten, sich seine Piepen zu verdienen", bemerkte Sawkins nach einer Pause. „Neulich hab ich in der Zeitung von 'nem Kerl gelesen, der rumlief und sich vor den Läden nach offenen Falltüren und Kellerklappfenstern umguckte. Sowie er 'n offnes sah, spazierte er hin und fiel rein, und dann brachten sie *n ins Krankenhaus, und wenn's ihm wieder besser ging, da lief er zu dem Ladenbesitzer und drohte, ihn wegen Schadenersatz zu verklagen, und die meisten spuckten was aus, ohne erst vor Gericht zu gehn. Aber eines Tages beobachtete ihn 'n Textilhändler und sah, wie er absichtlich reinhopste, und als sie 'n rausholten, hatte er sich's Bein gebrochen. Den brachten sie also ins Krankenhaus, und wie er rauskam und zu dem Laden ging und davon anfing, dass er 'ne Klage wegen Schadenersatz einreichen wollte, nahm ihn der Textilhändler beim Kragen, und er kriegte sechs Monate aufgebrummt."
„Ja, davon hab ich gelesen", sagte Harlow, „und's gab noch 'nen andren Fall, wo 'n Kerl von 'nem Auto überfahren wurde, und sie versuchten, 's so zu drehen, als wenn er sich mit Absicht in 'n Weg gestellt hätte; aber der feine Pinkel, dem's gehört hat, musste blechen - hundert Pfund. glaub ich, war's."
„Ich wünschte nur, mich würd mal eins von ihren Autos überfahren", sagte Philpot in dem schwachen Versuch zu scherzen. „Ich wette, ich würd was aus ihnen rausholen."
Die anderen lachten, und Harlow wollte gerade antworten; aber in diesem Augenblick kam ein Radfahrer den Hügel herunter aus der Richtung ihrer Arbeitsstelle. Es war Nimrod; sie nahmen deshalb ihre Fahrt wieder auf, und kurz danach schoss Hunter auf seinem Rad an ihnen vorbei, ohne Notiz von ihnen zu nehmen.
Als sie ankamen, erfuhren sie, dass Rushton überhaupt nicht dagewesen war, wohl aber Nimrod. Crass sagte, er habe einen Heidenspektakel vollführt, weil sie die Leiter nicht früh um sechs vom Gerätehof abgeholt hätten, anstatt erst nach dem Frühstück dorthin zu gehen und den Weg zweimal zu machen, und er habe sich auch mächtig aufgepustet, weil sie mit dem Giebel nicht gleich heute früh angefangen hätten.
Sie trugen die Leiter in den Garten und legten sie entlang der Hauswand, an der sich der Giebel befand, auf den Boden. Eine etwa zweieinhalb Meter hohe Ziegelmauer trennte das Gelände der „Zuflucht" vom Nachbargrundstück. Zwischen dieser Mauer und der Seitenwand des Hauses befand sich ein ungefähr ein Meter achtzig breiter Zwischenraum, der eine Art Gang oder Passage neben der Hauswand bildete. Sie legten die Leiter in diesen Gang auf den Boden, den Fuß etwa auf der Hälfte des Ganges, gerade unter dem Mittelpunkt des Giebels, und als sie dort lag, reichte ihr anderes Ende bis zum vorderen Gartenzaun.
Nun sollten zwei Mann zum Dachboden hinaufsteigen, dessen Fenster genau unter der Giebelspitze lag, und den anderen das Ende eines langen Seils zuwerfen, damit sie es um das obere Leiterende banden. Danach müssten sich zwei Leute auf die unterste Sprosse stellen, um den Fuß
der Leiter festzuhalten, und drei andere müssten diese Leiter aufrichten, während die beiden oben auf dem Dachboden den Strick heraufzögen.
Sie riefen Bundy und seinen Kumpel Ned Dawson zu Hilfe und machten aus, dass Harlow und Crass sich auf die unterste Sprosse stellten, weil sie die Schwersten waren. Philpot, Bundy und Barrington sollten die Leiter aufrichten, während Dawson und Sawkins auf den Dachboden gehen wollten, um das Seil hinaufzuziehen.
„Wo ist 'n das Seil?" fragte Crass.
Die anderen sahen ihn bestürzt an. Keiner hatte daran gedacht, eines vom Gerätehof mitzubringen.
„Wieso - ist 'n keins nicht hier?" fragte Philpot.
„Hier? Natürlich ist keins hier!" knurrte Crass. „Wollt ihr etwa sagen, dass ihr keins mitgebracht habt?"
Philpot stammelte etwas wie, er habe gemeint, es sei schon eins im Haus, und die anderen sagten, sie hätten überhaupt nicht daran gedacht.
„Was, zum Teufel, machen wir 'n nu?" schrie Crass wütend.
„Ich laufe zum Gerätehof und hole eins", schlug Barrington vor. „Ich schaffe es in zwanzig Minuten hin und zurück."
„Jawoll, und das gibt 'nen schönen Krach, wenn dich Hunter sieht! Jetzt ist's schon beinah zehn, und wir haben mit dem Giebel noch nicht mal angefangen, wo wir uns doch gleich heute morgen als erstes dranmachen sollten!"
„Könnten wir 'n nicht zwei oder drei von den kurzen Stricken zusammenbinden?" meinte Philpot. „Die, wo die andren beiden Leitern mit zusammengebunden waren?"
Da es gewiss Krach gäbe, wenn sie noch länger warteten, um jemand zum Gerätehof zu schicken, beschlossen sie, Philpots Vorschlag zu befolgen.
Mehrere der kurzen Stricke wurden also zusammengebunden; wie sie aber bei näherer Untersuchung feststellten, waren einige Stellen so schwach, dass sogar Crass zugeben musste, es wäre gefährlich, die schwere Leiter damit hinaufzuziehen.
„Nu, die einzige Möglichkeit ist", sagte er, „dass der Junge zum Hof runter läuft und den langen Strick holt.
'n andrer darf nicht hin, denn 's hat schon mal Krach gegeben wegen der Zeitverschwendung, weil wir die Leiter nicht heut morgen um sechs vom Hof geholt haben."
Bert war unten im Souterrain des Hauses und kalkte einen Keller. Crass rief ihn herauf und gab ihm die nötign Anweisungen, vor allem die, so schnell wie möglich wiederzukommen. Der Junge rannte los, und während die anderen darauf warteten, dass er zurückkehrte, fuhren sie mit ihren verschiedenen Arbeiten fort. Philpot begab sich wieder an den kleinen Giebel, den er vor dem Frühstück gestrichen und noch nicht ganz beendet hatte. Bei der Arbeit packte ihn nun plötzlich eine unerklärliche Angst. Er mochte den anderen Giebel nicht streichen; er fühlte sich zu krank, und fast entschloss er sich, Crass zu fragen, ob er ihn nicht etwas anderes machen lassen wollte. Es waren mehrere jüngere Leute da, die nichts dagegen hätten, den Giebel zu streichen - für sie wäre es ein Kinderspiel; Barrington hatte ihm bereits gestern angeboten, die Arbeit zu tauschen.
Als er dann aber an die möglichen Folgen dachte, zögerte er, diesen Weg zu wählen, und versuchte sich einzureden, er werde mit der Arbeit schon gut zurechtkommen. Er wollte nicht, dass Crass oder Hunter sich notierten, er sei zu alt, um auf der Leiter zu arbeiten.
Bert kam nach ungefähr einer halben Stunde zurück, hochrot und schwitzend unter dem Gewicht des Seils und infolge des Tempos, in dem er gelaufen war. Er lieferte Crass den Strick ab, kehrte dann in seinen Keller zurück und fuhr fort, diesen zu kalken, während Crass Philpot
und den anderen mitteilte, sie sollten die Leiter aufstellen kommen. Er reichte Ned Dawson das Seil, der brachte es auf den Boden hinauf, begleitet von Sawkins; als sie dort angekommen waren, ließen sie ein Ende aus dem Fenster zu den anderen hinunter.
„Wenn du mich fragst", sagte Ned Dawson, der die Stränge des Seils kritisch betrachtete, während er es aus dem offenen Fenster laufen ließ, „wenn du mich fragst, ist das hier nicht viel besser als das, was wir aus den kurzen Enden gemacht haben. Guck dir das an" - er bezeichnete eine Seilstelle, die sehr abgewetzt und ausgefranst war -, „und hier ist noch 'ne Stelle, die genauso schlimm ist."
„Um Himmels willen, sag jetzt nichts davon", antwortete Sawkins, „'s hat schon genug Gerede und Zeitverschwendung bei der Arbeit gegeben."
Ned antwortete nicht, und als das Seilende jetzt auf den Boden gelangt war, band Bundy es um die Leiter - etwa sechs Sprossen weit unter der obersten.
Die Leiter lag auf der Erde, parallel zur Hauswand. Es wäre viel leichter gewesen, sie aufzurichten, wenn man sie im rechten Winkel zur Hauswand hätte legen können; das war jedoch wegen des Nachbargrundstücks und der Mauer zwischen den beiden Häusern unmöglich. Da die Leiter nun auf diese Weise aufgestellt werden musste, würden die Männer oben das Seil nicht gerade heraufziehen können; sie mussten sich hinten in den Bodenraum stellen, ohne die Leiter zu sehen, und den Strick um die Ecke durch das Fenster ziehen, wobei er gegen die Kante des Steinsimses und das Mauerwerk reiben würde.
Als das Seilende oben an der Leiter festgebunden war, stellten sich Crass und Harlow auf die unterste Sprosse, und die anderen drei hoben das obere Ende vom Boden; weil Barrington der größte war, stellte er sich in die Mitte unter die Leiter und packte die Sprossen, während Philpot zu seiner Linken und Bundy zu seiner Rechten jeder eine Seite der Leiter hielt. Auf ein Zeichen von Crass begannen Dawson und Sawkins, das Seil einzuholen, und langsam hob sich das obere Ende der Leiter in die Luft.
Philpot war bei dieser Arbeit zu nicht sehr viel nütze; das machte es für die beiden anderen, welche die Leiter anhoben, um so schwerer, und außerdem belastete es das Seil noch stärker. Da ihm die Kraft fehlte und weil die beiden anderen versuchten, das wettzumachen, schwankte die Leiter von einer Seite auf die andere, was sie nicht getan hätte, wenn alle gleich stark gewesen wären.
Oben bemerkten Dawson und Sawkins inzwischen, während sie mit großer Anstrengung das Seil einholten, dass es eine Rille in die Ecke des Mauerwerks neben dem Fenster gerieben hatte, obwohl die Leiter erst wenig mehr als halb oben war; ab und zu konnten sie den Strick überhaupt nicht weiter hereinholen, obwohl sie mit aller Kraft zogen, und es schien ihnen, die unten müssten die Leiter wohl ganz und gar losgelassen oder aufgehört haben, sie zu heben.
So war es auch. Für die drei Leute war das Gewicht so überwältigend schwer, dass sie ein- oder zweimal einige Sekunden in ihrer Anstrengung nachlassen mussten, und während dieser Augenblicke hatte das Seil das ganze Gewicht der Leiter zu tragen, und der Teil des Seils, der das größte Gewicht trug, war der, welcher eben auf der Ecke des Mauerwerks neben dem Fenster lag. Und nun geschah es, dass sich gerade eine der abgewetzten und ausgefransten Stellen, über die Dawson gesprochen hatte, während einer solchen kurzen Pause auf der Kante befand. An einem Ende des Seils hing die schwere Leiter und straffte die abgewetzte Stelle gegen die Mauerecke und die scharfe Kante des Steinsimses, während Dawson und Sawkins am anderen Ende mit ganzer Kraft zogen; in diesem Augenblick zerriss das Seil wie ein Zwirnsfaden. Ein Ende blieb Sawkins und Dawson in den Händen, und sie taumelten in den Bodenraum zurück; das andere flog in die Luft und schlängelte sich wie die Schnur einer gigantischen Peitsche. Einen Augenblick lang schwankte die schwere Leiter von einer Seite auf die andere; Barrington, der darunter stand und mit über den Kopf erhobenen Händen eine der Sprossen gepackt hielt, kämpfte verzweifelt, sie zu halten. Zu seiner Rechten stand Bundy, gleichfalls mit erhobenen Armen die Seite haltend, und zur Linken, zwischen der Leiter und der Wand, stand Philpot.
Einen kurzen Augenblick lang bemühten sie sich verbissen, die überwältigende Last zu stützen; Philpot jedoch hatte keine Kraft; die Leiter schwankte zur Linken hinüber und krachte hernieder, ihn zu Boden und gegen die Hauswand schmetternd. Er fiel mit dem Gesicht nach unten und die Leiter quer über seine Schultern; die mit den Eisenbändern umwickelte Seite stürzte ihm aufs Genick und presste ihm das Gesicht gegen die Backsteine am Fuß der Hauswand. Er gab keinen Laut von sich und lag völlig reglos, während ihm das Blut aus Schürfwunden im Gesicht strömte und aus den Ohren tropfte.
Barrington war gleichfalls zu Boden gerissen worden, den Kopf und die Arme unter der Leiter; er hatte blutende Wunden an Kopf und Gesicht davongetragen und war bewusstlos; von den anderen war niemand verletzt, denn alle hatten Zeit gehabt, zur Seite zu springen, als die Leiter umfiel. Auf ihre Schreie liefen die übrigen herbei, und schnell wurde die Leiter von den beiden bewegungslos Daliegenden gehoben. Zuerst schien ihnen, Philpot sei tot, und [[Easton rannte eiligst, um einen in der Nachbarschaft wohnenden Arzt zu holen, der nach wenigen Minuten herbeikam.
Der Doktor kniete nieder und untersuchte sorgfältig Philpots zerschmetterten, bewegungslosen Körper, während die anderen in entsetztem Schweigen daneben standen.]]
[Barrington, der glücklicherweise nur vorübergehend betäubt war, saß an die Wand gelehnt und hatte keine ernsteren Verletzungen davongetragen als nur kleinere Abschürfungen und Quetschungen.]
[[Der Arzt untersuchte Philpot nur kurz, und als er sich von den Knien erhob, sahen bereits alle an seiner Miene, noch ehe er gesprochen hatte,]] dass ihre schlimmsten Befürchtungen sich bestätigten.
Philpot war tot.

Sozialismus • Kommunismus • Sozialistische Belletristik • Kommunistische Unterhaltungsliteratur • Proletarisch-Revolutionäre Literatur • Utopische Klassiker • Arbeiterroman • Agitationsliteratur