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Willi Bredel - Maschinenfabrik N.& K. (1930)
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Die Internationale Arbeiterhilfe.

Fast eine Woche dauerte nun schon der Streik. Die Fabrik lag da wie ausgestorben. Kein Rad drehte sich. Nur eine dünne Rauchfahne stieg aus dem hohen Schlot hervor. Jeden Morgen fünfzehn Minuten vor sieben fuhr wie immer das grüne Bäckerauto vorbei. Jeden Morgen fünf Minuten vor sieben liefen die Arbeitermädels hurtig über die Kanalbrücke zur Gummifabrik. Jeden Morgen um sieben Uhr, wenn sonst die Transmissionen in den Hallen zu rattern begannen und die elektrischen Blasebälge pfiffen, die Sägen kreischten, heulte auch die Fabriksirene. Der humpelnde Pförtner musste etwas Dampf für die Heizkörper in den Büroräumen halten und auf Anordnung der Betriebsleitung wie an normalen Arbeitstagen, auf die Sekunde genau, die Sirene heulen lassen. Es wirkte gespenstisch, wenn aus dieser wie tot daliegenden Fabrik plötzlich die Sirene aufschrie.
Das Leben um die Fabrik herum ging aber den alltäglichen Gang weiter.
Im Streiklokal waren jetzt immer bedeutend weniger Arbeiter anwesend. Das Geld wurde knapp. Jedes Glas Bier schwächte die Streikfront, denn es schwächte die wirtschaftliche Widerstandskraft der Kämpfenden, und bei vielen der Streikenden warteten im Hause hungrige Mäuler.
Fast sämtliche Streiker waren gewerkschaftlich organisiert, viele zehn und zwanzig Jahre, und diese Arbeiter, die jahrzehntelang regelmäßig ihren Beitrag den Gewerkschaften gezahlt hatten, bekamen nun in ihrem Wirtschaftskampf keinen Pfennig Unterstützung. Die heutigen Gewerkschaftsführer fühlten sich für die Erhaltung der Ruhe und Ordnung der kapitalistischen Wirtschaft verantwortlich, nicht dafür, dass mit den steigenden Lebensmittelpreisen auch die Löhne der Arbeiter stiegen. Sie waren sogar die Grundpfeiler dieser kapitalistischen Wirtschaftordnung geworden, und sie betrachteten ihre Aufgabe lediglich darin, innerhalb dieser Wirtschaftsstruktur dem Arbeiter nach Möglichkeit ein Existenzminimum zu erhandeln.
Als die Arbeiter nun in ihrem Kampf von den Gewerkschaften verraten wurden, trat die Internationale Arbeiterhilfe auf den Plan, die proletarische Proviantkolonne, die stets dort eingreift, wo kämpfende Arbeiter Not leiden.
Sie hatte auch zur Unterstützung der Streiker von N. & K. eine Hilfsaktion organisiert. Im Laufe des Tages war eine Wagenladung Brote und Pakete bei Horning abgeladen worden, und nun arbeiteten im großen Saal eine Anzahl selbstloser Helfer dieser Organisation, um eine geregelte Verteilung der Lebensmittel durchführen zu können. Auch zahlreiche Frauen der streikenden Metallarbeiter, die auf diese Weise ihr Teil
dazu beitragen wollten, die Kampffront ihrer Männer zu stärken, halfen tatkräftig mit.
Melmster schrieb an einer Liste. Sämtliche Arbeiter von N. & K. mussten registriert werden. Jeder einzelne musste darauf aufmerksam gemacht werden, dass er Anspruch auf sein Quantum Lebensmittel hatte.
„Famose Sache, diese IAH!" meinte ein junger Genosse, dem man ansah, dass er viel Sport trieb. Er saß neben Melmster und schrieb Adressen auf Briefumschläge.
„Die hat auch Lenin ins Leben gerufen!"
„Wirklich?"
„Weißt du das nicht, Hermann? Das war damals, als nach dem Bürgerkrieg in Russland im Wolgagebiet Hungersnot ausbrach und Millionen Menschen nicht wussten, womit sie das nackte Leben fristen sollten. Da hat Lenin einen Aufruf erlassen, das Proletariat der ganzen Welt sollte als Zeichen der brüderlichen Solidarität aller Werktätigen Hilfe für die Hungernden organisieren. Millionen Arbeiter der ganzen Welt, Engländer, Amerikaner, Chinesen, Japaner, Franzosen, Deutsche, gaben freiwillig ihr Scherflein. Mehrere Millionen Mark kamen damals zusammen. Dazu riesige Mengen von Lebensmitteln, Kleidungsstücken, Medikamenten, die ins Hungergebiet geschickt wurden. Es war das größte Zeichen der Arbeitersolidarität, das die Welt bis dahin gesehen hatte." Der junge Schlosser hörte interessiert zu.
„So ist die Internationale Arbeiterhilfe entstanden. Sie ist die einzige proletarische Hilfsorganisation in der ganzen Welt. Übrigens ist der Generalsekretär ein Deutscher. Wenn nun irgendwo in der Welt, ob in Amerika, Deutschland oder China, Arbeiter im Streik sind, greift die IAH ein und sorgt dafür, dass es den Unternehmern nicht gelingt, die streikenden Arbeiter auszuhungern. Kein Gewerkschaftsbonze kann sich dazwischendrängen, die Arbeiter sorgen selbst dafür, dass die Hilfe an die Richtigen kommt. So wird jetzt auch unseren Genossen geholfen werden."
„Das habe ich bis jetzt noch gar nicht gewusst!" sagte der Schlosser und wurde über und über rot.
„Das ist schlimm genug!" sagte Melmster und lachte. „Nach dem Streik trete ich bestimmt in die IAH ein!" „Recht so, Hermann!" Gutmütig klopfte Melmster dem Kollegen auf den Rücken. Die Arbeit ging weiter.
Vormittags um elf Uhr begann die Verteilung der Brote und Lebensmittelpakete. Es wurde nicht gefragt, welcher politischen Gesinnung der einzelne war, sondern jeder im Kampf stehende Arbeiter erhielt sein Teil.
Unter scherzhaften Zurufen ging die Verteilung vor sich. Einige Frauen standen wartend vor dem Lokal und nahmen hastig und aufatmend die Brote und Lebensmittel von ihren Männern in Empfang. Etwas nach zwölf Uhr waren über zweihundertfünfzig Arbeiter für einige Tage mit Lebensmitteln versorgt.
„Hest diene Kampfration weg?" fragte der hagere Schmied, der jetzt in seinem grauen Jackett mit dem bunten Patentvorhemd noch knochiger und hagerer aussah.
„Dat weur ok bannig Tied!" erwiderte der Gefragte, der seine Pakete in einen mitgebrachten Bogen Zeitungspapier wickelte und vergnügt seine beiden Brote unter den Arm kniff.
„Wenn uns die übrigen Arbeiter weiter solidarisch zur Seite stehen, werden wir schon durchhalten!" mischte sich ein Dritter ins Gespräch.
„Die sollten lieber wie wir ihre Betriebe stilllegen!"
„Die Gewerkschaften verhindern das!"
„Wir haben uns doch auch nicht hindern lassen." Darauf wusste der andere nichts zu sagen.
„Wir müssen von uns aus, über die Köpfe aller Instanzen hinweg, die proletarische Einheitsfront bilden!" begann erneut der junge Dreher.
„Das ist eine alte Phrase. Wie soll denn das geschehen?"
„Durch die Wahl roter Betriebsräte!"
„Und wenn sie gewählt sind, schmeißt der Unternehmer sie raus!"
„In allen Betrieben müssen sie gewählt werden!" erhitzte sich der Junge, „und dann müssen von allen Werken die Betriebsräte zusammengefasst werden. Nur sie sind dann unsere Vertretung, und auf diese Art werden alle Arbeiter durch ihre selbstgewählten Vertreter zusammengefasst und eine einheitliche Masse!"
„Der Junge hat nicht so unrecht!"
„Mensch, was wird das für Arbeit kosten?" Der alte Schlosser schüttelte grübelnd und zweifelnd den Kopf.
„Natürlich viel Arbeit!" rief der Junge, „aber wenn wir nicht so arbeiten, kommen wir nicht weiter, und wir werden nie dieses verruchte System beseitigen!" -
„Was ist denn das für ein Spektakel auf der Straße?" In der Nähe des Lokals wurde geschrieen, einige Straßenpassanten liefen an der Gaststube vorbei.
„Polizei! Polizei!" kreischte eine Frauenstimme. Die Arbeiter stürmten aus dem Lokal. An der Straßenecke war ein Menschenauflauf. Aus der Hauptstraße kamen zwei Tschakos angerannt.
Zwei Arbeiter hatten sich offenbar geprügelt. Der eine, ein breiter, stämmiger und schlecht gekleideter Arbeiter, war völlig ruhig und ließ sich von einigen Kindern seine beiden Brote und die Pakete wiedergeben. Der andere sah furchtbar zerzaust aus und blutete im Gesicht. „Herr Wachtmeister! -Herr Wachtmeister!" - Er schnappte mühsam nach Luft. „Der Mensch hat mich ohne Grund misshandelt! - Ohne Grund! - Ich bin kein Rowdy! - Ich falle auf der Straße keinen friedfertigen Bürger an!"
„Sie kommen mit zur Wache!" wandte sich der Sipo an den Arbeiter, der mit seinen Broten und Paketen neben dem Polizisten stand. „Warum haben Sie diesen Mann verprügelt?"
„De Internationale Arbeiterhilfe, de uns in unsern Streik helpen deit, is ne ,kommunistische Heilsarmee', het he seggt -und dorvor het he en Morsvull kregen!"
„Also kommen Sie!"
„Jo, dat do ick ok!"


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