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Max Hoelz - Vom »Weißen Kreuz« zur roten Fahne (1929)
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»Die Bestimmungen kann ich so und auch anders auslegen«

Nach Verbüßung der vier Wochen Arrest kam ich in meine alte Zelle zurück. In der Zwischenzeit hatte der Direktor den Luftschacht zumauern und außerdem eine besondere eiserne Vorrichtung an dem kleinen Zellenfenster anbringen lassen, die die Lüftung der Zelle nahezu unmöglich machte. Ich beschwerte mich über diese Schikanen beim Direktor. Der gab mir zur Antwort, ich hätte mir alles selbst zuzuschreiben, er wolle noch ganz andere Zwangsmaßnahmen gegen mich ergreifen und mir beweisen, dass es in Zukunft für mich nie mehr möglich sei, Kassiber aus der Anstalt herauszuschmuggeln. Als der Direktor mir seine Eröffnungen machte, lag ich, vom Rheumatismus geplagt, auf meiner Pritsche. Ich geriet über seine Worte in heftige Erregung und spuckte ihn an. Dafür bestrafte er mich sofort wieder mit vier Wochen Arrest.
Vom 25. November bis 24. Dezember 1925 saß ich wieder im Arrestkäfig. Diesmal ging es mir noch schlechter. Dem Hauptwachtmeister Czursiedel, der bei allen Gefangenen im Rufe eines ausgesprochenen Menschenquälers stand, glückte es, mich zu provozieren. Ich weigerte mich, den Kübel und den Wasserkrug aus der Arrestzelle hinauszusetzen, ich wollte dadurch erreichen, dass der Kalfaktor, der mit mir sympathisierte, Kübel und Wasserkrug selbst heraushole, damit ich ihm bei dieser Gelegenheit einen Kassiber zustecken konnte. Der Hauptwachtmeister ließ den Kalfaktor aber nicht in meine Zelle, und so wurde der Kübel wochenlang überhaupt nicht entleert. Er lief bald über und - vermengt mit dem schmutzigen Waschwasser, das ebenfalls nicht aus der Zelle hinausgebracht wurde - bildete sich in der tiefliegenden Zelle aus Kot, Urin und Wasser ein kleiner See, der von Tag zu Tag größer wurde. Schließlich konnte man kaum noch in die Arrestzelle hineingehen. Es wurden Ziegelsteine gelegt und darüber Bretter. Über diesen schwankenden Steg kam einmal am Tage ein Aufseher in die Zelle, um die
Fensterklappe einen Augenblick zu öffnen. Der Arzt, der wiederholt kam, sah, dass der See aus Wasser, Urin und Kot bereits fußhoch stand, veranlasste aber nichts, um meine Lage zu ändern. In der Zelle verbreitete sich ein Pestgeruch, der die ganze Anstalt durchdrang. Ich musste Tag und Nacht auf der schmalen Holzpritsche sitzen oder stehen, die Flut stieg von Tag zu Tag. Es war bereits Ende Dezember, in der Zelle herrschte eine empfindliche Kälte, die Temperatur betrug kaum acht bis neun Grad. Der durch die langen Arrestwochen ausgedörrte Körper empfand die Kälte und die von dem Wasser aufsteigende Feuchtigkeit viel stärker als ein Organismus, der täglich mit einem warmen Essen gespeist wird. Um mich etwas zu erwärmen, verrichtete ich auf dem schmalen Raum der Holzpritsche meine gymnastischen Übungen. Dabei schwebte ich immer in Gefahr, kopfüber in die meine kleine Insel umspülende Jauche zu stürzen. Erst kurz vor meiner Entlassung aus dem Arrest veranlasste der Hauptwachtmeister die Herausnahme des Kübels und die Säuberung der Zelle.
Am Weihnachtsabend hatte ich meine zwei Monate Arrest bis auf den letzten Tag verbüßt. Alle anderen Gefangenen erhielten bereits Weihnachtspakete von ihren Angehörigen. Mir aber eröffnete der Direktor, dass alle Pakete, die Angehörige, meine Freunde und die »Rote Hilfe« mir geschickt hatten, wieder zurückgeschickt worden seien. Ich sei außer mit zwei Monaten Arrest noch mit Nichtaushändigung der Weihnachtspakete bestraft, ferner hätte ich noch sieben Monate Besuchs-, Schreib- und Zeitungsverbot; damit ich aber merke, was für ein gutes Herz er habe und wie wohlwollend er es mit mir meine, habe er aus den Paketen anderer Gefangener etwas für mich zusammengefochten. Ich würde mich sicher über diese Weihnachtsgabe freuen. Er deutete nach einem Karton, der auf dem Tische stand, in dem einige Äpfel, Nüsse und Pfefferkuchen lagen. Er erwartete sichtlich, dass ich ihm glückstrahlend für diese Bescherung danken werde. Als ich die Annahme seines großmütigen Geschenkes ablehnte, war er verletzt und fassungslos. Ich versuchte ihm auseinanderzusetzen, dass er durch die Nichtaushändigung der Weihnachtspakete mit all den guten Sachen nicht mir besonders viel antue, sondern dass er durch die Rücksendung meinen alten Eltern und meinen Freunden Schmerz und Enttäuschung zugefügt habe. Sie hätten doch zwölf Monate darauf gewartet, mir eine Freude machen zu können, und nun habe er ihnen durch seine Hartherzigkeit diese Freude verdorben. Er hatte nicht das geringste Verständnis für meine Empfindungen und schien auch nicht zu verstehen, wie weh er meinen Angehörigen getan hatte. Ich bat ihn, meinen Angehörigen zu schreiben, dass sie die Pakete nochmals an mich schicken könnten. Ich wollte gern auf die Aushändigung verzichten und schlug vor, den Inhalt an die Schwerkranken im Lazarett zu verteilen. Auf diese Weise hätten wenigstens meine Angehörigen und auch viele kranke Gefangene, um die sich niemand kümmerte, eine Freude. Er lehnte es ab. Darüber empört, spuckte ich ihn wieder an. Diesmal bestrafte er mich nicht wieder mit Arrest; er schien langsam zu erkennen, dass ich durch diese Methode nicht gebessert und nicht friedlicher werden konnte. Er sagte nur, ich könne ihn ruhig ab und zu einmal anspucken, wenn ich meinem Herzen Luft machen wolle, das sei nicht so schlimm, nur dürften es andere Beamte und Gefangene nicht sehen, denn darunter leide seine Autorität. Ihm selbst mache das Spucken nicht viel aus, er wische das einfach wieder ab. Er empfahl mir, ich solle versuchen, den § 51 zu bekommen, dann könne mir doch überhaupt nichts mehr passieren. Er wünschte offenbar, dass ich den Verrückten markierte, damit er mich in eine Irrenanstalt abschieben konnte.
Monatelang zwang mich der Direktor, die Briefe an meinen Anwalt unter Aufsicht von vier Beamten im Sekretariat der Anstalt zu schreiben. Alle anderen Gefangenen durften ihre Briefe in der Zelle schreiben, ich aber durfte in meiner Zelle kein Stück Papier, keinen Bleistift, keine Tinte und keine Feder haben. Der Direktor wusste sehr genau, dass es für einen Gefangenen, der aus einer einsamen Zelle kommt, ganz unmöglich ist, in einem Raum, wo viele Menschen sind, sich auf einen Brief zu konzentrieren. Wochenlang ließ der Direktor Briefe an meine Verteidiger liegen, ehe er sie absandte. An meine Angehörigen durfte ich überhaupt nicht schreiben.
Als mein Anwalt Laskowski mich besuchte, der, wie auch der Direktor, der Zentrumspartei angehörte und mit dem Direktor gemeinsam die Schule besucht hatte, verbot er ihm, mir die Hand zu geben. Zwischen mir und meinem Anwalt stand ein zwei Meter breiter Tisch, und außer dem Direktor war noch ein Inspektor zur Beaufsichtigung meiner Besprechung mit dem Anwalt anwesend. Sobald ich meinem Anwalt nur ein Wort über die mir zuteil werdende Behandlung sagen wollte, brach der Direktor die Unterredung einfach ab und ließ mich in meine Zelle führen.
Er verweigerte mir auch die Anschaffung von Zahnpflegemitteln, Seife und anderem, so dass ich monatelang nicht einmal in der Lage war, mir die Zähne zu putzen, obwohl in den Strafvollzugsbestimmungen ausdrücklich steht, dass die Gefangenen zur Zahnpflege angehalten werden sollen. Ebenso verweigerte er mir den Einkauf von Zusatzlebensmitteln, während das jedem anderen gestattet war. Das Anstaltsessen war oft ganz ungenießbar, und ich litt - auch wenn ich nicht im Arrest saß - immer sehr viel Hunger.
Direktor Adamietz brach das Brief- und Amtsgeheimnis in Angelegenheiten der Gefangenen, wodurch schwere Konflikte zwischen den Gefangenen und ihren Freunden in der Außenwelt entstanden. Von dem Inhalt meiner Briefe an Angehörige machte der Direktor fremden Besuchern Mitteilung. Unter seinem Regime war jeder Gefangene einfach rechtlos. Ich hatte immer den Eindruck, als ob er seine absolute Ungeeignetheit für den Posten eines Anstaltsdirektors hinter rücksichtsloser Härte zu verbergen suchte. Von seinem
Ersten Hauptwachtmeister, dem alle anderen Beamten unterstellt waren, ließ sich der Direktor auf dem Kopf herumtanzen. Das hatte seine guten Gründe. Der Erste Hauptwachtmeister, der als Prügelmeister bekannt war - auch mich hat er misshandelt, indem er mir mit beiden Händen die Gurgel zudrückte -, führte Buch über alle Verstöße und dienstlichen Verfehlungen des Direktors. Er wollte, wie er sagte, bei Gelegenheit einmal den Direktor hineinlegen und die Aufzeichnungen über den Direktor dem Ministerium in die Hände spielen. Alle Augenblicke machte sich der Hauptwachtmeister über den Direktor lustig.
Es verging nicht ein Tag, wo der Hauptwachtmeister nicht irgendwelche Gefangenen oder auch seine eigenen Kollegen zur Anzeige brachte. Selbst die Anstaltsgeistlichen und Anstaltslehrer zeigte er an, den Anstaltspfarrer deshalb, weil der einmal abends nach Zelleneinschluss zu einem Gefangenen gegangen war, um ihm eine wichtige Nachricht in seiner Begnadigungsahngelegenheit zu bringen. Es war den Beamten verboten, nach Zelleneinschluss zu Gefangenen zu gehen. Der Anstaltslehrer, der wegen seiner Menschlichkeit bei allen Gefangenen beliebt war, wurde vom Ersten Hauptwachtmeister angezeigt, weil er einem Gefangenen, der sehr niedergedrückt und hoffnungslos war, eine Tafel Schokolade geschenkt hatte. Der Direktor hasste den Lehrer ganz besonders, weil er scharfe Kritik an seiner Amtsführung übte. Um den Lehrer aus der Anstalt herauszubekommen, scheuten sich der Direktor und sein Erster
Hauptwachtmeister nicht, ihm wegen dieser Tafel Schokolade eine Anzeige bei der Staatsanwaltschaft anzuhängen.
Die beiden hielten wie Pech und Schwefel zusammen, wenn es galt, rücksichtslose Maßnahmen gegenüber Gefangenen zu ergreifen und durchzuführen. Die Gefangenen behaupteten sogar, der Direktor selbst würde gar nicht so harte Strafen verhängen, wenn nicht der Erste Hauptwachtmeister ihn immer dazu ermunterte.
In keiner Anstalt, die ich bisher kennen gelernt hatte, waren die Arrestzellen so überfüllt gewesen wie in Groß-Strehlitz. Nicht nur die regulären Arrestzellen, deren es hier eine größere Anzahl gab als in anderen Anstalten, waren stets belegt, sondern es wurden noch Dutzende von anderen Zellen als Arrestzellen eingerichtet. Wenn ich in die Freistunde geführt wurde, sah ich lange Reihen gewöhnlicher Zellen, an denen ein Schild hing: »Arrest«.
Ich hatte oft große Auseinandersetzungen mit dem Direktor und wies ihn darauf hin, dass er gerade durch diese überspannten Strafen die Gefangenen zu einer Meuterei treibe.
Die nächtliche Ruhe im Zuchthaus wurde oft durch gellende Hilferufe unterbrochen. In der Nacht vom 27. zum 28. April 1926 stieß der Gefangene Wolf verzweifelte Hilfeschreie aus, weil er durch ein paar Aufseher verprügelt wurde. Ein anderer Gefangener wurde von Czursiedel nachts mit dem Gummiknüppel so entsetzlich geschlagen, dass er sich nicht anders zu helfen wusste, als seinen Peiniger kräftig in den Arm zu beißen. Czursiedel lief wochenlang mit verbundenem Arm umher. Der verprügelte Gefangene wurde für diesen Biss hart bestraft.
Laut Strafvollzugsordnung war seit 1918 durch Verfügung des ehemaligen Justizministers Dr. Kurt Rosenfeld der so genannte Dunkelarrest abgeschafft worden. Trotzdem wurde in Groß-Strehlitz - zwar nicht offiziell, aber doch praktisch - Dunkelarrest verhängt. In meinen Aufzeichnungen steht, dass ich während meiner Hofstunde am 12. Juni 1926 sah, wie ein Gefangener in Dunkelarrest gesteckt wurde. An den Arrestzellenfenstern befanden sich noch die schweren, eisernen Läden, die, wenn sie geschlossen waren, die Zelle in tiefstes Dunkel hüllen. Die eisernen Läden waren an diesem Tage geschlossen, und ich hörte aus der Zelle ein dumpfes Stöhnen. Auch am 1. Juli steckte wiederum ein Gefangener in Dunkelarrest und ebenso am 22. September. An diesem Tage drangen durchdringende Schreie aus der verdunkelten Arrestzelle. Von einem Gefangenen erfuhr ich ein paar Stunden später, dass die Aufseher den Arrestanten durch die Arrestkalfaktoren hatten verprügeln lassen. Erst als ich der Direktion damit drohte, die ungesetzliche Verhängung von Dunkelarrest der Öffentlichkeit mitzuteilen, wurden die eisernen Läden entfernt.
Der Präsident des Strafvollzugsamtes, Dr. Egon Humann, dem alle Anstalten in Schlesien und Oberschlesien, also auch Groß-Strehlitz und Breslau, unterstellt waren, erlebte weder an dem Groß-
Strehlitzer noch an dem Breslauer Direktor eine Freude. Er setzte sich hier vergeblich mit seiner ganzen Persönlichkeit für eine wirkliche Humanisierung des Strafvollzugs ein; nachdem er zwölf Jahre als Bezirksamtmann in deutsch-afrikanischen Kolonien lebte, hatte er während des Krieges den Feldzug im Stabe Lettow-Vorbecks mitgemacht und war dann in englische Gefangenschaft geraten. In der Gefangenschaft war es ihm sehr dreckig ergangen, er war lange in Einzelhaft gehalten worden und hatte an sich selbst empfunden, wie furchtbar die Einzelhaft auf den Menschen wirkt. Daher war er als Präsident des Strafvollzugs ehrlich bemüht, das Los der Gefangenen zu mildern, soweit dies im Rahmen der bestehenden Bestimmungen möglich war. Aber gerade wegen seiner aufrichtigen Bemühungen war er heftigen Angriffen und Anfeindungen ausgesetzt, und ein großer Teil der unteren Strafvollzugsorgane, wie Anstaltsleiter, Inspektoren und Aufseher, sabotierten seine Anordnungen, wo sie nur konnten. Direktor Adamietz und sein Erster Hauptwachtmeister Czursiedel sprachen nur in der abfälligsten und wegwerfendsten Weise über ihn. Wiederholt sagte ich zu Adamietz, es entspreche doch sicher nicht den Absichten des Justizministers und des Strafvollzugs-Präsidenten, dass er im Groß-Strehlitzer Zuchthaus ein solches Schreckensregiment aufgerichtet habe. Er erwiderte jedes Mal: »Ach, der Präsident, was kann der schon, das ist überhaupt kein Mann, und der Minister hat ja auch nichts zu sagen, ich halte mich nur an die Bestimmungen, und die kann auch der Minister nicht umstoßen.« Wie er sich an die Bestimmungen hielt, das bewies seine stehende Redensart: »Die Bestimmungen kann ich so und auch anders auslegen.«
Einmal hatte ich mit Adamietz - der sich oft mit mir unterhielt, denn er hatte einen ausgesprochenen Geltungs- und Rechtfertigungsdrang - eine lange Debatte über die Todesstrafe. Er, der jahrelang katholischer Geistlicher gewesen war und bei jeder Gelegenheit seine Menschlichkeit betonte, war unbedingt für die Beibehaltung der Todesstrafe, und zwar für die Enthauptung, die er als sehr human bezeichnete, da sie ganz sicher einen schnellen Tod herbeiführe. Sein großer Ehrgeiz war ein Posten im Ministerium.
Mit welchen Mitteln der Direktor unter allen Umständen Karriere zu machen versuchte, beweist folgendes: Fast alle preußischen Anstalten haben die Webstühle abgeschafft, mit denen die Gefangenen in früheren Jahren Stoffe für die Anstalt und auch für andere Behörden webten. Wenn ein solcher Webstuhl in einer Zelle stand, dann konnte sich der Gefangene kaum rühren. Fünfundneunzig Prozent aller Gefangenen, die jahrelang an Webstühlen arbeiteten, zogen sich die Lungenschwindsucht zu. Die Webstühle waren verhasst, und nicht nur die Gefangenen, sondern auch die Behörden wussten, dass die mit ihnen geleistete Arbeit eine ganz unrationelle war. Adamietz aber sorgte dafür, dass die in anderen Anstalten abgebrochenen Webstühle nach Groß-Strehlitz gebracht und in den Einzelzellen aufgestellt wurden. Durch leere Versprechungen und kleine »Vergünstigungen« erreichte der Direktor, dass die Gefangenen das Drei- und Vierfache des vorgeschriebenen Pensums pro Tag lieferten.
Mit solchen übertriebenen Leistungen machen sich die Gefangenen unweigerlich kaputt. Belohnt wurden sie meist durch ein Bild mit der eigenhändigen Unterschrift des Direktors, das sie in ihre Zelle hängen durften.
Um unter allen Umständen das vom Direktor so sehr gewünschte enorme Pensum zu erreichen, waren die Gefangenen gezwungen, nicht so sehr auf die Qualität als auf die Quantität zu achten. Die gewebten Stoffe wiesen grobe Fehler auf, die Besteller verweigerten häufig die Annahme, und so sammelten sich große Vorräte in der Anstalt an, für die keine Abnehmer zu finden waren. Ungeheure Stoffballen lagen aufgeschichtet unter dem Dache und in allen Räumen, die nicht mit Gefangenen belegt waren; sie wurden von Mäusen und Ratten zernagt.
Wenn eine Revision durch das Ministerium oder Strafvollzugsamt zu erwarten war - Adamietz hatte im Strafvollzugsamt in Breslau einen Freund sitzen, der ihm immer telephonisch meldete, wenn eine Revisionskommission unterwegs war -, dann wurden die immer mehr anwachsenden, unverwendbaren Vorräte umgeschichtet; die nicht oder wenig beschädigten Stoffe durfte die Kommission sehen, die anderen wurden so versteckt, dass kein noch so scharfes Auge der Kontrollkommission sie entdecken konnte. Dutzende von Gefangenen schleppten an den Tagen vorher die schweren Ballen treppauf, treppab in sichere Verstecke.
Trotz dieser Misswirtschaft behauptete der Direktor, Groß-Strehlitz sei das rentabelste Zuchthaus in Preußen, denn hier würde die meiste Arbeit geleistet, die Gefangenen seien am fleißigsten und schafften das größte Pensum. Das Ministerium habe ihm schon wiederholt die Anerkennung ausgesprochen, dass in Bezug auf Arbeitsleistung seine Anstalt die mustergültigste und vorbildlichste sei.

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