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Max Hoelz - Vom »Weißen Kreuz« zur roten Fahne (1929)
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Interniert in der Tschechoslowakei -  Mein erster Hungerstreik

Wir wurden gefesselt nach Eger transportiert. Zwei Tage später wurde ich zur Vernehmung vorgeführt und sah mich zwei deutschen Reichswehroffizieren und einem Dresdner Staatsanwalt gegen­über, die mich als »den Hoelz« identifizierten. Sie waren überzeugt, dass ich ausgeliefert werde, und die tschechoslowakischen Behörden in Eger waren bereit, mich noch am selben Tage den deutschen Offizieren und dem Staatsanwalt zu übergeben. Da kam im letzten Augenblick - ich war bereits reisefertig - von der Regierung in Prag eine Gegenorder.
Ein paar Tage später wurden wir sechs Mann -es befanden sich noch vier gefangene Rotgardisten in Eger - in einen Sonderzug gesteckt und nach Prag geschafft. Der Zug bestand nur aus einer Lokomotive und zwei Wagen. Ein Wagen war für uns sechs Mann und zwölf Gendarmen bestimmt, im zweiten Wagen fuhren weitere dreißig Gendarmen.
In Prag blieb unser Wagen fast einen Tag auf dem Bahnhof stehen, weil in den Ministerien beraten wurde, wohin man uns bringen solle. Diese Erklärung gab mir der Chef der Prager Kriminalpolizei. Ich hatte jedoch den Eindruck, dass unser langer Aufenthalt lediglich dazu bestimmt war, uns in Prag zur Schau zu stellen, denn im Wagen ging es zu wie in einem Taubenschlag. Dazu das ewige Gefrage des Polizeichefs und seiner Trabanten.
Ich sagte ihm, als es mir zu bunt wurde, er solle mich... Götz von Berlichingen, und stellte nur noch meine Rückenpartie zur Schau.
Von Prag schaffte man uns per Bahn nach Jitschin, von dort ging's zu Fuß in das Zuchthaus Karthaus.
Dort stellte man mich wegen der Handgranate in Marienbad unter Anklage (Bedrohung mit Sprengstoff). Wir blieben vier Monate in Karthaus interniert. Legionäre mit aufgepflanzten Bajonetten bewachten uns. Draußen im Freien herrschte große Hitze - es war im Mai/Juni -, aber in den Zellen war es so entsetzlich kalt, dass ich Tag und Nacht den Mantel anbehalten musste. Trotzdem schrieen wir noch vor Kälte und Hunger. Diese merkwürdige und furchtbare Kälte kam daher, dass die Zellen im Zuchthaus, das ehemals ein altes Kloster war, keine Heizung hatten und in den zwei Meter dicken Mauern noch der Winterfrost steckte.
Das Essen war nicht schlecht, doch es gab so wenig, dass man davon nicht satt werden konnte. Die erste Zeit war es uns nicht möglich, Zusatzlebensmittel zu erhalten. Später sorgten die organisierten Arbeiter von Jitschin für uns. In den letzten Monaten ging es uns ziemlich gut.
Es war notwendig, für unsere juristische Beratung und für den Verkehr mit den Regierungsstellen in Prag einen tschechisch sprechenden Rechtsanwalt zuzuziehen. Der sozialdemokratische Stadtverordnete und Kaufmann Goliath aus Jitschin empfahl mir als besonders zuverlässig den sozialistischen Jitschiner Advokaten Dr. Abl. Dieser Jurist erklärte sich bereit, meine Verteidigung und die der anderen dreiundzwanzig Internierten zu übernehmen. Gleich bei seinem ersten Besuch verlangte er zu wissen, wer ihn denn für seine Arbeit bezahle, da die Sache doch wahrscheinlich sehr viel Geld kosten werde. Ich versprach, mich mit meinen Parteiorganisationen in Sachsen in Verbindung zu setzen, damit sie ihm den notwendigen Kostenvorschuss schickten.
Kurz vor der Auflösung der roten Truppen hatte der Falkensteiner Vollzugsrat, dem ich als Vorsitzender angehörte, die noch vorhandenen Gelder, die aus den Kontributionen der vogtländischen Industriellen stammten, in Beträgen von fünfzigtausend bis zweihunderttausend Mark an verschiedenen Stellen untergebracht, damit diese Gelder nicht in die Hände der Reichswehr fielen. Es handelte sich um etwa eine dreiviertel Million Mark.
Durch Kassiber setzten wir uns mit einigen noch in Freiheit lebenden vogtländischen Genossen in Verbindung und beauftragten sie, durch die Frau des mit mir verhafteten Genossen einen grö­ßeren Betrag über die Grenze zu schmuggeln. Dieser Frau wurde in Sachsen ein Depot in Höhe von hundertfünfzehntausend Mark übergeben. Sie verbarg die Summe an ihrem Busen, und bei Graslitz gelang es ihr, ohne Pass über die Grenze zu kommen. Beim Besteigen des Zuges, der sie nach Eger und dann nach Jitschin bringen sollte, erlitt sie eine schwere Unterleibsblutung, brach zusammen und musste in das Stationsgebäude gebracht werden. Nur ihrer Geistesgegenwart war es zu verdanken, dass ihr bei diesem unglücklichen Zwischenfall von den tschechischen Zollbeamten nicht das Geld und die Briefe abgenommen wurden. Unversehrt brachte sie das Depot und die Briefe nach Jitschin, und bei einem Besuch im Kerker gelang es ihr, beides ihrem Mann heimlich zu übergeben. Der Frau des Genossen und meiner Frau Klara, die ebenfalls nach Jitschin gekommen war, schien es ratsamer, das Geld im Kerker aufzubewahren als in dem kleinen tschechischen Gasthause, wo sie logierten. Der Genosse gab mir den Umschlag mit den hundertfünfzehn Tausendmarkscheinen, und mir fiel die schwierige Aufgabe zu, dies Geld so aufzubewahren, dass es bei den täglichen Zellenrevisionen nicht in die Hände der Aufseher geriet.
Eines Tages wurde ich ganz überraschend aus der Zelle herausgeholt. Draußen visitierten mich mehrere Beamte, während andere die Zelle durchsuchten. Ich hatte das Geld in meiner inneren Rocktasche, und als der Beamte nach dem dicken Umschlag griff, sah ich keine Möglichkeit, unser Depot zu retten. Ich erklärte, das sei ein Brief an meinen Anwalt, den ich nicht in fremde Hände geben wolle. Der Aufseher ließ sich verblüffen, und wir konnten nun einen Teil dieser Summe verwenden, um die Anwalts- und Prozesskosten zu bezahlen.
In Karthaus befanden sich außer den vierundzwanzig vogtländischen Rotgardisten, die als Internierte galten und an Deutschland ausgeliefert oder ausgewiesen werden sollten, noch neunhundert kriminelle tschechische Gefangene. Den ganzen
Tag klirrten in den Höfen die Ketten, mit denen die Gefangenen gefesselt waren. Viele mussten mehr als einen halben Zentner Ketten schleppen und dabei noch schwer arbeiten.
Der Gefangene, der meine Zelle säuberte, sprach kaum ein paar Worte deutsch. Er war ein »Lebenslänglicher« und schon siebzehn Jahre in diesem Zuchthaus, das als das furchtbarste und grausamste der Tschechei gilt. Am Tage nach seiner Einlieferung, bei der Umkleidung, war er nackend auf einen Tisch gesprungen und hatte sich blitzschnell mit einem scharfen Messer die Hoden vollständig abgeschnitten, sie verächtlich in eine Ecke der Badezelle geschleudert und gesagt: »Was soll mir das Zeug, ich kann's ja doch nie mehr gebrauchen.« Infolge dieser Selbstverstümmelung hatte er sehr lange im Lazarett des Kerkers gelegen.
Ich drängte, dass das gegen mich eingeleitete Verfahren beschleunigt werde, denn an meinem Schicksal hing auch das der anderen. Als ich den Eindruck gewann, dass das Verfahren verschleppt werde, trat ich in Hungerstreik. Ich führte ihn vierzehn Tage durch, dann war endlich der Verhandlungstermin festgesetzt worden. Da ich diesen Hungerstreik ohne Wasser durchführte, war ich schon nach fünf bis sechs Tagen in einer recht tristen Lage. Ich bekam Fieber, meine Eingeweide brannten wie Feuer. Um zu verhindern, dass man mich gewaltsam füttere, hatte ich die Zellentür von innen so fest vernagelt und verrammelt, dass sie nicht geöffnet werden konnte. Man hätte sie mit
Äxten zertrümmern müssen. Ich hatte jedoch der Verwaltung angekündigt, den Strohsack in der Zelle anzuzünden, sobald der erste Schlag gegen die Tür geführt werde. Ich wäre dabei ohne Zweifel verbrannt. In der Zelle über mir hatte acht Tage zuvor ein Gefangener sich durch Anzünden des Strohsackes ums Leben gebracht. Deshalb wohl unterließ es die Verwaltung, mit Gewalt die Tür zu öffnen. Aber sie plante einen anderen Streich. Jener Kalfaktor, der sich selbst entmannt hatte, teilte mir mit, man träfe Vorkehrungen, um nachts, wenn ich schliefe, ganz überraschend und schnell die Zellentür aufzubrechen. Gegen diese Überraschung musste ich mich sichern. Ich befestigte über der Tür ganz lose die blecherne Waschschüssel sowie die Essschüssel und Blechnäpfe, nahm den Strohsack von der Pritsche und legte ihn so auf den Fußboden, dass beim Schlafen mein Kopf genau unter der Vorrichtung über der Tür lag. Dieser Alarmapparat funktionierte großartig, die geringste Bewegung an der Tür bewirkte, dass mir sofort der ganze Klempnerladen auf den Kopf flog und ich wach wurde. Außerdem machte ich die Verwaltung darauf aufmerksam, wenn sie die Tür mit Gewalt zertrümmern würde, zerschlüge sie damit auch meinen Schädel. Die Situation war geradezu tragikomisch. Die Tschechoslowaken hatten mich eingesperrt, und ich hatte die Tschechoslowaken ausgesperrt. Ich litt Höllenqualen vor Durst, man war gern bereit, mir Wasser zu geben, aber ich nahm es nicht an.
Der Hungerstreik hatte außer der endlichen
Festsetzung des Verhandlungstermins noch einen Erfolg. Ich erhielt jetzt schlüssige Beweise dafür, dass nicht die tschechische Behörde unsere Freilassung verschleppte, sondern Dr. Abl, mein Jitschiner Verteidiger. Darauf telegraphierte ich an einen deutschen Verteidiger, bat ihn, mich zu besuchen, und als er kam, übergab ich ihm die ungeheuerliche Kostenaufstellung, die mir der Jitschiner Anwalt zugestellt hatte. Dabei stellte sich heraus, dass der tschechische Anwalt innerhalb weniger Wochen mehr als sechzigtausend Mark von unseren Freunden und Genossen für die Vertretung erhalten hatte, ferner, dass er weitere zwanzigtausend Mark forderte, ohne dass er überhaupt in der Sache etwas gearbeitet hatte. Mein deutscher Anwalt übergab die Angelegenheit und das Material dem sozialistischen Zentralorgan in Prag, das veröffentlichte die wucherische Kostenberechnung des tschechischen Anwalts, der sozialdemokratischer Parteigenosse war. Daraufhin nahm sich die Anwaltskammer der Sache an, und Dr. Abl sollte wegen dieses Vorkommnisses aus dem Anwaltsstand ausgestoßen werden. Aus Scham darüber erhängte er sich an der Gardine seines Schlafzimmers.
Nun übernahmen mein deutscher Anwalt und ein Prager Advokat die Verteidigung, und unsere Angelegenheit ging von da ab schnell vorwärts.
Etwas ist mir besonders stark in der Erinnerung haften geblieben aus jener Zeit: Im Karthauser Kerker hörte ich in den Sommernächten, während ich auf meiner Pritsche lag, oft den Gesang von Mädchen- und Frauenstimmen, die tschechische
Volksweisen sangen; dieser Gesang war von einer fast überirdischen Schönheit. Ich habe weder in Deutschland, Österreich, Polen, Russland, Belgien, Frankreich noch in England jemals etwas Ähnliches gehört. Später hörte ich in Wien und Berlin Opern, aber sie waren nichts gegen diesen unbeschreiblichen Mädchengesang in den lindenduftenden Sommernächten zu Karthaus.
Hier im tschechoslowakischen Zuchthaus Karthaus erfuhr ich auch von dem Ausbruch des russisch-polnischen Krieges. Obwohl die Nachrichten, die ich darüber in bürgerlichen Zeitungen fand, sehr spärlich waren, versuchte ich, die Ursachen und Zusammenhänge des russisch-polnischen Konfliktes zu erkennen. Sozialistische oder kommunistische Zeitungen, auch Bücher und Broschüren, konnte ich im Zuchthaus Karthaus nicht erhalten.
Meine Informationen waren also nur einseitig. Aber selbst die bürgerlichen Pressemeldungen überzeugten mich, dass der Kampf der russischen Arbeiter und Bauern gegen Polen nicht um nationaler oder imperialistischer Ziele willen geführt wurde, sondern dass Sowjetrussland, der erste Arbeiterstaat, diesen Kampf zu seiner Selbstbehauptung und im Interesse der Arbeiter der ganzen Welt aufzunehmen gezwungen war. Polen, der geographische Pufferstaat, war von den imperialistischen Mächten des Westens vorgeschoben, um für die Bourgeoisie die Kastanien aus dem Feuer zu holen. Es enttäuschte mich furchtbar, als ich aus der tschechoslowakischen Presse ersah, dass die deutschen Arbeiter ihren russischen Brüdern nicht entgegeneilten, um gemeinsam mit ihnen nicht nur die polnische, sondern auch die deutsche und internationale Reaktion zu zerschmettern.
Es war ein schmerzlicher Tag für mich, als ich hörte, dass sechzigtausend russische Rotarmisten auf deutschem Boden interniert worden waren, ohne dass sich die deutsche Arbeiterschaft sofort mit ihnen verbündete. Wäre ich in diesen Wochen frei gewesen, ich wäre ohne Zögern zu den internierten russischen Brüdern geeilt, um mit ihnen gemeinsam die deutsche Arbeiterschaft zum Kampf aufzurufen.
Im August wurden mein Genosse und ich aus Karthaus entlassen, nachdem bereits in den Wochen zuvor die anderen zweiundzwanzig Genossen nacheinander ihre Freiheit erhalten hatten und aus der Tschechoslowakei ausgewiesen worden waren. Der Genosse und ich mussten uns nach der Freilassung noch die ständige Bewachung durch zwei Prager Kriminalbeamte gefallen lassen.
Etwa acht Tage vor meiner Entlassung aus Karthaus fand vor dem Jitschiner Landgericht die Verhandlung wegen der bei meiner Verhaftung in Marienbad bei mir gefundenen Handgranate statt. Ich wurde wegen Vergehens gegen das Sprengstoffgesetz und angeblicher Bedrohung der Gendarmen zu einigen Wochen schweren Kerkers verurteilt. Absitzen musste ich diese Strafe jedoch nicht. Die Verurteilung geschah wohl nur pro forma, denn ich wurde kurz nach der Urteilsfällung auf freien Fuß gesetzt.
Da ich durch den Hungerstreik sehr geschwächt war, wollte mein Anwalt mich vorerst einmal in ein Sanatorium bei Prag bringen. Bei der Besteigung des Zuges in Jitschin veranstalteten die Arbeiterorganisationen eine Ovation für uns. Wir bekamen in Massen Blumensträuße, rote Schleifen, feuerrote Nelken.
Die tschechischen Rechtsradikalen veranstalteten aus Ärger über die Huldigung eine Gegendemonstration im Bahnhof, mussten jedoch sehr schnell das Feld räumen, da die Sozialisten in Jitschin in der Überzahl waren und der sozialistische Bürgermeister selbst sich an der Kundgebung für uns beteiligte.
Dafür aber rächten sich die tschechischen Rechtsradikalen. Sie riefen in den Orten an, die unser Zug passieren musste, und machten ihre dortigen Anhänger gegen uns mobil. In der nächsten Station legten sich Hunderte von tschechischen Rechtsradikalen einfach auf die Schienen und lie­ßen den Zug nicht weiterfahren. Sie zwangen uns, den Zug zu verlassen, und drohten unter wüstem Geschimpfe, mich mit Steinen und Stöcken totzuschlagen.
Der Kriminalbeamte und der Anwalt meldeten sofort telephonisch den Zwischenfall an das Justizministerium und an die Polizeidirektion in Prag. Von dort wurde ein Auto geschickt, das uns ohne weitere Zwischenfälle nach Prag brachte, wo wir nachts um eins im Sanatorium anlangten. Beim Einsteigen in das offene Personenauto spuckten uns die wildgewordenen Rechtsradikalen an und warfen uns faustgroße Äpfel und Birnen an die Köpfe.
In dem Sanatorium, das sich in einem Prager Vorort befand, fielen wir aus einem Erstaunen in das andere. Es wurden uns zwei Kriminalbeamte auf den Hals gesetzt, deren Unterbringung und Verpflegung ich bezahlen musste. Das bedeutete Kosten, die für mich auf die Dauer untragbar waren, denn die aus den vogtländischen Requisitionen stammenden Mittel durften nicht auf solche Weise aufgebraucht werden.
Es war uns nicht gestattet, das Sanatorium zu verlassen, wir sollten nur in dem großen Garten unter Aufsicht der Kriminalbeamten Spazierengehen. Die Bewachung wurde in folgender Weise gehandhabt: Wir verließen das Sanatorium, und der eine Beamte - die beiden lösten einander in der Bewachung ab -, der ein sehr guter Geigespieler war, ging uns mit seiner Geige voraus und spielte uns die herrlichsten tschechischen Nationalweisen vor, lief dann stundenlang in der Umgebung herum und versuchte, für uns Ziegenmilch aufzutreiben.
Viel weniger angenehm war der zweite Beamte. Das war ein kleiner, dicker, pausbäckiger ehemaliger Kammerdiener des Grafen von Thurn und Taxis, wie er sagte; er hatte erst seit dem Umsturz die Kriminalbeamtenkarriere eingeschlagen. Dieser Mann wollte Geld und immer nur Geld von mir. Er verstand es, fast zu Tränen rührende Geschichten zu erzählen, dass es ihm entsetzlich schlecht gehe, er müsse noch in dieser Nacht sich, seine
Frau und sein herziges Kind erschießen, wenn ich ihm nicht sofort seine goldene Uhr abkaufte. Dafür verlangte er fünftausend Kronen, aber ich konnte ihm beim besten Willen keine fünfzig geben. Jedenfalls hielt er mich für einen kleinen Millionär. Er hatte nämlich unterwegs gehört - aus dem Mund naiver Landleute, die an den Bahnstationen unseren Transport beobachteten -, dass meine Koffer mit Diamanten und Brillanten angefüllt seien.
Im selben Sanatorium befanden sich Damen der bulgarischen Gesandtschaft, ferner die Frau des ukrainischen Bandenführers Jan Petljura. Ich erregte in dieser illustren Gesellschaft begreifliches Aufsehen.
Die tschechischen Nationalisten, die bald von meiner Anwesenheit erfuhren, brachten mir in den Abendstunden oft »Ovationen« dar, in der Weise, dass sie mir und meinen Begleitern Revolverkugeln um die Ohren pfeifen ließen, wenn wir auf dem Balkon saßen. In der Presse forderten sie meine Ausweisung. Wahrscheinlich unter Druck entschloss sich die Regierung zu einem merkwürdigen Dreh. Außer den Kriminalbeamten waren zu unserer Bewachung noch zwei Gendarmen mit aufgepflanzten Bajonetten in das Pförtnerhäuschen des Sanatoriums gezogen. Es wurde gemunkelt, wir hätten die Absicht, zu fliehen. Eines Tages kam mein Prager Anwalt zu mir und sagte, es sei ihm von höchster Stelle nahe gelegt worden, ich solle der Tschechoslowakei so bald wie möglich den Rücken kehren. Wir verstauten unsere wenigen Sachen in zwei Köfferchen, und am nächsten Tage kam ein Auto, in dem der Anwalt und ein Kriminalbeamter saßen, um uns abzuholen. Die beiden Gendarmen, die im Pförtnerhäuschen saßen, rührten sich überhaupt nicht, als wir an ihnen vorübergingen. Das Auto brachte uns nach einer kleinen Bahnstation außerhalb Prags, dort blieb der Kriminalbeamte zurück, und unser Verteidiger fuhr mit uns bis Znaim an die tschechisch-österreichische Grenze. Dort war unsere Ankunft schon signalisiert, und wir wurden mit behördlicher Konzession ohne Pass oder Ausweis über die österreichische Grenze geschmuggelt. Die Tschechoslowaken waren mich los. Freude hatten sie an mir nicht erlebt, mochten die Österreicher nun sehen, wie sie mit Hoelz fertig wurden.
Ich war gegen Ende August aus dem Zuchthaus Jitschin entlassen worden. Der Aufenthalt im Sanatorium hatte knapp vier Wochen gedauert.

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