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Robert Tressell – Die Menschenfreunde in zerlumpten Hosen (1914)
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30. Kapitel Das „Pandorama"

Obwohl die Feier erst um sechs Uhr beginnen sollte, erschien Bert bereits um halb fünf Uhr und brachte das „Pandorama" mit.
Gegen halb sechs Uhr fingen die übrigen Gäste an einzutreffen.
Zuerst kamen Elsie und Charley Linden - das Mädchen in einem hübschen blauen, mit weißer Spitze besetzten Kleid und Charley in einem neuen Anzug prangend, der, wie das Kleid seiner Schwester, aus jemandes abgelegten Sachen angefertigt worden war, die eine Wohlfahrtsdame bei einem Hausbesuch ihrer Mutter gegeben hatte. Es hatte Mrs. Linden viele Stunden mühseliger Arbeit gekostet, diese Kleidungsstücke zurechtzuschneidern - mehr Zeit tatsächlich, als die Sachen wert waren, denn obwohl sie gut aussahen, besonders Elsies Kleid, war doch der Stoff so alt, dass er nicht sehr lange halten würde; doch nur auf diese Weise gelang es ihr überhaupt, Kleidungsstücke für die Kinder zu beschaffen; denn auf keinen Fall konnte sie sich erlauben, ihnen neue zu kaufen. Daher verbrachte sie viele Stunden mit dem Nähen von Sachen, die, wie sie im voraus wusste, fast sogleich, nachdem sie fertig waren, wieder zerfielen.
Danach kamen Nellie, Rosie und Tommy Newman. Sie sahen bedeutend ärmlicher aus als die anderen beiden Kinder. Ihre Mutter konnte nicht so geschickt aus alten Kleidern neue nähen. Nellie hatte die Bluse einer erwachsenen Frau an, und statt eines Mantels trug sie eine altmodische Jacke aus dickem Tuch mit großen Perlknöpfen. Diese war gleichfalls das Kleidungsstück einer Erwachsenen. Sie war für eine hochgewachsene Frau mit breiten Schultern und schmaler Taille zugeschnitten worden; daher passte sie Nellie nicht gerade hervorragend. Die Taille reichte dem armen Kind bis über die Hüften.
Tommy war in die geflickten Überreste von etwas, was einst ein guter Anzug gewesen war, gekleidet. Der war letzten Sommer bei einem Althändler gekauft worden und mehrere Monate lang Tommys „bester" gewesen; jetzt aber war er ihm viel zu klein geworden.
Der kleinen Rosie, die gerade erst wenig über drei Jahre alt war, erging es besser als den beiden anderen, denn sie hatte ein rotes Tuchkleid an, das ihr ausgezeichnet passte, und wie die Wohlfahrtspflegerin bemerkt hatte, die es ihrer Mutter gebracht hatte, sah es tatsächlich aus, als sei es für sie gemacht worden.
„Sie sieht nicht sehr gut aus", bemerkte Nellie über ihre große Jacke, „aber trotzdem waren wir sehr froh, dass wir sie hatten, als der Regen kam."
Das Kleidungsstück war so groß, dass sie es fertig gebracht hatte, es über alle drei zu breiten, indem sie die Arme aus den Ärmeln gezogen und die Jacke als Umhang benutzt hatte.
Tommys Stiefel waren derart zerrissen, dass die Nässe eingedrungen war und seine Strümpfe ganz durchweicht waren; deshalb hieß Nora ihn, sie auszuziehen und ein paar alte von Frankie zu tragen, während seine eigenen am Feuer trockneten.
Philpot kam mit zwei großen Papiertüten voller Orangen und Nüsse, als sie gerade im Begriff waren, sich zum Tee niederzusetzen - oder vielmehr zum Kakao, für den sich außer Bert alle Kinder entschieden hatten. Bert hätte auch gern Kakao getrunken; da er aber hörte, dass die Erwachsenen Tee tranken, dachte er, es sei männlicher, wenn er das gleiche täte. Die Frage, ob sie Tee oder Kakao zum Tee haben wollten, verursachte ausgelassene Heiterkeit bei den Kindern, und sie fragten einander wiederholt, was sie lieber tränken, „Tee-Tee" oder „Kakao-Tee"? Es kam ihnen so komisch vor, dass sie es immer wieder hersagten und andauernd vor Lachen schrieen, bis Tommy ein Stückchen Kuchen im Halse stecken blieb und er fast blau im Gesicht wurde; dann musste Philpot ihn auf den Kopf stellen und auf den Rücken klopfen, um ihn vor dem Ersticken zu retten. Das ernüchterte die übrigen etwas, aber noch für eine ganze Weile mussten sie von neuem lachen, sobald sie einander ansahen, denn sie hielten es für einen großartigen Witz.
Als sie sich mit „Kakao-Tee", Kuchen und Marmeladebroten voll gestopft hatten, halfen Elsie Linden und Nellie Newman beim Abräumen der Tassen und Teller; dann zündete Owen die Kerzen auf dem Weihnachtsbaum an und verteilte die Spielsachen unter die Kinder, und kurz danach begann Philpot, der eine komisch aussehende Maske aus einem der Knallbonbons gezogen hatte, ein schönes Spiel. er tat, als sei er ein furchtbar wildes Tier, das er einen „Pandrolukus" nannte, kroch auf allen vieren umher, rollte seine Kulleraugen und brummte, er müsse zum Abendbrot einen Jungen oder ein kleines Mädchen zu fressen haben.
Er sah so furchtbar aus, dass sie sich fast vor ihm fürchteten, obgleich sie wussten, es war nur ein Scherz; lachend und kreischend liefen sie davon, um sich hinter Nora und Owen zu verstecken. Trotzdem aber baten sie Philpot, sobald er mit dem Spiel aufhörte, „es doch wieder zu sein", und so musste er fortfahren, ein Pandrolukus zu sein, bis ihn die Erschöpfung zwang, seine natürliche Gestalt wieder anzunehmen.
Danach setzten sich alle um den Tisch und spielten ein Kartenspiel, das sie „Schnapp" nannten, niemand nahm es jedoch mit den Spielregeln sehr genau; alle schienen zu glauben, die Hauptsache sei, soviel Lärm wie nur möglich zu machen. Nach einiger Zeit schlug Philpot vor, zu einem „Bettler, mein Nachbar" genannten Spiel überzugehen,
und er gewann eine Menge Karten, bis sie gewahr wurden, dass er sämtliche Joker in seiner Rocktasche verborgen hatte; da fielen sie alle über ihn her, weil er geschummelt habe. Vielleicht wäre er ernstlich verletzt worden, wäre Bert nicht gewesen, der Ablenkung schuf, indem er sich auf einen Stuhl stellte und ankündigte, er sei im Begriff, ihnen „Bert Whites weltberühmtes Pandorama" zu zeigen, das bereits dem gesamten Adel und den gekrönten Häuptern Europas, Englands, Irlands und Schottlands einschließlich Nordamerikas und Wales' vorgeführt worden sei.
Laute Beifallsrufe begrüßten das Ende seiner Rede. Die Kiste wurde auf den Tisch gestellt und dieser an das Zimmerende geschoben, während die Stühle in zwei Reihen davor aufgestellt wurden.
Das „Pandorama" war eine hölzerne, ungefähr ein Meter lange, fünfundsiebzig Zentimeter hohe und von der Vorder- zur Rückwand etwa dreißig Zentimeter tiefe Kiste, an der vorn eine aus bemalter Pappe hergestellte Bühneneinfassung befestigt war. Das „Schauspiel" bestand aus einer großen Anzahl Bilder, die aus illustrierten Wochenzeitschriften ausgeschnitten und aneinandergeklebt waren, so dass sie einen langen Streifen oder ein Band bildeten. Bert hatte alle Bilder mit Wasserfarben ausgemalt.
Direkt hinter der Bühneneinfassung befand sich an jedem Ende der Kiste eine senkrecht stehende Rolle, und auf diese wurde der lange Bildstreifen aufgerollt. Das obere Ende der Rollen ging durch die Deckenwand der Kiste und war mit je einem Handgriff versehen. Wurden diese Kurbeln gedreht, so zogen die Bilder über die Bühne, wobei sie von einer Walze auf die andere rollten; beleuchtet wurden sie durch das Licht dreier dahinter stehender Kerzen.
Der Gedanke, diese Maschine zu bauen, war Bert bei einer Panoramaschau gekommen, die er vor einiger Zeit gesehen hatte.
„Der Stil der Dekorationen", bemerkte er im Hinblick auf die gemalte Bühneneinfassung, „ist maurisch."
Er zündete die Kerzen hinter der Bühne an, und nachdem er sich noch von Nora ein Tablett ausgeborgt hatte, bat er das Publikum, Platz zu nehmen. Als sich alle gesetzt hatten, forderte er Owen auf, die Lampe und auch die Kerzen am Baum auszulöschen; dann hielt er wieder eine Ansprache und ahmte dabei die Redeweise des Ansagers bei der oben erwähnten Panoramaschau nach.
„Meine sehr verehrten Damen und Herren! Mit Ihrer gütigen Erlaubnis möchte ich Ihnen hiermit 'n paar Bilder von Ereignissen in den verschiedensten Teilen der Welt vorführen. Während jedes Bild auf der Bühne erscheint, geb ich Ihnen 'ne kurze Erklärung dazu, und danach wird die Kapelle 'ne passende Auswahl von Musikstücken spielen, bestehend aus Kirchenliedern und den neuesten und beliebtesten Schlagern, und das Publikum wird gebeten, den Refrain mitzusingen.
Unsere erste Szene", fuhr Bert fort, während er die Kurbeln drehte und das Bild erscheinen ließ, „stellt die Docks von Southampton dar; der prächtige Dampfer, den Sie am Ufer liegen sehen, ist das Schiff, das auf uns wartet um uns in fremde Länder zu bringen. Da wir unsre Reise bereits bezahlt haben, begeben wir uns jetzt an Bord und hissen die Segel."
Als Begleitmusik zu diesem Bild spielte Bert das Lied „Leb wohl, Dolly, ich muss dich jetzt verlassen", und während das Publikum den Refrain zu Ende sang, rollte er eine andere Szene auf die Bühne, die einen schrecklichen Sturm auf der See und ein Schiff darstellte, das offenbar gerade im Begriff war zu kentern. Haushoch bäumten sich die Wogen, und die tintenschwarzen Wolken wurden von sich gabelnden Blitzen zerrissen. Um die furchterregende Wirkung des Bildes zu steigern, trommelte Bert auf das Tablett und spielte „Der Golf von Biskaya", und die Kinder sangen den Refrain, während er das nächste Bild hervorrollte. Das zeigte die Straßen einer großen Stadt; mit gezogenem Schwert zerstreute berittene Polizei eine Menschenmenge. Einige Männer waren niedergeritten und unter die Pferdehufe getrampelt worden, und eine Anzahl andere bluteten heftig aus Kopf- und Gesichtswunden.
„Nach 'ner ziemlich stürmischen Überfahrt kommen wir wohlbehalten in der schönen Stadt Berlin in Deutschland an, grade zur rechten Zeit, um zu sehen, wie 'n Demonstrationszug von arbeitslosen Arbeitern durch die Militärpolizei auseinander getrieben wird. Der Titel dieses Bildes heißt ,Die Zollreform bedeutet Arbeit für alle'."
Als passende Begleitmusik spielte Bert die Melodie eines bekannten Liedes, und die Kinder sangen dazu den Text:
„Ach, dabeizusein! Dabeizusein! Ich wusste, was es heißt, dabeizusein! Und als sie mir die Kleider vom Leibe gerissen, ein blaues Auge gehauen und die Nase zerschmissen, da wusste ich, was es heißt, dabeizusein!"
Während des Gesangs drehte Bert die Kurbeln zurück und brachte das Bild von dem Sturm auf See wieder zum Vorschein.
„Da wir keins auf den Kopf kriegen wollen, machen wir uns so schnell wie möglich von Berlin auf die Socken, solange wir noch heil sind, und schiffen uns wieder auf unserm stolzen Schiff ein, und nachdem wir die Kurbel noch 'n paar Mal gedreht haben, befinden wir uns wieder im Fröhlichen England', wo wir das Innere einer Schmiede sehen, in der 'ne Menge halbverhungerte Frauen Eisenketten machen. Sie arbeiten siebzig Stunden die Woche für sieben Schilling. Unsere nächste Szene heißt ,Die Haken-und-ösen-Kartennäher'. Hier sehen wir das Innere eines Zimmers in Elendstadt, mit 'ner Mutter und drei Kindern und der alten Großmutter; sie nähen Haken und Ösen auf Karten, die dann in Kurzwarenläden verkauft werden. Unter dem Bild steht, dass 384 Haken und 384 Ösen ineinander gehakt und dann auf die Karten genäht werden müssen für einen Penny."
Während dieses Bild fortgerollt wurde, spielte die Kapelle und sangen die Kinder mit großer Begeisterung:

„Herrsche, Britannia, Britannia beherrscht die Wogen!
Niemals, niemals, niemals sollen Briten Sklaven sein!"

„Unser nächstes Bild heißt ,Das Heim eines Engländers'. Hier sehen wir in ein anderes Zimmer in Elendstadt, wo sich der Vater, die Mutter und vier Kinder gerade zum Essen setzen - Brot mit Bratenschmalz und Tee. Unter dem Bild steht, in England gibt's dreizehn Millionen Leute, die immer knapp am Verhungern sind. Die Leute, die ihr hier auf dem Bild seht, könnten vielleicht 'n besseres Essen kriegen, wenn nicht das meiste Geld, was der Mann da verdient, für die Miete draufgehen würde. Wieder drehen wir die Kurbel, und da kommen wir an noch 'ne sehr schöne Szene: ,Frühmorgens auf dem Trafalgar Square'. Hier sehen wir 'nen Haufen Engländer, die die ganze Nacht draußen geschlafen haben, weil sie kein Zuhause haben."
Als angemessene Musikbeigabe zu diesem Bild spielte Bert einen Varietéschlager, dessen Text alle Kinder kannten, und aus vollem Halse sangen sie:

„Ich wohn auf dem Trafalgar Square
mit Bildern und Statuen rings umher,
vier Löwen dort, die behüten mich,
und Lord Nelson starrt mir direkt ins Gesicht.
Natürlich zieht's da gar nicht schlecht,
doch denke ich, ihr gebt mir recht:
Ist's gut genug für Lord Nelson,
ist's auch gut genug für mich."

„Danach werfen wir einen Blick auf den Speisesaal im Elitehotel in London, wo wir die Tische sehen, die grad für 'n Millionärsbankett gedeckt sind. Gabeln und Löffel sind aus massivem Gold, und die Teller sind aus Silber. Die Blumen, die Sie auf den Tischen, von der Decke herunterhängen und an den Wänden sehen, sind zweitausend Pfund wert, und den Kerl, der das Essen gibt, kostet's dreißigtausend Pfund, bloß für dies eine Fest. Noch 'n paar Umdrehungen der Kurbel zeigen uns wieder 'n glänzendes Bankett - der König von Rheinland wird vom englischen Volk bewirtet. Als nächstes sehen wir uns als Zuschauer beim Abendbrot des Oberbürgermeisters im Mansion House. All die dicken Männer, die Sie an den Tischen sitzen sehen, sind liberale und konservative Parlemünzmitglieder. Danach gucken wir uns ein wunderschönes Bild an mit dem Titel: ,Vierbeinige Aristokraten'. Hier sehen Sie die Schoßhunde der Lady Elendswirt beim Essen an ihrem Tisch und auf Stühlen sitzen, weiße Leinenservietten um den Hals gebunden, und sie essen wie Menschen von silbernen Tellern und werden bedient von richtigen lebendigen Dienern im Frack. Lady Elendswirt hat ihre hübschen Lieblinge sehr gern und lässt nicht zu, dass sie irgendwas andres als nur das allerbeste Futter kriegen; sie essen Hühnchen, Rumpsteak, Hammelkoteletts, Reispudding und Götterspeise mit Familiensoße."
„Ich wollte, ich wär 'n Schoßhund - du auch?" bemerkte Tommy Newman zu Charley Linden.
„Na, und ob!" erwiderte Charley.
„Hier sehen wir noch eine Arbeitslosendemonstration", fuhr Bert fort, während er ein anderes Bild hervorrollte. „Zweitausend kräftige Männer, denen nicht erlaubt wird
zu arbeiten. Als nächstes sehen wir das Innere eines Gewerbeheims - blinde Kinder und Krüppel arbeiten für ihren Lebensunterhalt. Unsere nächste Szene heißt ,Billige Arbeitskräfte'. Hier sehen wir 'ne Schar zwölf- und dreizehnjährige kleine Jungens, die ihr Arbeitsblizenz bekommen, was ihnen das Recht gibt, arbeiten zu gehen und Geld zu verdienen, damit sie ihren arbeitslosen Vätern helfen können, dem Wirt die Miete für die Wohnung in Elendsstadt zu zahlen.
Wieder drehen wir die Kurbel und bringen eine unsrer schönsten Szenen auf die Bühne. Dies liebliche Bild heißt ,Der Engel der Barmherzigkeit' und zeigt uns die schöne Lady Elendswirt, wie sie in einer trauten Ecke ihres reizenden Budowars am Tisch sitzt und 'nen kleinen Scheck für die Armen von Elendsstadt ausschreibt.
Unsre nächste Szene heißt ,Die rivalisierenden Kandidaten oder 'ne Szene während der allgemeinen Parlemünzwahlen'. Links sehen Sie 'nen feinen Pinkel mit 'nem Monokel im Auge und 'nem Mantel mit großem Pelzkragen und Pelzmanschetten im Auto stehen und 'ne Ansprache an die Menschenmenge halten; das ist der Ehrenwerte Augustus Elendswirt, der Kandidat der Konservativen. Auf der anderen Seite der Straße sehen wir noch 'n Auto und noch 'nen feinen Pinkel mit 'ner runden Glasscheibe in einem Auge und 'nem Mantel mit 'nem großen Pelzkragen und Pelzmanschetten im Wagen stehen und 'ne Ansprache an die Menge halten. Das ist Mr. Manntreiber, Kandidat der Liberalen. Die Menge von schäbig aussehenden Kerlen, die um die Autos stehen und die Hüte schwenken und ,Hurra' schreien, sind Arbeiter. Beide Kandidaten erzählen ihnen dieselbe Leier, und jeder von ihnen fordert die Arbeiter auf, ihn als Parlemünzabgeordneten zu wählen, und verspricht ihnen das Blaue vom Himmel runter, was er alles tun will, um die Lage für die unteren Stände zu verbessern."
Als passende Begleitmusik zu diesem Bild spielte Bert die Melodie eines beliebten Schlagers, dessen Text den Kindern wohlbekannt war, und begeistert sangen sie, klatschten sie die Hände im Takt und stampften mit den Füßen auf den Boden:

„Wir waren beide schon früher da,
so manches Mal, so manches Mal!
Wir waren beide schon früher da,
so manches liebe Mal!
Wo so mancher Liter Bier geflossen
und seine rote Nase wie meine begossen,
waren wir beide schon früher da,
so manches Mal, so manches Mal!"

Am Schluss des Gesangs drehte Bert ein neues Bild auf die Bühne.
„Hier haben wir wieder 'ne Wahlszene. Auf jeder Seite sehen wir die beiden Kandidaten stehen, genau wie im vorigen Bild. In der Mitte der Straße sehen wir 'nen Mann, der mit Blut bedeckt ist, auf dem Boden liegen, und 'nen Haufen liberale und konservative Arbeiter treten ihn, springen auf ihm rum und stoßen ihm ihre genagelten Stiefel ins Gesicht. Der Kerl auf dem Boden ist 'n Sozialist, und der Grund, weshalb sie ihm das Gesicht zertreten, ist, dass er gesagt hat, der einzige Unterschied zwischen Elendswirt und Manntreiber wär, dass sie beide gleich sind."
Während das Publikum dieses Bild bewunderte, spielte Bert wieder einen bekannten Schlager, und die Kinder sangen den Text:

„Zwei schöne blaue Augen -
Wie kommt denn das?
Ich hab nur einem Mann gesagt,
er irre sich etwas."

Bert fuhr fort, die Kurbeln der Rollen zu drehen, und eine Folge von Bildern lief über die Bühne, zum Entzücken der Kinder, die Beifall schrieen und sangen, wie es die Gelegenheit erforderte; mit dem größten Begeisterungsausbruch aber wurde das Erscheinen des letzten Bildes begrüßt - eines Porträts des Königs. Sobald die Kinder es erblickten, brachen sie in ein dreifaches Hoch aus, ohne auf die Kapelle zu warten, und stimmten den Refrain der Nationalhymne an.
Stürmischer Applaus für Bert beschloss die ,Pandorama'-Vorstellung; dann wurden die Lampe und die Weihnachtsbaumkerzen wieder angezündet, denn obgleich alle Spielsachen herunter waren, sah der Baum mit seinem glitzernden Glaszierat noch immer prächtig aus. Nun spielten sie noch einige Spiele: Blindekuh, Tauziehen - wobei Philpot ganz mörderisch geschlagen wurde - und viele andere Spiele. Und als sie deren müde waren, sagte jedes Kind ein Gedicht auf oder sang ein Lied, das es eigens für diese Gelegenheit gelernt hatte. Einzig die kleine Rosie war nicht darauf vorbereitet; doch auch sie bestand darauf -um es den anderen gleichzutun -, den einzigen Vers aufzusagen, den sie kannte. Sie kniete auf dem Kaminvorleger nieder, legte die Händchen mit den Handflächen aneinander, schloss fest die Augen und wiederholte den Vers, den sie jeden Abend vor dem Schlafengehen aufsagte:

„Lieber Jesus, sanft und lind,
siehe auf mich kleines Kind.
Hab Mitleid mit der Einfalt mein
und lass mich in den Himmel ein."

Dann stand sie auf und gab allen der Reihe nach einen Kuss. Philpot ging zum Fenster hinüber und begann hinauszublicken; er hustete, schnaubte und putzte sich die Nase, weil ihm eine Nuss, die er gerade gegessen hatte, in die falsche Kehle geraten war.
Die Mehrzahl der Kinder war jetzt ziemlich müde geworden, und nach einem kleinen Imbiss brach die Gesellschaft auf. Obgleich alle recht schläfrig waren, wollte eigentlich niemand gern fortgehen; aber der Gedanke an ein zweites Vergnügen, das sie am Ende dieser Woche besuchen wollten, tröstete sie - nämlich die „Teegesellschaft und Preisverteilung" der Kapelle des Strahlenden Lichts.
Bert übernahm es, Elsie und Charley sicher nach Hause zu bringen, während Philpot sich erbot, Nellie und Tommy zu begleiten und Rosie zu tragen, die so müde war, dass sie auf seiner Schulter einschlief, bevor sie noch aus dem Hause waren.
Während sie die Treppe hinuntergingen, hielt Frankie mit seiner Mutter eine eilige Beratung ab, mit dem Ergebnis, dass er ihnen eine Einladung nachrufen konnte, zum nächsten Weihnachtsfest wiederzukommen.

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