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Willi Bredel - Maschinenfabrik N.& K. (1930)
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RGO Metall.

Die oppositionellen Arbeiter aller Landbetriebe der Metallindustrie hatten in einer gemeinsamen Versammlung zu dem bevorstehenden Ablauf des Tarifs Forderungen aufgestellt und diese in einem Kampfaufruf ver­öffentlicht.
Einige Tage später lagen auch auf den Arbeitsplätzen der Arbeiter der Maschinenfabrik N. & K. kleine Flugzettel mit folgendem Inhalt:

An die Arbeiter der Landbetriebe der Metallindustrie!
Kollegen! - Am 31. März läuft der Tarifvertrag der Metallarbeiter ab. Die Löhne sind katastrophal gesunken. Von Juli bis Dezember sank der Geldlohn des deutschen Arbeiters um 13,6 Prozent und der Reallohn um 12, 9 Prozent. Unablässig steigern die Unternehmer die Ausbeutung. Die Hungeroffensive der Bourgeoisie gegen das Proletariat, Massensteuern, Zollwucher, Mietverteuerung, die Verschlechterung der Sozialfürsorge zwingen die Metallarbeiter, schon jetzt alle
Voraussetzungen für einen erfolgreichen Kampf um Lohnerhöhung und Verkürzung der Arbeitszeit zu organisieren.
Die Forderungen der Metallarbeiter der Landbetriebe sind:
1. Die Arbeitszeit wird auf sieben Stunden pro Tag und vierzig Stunden die Woche herabgesetzt. An Sonnabenden beträgt sie fünf Stunden.
2. Für Jugendliche unter sechzehn Jahren beträgt sie sechs Stunden pro Tag und fünfunddreißig Stunden die Woche.
3. Die bisherigen Löhne werden unter Festhalten an der Forderung „gleicher Lohn für gleiche Arbeit" ab 1. April erhöht für:
a) gelernte Arbeiter von 92 Pf um 38 Pf auf 1,30 Mark
b) angelernte Arbeiter von 86 Pf um 39 Pf auf 1,25 Mark
c) ungelernte Arbeiter von 79 Pf um 41 Pf auf 1,20 Mark
d) ungelernte Arbeiterinnen von 52 Pf um 53 Pf auf 1,05 Mark
e) Lehrlinge im ersten Lehrjahr von 13 Pf um 17 Pf auf 30 Pf, im vierten Lehrjahr von 33 Pf um 57 Pf auf 90 Pf und entsprechende Abstufungen in den anderen Lehrjahren.
4. Die bisher wirklich erzielten Verdienste erhöhen sich für alle Arbeiter entsprechend der Erhöhung des Grundlohnes.
5. Der Tarif läuft auf unbestimmte Zeit und kann jederzeit mit einer Frist von vier Wochen gekündigt werden.
In allen Betrieben müssen vorbereitende Kampfleitungen aus klassenbewussten organisierten und unorganisierten Arbeitern und Arbeiterinnen, Jungarbeitern und Jungarbeiterinnen gebildet werden. Es gilt, sofort Betriebs- und Branchenversammlungen einzuberufen und Beschlüsse zu den vorstehenden Forderungen der Revolutionären Gewerkschaftsopposition zu fassen. Wer gegen diese Forderungen steht, ist auf der Seite der Arbeiterfeinde.
Metallarbeiter, wählt bei den bevorstehenden Betriebsratswahlen nur solche Kollegen, die bereit sind, für diese Forderungen zu kämpfen. Organisiert auf der breitesten Grundlage den Kampf für diese Forderungen! - Bildet revolutionäre Wahlkomitees! - Wählt rote Arbeiterräte!
Die Revolutionäre Gewerkschaftsopposition der Metallarbeiter der Landbetriebe.

„Das sind wirklich einmal Forderungen, für die es sich lohnt, zu kämpfen!" sagte ein junger Schlosser zum „Scharfen", mit dem er gemeinsam Bolzen in das Drehgestell eines Kranes schlug.
„Das sind Phantasie- und Agitationsphrasen der Kommunisten. Sie wissen ganz genau, dass sie niemals verwirklicht werden können, und darauf spekulieren sie!" entgegnete unwirsch und abfällig der „Scharfe" und schlug mit einem kurzen, schweren Vorschlaghammer einen neuen Bolzen in den Drehkranz.
„Man muss heute ja immer schon damit rechnen, dass nur dreißig Prozent oder gar nur zwanzig Prozent der von uns aufgestellten Forderungen durchkommen, und was bleibt dann noch, wenn wir vier oder sechs Pfennig Zulage fordern, wie es im vorigen Jahr unsere Gewerkschaftsinstanzen taten?" mischte sich ein anderer, älterer Schlosser ins Gespräch.
„Was noch bleibt, hast du ja erfahren, zwei Pfennig!" lachte der Junge.
„Die können sie sich diesmal in den Arsch stecken! Wir sind die miserabelst bezahlten Arbeiter und sind die bestorganisierten. Aber die in Berlin, die Oberbonzen, mit ihren Tausendmarkgehältern und diversen Spesen, diese Clique würgt jeden ernsthaften Kampf aus staatspolitischen Gründen ab, wie sie sagen. Bei diesen staatspolitischen Gründen kriegt der Kapitalist volle Backen, und wir gehen vor die Hunde!"
„Komm, lass mich mal schlagen!"
Ein Bolzen nach dem andern wurde eingeschlagen. Bald war der Kranz fertig. Unter den wütenden, wuchtigen Schlägen flutschte die Arbeit. Der „Scharfe" hatte mit keinem Wort seinem Kollegen widersprochen. Er war klug genug, sich nicht offen zum Schützer korrupter Gewerkschaftsbonzen aufzuwerfen, seine Methode war, bei günstigen Situationen belanglose antikommunistische Argumente breit auszuwalzen und dabei den sittlich und politisch Entrüsteten zu spielen. Wenn revolutionäre Arbeiter mit einem Sack voll Argumente gegen die falsche Politik der SPD-Führung kamen, hörte er schweigend zu, denn es erschütterte ihn nicht.
Aber wenn er an einem armseligen Argument seinen Faden spann, gab es immer noch Arbeiter, die er ins Schwanken brachte und vom entscheidenden Schritt zur revolutionären Opposition abhielt. -
„Ihr seid ja gar nicht bescheiden!" Olbracht wies grinsend auf das Flugblatt. Als Melmster nichts erwiderte, setzte er noch mit besonderer Betonung hinzu: „Hoffentlich stellt die Verbandsleitung realisierbare Forderungen!"
„Und was wäre nach deiner Auffassung realisierbar?" fragte Melmster.
„Ich denke, dass der Verband acht bis zehn Pfennig fordern wird!"
„Damit du zwei oder drei Pfennig bekommst und an die Bonzokratie zehn Pfennig mehr Verbandsbeitrag zahlen kannst!"
„Aus dir spricht richtig der kommunistische Gewerkschaftsfeind!" polterte Olbracht in künstlicher Erregung los.
Melmster biss sich auf die Lippen. Ausgerechnet diese Kanaille musste ihm das sagen.


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