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Max Hoelz - Vom »Weißen Kreuz« zur roten Fahne (1929)
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Widmung

Ursprünglich wollte ich dieses Buch auf die Schilderung meiner Zuchthausjahre beschränken. Diese acht Jahre lassen sich aber nicht von dem trennen, was vorher war. Sie waren nur die Folge der Erfahrungen und Eindrücke während der ersten drei Jahrzehnte meines Lebens.
Ich widme den ersten Teil des Buches, der meine Jugend-, Kriegs- und Revolutionserlebnisse umfasst und meine Entwicklung vom christlichen Jüngling zum klassenbewussten Revolutionär schildert, den deutschen und russischen Arbeitern. Denn bei ihnen fand ich die große Idee des proletarischen Befreiungskampfes, die mir zum Wegweiser aus Gottergebenheit und individuellem Streben wurde und mir meinen Platz und meine Aufgabe in den Reihen der Unterdrückten zeigte. Sie waren es, deren Beispiel befruchtend und anfeuernd auf mich wirkte. Das geistige Verbundensein mit ihnen gab mir die innere Sicherheit, ohne die ich meine Kämpfe nicht hätte durchführen und ihre Folgen - acht grausame Zuchthausjahre nicht hätte ertragen können. Ich will ihnen an Stelle der Legenden, die meine Feinde und manche Freunde über mich verbreitet haben, eine ehrliche Darstellung meines wirklichen Denkens und Handelns geben.
Den zweiten Teil, meine Erinnerungen an das »Leben« hinter Zuchthausmauern, widme ich nicht nur allen politischen Gefangenen, sondern auch den kriminellen, den Dieben, den Meineidigen, den Sexualverbrechern, den Zuhältern, Mördern und Schwindlern, allen, die für Jahre oder Jahrzehnte lebendig begraben sind. Ob die »Schuld« des einen auf Veranlagung, die des andern auf das soziale Milieu, in dem er lebte, zurückzuführen ist, gilt mir gleich: ich liebe sie alle. Bei allem Hässlichen und Abstoßenden, das ich an kriminellen Gefangenen wahrnahm, stehen sie mir näher als mancher behäbige und selbstherrliche Mensch, der mir nach meiner Rückkehr in die Freiheit als angeblicher Freund die Hand drückte.
Die Selbstsucht und Verlogenheit, der Neid, die Missgunst und Rohheit der von der bürgerlichen Gesellschaft Ausgestoßenen sind wahr und echt. Sie tragen wenigstens keine Maske. Die Wunden und Geschwüre, die hässlichen Narben, die ihren Körper und ihre Seele verunstalten, hat ihnen das Leben geschlagen. Das Leben aber sind wir alle. Also sind wir alle mitverantwortlich und haben keinen Anlass zur Überheblichkeit.
Auch die klassenlose Gesellschaft wird sich - wenn nötig - gegen Schädlinge sichern.
Bestrafen aber - ob zur Vergeltung oder zur Besserung - ist eine Anmaßung des bürgerlichen Klassenstaates.
Was ich im Zuchthaus erlebte, war nur ein Ausschnitt aus jener Wirklichkeit, die die kapitalistische Gesellschaft hinter den tönenden Worten: Justiz, Gerechtigkeit, humaner Strafvollzug, Fürsorge und sittliche Hebung verbirgt.
Ich schildere meine Erlebnisse, um in den Lesern - vor allem in jungen, unverkalkten - den
Willen zum Kampf gegen die bürgerliche Klassenherrschaft zu wecken und zu schärfen.
Ich bringe dabei viel Persönliches zur Sprache. Das war unvermeidlich, denn alles Persönliche war zugleich Gemeinsames. Nicht nur ich hatte schwer arbeitende arme Eltern, nicht nur ich wurde als Knecht geprügelt, lief weg, suchte hungernd Arbeit, glaubte an Gott und zog in den Krieg, nicht nur mir gingen die Augen auf, so dass ich das Gewehr gegen die Unterdrücker wandte, nicht nur ich stand vor den Klassenrichtern, nicht ich allein lag nackt und blutig in den Folterkammern deutscher Zuchthäuser! Tausende erleben und erleiden dasselbe wie ich. Sie sind stumm. In ihrem Namen spreche ich.
Max Hoelz Berlin, Januar 1929

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