12. Kapitel
Eines Tages bekam Fedja von Schebalow den Befehl: “Lass satteln, Fjodor, du reitest nach Wysselki; das ist so‘n kleines Nest. Vom zweiten Regiment haben sie angerufen, wir sollten feststellen, ob dort Weiße sind. Unsere Leitung reicht nicht bis zu ihnen hin, wir müssen über Kostyrewo sprechen. Sie wollen aber direkt über Wysselki eine Verbindung herstellen.”
Das passte Fedja gar nicht. Das Wetter war scheußlich, und bis Wysselki ging es acht Kilometer lang nur durch Dreck und Sumpf. Vor Mitternacht konnten wir auf keinen Fall zurück sein.
“Wer wird schon in Wysselki sein?” fragte Fedja ärgerlich. “Was sollen denn die Weißen dort? Wysselki ist doch so abgelegen, und ringsum lauter Sumpf. Wenn die Weißen wollen, brauchen sie doch bloß über die Landstraße vorzurücken, nach Wysselki gehen die bestimmt nicht.”
“Du bist nicht gefragt! Ich habe dir gesagt, du sollst abrücken – und du wirst abrücken!” unterbrach ihn Schebalow schroff.
“Du hast gut reden! Bist imstande und schickst mich los, ich soll dem Teufel seine Großmutter holen. Sollen doch die Leute von der Infanterie gehen! Gerade heute wollte ich die Pferde beschlagen lassen; und der Feldscher hat zwei Eimer Tabak abgekocht, wir müssen die Tiere einreiben, die haben die Krätze… und da sagst du, ich soll nach Wysselki.”
“Fjodor”, erwiderte Schebalow müde, “und wenn du auch in die Luft gehst, von meinem Befehl weiche ich nicht ab.”
Wütend stapfte Fedja durch den Schlamm der Straße, fluchte und spuckte aus. Dann rief er, wir sollten uns fertigmachen. Keiner von uns hatte Lust, bei dem Regen und der Kälte wegen irgendwelcher Telefonleute nach Wysselki zu reiten. Die Soldaten schimpften auf Schebalow, auf die Fernsprecher, die wären Idioten. Widerwillig sattelten sie ihre nassen Pferde, und widerwillig ritten sie zum Dorf hinaus. Es wurde nicht gesungen.
Der zähe, fette Lehm schmatzte unter den Hufen unserer Pferde. Wir konnten nur im Schritt reiten. Nach einer Stunde – wir hatten erst den halben Weg hinter uns – fing es stärker an zu regnen. Schließlich goss es in Strömen. Unsere Mäntel waren schwer von der Nässe, und das Wasser rieselte von unseren Mützen herunter. Der Weg gabelte sich. Rechts von uns, einen halben Kilometer entfernt, lag auf einer sandigen Höhe ein Dörfchen von fünf oder sechs Höfen. Fedja hielt an; er überlegte, dann zog er am rechten Zügel.
“Wir wollen uns erst mal aufwärmen, dann geht‘s weiter”, sagte er. “Nicht mal rauchen kann man bei dem Regen.”
In dem großen, geräumigen Bauernhaus war es warm und sauber. Es duftete herrlich – nach gebratener Gans oder nach Schweinebraten. Fedja zog die Luft durch die Nase ein und meinte mit leiser Stimme: “Donnerwetter! Den Hof hier haben sie noch nicht leer gefressen.”
Der Bauer war gastfreundlich und gab einem kräftigen Mädchen einen Wink mit den Augen. Mit einem kecken Seitenblick auf Fedja stellte sie darauf mit Schwung ein paar hölzerne Schüsseln auf den Tisch, verteilte Löffel und schob einen Schemel heran. Dann sagte sie lachend: “Warum steht ihr denn so herum! Setzt euch doch.”
“Sag mal, Bauer”, fragte Fedja, “bis Wysselki, ist das noch weit von hier?”
“Im Sommer, wenn alles trocken ist”, antwortete der Alte, “können wir direkt durch den Sumpf gehen, da läuft ein Pfad durch. Dann ist es gar nicht weit, nur eine halbe Stunde. Ja, aber jetzt kommt ihr da nicht durch. Da bleibt ihr bald stecken. Und auf der Straße, die ihr gekommen seid, braucht ihr zwei Stunden. Das ist aber auch ein miserabler Weg, besonders bei der kleinen Brücke über den Bach. Zu Pferd, da macht das nichts aus, aber mit dem Wagen geht das sehr schlecht. Mein Schwiegersohn ist jetzt von da zurückgekommen, die Deichsel hat‘s ihm unterwegs zerbrochen.”
“Heute ist der gekommen?” fragte Fedja.
“Ja, heute morgen.”
“Und wie sieht‘s da aus, nichts zu hören von den Weißen?”
“Nein, bis jetzt noch nicht.”
“Den Schebalow soll der Teufel holen! Hab ihm doch gesagt, dass da keiner ist. Wenn heute morgen niemand dort war, sind sie jetzt auch nicht da. Den ganzen Tag regnet es schon, wer wird da nach Wysselki gehen? Los, Jungens, Mäntel aus. Keinen Schritt weiter. Die Pferde brechen sich nur die Beine dabei.”
“Aber ist das denn richtig, Fedja?” fragte ich. “Und Schebalow, was wird der sagen?”
“Was geht mich Schebalow an!” antwortete Fedja und warf entschlossen seinen schweren, lehmbeschmierten Mantel ab. “Dem Schebalow sagen wir, wir sind dagewesen und haben keinen gesehen.”
Nach dem Essen stand mit einem Mal eine Flasche mit selbstgebranntem Schnaps auf dem Tisch. Fedja goss die Tassen voll, mir schenkte er auch ein.
“Los, sauft”, sagte er und stieß an. “Wir trinken auf das Weltproletariat, auf die italienische Revolution! Herr, lass die Revolutionen nicht aufhören, solang wir leben, und lass die Weißen nicht aussterben! Gib ihnen gute Gesundheit, damit wir immer einen haben, dem wir den Kopf abschlagen können; ohne diese Leute wäre das Leben ja langweilig auf der Welt. Na, dann Prost!”
Fedja hatte bemerkt, dass ich meine Tasse nicht hochheben wollte. Er pfiff durch die Zähne.
“Pfui…! Was ist denn mit dir los, Boris, hast wohl noch nie Schnaps getrunken? Ich sehe, du bist kein richtiger Reiter, ein kleines Mädchen bist du.”
“Was heißt ‚nie getrunken‘?” log ich mit rotem Kopf und kippte hastig den Schnaps in den Mund.
Die duftende, scharfe Flüssigkeit betäubte mir die Kehle und brannte mir in der Nase. Mit gesenktem Kopf sog ich gierig den Saft aus einer weichen Salzgurke. Bald aber wurde auch ich lustig. Fedja zog seine Ziehharmonika aus der Lederhülle und spielte… Mit einem Male wurde mir ganz leicht ums Herz. Und dann wurde wieder getrunken: auf die Gesundheit der roten Soldaten, die sich mit den Weißen herumschlagen, auf die Gesundheit unserer Kameraden, der Pferde, die uns in den tödlichen Kampf tragen. Schließlich tranken wir auf unsere Säbel, dass sie nicht stumpf würden, dass sie nicht daneben träfen, sondern den Weißen die Köpfe abschlügen – ohne Gnade und Barmherzigkeit… und noch auf manches andere tranken wir an jenem Abend.
Fedja trank mehr als alle anderen, wurde aber weniger trunken als sie. Auf seiner feuchten Stirn klebten die schwarzen Haarsträhnen. Energisch zog er die Bälge seiner Ziehharmonika auseinander und begann mit seinem weichen Tenor:
“In der Ferne überm Don
rote Reiter reiten…
Wir sangen nicht schön, aber begeistert fielen wir ein:
“Hei, hei, hei, rote Reiter reiten…”
Von neuem legte Fedja los, er wiegte den Kopf hin und her, und seine feuchten Augen wurden ganz schmal:
“Ich will ihr Genosse sein,
will mit scharfem Dolch und Schwert
wie der Teufel streiten…”
Prahlend, sorglos und verwegen wiederholten wir im Sprechgesang:
“wie der Teufel streiten…”
Und dann sangen wir wieder alle zusammen:
“Unser Leben – nicht viel wert,
kurz ist unser Reiten…”
Fedja sang jetzt so hoch, dass er uns und seine Ziehharmonika übertönte. Er schaute vor sich hin, ganz in Gedanken versunken; plötzlich schüttelte er wild den Kopf, als habe ihn eine Biene in den Hals gestochen. Dann schlug er mit der Faust auf den Tisch und griff wieder nach seiner Tasse.
Als wir aufbrachen, war es schon spät am Abend. Es dauerte lange, bis ich den Fuß im Steigbügel hatte; als ich aber schließlich oben war, schien es mir, als säße ich nicht im Sattel, sondern auf einer Schaukel. Ich war wie benebelt, mir drehte sich alles im Kopf. Ein feiner Regen rieselte herunter, die Pferde gehorchten schlecht, unsere Reihen gerieten durcheinander, und die hinteren Reiter ritten auf die vorderen auf. Lange warf es mich im Sattel hin und her, bis ich schließlich wie leblos über der Mähne hing.
Am nächsten Morgen tat mir der Kopf weh. Ich trat auf den Hof hinaus. Der gestrige Tag widerte mich an. Der Futtersack meines Pferdes war leer. Gestern Abend, nach der Rückkehr, hatte ich in meiner Trunkenheit den Hafer in den Schmutz geschüttet. Doch der Futtersack von Fedjas Hengst war bis obenhin voll. Ich holte ein Eimerchen und nahm für mein Pferd etwas heraus. In der Diele des Hauses traf ich zwei von unseren Leuten; sie waren schlechter Laune, hatten müde und trübe Augen.
Sah ich etwa auch so aus wie sie? Erschrocken ging ich mich waschen. Ich brauchte lange dazu. Dann trat ich auf die Straße hinaus. In der Nacht hatte es gefroren, der erste Schnee fiel in dünnen Flocken auf den hartgefrorenen Lehm der aufgewühlten Straße. Fedja Syrzow kam hinter mir her und brüllte: “Hast du deinem Gaul aus meinem Sack Futter gegeben, du verdammter Hund? Dafür kriegst du eine in die Schnauze!”
“Dann kriegst du eine wieder”, gab ich bissig zurück. “Deinem Gaul soll wohl der Bauch platzen? Wie kommst du überhaupt dazu, dir mehr zu nehmen, als dir zusteht?”
“Das geht dich einen Dreck an!” Der Schaum stand ihm vor dem Munde, als er mich von der Seite anblickte und mit der Peitsche herumfuchtelte.
“Nimm die Peitsche weg, Fedja!” Ich war wütend, wusste, wozu er fähig war. “Ich sage dir, wenn du mich anrührst, knall ich dir eins mit der flachen Klinge über den Kopf!”
“Ach, sieh mal einer an!”
Fedja kochte vor Wut, und ich weiß nicht, wie alles ausgegangen wäre, hätte nicht auf einmal Schebalow dagestanden.
Fedja mochte ihn nicht leiden, hatte Angst vor ihm; in seiner Wut schlug er einen kleinen Hund, der ihm zwischen die Beine lief, mit der Peitsche über den Rücken. Er drohte mir mit der Faust und verschwand.
“Komm mal her”, rief Schebalow mir zu.
“Was habt ihr eigentlich immer miteinander? Mal seid ihr dicke Freunde, dann wieder brüllt ihr euch an. Komm, wir gehen ins Haus.”
Schebalow lehnte die Tür an, setzte sich und fragte: “Warst du mit Fedja in Wysselki?”
“Ja, das war ich”, antwortete ich und wurde ganz verlegen.
“Belüg mich nicht! Keiner von euch war dort. Wo habt ihr euch die ganze Zeit rumgetrieben?”
“In Wysselki”, wiederholte ich stur. Ich wollte nichts zugeben. War ich auch wütend auf Fedka, so mochte ich ihn doch nicht verraten.
Schebalow überlegte eine Weile, seufzte und sagte dann: “Na schön. Gut, dass ihr in Wysselki wart. Weißt du, ich hab das nicht so recht geglaubt. Den Fedka wollte ich schon gar nicht fragen. Er lügt, ich trau ihm nicht. Der hat sich auch die richtigen Kumpane ausgesucht. Vom zweiten Regiment ist ein Anruf gekommen. Geschimpft haben die und gesagt: ‚Wir haben uns auf euch verlassen und Nachrichtenleute nach Wysselki geschickt; aber die haben dort Zunder gekriegt.‘ Ich hab ihnen geantwortet: ‚Dann sind eben die Weißen erst später eingerückt.‘ Aber ich weiß nicht recht … dieser Fedka, weiß der Teufel, ist mir ein bisschen spät zurückgekommen, und nach Schnaps hat er auch gestunken.”
Schebalow schwieg. Hinter dem Fenster fiel der erste Schnee, wie feiner Streusand rieselte er herab. Schebalow lehnte die Stirn gegen die angelaufene Fensterscheibe. So stand er eine Zeitlang und sprach kein Wort.
“Ist schon eine Schweinerei mit diesen Aufklärern”, sagte er dann und drehte sich zu mir um. “Mut haben sie, die Kerle, das muss man ihnen lassen, aber liederlich sind die Burschen! Und der Fedka auch, keine Disziplin hat er im Leib. Wenn ich einen anderen hätte, würde ich ihn rausschmeißen, aber ich hab ja keinen anderen.”
Er schaute mich freundlich an; seine Stirn glättete sich, und in seine grauen Augen, die einen sonst immer so streng anblickten, trat ein ungewohntes, verlegenes Lächeln. Dann sagte er ganz offen zu mir: “Weißt du, so eine Abteilung führen, das ist furchtbar schwer! Ist was anderes als Stiefelsohlen nähen. Ganze Nächte sitze ich da… versuche die Landkarte zu lesen. Manchmal flimmert es mir schon vor den Augen. Ich hab gar keine Bildung, bin nicht in die Schule gegangen, war überhaupt nie Soldat, aber die Weißen, das sind zähe Hunde. Ihre Hauptleute, die haben‘s gut, sie haben ihre Sache gelernt und sind immer schon beim Militär gewesen. Ich aber, ich muss jedes Wort buchstabieren, wenn ich einen Befehl lesen will. Und dann haben wir noch solche Kerle bei uns. Die Weißen, die haben Disziplin. Was befohlen wird, wird gemacht! Aber bei uns, da haben sie sich noch nicht dran gewöhnt. Hinter allem muss man selbst her sein, alles selbst kontrollieren. Unsere anderen Einheiten, die haben wenigstens ihre Kommissare. Ich hab immer wieder darum gebeten, aber nein, da sagen sie mir: ‚Du kommst bis jetzt auch so aus, bist doch selbst ein Kommunist.' Ja, aber was für einer bin ich…?” Bei diesen Worten stockte Schebalow. “Natürlich, ich bin Kommunist, aber ich hab gar keine Bildung.”
Sucharew und der Tscheche Halda kamen hereingestürzt.
“Ich hab Soldaten für die Aufklärer abgestellt, für die Maschinengewehre auch… und für die Küche hab ich Leute abgegeben, er aber überhaupt keinen”, erklärte empört Halda mit der Hakennase und zeigte mit dem Finger auf Sucharew, der vor Zorn ganz rot angelaufen war.
“Ja, für die Küche hat er Leute abgegeben”, brüllte Sucharew, “zum Kartoffelschälen. Ich aber hab den Nachtposten erst am Mittag ablösen können! Für die Maschinengewehre hat er Leute abgestellt; bei mir aber, da haben die Jungens aus dem zweiten Zug vom frühen Morgen an den Artilleristen geholfen, die Brücke zu reparieren. Wie du willst, Schebalow. Soll er Nachrichtenleute abgeben, aber von mir kriegst du keinen!”
Wieder zogen sich die hellblonden Brauen Schebalows zusammen, wieder wurden seine grauen Augen ganz klein; auf dem von Wind und Wetter gezeichneten Gesicht war von dem verlegenen, gutmütigen Lächeln auch nicht die Spur mehr zu sehen.
“Sucharew”, sagte er streng und stützte sich auf seinen Säbel. Seine Sporen klirrten laut. “Red doch keinen Unsinn! Machst hier ein Theater, weil deine Leute mal eine Nacht nicht geschlafen haben. Du weißt doch, dass ich dem Halda Ruhe geben wollte. Er kriegt eine besondere Aufgabe. Heute Nacht marschiert er nach Nowoselowo.”
Sucharew fluchte unverschämt, Halda mit der krummen Nase fuchtelte mit beiden Händen und schmiss russische und tschechische Worte durcheinander… Da ging ich hinaus.
Ich schämte mich, dass ich Schebalow belogen hatte. Schebalow, so dachte ich, ist unser Kommandeur. Er kann des Nachts nicht schlafen, es ist alles so schwer für ihn. Und wir… wie helfen wir ihm? Auch die Nachrichtenleute vom Nachbarregiment haben wir betrogen. Nur gut, dass keiner dabei gefallen ist. Aber das ist doch alles unehrlich, unehrlich vor der Revolution und vor den Genossen.
Ich wollte mich vor mir selbst rechtfertigen, indem ich mir sagte, Fedja sei schließlich mein Vorgesetzter und habe befohlen, die Marschrichtung zu ändern. Aber sogleich fragte ich mich, ob denn der Vorgesetzte auch befohlen habe, Wodka zu trinken und unseren Kommandeur zu betrügen.
Aus dem Fenster schaute der zerzauste Kopf Fedjas hervor. Leise rief er mir zu: “Boriska!”
Ich tat, als hätte ich nichts gehört.
“Borka!” wiederholte Fedja in versöhnlichem Ton. “Nun sei wieder gut. Komm, wir wollen Pfannkuchen essen. Nun komm doch… Ich muss mit dir sprechen… Hier, friss!” sprach er, als sei nichts geschehen, und hielt mir die Bratpfanne zum Fenster hinaus. Unsicher schaute er mir ins Gesicht. “Was hat denn Schebalow von dir gewollt?”
“Wegen Wysselki hat er mich gefragt”, gab ich sofort zu. ‚Ihr seid überhaupt nicht dagewesen‘, hat er gesagt.”
“Und du, was hast du gesagt?”
Fedja wurde so nervös, als habe man anstatt der Pfannkuchen ihn selbst in die heiße Pfanne geworfen.
“Was ich gesagt habe? Die Wahrheit natürlich! Aber dich Idiot hab ich verschont dabei.”
“Na, na… Gib nur nicht so an”, meinte er von oben herab. Doch noch hatte er nicht alles aus mir herausbekommen, und so fragte er halb ängstlich, halb neugierig: “Und was hat er sonst noch gesagt?”
“Dass wir Feiglinge sind und nur an uns denken, das hat er noch gesagt”, log ich und schaute ihm dreist ins Gesicht. “Angst hätten wir gehabt, nach Wysselki sollten wir gehen und hätten uns in irgend so ‘nem Loch verkrochen. ‚Ich seh schon seit langem, dass es mit den Aufklärern bergab geht‘, hat er auch noch gesagt.”
“Du Iügst!” brauste Fedja auf. “So was hat er nicht gesagt.”
“Dann geh und frag ihn doch selbst”, fuhr ich schadenfroh fort. “‚Am besten schicken wir demnächst Infanteristen bei solchen Sachen vor. Unsere Aufklärer kriegen nur heraus, wo ein Keller mit Sahne ist‘, auch das hat er noch gesagt.”
“Du lügst.” Fedja kochte vor Wut. “Dass wir Faulenzer sind und keine Ordnung halten, das mag er wohl gesagt haben, aber dass es mit uns bergab geht, das hat er nicht gesagt.”
“Hat er auch nicht gesagt”, gab ich zu. Ich freute mich, dass ich Fedka in rasende Wut gebracht hatte. “Und wenn er‘s auch nicht gesagt hat, ist denn wirklich alles in Ordnung bei uns? Die Genossen vertrauen auf uns; aber wie benehmen wir uns? Das Nachbarregiment ist deinetwegen betrogen worden. Wie werden uns jetzt die anderen ansehen? Sie werden sagen: ‚Die denken nur an sich, man kann ihnen nicht vertrauen. Sie haben gemeldet, in Wysselki wären keine Weißen, als aber unsere Nachrichtenleute ein Kabel legen wollten, bekamen sie Feuer von dort.‘ So werden sie reden.”
“Wer hat denn von dort geschossen?” wunderte sich Fedja.
“Wer? Die Weißen natürlich.”
Fedja wurde rot. Das mit den Nachrichtenleuten, die seinetwegen ins feindliche Feuer gerannt waren, hatte er nicht gewusst, aber es schien ihm doch nahe zu gehen. Schweigend ging er ins Zimmer nebenan. Dort nahm er seine heisere Ziehharmonika und spielte den traurigen Walzer “Auf den Höhen der Mandschurei”. Da wusste ich, jetzt war er in böser Laune.
Mit einem Male brach er jäh ab, schnallte seinen silberbeschlagenen Kosakensäbel um und verließ das Haus.
Eine Viertelstunde darauf stand er draußen vor dem Fenster.
“Los, an die Pferde!” befahl er mit düsterem Gesicht.
“Wo warst du denn?”
“Bei Schebalow. Nun los, Tempo!”
Kurz darauf trabten wir Aufklärer an unserer Feldwache vorbei; auf dem leicht angefrorenen, holprigen Weg ging es zum Dorf hinaus. |
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