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Martin Andersen Nexø - Die Passagiere der leeren Plätze (1938)
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DER STARKE HANS UND DIE ROTE FAHNE
Das Märchen vom ersten Mai

Über seinen Ursprung ist nicht sehr viel bekannt, aber eine alte Überlieferung erzählt, er sei dadurch gezeugt worden, dass seine Mutter in einem Torweg im Durchzug stand und an einem Eiszapfen lutschte. Sicher ist, dass bei seiner Empfängnis keinerlei Wärme verschwendet wurde, und als er das Licht erblickte, wurde auch nicht viel Wesens von ihm gemacht. Er kam auf der feuchten Erde zwischen zwei Reihen Rüben zur Welt; aus dieser Veranlassung zeigte sich kein neuer Stern am Himmel.
Desto mehr des Aufhebens machte dafür er selber vom Dasein. Jedes noch so geringe Ding erfüllte ihn mit Dankbarkeit. Ansprüche stellte er keine, sondern gedieh von allem, und wenn es Hunger und Kälte und blanke Schläge waren; er wurde groß und stark davon — und gutmütig obendrein. So stark wurde er, dass seine Holzschuhe platzten, wenn er richtig loslegte; und so albern gutmütig, dass jeder mit ihm davonrennen konnte.
Es war keine Welt erster Klasse, worin er auftauchte, wenn sie auch von autoritativer Seite für sehr gut erklärt worden war. Sie wurde von einem mächtigen Riesen beherrscht, der schielte und sich deshalb leicht an Dingen versah, die anderen gehörten. Kurzsichtig war der Riese auch und ließ deshalb nur eben das ausrichten, was ihm und den Seinen zugute kam. Daher gab es also für den starken Hans genug zu ordnen.
Sobald er herangewachsen war, machte er sich daran zu roden und zu pflügen, zu pflanzen und zu bauen. Er trocknete Sümpfe aus, grub Gräben und Kanäle, schied Wasser und Land. Es juckte ihm förmlich in den Händen, zu roden und zu räumen; und war die eine Gegend bewohnbar und schön geworden, zog er woanders hin und fing da von vorne an.
Nach und nach war man es so sehr gewohnt, den starken Hans sich mit der Unfruchtbarkeit abplacken zu sehen, dass man ihn und die Armut gleichsetzte. Es war so bequem, von ihm etwas zu übernehmen; man brauchte ihm nur ein neues Stück Ödland anzuweisen, sogleich zog er dahin und machte sich an die Arbeit. „Er fühlt sich so am glücklichsten", sagte man; „er gedeiht nur da, wo es so richtig armselig und kläglich ist." Und wenn er kam und sich nach seinem Kampf mit der Wüste ausruhen wollte, sperrte man vor ihm zu. „Deine Hände sind zu grob und deine Kleider sind schmutzig", sagten sie; „du störst in unserer Welt der Schönheit!" Das brachte er nicht übers Herz, er hatte sie ja selber erschaffen; und so trabte er in die armseligen, unfruchtbaren Gegenden zurück.
Nach und nach hatte er einen großen Teil des Bestehenden umgeformt und es behaglich und angenehm gemacht. Und damit er nicht in "Wohlbefinden versinke, wurde durch Gesetz beschlossen, unfruchtbare, kärgliche Landstrecken als eine Art Reservate oder Naturparke als Aufenthaltsort für den starken Hans und sein Geschlecht ödliegen zu lassen. Er ließ sich auch das gefallen.
Das Geschlecht des starken Hans gedieh, es wurden viel mehr geboren, als nützlich zu verwenden waren. Totschlagen konnte man sie nicht gut, sie waren zu zahlreich und zu stark — und schließlich waren sie ja auch eine Art Mensch. Aber es gab nicht sehr vieles, was schlecht genug für sie gewesen wäre; ihre fleißigen Hände hatten die Erde beinahe zu gut gemacht. Sie mussten sich besondere schlechte Wohnungen bauen, und obwohl das Land zu einem großen Butterklumpen geworden war, mussten sie für sich selber ein Zeugs zusammenrühren, das Kunstbutter genannt wurde — ein öliges Geschmier, das weder Kraft noch Saft hatte.
Den Hansen wurde es beinah zu viel des Guten; nicht so sehr um ihrer willen, sondern deshalb, weil es ihrem Wesen zuwider war, die Dinge zu verschleiern. Der Pfarrer musste sich mit ihnen abgeben.
„Denk daran, dass es Wichtigeres als dieses irdische Leben gibt", sagte er. „Wie willst du den Sprung in den Himmel tun, wenn dir alle Herrlichkeiten der Welt an den Beinen hängen? Du bist doch auserwählt, zualleroberst zu sitzen." „Bin ich das?" sagte Hans und sah auf seine schwieligen Hände.
„Ja, du sollst zur Seite Gott Vaters sitzen. Das hat er in seiner Allgüte schon beschlossen: dass jene, die hier unten die Letzten sind, im Himmel die Ersten sein sollen — und umgekehrt."
Der starke Hans war gerührt. So wie der Pfarrer den lieben Gott schilderte, musste es doch mit ihm auszuhalten sein, selbst wenn die Ewigkeit bestimmt eine verflucht lange Zeit war, sie zu bewältigen. Das schlimmste war sicherlich das Problem, womit man sich da oben beschäftigen sollte, wenn da alles so ordentlich und sauber war.
So fanden sich die Hansen auch noch damit ab, schleppten das öde Land in Leib und Kleidern mit sich herum und richteten sich in der schönen Welt in Hundehöhlen ein. Häufig war das schwierig genug, denn ihre Aufenthaltsstätten sollten nicht unangenehm auffallen, und anderseits sollten sie zur Hand sein, wenn es nötig war; sie sollten am liebsten beides sein: unsichtbar und allgegenwärtig. Der ganze Betrieb hing doch von ihren groben Händen ab. Und sie hielten diesen Betrieb prächtig in Ordnung und trollten sich nach beendeter Arbeit nach Hause in ihr Loch und zu ihrer Margarine.
Der starken Hanse wurden immer mehr, und da sie von Natur aus so eingerichtet waren, dass sie mehr hervorbrachten als sie selber verbrauchten, wurde die Welt immer reicher. Mit ihnen selber aber geschah nur wenig Veränderung, und ihre jämmerlichen Lebensbedingungen stachen allmählich so grell gegen den Überfluss ab, dass sie es selbst zu merken begannen. Es entwickelte sich zu so etwas wie einem Fluch: sie verloren die Freude an der Arbeit, und der eine und andere begann böse zu murren, dass sie den Teufel auf dem Buckel hätten. Aber sie bauten unentwegt schöne, luftige Häuser für die anderen und wohnten selber in Kellern und Baracken; oder sie bestellten für den Gutsbesitzer den Boden und schliefen selber in einem Loch hinter dem Kuhstall. Gemeinsam waren ihnen nach wie vor die schaffenden Hände, die Kräfte und ihre alberne Gutmütigkeit; irgendwelches Talent, auf Kosten anderer ihren eigenen Kuchen zu backen, besaßen sie selten. Unter sich waren sie freigebig und einträchtig; wenn der eine etwas hatte, hatten die anderen auch etwas!
Zu Beginn unserer Tage tritt etwas ein, was verschieden ausgelegt wird, aber von allen, ob sie Freunde oder Feinde des Geschlechtes Hans sind, einmütig als von verhängnisvoller Bedeutung bezeichnet wird: das Geschlecht Hans verschreibt sich dem Branntwein. Einige meinen, sie täten es aus Verzweiflung; andere sagen, es wäre der Pfarrer, der ihnen — da sich das Geschlecht nicht länger mit einer Anweisung auf den Himmel begnügen will — das himmlische Feuer in Form von Feuerwasser auf die Erde holte.
Jedenfalls kommt nun Licht in das Leben der Hansen, dass es eine Art hat. Großzügig wie sie sind, brauen sie Branntwein genug, um die ganze Welt darin zu ertränken, schlürfen ihn mit Löffeln und trinken ihn aus Literkrügen. Und der Rausch gibt ihnen ein ganz anderes Auge für die Dinge. Die Herrenklasse, die sie selber großgezogen und verhätschelt haben, verwandelt sich ihnen recht und schlecht in Schmarotzergesindel, und in ihrem Suff faseln sie davon, sie totzuschlagen und ihr alles wieder wegzunehmen. Wenn sie nüchtern geworden sind, bereuen sie es und legen sich noch härter ins Geschirr.
Zu diesem Zeitpunkt lernte ich das Geschlecht der Hanse gründlich kennen, indem ich als einer seiner Abkömmlinge das Licht der Welt erblickte. Der Branntwein hatte ihr Blut verdünnt, ihm aber auch einen Schuss Teufelei beigemischt; man war nicht mehr so erpicht darauf, anderen den Erstertrag seiner Arbeit zu überlassen und selber mit dem Abfall vorliebzunehmen. Man schuftete wohl immer noch für die anderen, hatte aber keine Freude mehr daran. Die Unzufriedenheit äußerte sich darin, dass man ständig bereit war, aufzubrechen.
Besonders zur Frühjahrszeit war es schlimm. Wenn der Saft in die Bäume und Sträucher stieg, stieg in die Hanse die Rastlosigkeit; sie hielten es bei der Arbeit nicht aus, sondern zogen zechend von Ort zu Ort. Es gab eine alte Weissagung, die besagte, dass die Welt nicht lange mehr bestehen würde, wenn die Hanse das Erlösungsfest Weihnachten verwürfen und sich dafür den Frühlingsanfang als Symbol erwählten. Und Weihnachten hatten sie hinter sich; sie machten sich nichts aus einer guten Zeit, die ihnen für ein anderes Dasein versprochen wurde, sondern wollten sie gleich hier auf Erden genießen. Licht und Freude sollte das Erdenleben sein, aber trotz seines ganzen Lichteraufgebots war Weihnachten ein Lichtzerstörer. Am liebsten träumten sie sich Licht und Freude in den Werktag; es war die alte Freude an der Arbeit an sich, die ständig in ihnen herumspukte.
Vorläufig erreichten sie es also mit Hilfe des Branntweins, und den Ziehtag — den letzten April — erwählten sie zu ihrem großen Jahressymbol. Dann hält alles Alte Abrechnung und alle Teufel toben sich aus. Das Geschlecht Hans zechte und schlug alles kurz und klein, sagte sich von der Arbeit los und machte nach allen Seiten hin reinen Tisch! Und wenn der erste Mai heraufzog, gingen sie mit verkatertem Kopf herum und sammelten die Trümmer auf, packten sie in ein Bündel und zogen davon, um sich neue Arbeitsstellen zu suchen. Von einem Frühlingssymbol war nicht
sehr viel an ihnen.
Doch an einem Lenztag meiner frühesten Jugend geschah etwas, was eine Zeitenwende bedeutete. Es war Ziehtag. Von früh an waren die Straßen voll von Menschen: Gesinde und Landarbeiter beiderlei Geschlechts, Leute, die einen neuen Dienst antreten wollten oder den alten verlassen hatten, ohne schon etwas anderes zu haben. In die Stadt mussten sie alle, um über die Stränge zu hauen, die Widerwärtigkeiten von sich abzuschütteln und auf alle Herrlichkeiten, die in der Zukunft auf sie warteten, Vorschuss zu nehmen!
Den ganzen Tag über war die Straße voll von Menschen: Gelegenheitsarbeiter, krummgeschuftete Jungen und noch krummere
Greise, stramme Kerle in langen Schaftstiefeln und wacklige Viehknechte in hohen Holzschuhen, deren Schlaufen wie Schweinsohren abstanden. Die Angehörigen des Geschlechts Hans waren allmählich ein vielfältig bunter Menschenschwarm geworden; sie kannten einer den anderen nicht mehr, und oft war es schwer zu erkennen, dass sie derselben Sippe angehörten. Es waren Leute dabei, die ihre ganze Habe in einem Bündel unterm Arm trugen, und andere, die zwei Mann hoch mit einer großen Kiste angeschleppt kamen. Zu denen hielten sich die Mädchen, wenn sie aufs Heiraten ausgingen; zum Tanz im Wirtshaus aber ließen sie sich lieber von denen einladen, die ihren Besitz in ein gewürfeltes Tuch einbanden.
Sie gingen in Haufen zusammen, die Mädchen, und warteten darauf, zu einem Kaffee oder einem süßen Schnaps eingeladen zu werden. Ihre Gesichter unter den kreuzweise gebundenen Kopftüchern leuchteten vor Erwartung und vor Unsicherheit — denn mit wem sollte man gehen? Mit dem, der bis gestern beim selben Bauern gewesen war, oder mit jenem, der von morgen an im gleichen Dienst sein würde? Die patriarchalische Etikette gab dem Dienstgenossen den Vorrang, aber hier war ein Interregnum, das davon nicht gedeckt wurde und deshalb auf offener Straße zu gewaltigen Prügeleien führte! Das Gestern und das Morgen rauften sich um die Gegenwart, dass Blut floss.
Es ging hoch her mit Johlen und Gesang, mit Gebrüll von Betrunkenen und dem Kreischen von Mädchen, wenn ein besoffener Kerl zu ihnen hintorkelte. Und mit eins wurde es totenstill.
Aus der Stille erklang ein Lied, etwas fern und dünn, aber an Kraft und Sicherheit gewinnend. Was sangen die denn da? Verdammte dieser Erde — Heer der Sklaven! Da sollte doch — meinten sie etwa uns? Es wurde unruhig in dem Menschenstrom, man begann, sich zusammenzudrängen und den Hals zu recken. Oben, wo die Straße zu Ende ging, vom Markte her, kam ein kleines Häuflein Männer; über ihren Köpfen wehte eine große, blutrote Fahne!
Eine einzige Frau war dabei, eine bucklichte kleine Näherin mit einer Stimme, die wie eine Lerche zitternd über den Häusern schwebte und Worte und Triller einem kalt über den Rücken hinunterlaufen ließ. Die Männer waren auch nicht besonders groß; als Hanse waren sie überhaupt ein bisschen schief. Ihre Augen hatten einen besonderen Ausdruck, ihre Haltung übrigens auch, einen Ausdruck, als wären sie Menschen, die sich mit etwas Unnatürlichem abgäben, etwa mit Denken. „Jetzt kommen die Verrückten!" ging es flüsternd von Mund zu Mund. Im Nu war der Fahrdamm geräumt; zu beiden Seiten stand man dicht an die Häuser gedrängt, hielt sich schutzsuchend aneinander und glotzte die kleine Schar gaffend an.
Zwanzig Mann waren allerhöchstens in der Prozession, aber wie sie sangen! Und wie die rote Fahne leuchtete - von Flamme, von Herzblut! Da wurde aber der vorher so zügellos johlende Schwarm ganz stille; versuchte ein Mädchen zu kichern, bekam es einen harten Ellbogen in die Rippen. Hier lachte man nicht -ebensowenig wie in der Kirche; dies hier war tödlicher Ernst! Die rote Fahne flammte vor der grauen Luft wie ein Loch in eine glühheiße Welt - in Himmel oder Hölle, was es nun war! Entweder war die singende kleine Schar von Gott oder vom Leibhaftigen selber besessen - vielleicht von allen beiden, was die Sache aber nicht weniger feierlich machte. Selbst der am meisten betrunkene Kumpan bemühte sich, geradezustehen und nüchtern aus den Augen zu sehen.
Wem oder was sich die kleine Schar verschrieben hatte, so unerschrocken sie ihrer Bahn folgte - unter dem Schutz höherer Mächte stand sie offenbar. Denn als sie sich dem Gasthaus näherte, trat der einäugige Riese Bergendal, der Anführer der Hanse, Saufund Raufbold von Gottes Gnaden, auf die hohe Treppe des Gasthauses hinaus. Alle hielten vor Spannung den Atem an - jetzt würde etwas geschehen! Bergendal stammte in gerader Linie vom starken Hans ab; er hatte ebenso viel Kraft, ermangelte aber der albernen Gutmütigkeit, sie zu zügeln. Er war nicht zu bändigen, und wenn er getrunken hatte, krakeelten zehn Teufel in ihm.
Jetzt würde er bestimmt mit der kleinen Schar seinen Spaß treiben, dass es eine Art hatte — ihnen die Fahne wegnehmen!
Er stand auf den Zehen droben auf der Treppe, reckte sich in sprachloser Überraschung und starrte sie mit seinem einen Auge an. Das andere hatte er wahrscheinlich dem Bösen in Pfand gegeben und dafür die vielen Kräfte bekommen — vielleicht hatte er es auch in einer Rauferei verloren! Jedenfalls glotzte er wie ein Irrer mit seinem Auge, reckte sich in die Höhe und hob die Arme hoch über den Kopf, als wäre er Zeuge eines unvorstellbaren Wunders. Und auf einmal lief ein breites Grinsen über sein kräftiges Gesicht, das durch Alkohol und alle Sorten Wetter wie Blut und Bronze war. „He, du brennender Teufel", rief er dem Fahnenträger zu, „du schleppst dich ja mit der Fahne, als hättest du die Schwindsucht! Her damit, du! Bergendal wird sie tragen, dass sie den Himmel selbst in Brand steckt!"
Als der Zug keine Miene machte anzuhalten, sprang der große Steinmetz gleich von der hohen Treppe hinunter, um sich ihm entgegenzustellen. Der Sprung aber landete auf dem losen Ende des Gossenbretts; es schlug in die Höhe und traf ihn an der Schläfe, dass er wie ein gefällter Baum zur Erde stürzte. Es rann ein schauderndes Flüstern durch die Menge, ein Frostschauer, wie er durch den Wald geht, wenn der Morgen heranbricht. Und die kleine Schar marschierte weiter dem Wäldchen zu, wo zum ersten Mal der erste Mai gefeiert werden sollte; unaufhörlich sangen sie von Sklavenschlaf und Erwachen, als wäre gar nichts vorgefallen. Dieser und jener trat aus der Menge heraus und schlüpfte ein wenig verlegen in die Reihen des Zuges.
Hinter ihnen hing ein großes Fragezeichen in der Luft. Was hatten sie vor? Was wollten sie? Den Reichtum wollten sie abschaffen, meinten einige; ja, und vom König und vom Pfarrer wollten sie auch nichts wissen! Jemand behauptete, sie wollten sogar, dass jedes Dienstmädchen Klavierspielen lerne.
Merkwürdige Leute waren sie jedenfalls; bestimmt standen sie mit Kräften in Verbindung, von denen gewöhnliche Menschen nichts wussten. Es war bekannt, dass der Riese Bergendal seit dem
Schlag an den Kopf ein anderer Mensch geworden war. Während der ganzen Zeit seines Fiebers phantasierte er von der roten Fahne, und als er sich wieder erholt hatte und genesen war, schloss er sich der kleinen Gruppe an. Er wurde ihr Fahnenträger, und es muss anerkannt werden, dass er die Fahne hochhielt. Schnaps rührte er nie mehr an.
Seinen Fußtapfen folgten viele andere, die kleine Gruppe wurde ein gewaltiges Heer. Und das tat auch Not; es gab vieles, was danach drängte, auf seinen rechten Platz gerückt zu werden. Und es gab viele Gegner, die meinten, dass die Hanse in früheren Zeiten, als sie sich alles gefallen ließen, viel sympathischer gewesen wären.
Aber der eigentliche Feind saß ihnen in ihren eigenen Herzen; ihre alberne Gutmütigkeit ließ sich nicht so auf den Stutz unterkriegen. Die große Mehrheit des starken Geschlechts der Hanse lässt sich noch immer leicht beschwatzen; eine leere Phrase kann sie immer noch dazu bewegen, unter das Joch zu kriechen. Es ist nicht leicht, immer wach und auf dem Posten zu sein; trotz der roten Fahne bleiben die Hanse gern zurück.
Bergendal glücklicherweise nicht. Er ist ständig wach und auf dem Posten, wes auch immer die Luft voll ist. Aber er hat ja auch diesen Schlag an den Kopf bekommen, klar!
um 1938


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