Die Inschrift auf Cowper III
Wie metallene Riesenzigarren, wie Luftschiffe, die zur Hälfte in die Erde gefahren sind, stehen die Cowpers da, vier neben jedem Hochofen. In den gigantischen Rohren,
mit denen sich der Hochofen wie mit Rüsseln an ihnen festsaugt, singt die erhitzte Luft.
Lange gehen wir um den dritten Cowper des ersten Ofens herum, suchen nach einer Inschrift, finden keine. Endlich entdecken wir hoch oben, knapp unter dem flach gewölbten Deckel, ein paar halbverwischte rote Buchstaben. Ist das die Inschrift, von der Professor Triodin gestern gesprochen hat? Ja, sie ist es. Ein Arbeiter „vorn Gas" weiß Bescheid; er gibt uns Auskunft: „Das war die Inschrift. Der Regen hat sie weggewaschen, aber dort oben war sie. Sie hat geheißen: ,Dem Andenken des Genossen Petrow, Pantelej Sawelitsch!'" Von einer Geschichte, die dazu gehören soll, weiß er nichts. Oder wollten wir am Ende gar keine Geschichte hören, sondern einfach wissen, warum man die Inschrift dort oben hingepinselt habe ... Ja? Also das könne er uns erzählen: Pantelej Sawelitsch Petrow war ein Nieter, einer von der Komsomolzenstoßbrigade. Er arbeitete außen am Cowper. Er saß auf einer Art Schaukel, die von Tag zu Tag höher gehisst wurde. Als man schon beim Montieren des letzten „Stockwerks" war, rissen - man weiß nicht, aus welcher Ursache — die Seile, und Pantelej Sawelitsch stürzte fünfunddreißig Meter tief hinunter. Er war nicht gleich tot, aber jeder konnte sehen, dass er nicht mehr lange zu leben hafte; er selbst wusste es auch. Als seine Kameraden heruntergelaufen kamen, um ihm zu helfen, sagte er: „Geht! Mir ist nicht zu helfen. Schaut, dass ihr wieder an die Arbeit kommt, wir wollten doch heute hundertunddreißig Prozent machen. Los! Ich werde schon allein mit mir fertig; die Arbeit kann nicht von selber fertig werden!" Zwischen den Blättern meines Notizbuches liegt ein kleines, viereckiges Stück bedruckten Papiers. Ich habe es aus einer englischen Zeitung geschnitten, die ich als Zuckertüte im Kooperativladen bekommen habe.
An diesen Zeitungsausschnitt muss ich jetzt, während ich die Geschichte von Pantelej Sawelitsch Petrow erzählt bekomme, denken. Es ist eine Meldung aus Hongkong: „Wie unser Tokioter Korrespondent berichtet, hat der Maler Ito Hikozo zum Andenken an die Kriegstaten der japanischen Truppen in Shanghai das Bild des Mikado mit Blut, das er dem eigenen Körper entnahm, gemalt. Da das Bild Lebensgröße hat, brauchte Ito Hikozo soviel Blut, dass er seine Arbeit mehrmals auf längere Zeit unterbrechen musste, um sich von dem großen Blutverlust zu erholen. Zuletzt war er so geschwächt, dass er nur mehr liegend arbeiten konnte, trotzdem führte er sein Werk zu Ende. Angeeifert durch dieses Beispiel von heroischer Vaterlandsliebe, haben die Schülerinnen eines Erziehungsheims in Osaka das Wappenbild Japans, die aufgehende Sonne, mit ihrem Blut auf eine seidene Fahne gemalt und schickten sie dem Kommandeur der siegreichen japanischen Vorhut in Tschapei."
Der Arbeiter „vom Gas" erzählt noch, wie lustig Petrow immer war.
„Ich erinnere mich noch, er war der beste Harmonikaspieler auf dem ganzen Hochofenbau und konnte sehr schön Tschastuschki (Anm.: Kurze, meistens improvisierte Bänkellieder) singen. Als sie ihn ins Rettungsauto schafften, sagte er: ,Es ist schade, dass es jetzt zu Ende geht, man lebt gerne, wenn man so leben kann, wie wir gelebt haben. Sagt den Jungens, sie sollen nicht nachlassen!' Im Krankenhaus lieferten sie ihn schon tot ein." Die Meldung aus Hongkong ist überschrieben: „Spartaner von heute! Antiker Heroismus in moderner Fassung!"
Pantelej Sawelitsch Petrow wusste nichts von Sparta. Das Heldentum der Petrows ist nicht antik. Die Petrows leben gern.
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