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Kurt Kläber – Passagiere der III. Klasse (1927)
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XVI.

Die Männer lachten noch über die gestörte Besichtigung ihrer Klasse und ihrer Visagen, als sie sich nach dem Abendessen im Tagesraum sammelten.
Der Herr aus der ersten Klasse hatte sich allerdings beschwert, Der watschelnde Hofmeister hatte ihnen auch zum Essen mit seiner verfetteten Stimme und mit zornig geschwollenem Stirngeäder die Schiffsordnung vorgelesen. Ihre Lustigkeit war aber dadurch nur erhöht worden.
Jetzt standen sie in kleinen Gruppen zusammen und erzählten sich noch schlechtere Späße. Die meisten schwankten. Sie hatten Bier und Schnaps getrunken.
Der Geduckte, der wie ein Türke auf einem runden Tisch saß, war der Lauteste. „Wir haben uns oft solche Witze geleistet!" prahlte er. „Ich will euch nicht den schlechtesten erzählen!
In der Nähe von Corral", sein Gesicht verzog sich zu einem nachdenklichen Grinsen, arbeiteten wir lange auf einer Obstfarm. Es war ein Mann da, ein spitzes, zwei Meter langes Gerippe, der aber ganz anständig zu uns war. Nur sein Weib hatte einen Stich in der Hirnschale. Es saßen ihr wohl zuviel Ahnen darin. Sie war sonst mager und gelb wie er. Fast etwas größer." Der Geduckte versuchte ihre Gestalt mit den Händen anzudeuten. „Und", er sagte das mit leichtem Zungenschnalzen, „schöner.
Sie ritt den ganzen Tag durch die Felder. Uns sah sie dabei gar nicht, und wenn sie uns doch einmal eine Botschaft zuzurufen hafte, waren wir nichts weiter als Pack, Gesindel, Herumtreiber! Sie titulierte uns mit hundert Namen, und wenn es nach ihr gegangen wäre, hätten wir sicher im Stall wohnen müssen, und das Essen hätte sie uns in die Tröge schütten lassen. Dabei war sie aber dem Männlichen gar nicht abhold. Besonders auf einen rosigen Pater hatte sie es abgesehen. Der war wohl zwölf Jahre jünger als sie, und sie schleifte ihn mit sich auf all ihren Ritten wie ein altes Känguru ihre Jungen!"
Der Geduckte zog seine Beine näher an den Leib und sprach schneller. Wir versuchten, sie immer zu überraschen. Einmal glückte es uns auch. Der Schimmel und der Braune des Priesters waren angepflockt, und sie lagen nicht weit davon in den Kakteen.
He!" der Geduckte schlug sich klatschend auf die Schenkel, „war das ein Fressen für uns. Wir hatten uns geschwärzt, und der junge Pater zitterte und schrie, als wäre der leibhaftige Satan über ihn gekommen. Wir rissen ihm nur die Kutte vom Leibe und prügelten ihn davon. Dem Weib aber ging es schlechter. Erst knallten wir ihr alle Wörter auf den nackten Bauch, die sich in unseren Denkkästen angesammelt hatten. Dann fielen wir über sie her wie über frisches Fleisch. Wir waren elf ausgehungerte grobe Kerle. Ein kleiner Mestize, der sich ihre Schimpfworte besonders zu Herzen genommen hatte, trieb es am schlimmsten. Er bepisste sie sogar!"
Der Geduckte machte eine Pause, „Sie hat sich diese Geschichte sehr zu Herzen genommen", fuhr er langsamer fort. „Jedenfalls ließ sie sich nie wieder auf den Feldern sehen, und als ihr Mann durch einen Hitzschlag das Zeitliche segnete, nahm sie die Haube und kroch in der Nähe von Puebla in ein Kloster!"
Der Schotte ergriff das Wort, „Es ist eine weniger tragische Geschichte“, sprach er in das Schweigen hinein, das nach den Worten des Geduckten entstanden war, „aber wir waren damals auch in eine giftige Wut geraten! Kennt ihr die kleinen Goldminen am Kootenay, oben in Britisch-Kolumbien?" fragte er und sah allen in die Gesichter. „Da ist sie passiert!"
Als sie die Köpfe schüttelten, erzählte er weiter. „Wir bohrten und schlugen da oben Stein aus den Felsen und schleppten ihn dann hinunter in die Goldminen. Es war eine miserable Arbeit. Außerdem taugte unser Dynamit nicht viel, Es explodierte vor der Zeit, und es waren schon drei der besten Kerle auseinandergerissen worden. Wir Waren also nicht gerade in einer festlichen Stimmung. Wir schwankten zwischen Streik und Davonlaufen, und einige hatten schon die Bündel geschnürt.
Damit das Maß aber voll wurde, schickte uns die Verwaltung in diesen Tagen noch einen neuen Aufseher herauf. Er sah aus wie ein frischentlassener Bergstudent, abgeschleckt, aber mit den Schalen hinter den Ohren, und er hatte sich kaum in unserem Territorium umgesehen, so benahm er sich auch danach. Er fand alles schlecht und veraltet, was ihm vor die Augen kam, und uns selber putzte er ab, als wären wir seine Schafe und als wäre er nur zur Schur zu uns gekommen!
Wenn ihm aber einer von uns in den Ohren lag und besonders über das immer schlechter entzündbare Dynamit klagte, blies er sich auf wie ein Hahn, nannte uns Feiglinge und Schacher und krakeelte, als käme er gleich nach dem Herrgott. ,Ihr habt ja nur Angst!' schrie er einen dicken Polen an, der das Schießen hauptsächlich besorgte. ,Ich würde mich neben euren Pulverdreck setzen, auch wenn ihr die Zündschnur schon angezündet habt und solange sitzen bleiben, bis der Dreck zischt!'
Das fuhr uns in die Nasen, und da wir alle nicht von Pappe waren und die Schießprügel auch während der Arbeit nicht aus der Tasche nahmen, wollten wir ihn beim Wort nehmen!
Es war an einem Nachmittag!" der Schotte putzte sich erst die laufende Nase und wischte sie nach allen Seiten blank, „der smarte Alfonso wollte uns gerade in die Goldminen hinunter jagen. ,Hallo!' bellte da der dicke Pole und hielt die anderen zusammen. Er setzte, nachdem wir uns alle in einem großen Kreis um ihn und um den Belfernden gesammelt hatten, erst ein kleines Karbidfass sorgfältig nieder und legte unter seinen blechernen Schutz zwei oder drei der gelben kurzen Dynamitrollen. Der immer weiter schimpfende Alfonso, der noch nicht begriff, was die Stunde geschlagen hatte, fuhr in der Zeit mit seinen Armflügeln gegen uns los wie ein eingefangener Sperber. Als er aber sah, wie der dicke Pole an die letzte Patrone eine Zündschnur band und sie dann sorgfältig über den Sand ringelte, schien er die Geschichte langsam zu begreifen!
Erst wurde er nur blass. Danach rannte er wie ein Gestochener gegen unsere Umzäunung. Sie gab aber nicht nach, und so prallte er wieder zurück. ,Mister,' sagte nun der Schießmeister, und näherte sich dem um sich Schlagenden, ,was hast du? Wir wollen doch nichts weiter, als einmal sehen, ob du wirklich so mutig bist, wie du gesagt hast. Setze dich also tapfer auf den Blechtopf, und wenn ich bis 60 gezählt habe, darfst du aufstehen und zu uns herüberkommen. Bleibe aber nicht länger sitzen. Bei 65 fliegt du sonst in die Luft!
Lass es dir aber genau so wenig einfallen,' der Dicke schob dem zitternden Alfonso sein unrasiertes Gesicht unter die Nase, ,aufzuspringen bevor ich 60 gezählt habe.
Jeder von uns hat ein Schießeisen bei sich. Es fährt dir sofort zwischen die Knochen!'
Der Alfonso war nach dieser Anrede schon so klein und ängstlich geworden dass er zitterte und der Dicke, der ihn an den Schultern gefasst hatte, musste ihn bis zu dem Blechnapf schieben. Dort schlug er ihn wie ein Metzger zwischen die Beine, und der Zitternde fiel auf den Blechnapf nieder. Als der Pole aber nach der Zündschnur griff und sie anzünden wollte, schnellte der Schlotternde schon wieder schreiend in die Höhe. Erst unsere Pistolen und unsere entschlossenen Gesichter überzeugten ihn, dass er entweder bis 60 warten musste oder von uns niedergeknallt wurde. Er fiel das zweite Mal zurück. Sein geschniegeltes Gesicht zerlief dabei wie ein überreifer Käse, und die großen, immer kalbiger werdenden Augen schlossen sich.
Ob er das Zählen des Polen überhaupt gehört hat, und wie lange er sitzen geblieben ist, weiß ich nicht. Wir türmten gleich, als er die Augen geschlossen hatte, mit unseren Maultieren und dem Erzstein nach den Mühlen. Als wir aber am Nachmittag wieder heraufkamen, war er noch so klein und zittrig wie eine gebadete Maus. Er lief tun uns herum, als hätte er sieben schlechte Gewissen, und am nächsten Tage packte er seine ganzen Sachen und rückte aus.
Was ihn am meisten geärgert hatte, erzählte uns später der Pole lachend, der in seiner Nähe geblieben war, war die unumstößliche Tatsache, dass er vor gefüllten Sägespänehüllen so gezittert hatte. Ich habe sie ihm nach meinem Zählen und nachdem er mit gesträubten Haaren und blass wie ein Halbgehängter hinter das Haus gestürzt kam, mitsamt der ausgebrannten Zündschnur unter die Nase gehalten. Er hat noch mehr gebrüllt als auf der Blechkiste, und sein Gesicht ist blauer geworden als ein Himmelszipfel."
Sogar der lange Engländer lachte dröhnend, als der Schotte seine Geschichte schloss, und der Amerikaner schob blinzelnd und anerkennend seine Brillengläser hoch.
„Kameraden!" sagte er, nachdem sich das Lachen etwas gelegt hatte, mir fällt ein ähnlicher Spaß ein. Er ist noch lustiger, und der Hereingefallene war ein fetter Pastor."
Er begann gleich. „Wir arbeiteten in Oklahoma. Fast alle in Petroleum. Es war nicht gerade eine gute Arbeit, und sie wurde außerdem sehr schlecht bezahlt. Eines Tages streikten nun aus irgendeinem Grunde die Schlosser in den Betrieben. Den Unzufriedenen kam die Gelegenheit wie gerufen. Bald lagen wir alle auf der Straße, auch einige kleine Berufe in der Stadt. Es war ein richtiges Streikfieber. Jeder und jede wollten plötzlich höheren Lohn haben.
Die Streiker blieben auch alle fest, trotzdem sich die Petroleumbrüder gleichfalls verbanden, den Sheriff bestachen, dass er mit der ganzen Miliz zu ihnen überging und uns auch sonst noch alles auf den Leib hetzten, was in den Vereinigten Staaten gern und freudig gegen die Arbeiter losmarschiert. Sogar Streikbrecher, besonders Schwarze, ließen sie in ganzen Zügen kommen. Sie steckten sie hinter die Pumpen und auf die Bohrtürme und erwarteten, dass uns langsam die Luft ausginge.
Es war aber gerade Hochsommer, und auf den Feldern stand eine gute Ernte. Die Unverheirateten wetzten darum alle Sensen oder saßen auf Mähmaschinen, und für die Verheirateten war noch genügend Geld in den Kassen.
Die Ölbrüder spuckten Feuer und Galle und geiferten alle Gemeinheiten über die tapferen Streiker, als sie das erfuhren. Sie hatten auch schon schwere Verluste. Es waren ein paar Brände entstanden, und in die großen Pumpsysteme war Unordnung gekommen. Sie wollten aber trotzdem nicht nachgeben, und als auch die verschärften Maßnahmen der Polizei uns nicht vor die Arbeit brachten, verschrieben sie sich zur letzten Hilfe und Rettung einen Pfarrer.
Wir lachten hell auf, als wir durch die Zeitungen hörten, dass ein angehender Bischof aus dem Norden in die Stadt käme und wir mit seiner Hilfe und Wort Gottes zur Vernunft gebracht werden sollten und zurück in die Fabriken. Wir gingen sogar in großen Massen auf den Bahnhof, stimmten ein großes Gelächter an, als wir seine Dickleibigkeit sahen, dass die frommen Seelen erschrocken in die Nebenstraßen flüchteten, und als er zu uns sprechen wollte, schrieen wir ihn nieder.
Der Gottesmann war aber mutiger, als er aussah. Er begann mit seinen Rettungsversuchen trotz unseres Konzerts noch am gleichen Tage. Und er machte es wirklich nicht schlecht. Er zog mit Trara und einigen großen Trommeln auf einem Leiterwagen durch alle Straßen und donnerte die Vorübergehenden an, als wären sie allesamt große Sünder. Er sprach dabei nicht gleich vom Streik. Er lief mit seinen Worten um die ganzen Staaten, und was er besonders betonte, war das Wort ,Vaterland'. Amerika ist das größte und schönste Land. Das gewaltigste Land, beinahe das Reich Gottes auf Erden. Seine Bürger sind auch die besten Bürger. Die patriotischsten Bürger. Engel — wenn Amerika das Reich Gottes auf Erden ist. Jeder muss deswegen auch alles tun, damit das Land so groß, so schön, so gewaltig bleibt, ja, dass es noch größer, noch schöner wird. Und dann ließ er auf einmal seine Zunge noch besser spielen. Er drehte die Worte zwischen seinen Lippen wie ein Jongleur. Er machte sie sauer und kalt, hitzig und boshaft, zuckrig und scharf, und er bog sie so lange, bis er plötzlich vom Reich Gottes mitten in unserem Streik war. ,Mitbürger!' schrie er nun, ,und jetzt bin ich hierher gerufen worden, weil in diese Stadt der böse Feind gefahren ist. Weil habgierige, kleinsüchtige Menschen, siehe sogar Sozialisten, euch, meine lieben Brüder, aufgehetzt haben, gegen die göttliche Ordnung dieses Landes, gegen seine paradiesische Freiheit, gegen seine unantastbare Gleichheit zu revoltieren. Was ist das? Das ist Satanswerk an unserem Staate! Das ist Teufelskunst gegen unsere Einigkeit! Das ist Verbrechen gegen unsere Einigkeit! Das ist Verbrechen gegen unsere unumstößlichen Gesetze! Das ist Babel! Das ist Sodom! Das ist der Anfang vom Untergang!'
Er schrie dann noch eine gute Stunde über die Heiligkeit des Staates und über die Unantastbarkeit des Kapitals. Er packte jeden, der ihn hörte, an seiner empfindlichsten Stelle, an seiner Liebe zu Amerika, und jeder, der nach seinen Worten weiterstreikt, der konnte wirklich nur ein Vaterlandsverräter und ein großer Lump sein.
Der brüllende Gottesmann hatte auch Erfolge. Zuerst trat die gesamte Presse auf seine Seite, dann liefen die Frauen mit fliegenden Fahnen zu ihm über, und das war ein ziemlich großer Erfolg, bald kriselte es aber auch unter uns.
Wir wollten sogar schon zu Kreuze kriechen, da machte der heilige Mann im letzten Augenblick einen Bock. Den Ölbrüdern waren seine Erfolge noch nicht durchschlagend genug, und sie hatten ihm wohl einen größeren Zuschuss gegeben, damit er noch gewaltiger gegen uns donnere. Er tat es auch. Während er bis jetzt aber nur an unseren Patriotismus gerührt hatte, packte er diesmal nach uns selber. Als wäre ein himmlisches Feuer über ihn gekommen, und als wäre er von hundert Erscheinungen geheiligt worden, so grimmig fuhr er uns auf einmal an. Er spürte plötzlich die Kraft, uns dem Teufel zu überantworten und uns in die Verdammnis zu stoßen. ,Jeder Streiker ist ein schlechter Mensch!' schrie er von seinen Wagenplanken, ,eine Ausgeburt der Hölle, Abfall, Abschaum, Dreck! Er ist nicht wert, dass er weiter den Boden dieses Landes, dieser Stadt tritt! Dass er unter den anderen Bürgern weilt! Er muss mit glühenden Zangen hinausgezwickt werden!'
Als hätte man uns gemeinsam in das Gesicht gespieen, so krochen wir auf einmal wieder zusammen. Ho! Das wagte man freien Amerikanern zu sagen? Und es waren viele dabei, die in den Staaten geboren waren. Es wurde auch gleich beschlossen, dem Dickbauchigen zu Leibe zu rücken und ihm unseren Teil genau so zu geben, wie er uns seinen Teil gegeben hatte. ,Gentlemen!' schrie ein langer, hagerer Rohrleger, dessen Vorfahren zu den Engländern gehörten, die auf der ,Mayflower' in die Staaten gekommen sind, ,geht mit, und ich will es ihm in eurem Namen besorgen!'
Wir waren 900 Menschen, als wir gegen ihn anrückten. Er stieß gerade auf einem kleinen Platz die Arme in die Luft und bewarf uns mit den unheiligsten Namen. Als wir aber plötzlich so geschlossen anrückten, musste ihm die Puste ausgegangen sein, wenigstens stand sein Mundwerk auf einmal still, und er sah uns mit kleinen, eingefallenen Augen entgegen.
,Bischof!' schrie ihn nun der hagere Rohrleger an, der sich zu ihm hinaufgeschwungen hatte und ihn mit seiner Größe überschattete wie eine Pappel eine krumm gebogene Quitte, ,ihr habt eben freie Amerikaner bespuckt. Ihr habt außerdem, nicht wie ein Bischof, sondern wie der schlechteste Tramp, euren Geifer über uns geschüttet und uns Namen gegeben, die uns selbst der schwärzeste Nigger nicht nachwirft. Ihr könnt nun zweierlei tun. Ihr könnt das alles nachsagen, was ich euch jetzt vorsage, und dann soll euch kein Haar gekrümmt werden, wir wollen euch sogar noch mit einem guten Geleite bis zum Bahnhof bringen. Ihr könnt aber verstockt bleiben oder weiter gegen uns geifern, wir müssen euch aber dann euern Rock vom Leibe reißen, damit jeder gute Gläubige sieht, was für ein schwarzer Sünder hier im Namen Gottes spricht und sein eigenes Gift für die biblische Wahrheit ausgibt!'
Der Bischof, der unter der Anrede immer kleiner geworden war, sah sich erst noch einmal um, ob ihm nicht von irgendeiner Seite Hilfe kam. Als er aber die beinahe tausend Menschen sah, die ihn alle so anstarrten, als könnten sie ihm im nächsten Augenblick ins Jenseits helfen, wollte er hören, was er nachsprechen sollte, und der hagere Rohrleger sprach es ihm vor:
,Misters!' begann er kleinlaut. ,Gentlemen', unterbrach ihn der Rohrleger, .Gentlemen', sagte er nach. ,Ich erkläre, dass ich Sie alle für gute Bürger,' ,erstklassige Bürger', unterbrach ihn der Rohrleger, ,erstklassige Bürger,' wiederholte der Bischof, ,halte. Dass ich alles zusammengelogen habe, was ich früher über Sie gesprochen habe, und dass ich deswegen ein schlechter', ,und ein gottloser', fügte der Rohrleger ein, ,und ein gottloser', musste der Bischof nachsagen, ,Diener Gottes bin, der kein Recht mehr hat, das Wort Gottes an freie Amerikaner zu verkünden!'
Er war gelb und weiß geworden, der gute Bischof, während dieser Rede. Es ist wohl auch die schwierigste gewesen, die er in seinem ganzen Leben gehalten hat. Es ist sicher auch die einzige gewesen, die er selber treulich befolgte. Wenigstens in unserer Stadt sprach er danach zur Ehre Gottes kein Wort mehr. Er verlangte nur nach dem Bahnhof, und er lief schneller nach dessen Halle als das schnellste Auto."
„Goddam!" krähte der Krumme auf. „Ich hätte ihn sehen mögen!"
„He!" meckerte der Geduckte, „und den Rock hättet ihr ihn trotzdem vom Leibe reißen sollen!"
Auch der Schotte hieb sich auf die Knie, „Ja!" sagte er, „besonders für die gaffenden Weiber wäre es erbaulich gewesen, einen Bischof einmal nackt zu sehen!"
Die Männer wurden nun noch ausgelassener. Der Franzose, der hinunter zum Ausschank gegangen war, brachte wieder Schnaps. Dieser war in einer kleinen, gebauchten Kanne. Sogar die Frauen mussten mittrinken. Sie tranken ihn alle in langen, gluckenden Schlucken.
„Frierst du!" schrie plötzlich der Schotte den dicken Holländer an, der verlassen unter den trinkenden Männern stand, kaum mitgelacht hatte und an die Betschwester dachte. Er stieß den Dicken noch mit einem leichten Knuff in die Seite.
Der Holländer, der sich die gestoßene Seite hielt, öffnete bloß etwas erschrocken und erstaunt den Mund,
„Sicher friert er!" sagte der Krumme, der einen schlechten Spaß witterte und sich leise genähert hatte. Er blinzelte dem Schotten zu.
„Wir wollen ihn ein wenig wärmen!" schlug der Sommersprossige lachend vor und langte nach ihm.
Der Holländer, der munter geworden war, wollte belfernd antworten, der Schotte hatte ihn aber schon an den Hüften gepackt, zog ihn zu sich herüber und klemmte ihn, nach unten drückend, zwischen seine Beine.
Haut ihn!" schrie der Geduckte, der von seinem Tisch sprang, und schlug den Dicken auf die gestraffte Kehrseite. Der Schotte ließ den Eingeklemmten, der sich mit beiden Fäusten in seinen Bauch gestemmt hatte, aber bereits wieder los.
„Hunde!" kreischte der Emporschnellende auf, und sein Gesicht glühte wie eine elektrische Birne. Er ballte auch seine Fäuste, aber er wusste nicht, auf wen er sich zuerst stürzen sollte, und bevor er sich darüber klar war, hatte der Schotte, der den Wütenden kaum angesehen hatte, schon den Geduckten nach unten gezogen.
„Haut ihn!" schrie diesmal der Krumme und schlug zu.
Auch der Russe und der Belgier beteiligten sich an dieser Klopferei, Sogar der Däne und der Amerikaner, Sie hieben auf einmal aufeinander los wie große, ausgelassene Kinder,
„Das ist für den Kohlenfresser!" sagte der Krumme, und er hieb das zweite Mal gegen die lederne Sitzfläche des Geduckten.
Und das ist für den Landesel!" quäkte der Holländer auf und wurde fröhlicher.
„Und das ist für die fichtenen Bretter!" Der mopsige Deutsche zappelte, als hinge er an einem Strick, als er zuschlug.
Nach dem Geduckten kam der Russe an die Reihe. Wenn er nach oben schnellte, hatte er immer die Augen geschlossen. Er lächelte, wenn er sie öffnete und den Schuldigen suchte.
„Gss!" zischten die Französin und die Jüdin, die zurückgetreten waren und der Schlägerei mit kleinen, blitzenden Augen zusahen, jedes Mal, wenn die Hände niederklatschten. Es schien ihnen Freude zu machen, dass sich die Männer so die Kehrseiten zerschlugen. Die Französin wurde nun neugierig.
Erst kam sie langsam näher, um die Schlagenden anzufeuern. Als aber der Geduckte wieder zwischen die Beine des Schotten genommen wurde, drückte sie die Augen zusammen und schlug mit.
Der Geduckte, der gleich emporschoss, ertappte sie. Bevor sie flüchten konnte, bog er sie auch schon herab. Der Schotte klemmte sie leichter zwischen seine Beine. Sie wollte sich wieder losreißen. Sie saß aber doch zu fest.
Zuerst schlugen sie die Männer auf den gestrafften Rock. Sie verzogen dabei die Münder, als hätten sie Zucker unter der Zunge, Dann stürzten sie den Rock nach hinten und hieben auf die beblümte zweite Fahne. Zuletzt hoben sie aber auch die. Ihre Augen saßen in den Höhlen wie große, feurige Sonnen, und ihre harten Hände knallten auf die gelben, bespitzten Hosen wie ein Trommelfeuer.

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