Das Werk der sieben Berge
Sieben Bergkuppen umgrenzen in weitem Halbkreis die Steppe; eine davon, Ai-Darly, besteht aus taubem Stein, auf ihr stehen die Erzaufbereitungswerke: Erzmühle, Erzwäscherei, Agglomerationsfabrik und zwei Werkstätten für nasse und trockene magnetische Aufbereitung. Die sechs anderen Berge haben eiserne Sohlen, oder sind, wie der höchste, der Atatsch, Erzberge in des Wortes wahrster Bedeutung. Dreihundert Millionen Tonnen Erz ruhen hier in zwei riesigen Flözen - die „Skarny", die Gesteine mit nur zwanzig, dreißig und vierzig Prozent Eisengehalt, gar nicht mitgerechnet.
Am 15. Mai 1931 hat sich der Atatsch in die „Kabakow-Erzgrube" verwandelt.
„Sie wundern sich wohl, dass unsere Erzgrube so gar nicht dem Bild entspricht, das man sich gemeinhin von einem Erzbergwerk macht?" fragt uns der Grubendirektor, ein früherer Bergmann, den seine Kameraden zuerst auf die Steigerschule und dann auf die Bergakademie geschickt haben. Er wartet jedoch unsere Antwort gar nicht erst ab, sondern fährt gleich fort: „Ja, es sieht bei uns anders aus, als in den alten Erzgruben. Wir arbeiten eben unter ganz besonders günstigen Bedingungen. Wir müssen das Erz nicht erst aus der Tiefe holen, wir tragen einfach, Schicht um Schicht, den Berg ab; er besteht fast nur aus erzhaltigem Stein und Lehm. Aber Tagbau allein bedeutet noch nicht Veränderung des Produktionscharakters und Erleichterung für den Arbeiter. Wenn wir den Atatsch mit der Spitzhaue abfragen wollten, wie man das bisher machte, so müssten wir, um die vom Plan vorgeschriebene Menge zu fördern, zwanzigtausend Mann beschäftigen, und diese Zwanzigtausend hätten eine außerordentlich harte und schmutzige Arbeit zu verrichten. Wir nehmen nun an Stelle der Spitzhaue den Armstrong-Bohrer, die Ammonal-Sprengmaschine und den Bucyrus-Bagger, und brauchen statt der zwanzigtausend Arbeiter, die wir jetzt unmöglich auftreiben könnten, nur zweitausend, denen obendrein von den Maschinen alle schmutzige und schwere Arbeit abgenommen wird. Auf diese Weise verliert der Beruf des Erzhäuers seine Schrecken. Aus dem armen Kumpel, der bis zur völligen Erschöpfung gehauen, gegarben und gekarrt hat, wird ein Kontrolleur der Maschine, der mit einigen leichten Handbewegungn..." Er unterbricht sich; meint lächelnd, er sei wieder einmal zu sehr in Schuss geraten, wir müssten das verstehen: er habe selbst noch mit der Spitzhaue gearbeitet, und da gehe es einfach mit ihm durch.
Wir sind auf Horizont Nr. 1 angelangt, wo wir - wie der Direktor sich ausdrückt - den Produktionsprozess bei seinem Beginn erwischen.
Der Berg wird in Stufen von zehn Metern Höhe abgebaut. Auf der obersten arbeiten gerade die Armstrong-Bohrer. Mit hohem, scharfem Summton senkt sich der Stahlstachel in den Boden, durchsticht die Grasnarbe und die Lehmschicht und frisst sich in den Fels. Wenn er zu wirbeln aufhört und zurückgezogen wird, ist im Stein ein elf Meter tiefes, rundes, glattes Loch. Hinter den Bohrern kommt die Sprengkolonne. Pfeifen trillern, rote Wimpel werden geschwungen, ein Hornstoß gellt auf. „Achtung! Sprengung!"
Menschen und Maschinen ziehen sich weit zurück. Mit dumpfem Krachen birst die Erde: einmal, zweimal, dreimal, fünfmal. Dort, wo eben noch eine rötliche Felswand, ein Stück Hügelrücken, ein Streifen Grasnarbe war, liegt Geröll.
„Zwei Milliarden Hackenschläge erspart uns jede solche Sprengung. Jetzt sprengen wir noch mit Ammonal, später wollen wir flüssige Luft verwenden, sowie nur unser Chemiekombinat fertig ist."
Hinter einer Felsnase, die ihnen Deckung gewährt hat, kommen zwei Erdbagger hervor, stählerne Saurier mit weit vorgestreckten Hälsen. „Bucyrus. Erie. Pennsylvania" steht auf dem Mechanikerhäuschen des ersten. An dem komplizierten Hebelwerk sitzt ein junger Bursche mit bäuerlichen Gesichtszügen.
„Ja, ein Kolchosbauer. War noch vor zwei Jahren irgendwo in einem ganz verlorenen Winkel und wusste nicht einmal, wie eine Eisenbahn aussieht, geschweige denn ein Erdbagger. Überhaupt konnte im Anfang nur ein einziger Mann im ganzen Betrieb mit einem Bucyrus umgehen, aber jetzt haben wir schon eine ganze Menge Bucyrus-Führer, genug für alle acht Bagger, die bei uns arbeiten und die vier, die noch kommen sollen. Im Herbst wollen wir einige zu Mechanikern ausbilden lassen; diesen hier auch!" Auf dem Geleise, das den Rand der Stufe entlangläuft, kommt eine Lokomotive mit vier langen, flachen Lastwaggons gefahren und macht vor dem Geröllhaufen halt. „Sogenannte Dump-cars. Sie entleeren sich auf einen Hebeldruck. Wir schaffen damit das Erz von der Grube zur Aufbereitung. Sechzig Tonnen fasst jeder. Diese hier sind noch Auslandserzeugnisse, aber wir haben auch schon Dump-cars eigener Erzeugung und Konstruktion." Der Bursche im Bucyrus-Häuschen hat ein paar Hebel umgelegt. Rasselnd fällt der „Löffel" auf den Geröllhaufen nieder. Seine weit aufgerissenen Kiefer beißen sich kreischend in die Schuttmasse ein. Wenn sie sich geschlossen haben, ist der Löffel bis zum Rand mit großen Gesteinsbrocken gefüllt. Ein kurzes Fauchen. Die Ketten, mit denen der Löffel am Bucyrushals befestigt ist, straffen sich, ziehen den Löffel hoch. Wieder ein Fauchen. Der Hals dreht sich, schwenkt den Löffel über den letzten Dump-car. Ein drittes Fauchen. Die Kiefer öffnen sich: siebeneinhalb Tonnen Erz poltern in den Waggon.
Einige wenige Löffelladungen, und der Waggon ist voll. Die Lokomotive ruckt an und schiebt den Zug um eine Wagenlänge zurück. Die nächste Ladung poltert schon in den vorletzten Wagen.
„Alle zehn Minuten werden wir später einen solchen Zug vollbeladen zur Ai-Darly-Höhe hinüberschicken. Die großen Erzbrecher dort können jeder fünfhundert Tonnen Erz in der Stunde zerkleinern; die Erzwäscherei und die anderen Aufbereitungswerkstätten werden weitere Hunderte Tonnen stündlich verarbeiten; viertausend Tonnen wird jeder unserer acht Bucyrusse im Tag fördern müssen, damit Ai-Darly in vollem Gang bleibt. Jetzt allerdings halten wir erst bei einer Tagesleistung von dreitausendfünfhundert Tonnen im Ganzen, aber noch vor zwei Monaten waren es kaum achtzehnhundert!"
Was das hier für eine Maschine sei? Ein Versuchsbohrer. Mit dem hole man sich Gesteinsproben aus der Tiefe. Die mechanische Werkstätte habe ihn nach eigenen Plänen gebaut. „Hier, lesen Sie!"
Auf der blechernen Schutzhaube steht mit zinnoberroter Mennigfarbe:
„Drehbank ,Erster Mai'. Diese Maschine wurde von der Komsomolzenbrigade der Mechanischen Werkstätte auf Intiazive des Gen. Schabalow als Woskresnikarbeit (Anm.: Kommunistische Sonntage, Nachfolger der „Subbotniki.") hergestellt. Schach dem Import!"
Jemand hat das Wort „Intiazive" mit Kreide „verbessert" (es steht jetzt „Inziative" dort) und den letzten Satz ergänzt: „Dognatj i peregnatj, dajosch swoju technitscheskuju Ameriku! - Einholen und überholen, her mit unserm eigenen technischen Amerika!"
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