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Willi Bredel - Maschinenfabrik N.& K. (1930)
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Nachwort des Autors zur Ausgabe von 1960.

Dreißig Jahre sind es her, seit dieses Buch - mein Erstling - gedruckt erschien. Nie habe ich erwartet, dass es einmal neu aufgelegt werden würde und
- offen gesagt - es auch gar nicht gewollt. Aber warum eigentlich sollte ich es verhindern? Es kann vielleicht helfen, lesenden Arbeitern Mut zu machen, selber zur Feder zu greifen.
Ich schrieb es in meiner Festungshaft, zu der mich das Reichsgericht der Weimarer Republik wegen Vorbereitung zum literarischen Hoch- und Landesverrat verurteilt hatte. Die Haft nutzte ich anders, als meine Richter es gewiss erwarteten; die zwei Festungsjähre wurden meine Universitätsjahre. Ich studierte nach einem von mir selbst aufgestellten Lehrplan, den ich gewissenhaft erfüllte. Zugleich wurden die zwei Haftjahre für mich schriftstellerische Lehrjahre.
Ende der zwanziger Jahre arbeitete ich in meinem Beruf als Dreher in der Hamburger Maschinenfabrik Nagel & Kaemp. Im Kampf gegen die reformistische Gewerkschaftsbürokratie und ihre Verteidiger an der Werkbank errang die Revolutionäre Gewerkschaftsopposition das Vertrauen der Kollegen im Betrieb; sie erreichte in legaler Gewerkschaftswahl die absolute Mehrheit. Die Folgen waren Aussperrung, Streik und Polizeimaßnahmen. Auch ich wurde damals auf die Straße geworfen. Was sich in der Fabrik abgespielt hatte, schrieb ich in der Festungshaft auf; es sollte in Fortsetzungen in der „Hamburger Volkszeitung", unserer Tagespresse, erscheinen. An eine Buchausgabe dachte ich im Traume nicht; mir schwebte vielmehr so etwas wie eine erweiterte Arbeiterkorrespondenz vor.
Mit allen ihren Unzulänglichkeiten ist diese Aufzeichnung
- das finde ich heute noch - ein wahrheitsgetreues Dokument aus den damaligen politischen Kampfjahren. Die Spaltung der deutschen Arbeiterbewegung wirkte sich immer verhängnisvoller aus. Trotz der Missstände in den Betrieben, der ständig sinkenden Lebenshaltung der Werktätigen, der steigenden Massenerwerbslosigkeit und der drohend heraufziehenden faschistischen Gefahr gelang es nicht, eine einheitliche Arbeiterfront zu bilden. Die Erbitterung der ehrlichen, klassenbewussten und kampfentschlossenen Arbeiter über die arbeiterfeindliche Politik der rechten SPD- und Gewerkschaftsführer führte vielfach dazu, dass sie ihren Unwillen an ihren sozialdemokratischen Kollegen im Betrieb ausließen; sie beschimpften sie, anstatt sie von der Verderblichkeit der Politik ihrer Führer zu überzeugen und mit ihnen gemeinsam die Einheit der Arbeiter an den Werkbänken herzustellen. Diese Erscheinungen mehrten sich und beeinflussten auch zeitweilig die Politik der Kommunistischen Partei, nachdem am 1. Mai 1929 der sozialdemokratische Polizeipräsident von Berlin, Karl Zörgiebel, auf demonstrierende Arbeiter schie­ßen ließ und in den Straßen Berlins Arbeiterblut floss.
Auch in der Maschinenfabrik N. & K. wurde nach diesem schändlichen Verbrechen zwischen organisierten Sozialdemokraten im Betrieb und den reformistischen Führern, die wie auch in Hamburg zugleich Bürgermeister, Senatoren, Polizeipräsident und Arbeitsamtleiter waren, immer seltener unterschieden, und die politischen Auseinandersetzungen verschärften sich immer mehr. Wir Kommunisten hatten die Gefahr erkannt, die der gesamten Arbeiterbewegung, dem ganzen werktätigen Volk drohte. Wir wussten und haben es oft genug ausgesprochen, gelang es den Hitlerfaschisten, die politische Macht zu bekommen, dann würden sie unter der organisierten Arbeiterbewegung ein unvorstellbares Blutbad anrichten und schließlich einen neuen Weltkrieg entfesseln. Wir aber wollten ein derartiges Verhängnis von unserm Volk abwenden. Es ist wahr, wir kannten und wir hatten keine Ruhe zu jener Zeit und auch nur wenig Geduld mit denen, die gleichgültig blieben oder nicht begriffen, wie nah, wie groß und wie furchtbar die Gefahr war.
Ende Januar 1933 schob das Großbürgertum Hitler die politische Macht zu. Es kam, wie wir Kommunisten vorausgesagt hatten: Terror und Krieg. Nicht nur Kommunisten wurden verfolgt und ermordet, sondern auch Sozialdemokraten und ehrliche parteilose Arbeiter, Juden und aufrechte Christen, und am Ende trieb der Hitlerfaschismus unser ganzes Volk auf die Schlachtbank des zweiten Weltkrieges, zerstörte Europa und brachte Deutschland an den Rand des totalen Ruins. Wir deutschen Kommunisten hatten längst die Lehren aus der Vergangenheit gezogen. Bereits 1935 war auf der Brüsseler Konferenz unserer Partei, die unter dem Vorsitz von Wilhelm Pieck durchgeführt wurde, als politisches Ziel die Schaffung einer breiten Volksfront im Kampf gegen den Faschismus und zum Sturz der faschistischen Tyrannei aufgestellt worden. Auch die besten Kräfte der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands hatten in den faschistischen Kerkern und Todeslagern erkannt, wie verhängnisvoll sich die Spaltungspolitik reformistischer Führer für die ganze Nation ausgewirkt hat.
Nach dem Sieg der Sowjetunion und der mit ihr alliierten Mächte über Hitlerdeutschland wurde als erstes und Wichtigstes darangegangen, die unheilvolle Spaltung der deutschen Arbeiterklasse zu überwinden. Die Kommunistische Partei und die Sozialdemokratische Partei vereinigten sich Ostern 1946 zur Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands. In den von den kapitalistischen Westmächten besetzten westdeutschen Zonen, wo der Wille der Arbeiterklasse zur Einheit nicht weniger stark als im Osten war, gelang es den in- und ausländischen Imperialisten mit entscheidender Hilfe rechter sozialdemokratischer Führer wie Kurt Schumacher, die Spaltung der Arbeiterklasse aufrechtzuerhalten.
Dreißig Jahre im Leben eines Menschen sind eine große, im Leben eines Volkes eine nur kurze Spanne Zeit. Schwere, entsetzlich schwere, aber auch außerordentlich lehrreiche drei Jahrzehnte waren es. Sie brachten unserm Volk und andern Völkern das Grauenvollste, das Menschen je erlebt haben. Menschenvernichtungslager und ein in Flammen stehendes Europa. Aber in diesen drei Jahrzehnten triumphierten letztlich doch die Kräfte, die Völkerhass und Krieg überwinden, und jene Völker, die sich eine sozialistische Ordnung gaben, wuchsen an zu einem Weltlager. All das liegt zwischen der ersten deutschen Ausgabe der „Maschinenfabrik N. & K." 1930 und dieser neuen Ausgabe 1960.
Als 1932 die russische Ausgabe des Buches vorbereitet wurde (es erschien außerdem noch in ukrainischer, dänischer, jiddischer, holländischer und japanischer Sprache sowie in Esperanto), wurde ich von den sowjetischen Schriftstellern eingeladen. Kaum war ich aus der Festungshaft entlassen, fuhr ich nach Moskau. In kameradschaftlichen, für mich außerordentlich lehrreichen Begegnungen und Aussprachen wurde mein Erstling kritisch unter die Lupe genommen. Als ich hörte, die russische Erstauflage werde hunderttausend Exemplare betragen, rief ich erstaunt: „Nach dieser Kritik?" Mir wurde erwidert: „Als erstes Buch ist es eine beachtliche Leistung. Aber deine nächsten Bücher, lieber Genosse Willi, müssen bedeutend besser werden."
Die Prüfung als Schriftsteller, das wusste ich gut, hatte ich mit meinem ersten Buch noch keineswegs bestanden. Würde ich sie je bestehen? Und wann würde ich überhaupt dazu kommen, ein neues Buch zu schreiben? Ja, wann? In den deutschen Straßen marschierten, randalierten und mordeten die braunen Totschläger. Hitler forderte von der herrschenden Bürgerklasse die politische Macht. Ich arbeitete wieder als Redakteur an der „Hamburger Volkszeitung", als Funktionär meiner Partei.
Anfang 1933 war ich abermals ein Gefangener, diesmal KZ-Gefangener der Faschisten. Eine Leidenszeit ohnegleichen begann: dreizehn Monate Kerker, elf Monate Einzelhaft und sieben Wochen Dunkelhaft, dazu siebzehn Auspeitschungen. Aber in den Nächten auf der Pritsche schrieb ich an einem Buch. In Gedanken, denn Feder und Papier hatte ich nicht. Aber ich schrieb Episode auf Episode, Kapitel auf Kapitel, ein ganzes Buch. Und als es mir tatsächlich gelang, dem KZ Hamburg-Fuhlsbüttel zu entrinnen und aus Deutschland zu fliehen, schrieb ich das im Gedächtnis Angesammelte in Prag nieder. Ich gab diesem Buch den Titel „Die Prüfung".
Willi Bredel


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