42. Kapitel Die Ostergabe. Der Betriebsausflug
Anfang April wurde bei der Firma Rushton & Co. wieder neun Stunden am Tag gearbeitet - von sieben Uhr morgens bis fünf Uhr dreißig nachmittags, und nach Ostern begann man den vollen Arbeitstag von sechs Uhr morgens bis fünf Uhr dreißig nachmittags auszunutzen; das waren elf Stunden täglich oder vielmehr zehn Stunden, denn eine halbe Stunde ging für das Frühstück und eine Stunde für das Mittagessen verloren.
Kurz vor Ostern fragten einige der Arbeiter Hunter, ob sie am Karfreitag und Ostermontag arbeiten dürften, denn, so meinten sie, während des Winters hätten sie genügend Feiertage gehabt; sie hätten kein Geld übrig, um Urlaub zu machen und wollten nicht den Lohn von zwei Tagen verlieren, wenn es Arbeit gebe. Hunter erklärte ihnen, es seien nicht genügend Aufträge vorhanden, damit er es verantworten könne, ihre Bitte zu erfüllen - das Geschäft sei wieder sehr am Abflauen, und Mr. Rushton habe beschlossen, die Arbeit von Donnerstag Abend bis Dienstag morgen einzustellen. Auf diese Weise wurden sie daran gehindert, am Karfreitag zu arbeiten; zum Gottesdienst ging jedoch nicht mehr als ein Arbeiter von fünfzig an diesem oder einem anderen Tag während des Osterfestes. Im Gegenteil, das Fest war ein Anlass zum Fluchen und zum Lästern für die, deren Geldnot und Armut es verschlimmern half, indem es sie zu nutzlosem Müßiggang zwang, den zu genießen sie ja nicht die Mittel hatten.
Während der Feiertage führten einige der Arbeiter auf eigene Rechnung kleine Aufträge aus, und andere brachten ihre gesamte Zeit, einschließlich des Karfreitags und des Ostersonntags, damit zu, in ihren Gärtchen zu arbeiten, zu graben und zu pflanzen.
Als Owen eines Abends während der Woche vor Ostern nach Hause kam, gab Frankie ihm einen Briefumschlag, den er in der Schule erhalten hatte. Darin war ein gedrucktes Flugblatt enthalten:
KIRCHE DES ÜBERTÜNCHTEN GRABES MUGSBOROUGH
Ostern 19 .. Sehr geehrter Herr, sehr verehrte Dame!
Getreu unserer Sitte laden wir Sie herzlichst ein, sich uns bei der Überreichung einer Ostergabe an den Vikar Herrn Pfarrer Habakuk Schwätzer als Beweis unserer Zuneigung und Hochachtung anschließen zu wollen.
Hochachtungsvoll
W. Schneider A. Käsemann
Mitglieder des Kirchenrats.
Das Einkommen Mr. Schwätzers aus verschiedenen mit der Kirche verbundenen Quellen betrug über sechshundert Pfund jährlich oder etwa zwölf Pfund die Woche; da diese Summe jedoch offensichtlich nicht ausreichte, bedienten sich seine Bewunderer dieses Kunstgriffs, um sie zu erhöhen. Frankie erzählte, alle Jungen hätten einen solchen Brief erhalten und wollten ihre Väter um etwas Geld für die Ostergabe bitten. Die meisten erwarteten zwei Pence.
Da der Junge offenbar sein Herz daran gehängt hatte, das gleiche zu tun wie die übrigen Kinder, gab ihm Owen die zwei Pence, und später hörten sie, die Ostergabe betrage in diesem Jahr hundertsiebenundzwanzig Pfund; sie stammte aus den Summen, welche die Kinder, die Distriktbesucherinnen und der Kirchendiener von den Gemeindemitgliedern gesammelt hatten, sowie aus einer bei einem Sondergottesdienst veranstalteten Sammlung und aus Spenden der bereits erwähnten halb schwachsinnigen alten Frauen.
Bis Ende April waren fast alle Stammarbeiter wieder beschäftigt, und dazu waren noch mehrere Gelegenheitsarbeiter eingestellt worden, darunter auch der Halbbetrunkene. Außerdem hatte Elend noch einige Fliegengewichtler - wie er sie nannte - eingestellt, Leute, die keine wirklichen Facharbeiter waren, sich aber in den einfacheren Dingen des Handwerks genügend Kenntnisse angeeignet hatten, um einigermaßen zurechtzukommen. Sie erhielten einen Lohn von fünf Pence oder fünfeinhalb Pence und wurden Leuten vorgezogen, die eine Lehre durchgemacht hatten; denn diese verlangten höhere Löhne und wurden deshalb nur dann beschäftigt, wenn es unumgänglich notwendig war. Neben den Fliegengewichtlern arbeiteten noch ein paar junge Burschen dort, so genannte Jung-Gesellen, die gleichfalls beschäftigt wurden, weil es billige Arbeitskräfte waren.
Crass betätigte sich jetzt als Farbenmischer; dazu war er vermutlich deshalb ernannt worden, weil er absolut nichts von den Gesetzen der Farbenzusammenstellung verstand. Da es sich bei den meisten Aufträgen um kleinere Arbeiten handelte, wurden die Farben und Tünchen in der Werkstatt gemischt und gebrauchsfertig an die verschiedenen Arbeitsstellen geschickt.
Gewöhnlich trug Sawkins oder ein anderer Fliegengewichtler die schwereren Mengen Farbe oder die Gerüstteile; die kleineren Mengen aber und Dinge wie eine Stehleiter oder ein Brett wurden meistens vom Jungen gebracht, dessen schlanke Beine bereits ganz krumm geworden waren, seit er damit beschäftigt war, den anderen Menschenfreunden beim Geldverdienen für Mr. Rushton zu helfen.
Crass' Aufgabe als Farbenmischer wurde bis zu einem gewissen Grade durch die große Anzahl Spezialfarben und -tünchen aller Schattierungen vereinfacht, die von den Herstellerfirmen gebrauchsfertig geliefert wurden. Die meisten dieser neumodischen Gemengsei wurden von den Arbeitern mit Misstrauen und Abneigung betrachtet, und Philpot brachte eines Tages während des Mittagessens die allgemein herrschende Meinung zum Ausdruck, als er sagte, 'ne Zeitlang sähen sie vielleicht ganz gut aus, halten würden sie jedoch wahrscheinlich nicht, denn sie beständen ja zumeist aus „Kimikalien".
Eine dieser neumodischen Farben hieß „Versteinerungsflüssigkeit" und wurde als erster Anstrich auf zerbröckelndem Stein oder Gips benutzt; sie sollte eigentlich ebenfalls zur Verdünnung einer gewissen Sorte Patenttünche gebraucht werden; als Elend jedoch entdeckte, dass diese sich auch mit Wasser verdünnen ließ, wurde keine „Versteinerungsflüssigkeit" mehr zu diesem Zweck benutzt. Diese „Versteinerungsflüssigkeit" gab Anlass zu vielen unschuldigen Scherzen unter den Arbeitern. Der Name wurde auf den Tee angewandt, den sie an einigen Arbeitsstellen in Eimern bereiteten, und ebenfalls auf das in gewissen Wirtshäusern ausgeschenkte Starkbier.
Eine der neuen Erfindungen wurde von den Arbeitern mit einer gewissen Empörung aufgenommen; es war ein weißer Emaillelack, und sie waren aus zwei Gründen dagegen eingenommen: einmal, weil er, wie Philpot bemerkte, so schnell trocknete, dass man „wie ein geölter Blitz" arbeiten musste; gleich nachdem man angefangen hatte, musste die ganze Tür gestrichen sein.
Zum anderen war es notwendig, da der Lack so schnell trocknete, Türen und Fenster des Zimmers, in dem er verwendet wurde, geschlossen zu halten, und der Geruch war so furchtbar, dass er Schwindel- und zuweilen Brechanfälle verursachte. Wie wohl kaum erwähnt zu werden braucht, sah Elend es als eine Empfehlung an, dass das Zeug die Arbeiter, die es benutzten, zur Eile zwang.
Was den Geruch betraf, so kümmerte ihn der nicht; er selbst brauchte die Gase ja nicht einzuatmen.
Gerade um diese Zeit beschloss Crass nach gebührender Beratung mit einigen der anderen, darunter Philpot, Harlow, Bundy, Slyme, Easton und der Halbbetrunkene, eine Versammlung der Arbeiter einzuberufen, um zu besprechen ob sie später, im Sommer, den üblichen Betriebsausflug unternehmen wollten. Die Versammlung wurde eines Abends um sechs Uhr unten im Gerätehof in der Tischlerwerkstatt abgehalten, so dass alle daran Interessierten nach der Arbeit Zeit dazu hatten.
Die Leute saßen auf den Bänken, auf den Tischlerschemeln oder lehnten auf Hobelspanhaufen. Mitten in der Werkstatt stand auf ein paar Böcken ein großer Eichenholzsarg, den Crass gerade fertigpoliert hatte.
Als alle, auf die man so wartete, erschienen waren, wurde Payne, der Vorarbeiter der Tischler - der Mann, der die Särge herstellte -, auf Vorschlag von Crass, unterstützt von Philpot, zum Versammlungsleiter gewählt; danach herrschte feierliches Schweigen, das schließlich vom Versammlungsleiter unterbrochen wurde, der in einer längeren Ansprache den Zweck der Zusammenkunft erklärte. Vielleicht in dem lobenswerten Wunsch, keinerlei Missverständnis aufkommen zu lassen, nahm er sich die Mühe, die Sache mehrmals zu erklären, wobei er immer wieder auf das bereits Gesagte zurückkam und die gleichen Worte ständig von neuem wiederholte, während seine Zuhörer in tödlichem, verlegenem Schweigen darauf warteten, dass er endlich aufhören möge. Payne schien jedoch keineswegs schweigen zu wollen, denn wie ein Mann im Trancezustand fuhr er fort zu wiederholen, was er bereits gesagt hatte, anscheinend in der Meinung, er müsse die Sache jedem einzelnen der Versammelten gesondert erklären. Endlich konnten es die Zuhörer nicht länger aushalten; sie begannen „Hört, hört!" zu rufen und mit Holzstücken und Hämmern auf den Fußboden und die Bänke zu klopfen; da ließ sich der Versammlungsleiter - nach einer letzten Wiederholung der Feststellung, die Zusammenkunft sei einberufen worden, um darüber zu sprechen, ob es ratsam sei, einen Ausflug oder ein „Betriebsfest" zu veranstalten - auf einen Tischlerschemel fallen und wischte sich den Schweiß von der Stirn.
Nun erinnerte Crass die Versammelten daran, dass der Betriebsausflug im letzten Jahr ein glänzender Erfolg gewesen sei, und was ihn betreffe, so täte es ihm sehr leid, wenn dieses Jahr keiner stattfände. Letztes Jahr hatte sie vier Kutschen gehabt und seien nach Tubberton Village gefahren.
Freilich gebe es in Tubberton nicht viel zu sehen, aber eins könnten sie auf jeden Fall dort erhalten, was sie nirgends mit Gewissheit für das gleiche Geld erhielten, nämlich ein gutes Essen. (Beifall.) Damit sie schnell vorankämen, schlage er vor, sie sollten beschließen, nach Tubberton zu fahren und auch ein Komitee zu ernennen, um wegen des Essens mit dem Wirt des Gasthauses zur Königin Elisabeth in dem genannten Ort zu verhandeln.
Philpot unterstützte den Antrag, und Payne schickte sich gerade an, darüber durch Handzeichen abstimmen zu lassen, als sich Harlow zur Geschäftsordnung meldete. Ihm schien, sie gingen ein wenig zu schnell vor. Die richtige Weise, die Sache anzupacken, sei, zuerst einmal festzustellen, ob die Versammelten überhaupt einen Betriebsausflug zu unternehmen wünschten, und wenn sie sich dafür entschieden, könnten sie danach festlegen, wohin sie fahren wollten und ob es ein ganztägiger oder nur ein halbtägiger Ausflug werden solle.
Der Halbbetrunkene meinte, es schere ihn nicht einen furchtbaren Ausdruck, wohin sie gingen; er sei stets bereit, sich der Entscheidung der Mehrheit zu fügen. (Beifall.) Ihm sei es gleich, ob sie einen Ganztags- oder Halbtags oder einen Zweitageausflug machten; ihm sei alles recht.
Easton schlug vor, ein Eisenbahnsonderabteil zu mieten und nach London in Madame Tussauds Wachsfigurenkabinett zu fahren. Er sei noch nie dort gewesen und habe sich häufig gewünscht, es einmal zu sehen. Philpot erhob jedoch den Einwand, wenn sie dorthin gingen, könnte Madame Tussaud sie vielleicht nicht wieder herauslassen.
Bundy unterstützte Crass' Worte über Tubberton. Gleichgültig, wohin sie auch gingen - nirgends erhielten sie soviel für ihr Geld wie letztes Jahr in der „Königin Elisabeth". (Beifallsrufe!)
Der Versammlungsleiter sagte, er erinnere sich sehr gut an den letzten Betriebsausflug. Sie hätten den halben Tag genommen und am Sonnabend um zwölf Uhr anstatt um eins mit der Arbeit aufgehört, so dass sie nur einen Stundenlohn verloren; dann seien sie nach Hause gegangen,
hätten sich gewaschen und umgezogen und seien um ein Uhr bei den „Cricketers" gewesen, wo die Kutschen auf sie warteten. Dann hätten sie die zweistündige Fahrt nach Tubberton gemacht und seien unterwegs im „Blauen Löwen", im „Kriegerhaupt", im „Spatz in der Hand", in der „Tautropfenschenke" und der „Umgekehrten Welt" eingekehrt, um einige Glas Bier zu trinken. (Beifall.) Sie seien um drei Uhr dreißig in der „Königin Elisabeth" angelangt; das Essen habe schon bereitgestanden und sei eine der „pfundigsten Angelegenheiten" gewesen, die er je erlebt habe. (Hört, hört!) Es habe Suppe, Gemüse, Roastbeef Hammelbraten, Lämmerbraten mit Pfefferminzsauce Pflaumenpudding, Yorkshirepudding und noch vieles andere gegeben. Der Wirt der „Königin Elisabeth" hielte einen solchen Tropfen Bier, wie man ihn sich nur wünschen könne, und was die Abstinenzler betreffe, so haben sie Tee, Kaffee oder Ingwerbier trinken können.
Nachdem Payne auf diese Weise von neuem den Anfang gemacht hatte, fand er es sehr schwer innezuhalten und wollte fortfahren, weitere Einzelheiten des letzten Betriebsausflugs aufzuzählen, als Harlow sich wieder von seinem Hobelspanhaufen erhob und erklärte, er möchte den Versammlungsleiter zur Ordnung rufen. (Hört, hört!) Was zum Teufel nütze denn die ganze Diskussion, ehe sie nicht entschieden hätten, ob sie überhaupt einen Betriebsausflug unternehmen wollten! War die Versammlung für einen Betriebsausflug oder nicht, das sei die Frage.
Nun folgte langes, unbehagliches Schweigen. Alle fühlten sich sehr verlegen und blickten unbeweglich zu Boden oder starrten gerade vor sich hin.
Endlich brach Easton das Schweigen und meinte, es wäre kein schlechter Gedanke, wenn jemand den Antrag stellte, es solle beschlossen werden, einen Betriebsausflug zu veranstalten. Das wurde mit allgemeinem Gemurmel: „Hört, hört!" aufgenommen, und darauf folgte wieder eine verlegene Pause; nun fragte der Versammlungsleiter Easton, ob er den Antrag stellen wolle. Nach einigem Zögern erklärte sich Easton bereit und stellte formell den Antrag, dass „die hier Versammelten sich für einen Betriebsausflug entscheiden".
Der Halbbetrunkene erklärte, damit sie vorankämen, wolle er den Antrag unterstützen. Inzwischen war jedoch ein Streit zwischen den Befürwortern verschiedener Lokale entbrannt, und mehrere Leute begannen, Anekdoten über frühere Betriebsausflüge zu erzählen. Fast alle sprachen gleichzeitig, und es verging eine geraume Weile, bis der Versammlungsleiter den Antrag zur Abstimmung stellen konnte. Da er es unmöglich fand, sich inmitten des Lärms Gehör zu verschaffen, begann er, mit einem Holzhammer auf die Bank zu schlagen und mit lauter Stimme „Ordnung!" zu rufen; das diente jedoch nur dazu, das Getöse noch zu steigern. Einige blickten ihn neugierig an und fragten sich, was wohl mit ihm los sei, die meisten aber waren so vertieft in ihre eigene Unterhaltung, dass sie überhaupt nicht auf ihn Acht gaben.
Während der Versammlungsleiter versuchte, die Aufmerksamkeit der Anwesenden auf sich zu lenken, um abstimmen zu lassen, hatte sich Bundy in einen Streit mit einigen der neuen Arbeiter verwickelt, die behaupteten, sie wüssten ein noch besseres Lokal als die „Königin Elisabeth", eine Kneipe namens „Die Neugefundene" in Mirkfield. einige Meilen hinter Tubberton, und ein anderer mischte sich mit der Behauptung in die Diskussion, für einen Betriebsausflug sei ein „Die drei Tölpel" genanntes Haus in Slushton-cum-Dryditch das beste Ziel innerhalb eines Umkreises von hundert Meilen von Mugsborough. Er sei letztes Jahr mit den Leuten von Stößer und Treiber dort gewesen, und es habe Roastbeef, Gänsebraten, Marmeladentorte. Fasteten, Sardinen. Milchpudding. Sülze und für jeden Mann einen halben Liter Bier gegeben, der im Preis für das Essen einbegriffen gewesen sei. Mitten in ihrer Unterhaltung bemerkten sie, dass die meisten der übrigen die Hand hochhielten, und um ihren guten Willen zu zeigen, erhoben sie die ihre gleichfalls, und darauf erklärte der Versammlungsleiter, der Antrag sei einstimmig angenommen worden.
Bundy sagte, er bitte den Versammlungsleiter, den soeben gefassten Beschluss vorzulesen; er habe den Wortlaut nicht verstanden.
Der Versammlungsleiter erwiderte, es gebe keinen schriftlichen Beschluss. Die Abstimmung sei nur erfolgt, um der Ansicht der hier Versammelten Ausdruck zu verleihen ob ein Betriebsausflug stattfinden solle oder nicht.
Bundy sagte, er habe nur eine höfliche Frage gestellt um sich zu informieren; alles, was er wissen wolle, sei: wie lautete der Beschluss? Waren sie für einen Betriebsausflug oder nicht?
Der Versammlungsleiter antwortete, die Anwesenden seien einstimmig dafür. (Applaus.)
Harlow meinte, das nächste, was nun zu tun wäre, sei den Tag festzulegen. Crass schlug den letzten Sonnabend im August vor. Das ließe ihnen genügend Zeit, ihren Anteil einzuzahlen.
Sawkins fragte, ob es ein Tages- oder ein Halbtagsausflug werden solle. Er selbst sei für den ganzen Tag. Sie hätten dabei nur den Lohnausfall von einem Morgen. Es lohne sich kaum, überhaupt zu fahren, wenn sie nur den halben Tag hätten.
Der Halbbetrunkene bemerkte, ihm sei gerade ein ausgezeichnetes Lokal eingefallen, wohin sie gehen könnten, falls sie sich für einen Wechsel entschieden. Vor drei Jahren habe er bei Sudler Sc Schluder gearbeitet, und sie seien im „Als Erster hinein und als Letzter heraus" in Bashford gewesen. Das sei ein sehr kleines Haus, aber es gebe dort ein Feld, wo man Kricket oder Fußball spielen könne, und das Essen sei erstklassig. Zum Wirtshaus gehöre auch eine Kegelbahn, die man unentgeltlich benutzen könne. Ein Flüsschen gebe es ebenfalls dort, und einer der Burschen habe sich dermaßen betrunken, dass er nicht mehr gewusst habe, was er tat, und ins Wasser gesprungen sei, und wie sie ihn herausgeholt hätten, habe ihn der Dorfpolizist eingesperrt, und am nächsten Tag sei er vor den Richter geführt und zu einer Strafe von zwei Pfund oder einem Monat Zwangsarbeit wegen versuchten Selbstmords verurteilt
worden.
Easton machte darauf aufmerksam, dass man auch noch anderes beachten müsse: angenommen, sie entschieden sich für den Betriebsausflug, so werde der seiner Schätzung nach etwa sechs Schilling pro Kopf kosten. Finde er Ende August statt und begännen sie bereits jetzt mit den Einzahlungen
- vielleicht einen Sechser die Woche -, so hätten sie genügend Zeit, den Betrag zusammenzubringen; aber angenommen, die Arbeit flaute ab, und einige von ihnen würden entlassen?
Crass sagte, in diesem Falle könne der betreffende Mann entweder sein Geld zurückerhalten oder es in der Kasse belassen und seine Zahlungen weiter leisten, selbst wenn er bei einer anderen Firma arbeitete; dass er dann nicht mehr bei Rushton sei, bedeute kein Hindernis, am Betriebsausflug teilzunehmen.
Harlow schlug vor zu beschließen, ebenso wie letztes Jahr zur „Königin Elisabeth" zu fahren und einen halben Tag dafür zu nehmen.
Philpot erklärte, damit sie vorankämen, unterstütze er den Antrag.
Bundy stellte den Zusatzantrag, einen ganzen Tag zu nehmen und um neun Uhr morgens von den „Cricketers" abzufahren, und Sawkins meinte, damit sie vorankämen, unterstütze er ihn.
Einer der neuen Arbeiter sagte, er möchte einen zweiten Zusatzantrag stellen. Er schlug vor, die „Königin Elisabeth" auszustreichen und die „Drei Tölpel" dafür einzusetzen.
Nach einer Pause fragte der Versammlungsleiter, ob jemand diesen Zusatzantrag befürworte, und der Halbbetrunkene erklärte, obwohl es ihm ziemlich gleich sei, wohin sie gingen, wolle er den Zusatzantrag unterstützen, damit sie vorankämen, obgleich er persönlich vorziehe, zum Wirtshaus „Als Erster hinein und als Letzter heraus" nach Bashford zu fahren.
Der neue Arbeiter bot an, seinen Vorschlag bezüglich der „Drei Tölpel" zugunsten der Anregung des Halbbetrunkenen zurückzuziehen; der sagte jedoch, es sei gleichgültig, der Antrag könne so bleiben, wie er sei.
Da es bereits ziemlich spät wurde, gingen mehrere der Leute nach Hause, und von allen Seiten begann der Ruf „Lass abstimmen!" zu ertönen; daher wollte der Versammlungsleiter gerade über Harlows Antrag abstimmen lassen, als ihn der neue Arbeiter unterbrach und darauf hinwies, dass es seine Pflicht als Versammlungsleiter sei, zuerst über die Zusatzanträge abstimmen zu lassen. Das hatte wieder
eine lange Diskussion zur Folge, in deren Verlauf ein sehr großer, magerer Mensch mit einer metallisch scharf klingenden Stimme einen langen, weitschweifigen Vortrag über Verfahrensregeln und über die Leitung öffentlicher Versammlungen hielt. Er sprach sehr langsam und bedächtig benutzte sehr lange Wörter und behandelte das Thema erschöpfend. Ein Antrag sei ein Antrag, und ein Zusatzantrag sei ein Zusatzantrag, es gebe auch, was man einen Zusatz zu einem Zusatzantrag nenne; das Verfahren im Unterhaus weiche erheblich von dem im Oberhaus ab - und so fort.
Dieser Mann sprach etwa zehn Minuten lang und hätte vielleicht noch zehn Stunden lang gesprochen, wäre er nicht rau von Harlow unterbrochen worden, der sagte, ihm scheine, sie blieben vermutlich die ganze Nacht da, wenn sie weiter so machten wie bisher. Er wolle seinen Tee trinken und auch noch einige Stunden schlafen, ehe er am Morgen wieder zur Arbeit gehen müsse. Ihm hinge all das Gerede zum Halse heraus. (Hört, hört!) Damit sie vorankämen, wolle er seinen Antrag zurückziehen, sofern die anderen ihre Zusatzanträge zurückzögen. Seien sie bereit, das zu tun, so wolle er einen neuen Antrag stellen, der, falls er angenommen werde, allen Erfordernissen entspreche.
Der Mann mit der metallischen Stimme bemerkte, es sei nicht nötig, nach dem Einverständnis der Zusatzantragsteller zu fragen; werde der ursprüngliche Antrag zurückgezogen, so seien auch alle Zusatzanträge hinfällig.
„Letztes Jahr", sagte Crass, „als wir in der ,Königin Elisabeth' nach dem Essen aus dem Zimmer gegangen sind, da hat der "Wirt auf 'n Tisch gezeigt und gesagt: ,'s ist genug übrig geblieben, dass jeder von euch noch mal 'ne Portion haben kann.'" (Beifallsrufe.)
Harlow erklärte, er beantrage, den Ausflug am letzten Sonnabend im August zu machen, ihn auf einen halben Tag anzusetzen, beginnend um ein Uhr, so dass sie bis zwölf Uhr arbeiten konnten, was bedeute, dass sie nur einen Stundenlohn verlören, ferner, zum selben Lokal zu fahren wie letztes Jahr - zur „Königin Elisabeth". (Hört, hört!) Ferner das gleiche Komitee zu ernennen wie letztes Jahr -bestehend aus Crass und Bundy -, damit es alle Vorbereitungen treffe und die Beiträge einsammle. (Beifall.)
Der hochgewachsene Mann bemerkte, das sei, was man einen Komplexantrag nenne, und er machte Anstalten, dies näher zu erklären, als der Versammlungsleiter ausrief, es sei verdammt unwichtig, wie das Ding genannt werde - sei irgend jemand bereit, es zu unterstützen? Der Halbbetrunkene sagte, er wolle das tun - damit sie vorankämen.
Bundy stellte einen von Sawkins unterstützten Zusatzantrag, lieber einen ganzen Tag zu nehmen.
Der neue Arbeiter stellte den Zusatzantrag, die „Königin Elisabeth" durch die „Tölpel" zu ersetzen.
Easton beantragte, die „Königin Elisabeth" durch Madame Tussauds Wachsfigurenkabinett zu ersetzen. Er sagte, er beantrage das nur, um die Meinung der Versammelten festzustellen.
Harlow wies darauf hin, dass die Kosten für eine solche Fahrt mindestens ein Pfund pro Person betrügen. Die Eisenbahnfahrt, die Straßenbahnfahrt in London, die Mahlzeiten - denn dazu musste man mindestens einen ganzen Tag haben - und andere Nebenausgaben, ganz zu schweigen vom Lohnausfall. Es werde keinem von ihnen möglich sein, den nötigen Betrag während der nächsten vier Monate zu sparen. (Hört, hört!)
Philpot wiederholte seine Warnung vor der Gefahr eines Besuchs bei Madame Tussaud. Er sei gewiss, hätte die Madame sie erst einmal dort drinnen, so kämen sie niemals wieder heraus. Er habe keine Lust, den Rest seines Lebens als Museumsfigur zu verbringen.
Einer der neuen Arbeiter, ein Mann mit einer roten Krawatte, meinte, nachdem sie einen Monat lang in Versteinerungsflüssigkeit geschwommen hätten, müssten sie sich in der Schreckenskammer recht gut ausnehmen, angekettet und mit Schildern um den Hals „Exemplare liberaler und konservativer Verteidiger des kapitalistischen Systems, 20. Jahrhundert".
Crass protestierte dagegen, dass Politik in diese Versammlung hineingetragen würde. Die Bemerkungen des letzten Redners seien höchst unangebracht gewesen.
Easton sagte, er wolle seinen Zusatzantrag zurückziehen.
Unter der Leitung des Mannes mit der metallischen Stimme ging der Versammlungleiter nun daran, über den Zusatzantrag abstimmen zu lassen. Bundys Vorschlag, einen ganzen Tag zu nehmen, wurde abgelehnt, denn nur er selbst, Sawkins und der Halbbetrunkene stimmten dafür Der Antrag, die „Königin Elisabeth" durch die „Tölpel" zu ersetzen, wurde gleichfalls abgelehnt, und danach nahmen sie den von Harlow gestellten Komplexantrag nemine contradicente an.
Nun schlug Philpot vor, dem Versammlungsleiter den herzlichen Dank der Anwesenden für seine ausgezeichnete Versammlungsleitung auszusprechen. Nachdem das einstimmig beschlossen worden war, schlug der Halbbetrunkene eine ähnliche Dankadresse an Crass für seine der Sache geleisteten Dienste vor, und die Versammlung war beendet. |
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