Nemesis-Archiv   WWW    

Willkommen bei Nemesis - Sozialistisches Archiv für Belletristik

Nemesisarchiv
Robert Tressell – Die Menschenfreunde in zerlumpten Hosen (1914)
http://nemesis.marxists.org

40. Kapitel Die Briganten bei der Arbeit

Am nächsten Tag wurde auf der Sitzung des Stadtrats das Gutachten Mr. Drahtmanns über das Elektrizitätswerk vorgelesen. Die Meinung des Experten war so günstig -und sie wurde vom städtischen Gutachter Mr. Oyley Sweater bekräftigt -, dass einstimmig ein Beschluss zugunsten des Ankaufs der Werke durch die Stadt gefasst und sogleich ein Geheimkomitee ernannt wurde, das die Vorbereitungen hierzu treffen sollte. Danach schlug Ratsherr Sweater vor, Mr. Drahtmann ein angemessenes Honorar für seine Dienste zu bewilligen. Das wurde von den meisten der Mitglieder mit zustimmendem Gemurmel aufgenommen, und Mr. Didlum erhob sich in der Absicht, einen dementsprechenden Antrag zu stellen, als er von Ratsherrn Schinder unterbrochen wurde, der erklärte, seiner Meinung nach habe es keinen Sinn, einem Mann etwas Derartiges zu geben. „Warum geben wir ihm nicht 'ne Geldsumme?"
Hierauf sagten mehrere Mitglieder des Rats: „Hört, hört!", einige lachten jedoch.»
„Ich kann nichts Lächerliches daran finden", rief Schinder ärgerlich, „ich für meinen Teil würde Ihnen nicht zwei Pence für alle Honorars des Landes geben. Ich beantrage, dass wir ihm 'ne Geldsumme geben."
„Ich befürworte den Antrag", sagte ein anderes Mitglied der Bande - einer von denen, die „Hört, hört!" gerufen hatten.
Ratsherr Sweater sagte, es schiene ein kleines Missverständnis vorzuliegen, und erklärte, ein Honorar sei ja eine Geldsumme.
„Oh, na, in dem Fall ziehe ich meinen Antrag zurück", sagte Schinder. „Ich dachte, Sie wollten ihm 'ne glanzvolle Rede halten oder so was Ähnliches."
Nun brachte Didlum den Antrag ein, für Mr. Drahtmann einen Dankesbrief sowie eine Bezahlung von fünfzig Guineen zu bewilligen, und das wurde einstimmig beschlossen. Dr. Schwächling meinte, ihm schiene die Summe reichlich hoch, aber er ging nicht so weit, dagegen zu stimmen.
Der nächste Punkt war der Vorschlag, die Gemeinde solle die Abflussleitung übernehmen, die Mr. Sweaters Haus mit der städtischen Entwässerung verband. Mr. Sweater, als ein auf das Allgemeinwohl bedachter Mann, schlug vor, dieses Verbindungsrohr, das unter einer Privatstraße hindurchführte, an die Gemeinde als ihr und ihrer Nachfolger ewiges Eigentum zu übergeben, unter der Bedingung, dass sie ihm die Anlagekosten von fünfundfünfzig Pfund erstattete und sich bereit erklärte, das Abflussrohr in gutem Zustand zu erhalten. Nach kurzer Diskussion wurde entschieden, die Abflussleitung zu den vorgeschlagenen Bedingungen zu übernehmen, und danach beantragte Ratsherr Didlum, der Stadtrat möge dem Ratsherrn Sweater für sein großzügiges Verhalten in dieser Angelegenheit ihren Dank aussprechen; der Antrag wurde sogleich von Ratsherrn Rushton befürwortet und wäre nemino contradicade angenommen worden, hätte nicht Dr. Schwächling ein so schändliches Benehmen gezeigt; er war geschmacklos genug, darauf hinzuweisen, dass die Summe etwa doppelt so hoch war, wie die Anlagekosten der Abflussleitung betragen haben konnten, ferner, dass diese der Gemeinde überhaupt nichts nutze und dass sie sich nur die Verpflichtung auflud, die Leitung instand zu halten.
Niemand machte sich indessen die Mühe, Schwächling zu antworten, und die Bande ging zum nächsten Tagesordnungspunkt über: Mr. Schinders Angebot - im Namen der Gesellschaft „Trautes Eck, Erfrischungen" -, den Kiosk auff der Großen Paradeallee zu übernehmen. Mr. Schinder legte einen Plan für gewisse Änderungen vor, die er die Gemeinde ersuchen müsse an dem Kiosk vorzunehmen, und falls der Stadtrat sich bereit erklärte, diese Arbeiten ausführen zu lassen, sei er, Schinder, bereit, das Gebäude für fünf Jahre zum Betrag von zwanzig Pfund jährlich zu pachten.
Ratsherr Didlum beantragte, das Angebot der Gesellschaft „Trautes Eck, Erfrischungen, G.m.b.H." anzunehmen und die geforderten Änderungen unverzüglich vorzunehmen. Der Kiosk habe fast zwei Jahre lang keine Pacht eingebracht; aber ganz abgesehen von diesem Gesichtspunkt wären sie, falls sie das Angebot annähmen, in der Lage, einige der Arbeitslosen zu beschäftigen. (Beifall.)
Ratsherr Rushton unterstützte den Antrag.
Dr. Schwächling wies darauf hin, dass die vorgeschlagenen Änderungen nach Ansicht des städtischen Gutachters etwa hundertfünfundsiebzig Pfund kosten würden, und da die Pacht nur zwanzig Pfund jährlich betrage, so bedeute dies, dass der Stadtrat am Ende der fünf Jahre fünfundsiebzig Pfund aus eigener Tasche zugelegt haben werde; von den Kosten für die Instandhaltung des Gebäudes während dieser Zeit ganz zu schweigen. (Lärm.) Er brachte den Zusatzantrag ein, die Veränderungen vornehmen zu lassen, das Gebäude dann auszuschreiben und dem Meistbietenden zu verpachten. (Tumult.)
Ratsherr Rushton sagte, die Haltung dieses Mannes Schwächling widere ihn an. (Beifall.) Vielleicht treffe es kaum zu, ihn einen Mann zu nennen. (Hört, hört!) Was die Veränderungen an dem Kiosk betreffe, so sei ihnen Ratsherr Schinders Verstand zugute gekommen; er sei es gewesen, der zuerst daran gedacht habe, diese Verbesserungen am Kiosk vorzunehmen, und daher habe er - oder vielmehr die Gesellschaft, die er vertrete - ein moralisches Recht auf den Pachtabschluss. (Lauter Beifall!)
Dr. Schwächling erklärte, er hielte es für selbstverständlich, dass ein Mann in den Stadtrat gewählt worden sei, weil man annahm, er sei bereit, seinen Verstand zum Wohle seiner Wähler anzuwenden. (Höhnisches Gelächter!)
Der Bürgermeister stellte die Frage, ob irgend jemand Schwächlings Zusatzantrag unterstütze, und da das nicht der Fall war, wurde der ursprüngliche Antrag zur Abstimmung gestellt und angenommen.
Ratsherr Rushton schlug vor, ein großes Schutzdach und Sitzgelegenheiten für etwa zweihundert Personen auf der Großen Paradeallee in der Nähe des Kiosks errichten zu lassen. Das Schutzdach werde als Schirm gegen den Regen und im Sommer gegen die Sonnenstrahlen dienen. Es werde zur Bequemlichkeit der Besucher beitragen und einen zusätzlichen Anziehungspunkt der Stadt bilden.
Ratsherr Didlum erklärte, das sei eine ausgezeichnete Idee, und schlug vor, der Gutachter solle beauftragt werden, die Pläne zu beschaffen.
Dr. Schwächling protestierte gegen den Antrag. (Gelächter.) Ihm schiene, die Sache diene nicht dem Vorteil der Stadt, sondern dem Vorteil Mr. Schinders. (Lärm.) Werde dieses Schutzdach errichtet, so steigere es den Wert des Kiosks als Erfrischungshalle um das Doppelte. Wenn Mr. Schinder für seine Kunden ein Schutzdach wünsche, so möge er selbst dafür bezahlen. (Tumult.) Er (Dr. Schwächling) bedaure, es sagen zu müssen, aber er könne nicht umhin zu denken, dies sei eine abgekartete Sache. (Laute Zwischenrufe: „Nehmen Sie das zurück!" - „Bitten Sie dafür um Entschuldigung!" - „Schmeißt ihn raus!" Heftiger Tumult!)
Schwächling entschuldigte sich nicht und nahm seine Worte auch nicht zurück; er sagte jedoch weiter nichts. Didlums Antrag wurde angenommen, und die „Bande" ging zum nächsten Tagesordnungspunkt über, der ein Vorschlag des Ratsherrn Didlum war, das Gehalt des städtischen Gutachters Mr. Oyley Sweater von fünfzehn auf siebzehn Pfund pro Woche zu erhöhen.
Ratsherr Didlum meinte, wenn sie einen guten Mann hätten, so müssten sie ihn auch zu schätzen wissen. (Beifall.) Im Vergleich zu anderen Angestellten erhielte der städtische Gutachter keine angemessene Bezahlung. (Hört, hört!) Der Sekretär des Rats erhielte siebzehn Pfund, der Stadtschreiber erhielte siebzehn Pfund pro Woche. Es sei nicht seine Absicht anzudeuten, diese Herren seien zu hoch be-
zahlt, das liege ihm fern. (Hört, hört!) Nicht sie erhielten zuviel, sondern der Gutachter erhielte zuwenig. Wie könnten sie erwarten, dass ein solcher Mann von lumpigen fünfzehn Pfund in der Woche lebe? Das sei die reine Ausbeutung! (Hört, hört!) Er stellte mit großem Vergnügen den Antrag, das Gehalt des städtischen Gutachters auf siebzehn Pfund die Woche zu erhöhen und seinen Jahresurlaub von vierzehn Tagen auf einen Kalendermonat mit Zwangsarb... er bitte um Verzeihung - mit vollem Gehalt zu verlängern. (Lauter Beifall!)
Ratsherr Rushton sagte, er beabsichtige nicht, eine lange Rede zu halten - das sei nicht nötig. Er begnüge sich damit, Ratsherrn Didlums ausgezeichneten Vorschlag zu unterstützen. (Beifall.)
Ratsherr Schwächling, der mit höhnischem Gelächter begrüßt wurde, als er sich erhob, sagte, er müsse sich gegen den Antrag stellen. Er möchte betonen, dass ihn keinerlei Gefühl einer persönlichen Feindschaft gegen den städtischen Gutachter bewege; gleichzeitig halte er es jedoch für seine Pflicht zu erklären, dass dieser Beamte seiner (Dr. Schwächlings) Meinung nach auch zur Hälfte des Gehalts, das ihm jetzt ausgezahlt werde, noch teuer sei. Er scheine sein Geschäft nicht zu verstehen; fast sämtliche in Angriff genommenen Arbeiten kosteten am Ende fast das Doppelte des Preises, für den sie nach Schätzung des städtischen Gutachters hätten ausgeführt werden können. (Zwischenruf: „Lügner!") Er hielte ihn für einen höchst unfähigen Menschen (Tumult) und sei der Meinung, wenn man das Amt ausschriebe, könnte man Dutzende besserer Leute finden, die froh wären, die Arbeit für fünf Pfund in der Woche zu leisten. Er beantrage, Mr. Oyley Sweater aufzufordern, er möge seine Kündigung einreichen, und durch Ausschreibung einen Mann zu fünf Pfund in der Woche zu suchen. (Heftiger Tumult!)
Ratsherr Schinder meldete sich zur Tagesordnung. Er forderte den Vorsitzenden auf, den Änderungsantrag niederzudrücken. (Beifall.)
Ratsherr Didlum bemerkte, er nehme an, Ratsherr Schinder meine „niederzuschlagen"; in diesem Fall befürworte er dessen Vorschlag.
Ratsherr Schinder erklärte, es sei Zeit, diesem Schwächling das Handwerk zu legen. Ihm (Schinder) sei es gleich, ob man es drücken oder schlagen nenne, es bliebe dasselbe, solange man ihn im Keime ersticke. (Beifall.) Der Mann sei eine Schande für den Stadtrat: ewig mische er sich in alles und hindere den Fortgang der Geschäfte.
Der Bürgermeister - Ratsherr Sweater - meinte, er halte es nicht mit der Würde des Rats vereinbar, noch weitere Zeit mit diesem pöbelhaften Änderungsantrag zu verschwenden. (Beifall.) Er sei stolz zu sagen, dieser sei von keinem einzigen Ratsmitglied unterstützt worden, und deshalb stelle er Mr. Didlums Antrag zur Abstimmung -einen Antrag, von dem er ohne Zögern erkläre, er gereiche diesem Herrn sowie allen, die für ihn stimmten, zur Ehre. (Tosender Beifall!)
Alle, die für den Antrag waren, bekundeten das in der üblichen Weise, und da Schwächling die einzige Gegenstimme abgab, war der Antrag angenommen, und die Versammlung ging zum nächsten Tagesordnungspunkt über.
Ratsherr Rushton sagte, mehrere einflussreiche Steuerzahler und Arbeitgeber hätten sich bei ihm wegen der hohen Löhne der von der Gemeinde beschäftigten Arbeiter beklagt, von denen einige siebeneinhalb Pence pro Stunde erhielten. Sieben Pence die Stunde sei der Maximallohn, der von privaten Unternehmern in dieser Stadt Facharbeitern ausgezahlt werde, und er sehe nicht ein, weshalb die Gemeinde mehr zahlen solle. (Hört, hört!) Es habe eine sehr schlechte Wirkung auf die von Privatfirmen beschäftigten Leute und trage dazu bei, diese mit ihren Löhnen unzufrieden zu machen. Das gleiche treffe auf die vom Stadtrat beschäftigten ungelernten Arbeiter zu. Privatunternehmer könnten diese Art Arbeiter zu viereinhalb oder fünf Pence die Stunde bekommen, und trotzdem bezahle die Gemeinde fünfeinhalb und selbst sechs Pence die Stunde für die gleiche Art Arbeit. (Pfuirufe!) Das sei nicht anständig den Steuerzahlern gegenüber. (Hört, hört!) Ziehe man in Betracht, dass die von der Gemeinde beschäftigten Leute fast ständig Arbeit hätten, so müssten sie. wenn überhaupt ein Unterschied bestehen solle, nicht mehr, sondern weniger erhalten als die von Privatfirmen
beschäftigten Arbeiter. (Beifall.) Er beantragte, die Löhne der von der Gemeinde beschäftigten Arbeiter in allen Fällen auf die Stufe der von privaten Firmen gezahlten zu senken.
Ratsherr Schinder unterstützte diesen Antrag. Er sagte, es sei ein wahrer Skandal. Im Sommer bezögen einige dieser Leute bis zu fünfunddreißig Schilling in einer einzigen Woche (Pfuirufe!), und es sei durchaus üblich, dass ungelernte Arbeiter - Kerle, die nichts als die härteste und beschwerlichste Arbeit verrichteten wie Zementsäcke schleppen oder Straßen aufreißen, damit man an die Abflussrohre gelangte, und ähnliche leichte Arbeiten - mit fünfundzwanzig Schilling die Woche nach Hause gingen! (Aufruhr.) Er habe häufig beobachtet, wie einige dieser Leute des Sonntags in der Stadt umherstolzierten, angezogen wie Millionäre und mit der Zigarre im Mund! Sie machten den Eindruck, als seien sie eine ganz andere Klasse von Leuten als die, welche für Privatfirmen arbeiteten, und nach der Kleidung der Kinder von einigen zu urteilen, sollte man meinen, ihre Väter seien Kabinettminister! Kein Wunder, dass sich die Steuerzahler über die hohen Abgaben beschwerten. Ein anderes Übel sei, dass allen von der Gemeinde beschäftigten Arbeitern zwei Tage Urlaub im Jahr gewährt werde, zusätzlich zu den im Lande üblichen Bankfeiertagen, und dass sie auch noch dafür bezahlt würden! (Pfuirufe, Zwischenrufe: „Skandalös! Schändlich!" und so weiter.) Kein Privatunternehmer bezahlte seine Leute an Bankfeiertagen, und weshalb wollte es denn die Gemeinde tun? Er unterstützte den Antrag Ratsherr Rushtons mit Vergnügen.
Ratsherr Schwächling wandte sich gegen den Antrag. Er meinte, fünfunddreißig Schilling die Woche seien wenig genug für einen Mann, der Frau und Kinder erhalten müsse (Zwischenruf: „Faules Geschwätz!"), selbst wenn alle Arbeiter diese Summe regelmäßig erhielten, was nicht der Fall sei. Die Mitglieder des Rats sollten doch in Betracht ziehen, was die durchschnittliche Lohnsumme pro Woche während des ganzen Jahres sei und nicht nur während der Saison, und täten sie das, so fänden sie, dass selbst die Facharbeiter nicht mehr als durchschnittlich fünfundzwanzig Schilling in der Woche erhielten, und in vielen fallen nicht einmal soviel. Auch wenn Ratsherr Rushton dieses Thema nicht angeschnitten hätte, sei es seine (Schwächlings) Absicht gewesen zu beantragen, die Löhne der von der Gemeinde beschäftigten Arbeiter auf den von den Gewerkschaften anerkannten Satz zu erhöhen. (Lautes Gelächter.) Es sei bewiesen, dass die bekanntermaßen kurze Lebensdauer der Arbeiter - sie betrage durchschnittlich ungefähr zwanzig Jahre weniger als die Lebensdauer von Angehörigen der besitzenden Klassen - sowie ihr sich ständig verschlechternder physischer Zustand und die hohe Sterblichkeit unter ihren Kindern auf die elende Entlohnung zurückzuführen seien, die sie für eine schwere und ermüdende Arbeit erhielten, auf die übermäßig hohe Anzahl von Stunden, die sie arbeiten müssten, sofern sie Beschäftigung hätten, auf die mangelhafte Qualität ihrer Nahrung, auf die schlecht gebauten und unhygienischen Häuser, die zu bewohnen sie durch ihre Armut gezwungen seien, und auf die Sorgen, die Aufregungen und den Kummer, die sie erleiden müssten, wenn sie arbeitslos waren. (Zwischenrufe: „Faules Geschwätz!"-„Blödsinn!" und lautes Gelächter.) Ratsherr Didlum habe „Faules Geschwätz!" gesagt. Fäulnis sei das richtige Wort, um die Krankheit zu beschreiben, welche die Grundpfeiler der Gesellschaft zerfresse und Gesundheit, Glück, ja sogar das Leben so vieler ihrer Mitbürger und -bürgerinnen zerstöre. (Erneute Heiterkeit und Zwischenrufe: „Gehen Sie sich doch einen roten Schlips kaufen!") Er beschwöre die Mitglieder des Rates, den Antrag abzulehnen. Er freue sich, sagen zu können, dass er glaube, es stimme, dass die von der Gemeinde beschäftigten Arbeiter ein wenig besser gestellt seien als die von Privatunternehmen beschäftigten, und wenn dem so sei, dann sei es, wie es sein solle. Sie hätten es nötig, dass es ihnen besser gehe als den verelendeten, halbverhungerten armen Teufeln, die für private Firmen arbeiteten.
Ratsherr Didlum sagte, es sei ganz offensichtlich, dass Dr. Schwächling seinen Sitz im Rat durch Vorspiegelung falscher Tatsachen erschlichen habe. Hätte er den Steuerzahlern mitgeteilt, dass er Sozialist sei, so hätten sie ihn niemals gewählt. (Hört, hört!) Praktisch jeder christliche
Prediger im Lande werde ihm (Didlum) beistimmen, wenn er erkläre, die Armut der Leute aus der Arbeiterklasse werde nicht durch „die elende Entlohnung, die sie erhalten", verursacht, sondern durch die Trunksucht. (Lauter Beifall!) Und er sei sicher, das Zeugnis sämtlicher Prediger aller Konfessionen sei zuverlässiger als die Meinung eines Mannes wie Dr. Schwächling. (Hört, hört!)
Dr. Schwächling erklärte, wenn einige der ebengenannten Prediger oder einige Mitglieder des Stadtrats in der gleichen schmutzigen Umgebung, der gleichen Enge und Unwissenheit leben und arbeiten müssten wie manche Menschen der Arbeiterklasse, so suchten sie wahrscheinlich selbst, ein wenig Vergnügen und Vergessen im Alkohol zu finden! (Heftiger Tumult und Zwischenrufe: „Zur Geschäftsordnung!" - „Nehmen Sie das zurück!" - „Entschuldigen Sie sich!")
Ratsherr Schinder sagte, selbst wenn es wahr sei, dass die durchschnittliche Lebensdauer der Leute aus der Arbeiterklasse um zwanzig Jahre kürzer sei als die der Menschen aus den besseren Ständen, könne er nicht einsehen, was das mit Dr. Schwächling zu schaffen habe. (Hört, hört!) Solange sich die Menschen aus der Arbeiterklasse damit zufrieden gäben, zwanzig Jahre vor ihrer Zeit zu sterben, sehe er nicht ein, was das andere Leute anginge. 's gäbe doch keinen Mangel an Arbeitern, was? 's seien immer noch genug davon übrig! (Gelächter.) Solange die Leute aus der Arbeiterklasse gern absterben wollten, solle man sie doch absterben lassen! Man lebe doch in einem freien Land! (Beifall.) Die Arbeiterklasse habe doch wohl Dr. Schwächling nicht beauftragt, für sie einzutreten, wie? Wenn sie nicht zufrieden sei, solle sie doch für sich selbst eintreten! Die Arbeiter liebten es nicht, wenn Leute wie Dr. Schwächling für sie einträten, und das werden sie ihn schon wissen lassen, wenn die Zeit für die nächste Wahl gekommen sei. Wenn er (Schinder) ein weltlich gesinnter Mann wäre, ginge er eine Wette ein, dass die Arbeiter aus Dr. Schwächlings Wahlkreis ihm im nächsten November einen Tritt in den Hintern gäben. (Beifall.)
Ratsherr Schwächling, der wusste, dass dies wahrscheinlich der Wahrheit entsprach, erhob keinen weiteren Einspruch. Rushtons Antrag wurde angenommen, und danach teilte der Schreiber mit, der nächste Punkt auf der Tagesordnung sei der Antrag, den Mr. Didlum bei der letzten Ratstagung angemeldet habe, und daher erteilte der Bürgermeister diesem Herrn das Wort.
Ratsherr Didlum, der mit lautem Beifall begrüßt wurde, sagte, leider scheine ein gewisses Mitglied des Rats zu denken, es habe das Recht, gegen fast alles Einspruch zu erheben, was vorgebracht werde.
(Die Mehrheit der „Bande" starrte bösartig Schwächling an.)
Er hoffe, ausnahmsweise werde die von ihm gemeinte Person einmal den Anstand haben, sich im Zaum zu halten, da der Antrag, den zu stellen er (Didlum) die Ehre habe, ein Entschließungsentwurf sei, den seiner Meinung nach kein rechtdenkender Mann ablehnen könne, was auch immer seine politischen und religiösen Überzeugungen sein mochten, und er hoffe um der Ehre des Stadtrats willen, der Antrag werde im Sitzungsprotokoll als „einstimmig angenommen" vermerkt werden. Der Entschließungsentwurf lautete folgendermaßen:
„Vom heutigen Tage an werden alle Tagungen dieses Rates mit einem Gebet eröffnet und mit einem Choral beschlossen." (Lauter Beifall!)
Ratsherr Rushton unterstützte den Antrag, und dieser wurde auch von Mr. Schinder befürwortet, der meinte, in einer Zeit wie der gegenwärtigen, wo so viele Ungläubige herumliefen, die sagten, wir stammten alle von Affen ab, gebe der Stadtrat den Menschen aus der Arbeiterklasse ein gutes Beispiel, wenn er den Antrag annehme.
Ratsherr Schwächling sagte nichts; daher wurde die neue Regel nemine conlradicente angenommen, und da weiter nichts zu erledigen war, wurde sie unverzüglich zum ersten Mal angewendet, wobei Mr. Sweater den Gesang mit einer Papierrolle - der Zeichnung für die Abflussleitung der „Höhle" - dirigierte und jedes Ratsmitglied eine andere Melodie sang.
Schwächling entfernte sich während des Gesangs, und bevor sich die Mitglieder der Bande dann trennten, kam eine gewisse Anzahl von ihnen überein, sich am folgenden
Abend beim Chef in der „Höhle" zu treffen, um die Einzelheiten des im Zusammenhang mit dem Verkauf des Elektrizitätswerks beabsichtigten Raubzuges gegen den Stadtsäckel festzulegen.

Sozialismus • Kommunismus • Sozialistische Belletristik • Kommunistische Unterhaltungsliteratur • Proletarisch-Revolutionäre Literatur • Utopische Klassiker • Arbeiterroman • Agitationsliteratur