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Upton Sinclair - Jimmie Higgins (1919)
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6. Kapitel:  Jimmie Higgins geht ins Gefängnis

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Jeden Abend führte die Partei jetzt ihre Straßenversammlungen an einer Ecke gleich an der Main Street durch. Jimmie, der sich freiwillig als Helfer gemeldet hatte, schlang abends hastig sein Essen hinunter und rannte dann hin. Er war natürlich keiner von den Rednern - er wäre entsetzt gewesen bei dem Gedanken, selbst eine Rede zu halten; aber er gehörte zu denen, die mit ihrer Arbeit das Reden halten erst möglich machten und für die Bewegung gleichsam die Ernte einbrachten.
Die Requisiten für die Versammlung wurden im Laden eines befreundeten Zimmermanns in der Nähe aufbewahrt. Der Zimmermann hatte eine „Rednertribüne" gebaut, die das reinste Wunderwerk war - ein Podest auf vier schmalen Beinen, zerlegbar, so dass ein einzelner Mann die ganze Sache tragen und aufstellen konnte. Der Redner ragte auf diese Weise sechzig, siebzig Zentimeter über die Köpfe der Menge hinaus und hatte ein Geländer zur Verfügung, auf das er sich stützen konnte und auf das er sogar mit der Faust schlagen konnte, falls er nicht allzu heftig zuschlug. In einiger Entfernung von seinem Kopf brannte eine Petroleumlaterne, die sein Gesicht erleuchtete, und Jimmies Aufgabe war es, dafür zu sorgen, dass diese Lampe ordnungsgemäß gereinigt und gefüllt war, und sie einen Teil der Zeit an einer Stange hochzuhalten. Die übrige Zeit verkaufte er Literatur unter der Menge - Exemplare des Leesviller „Worker" und Flugschriften zu fünf und zehn Cent, die vom Zentralbüro kamen.
Nachts kam er dann, von dieser Anstrengung nach der schweren Tagesarbeit erschöpft, nach Hause, schlief an Lizzies Seite ein und musste von ihr aus dem Bett gescheucht werden, wenn am nächsten Morgen der Wecker klingelte. Sie machte ihm dann eine Tasse heißen Kaffee, und wenn er die getrunken hatte, war er wieder ein Mensch und erzählte von den Erlebnissen des letzten Abends. Irgendetwas war immer los: es fing jemand Streit an, es war einer betrunken, vielleicht versuchten auch ein paar Schläger im Sold des alten Granitch die Versammlung zu sprengen. Lizzie tat ihr Bestes, die Teilnahme an den Aktivitäten ihres Mannes zu bekunden, die man von einer pflichtgetreuen Ehefrau erwartet. Aber die ganze Zeit nagte ein Kummer an ihrer Seele - der ewige Kummer des weiblichen Temperaments, das vorsichtig und konservativ ist, im: Gegensatz zum männlichen Temperament, das unternehmungslustig und destruktiv ist. Da verdiente Jimmie nun doppelt soviel wie je zuvor, hätte seine Kinder ordentlich satt machen und zum ersten mal in seinem gehetzten Leben ein bisschen auf die Seite legen können, aber statt die günstige Gelegenheit auszunutzen, ging er jeden Abend auf die Straße und tat das menschenmögliche, um die goldene Chance zu zerstören, die das Schicksal ihm bot! Ganz wie der Mann, der auf einen Baum klettert, um einen Ast abzusägen, und der sich auf den Ast setzt und zwischen sich und dem Baum sägt!
Trotz größter Anstrengungen wurde Lizzies breites, gutmütiges Gesicht bisweilen hart vor Enttäuschung, und eine dicke Träne rollte über jede ihrer runden Backen. Sie tat Jimmie leid, und er versuchte geduldig, ihr seine Handlungsweise zu erklären. Sollte ein Mann etwa nur an seine eigene Frau und an seine eigenen Kinder denken und all die anderen Frauen und Kinder der Arbeiterklasse gänzlich vergessen? Das war ja der Grund, weshalb die Arbeiter zu allen Zeiten Sklaven gewesen waren, weil nämlich jeder nur an sich und nie an seine Genossen dachte. Nein, man musste an seine Klasse denken! Man musste als Klasse handeln - wachsam jeden Vorteil wahrnehmen, Solidarität lehren und das Klassenbewusstsein wecken! Jimmie verwendete diese langen Wörter, die er auf Versammlungen gehört hatte; aber wenn er dann sah, dass Lizzie sie nicht verstand, dann fing er wieder von vorn an und sagte es noch einmal in Wörtern von bloß einer Silbe. Sie hatten den alten Granitch gerade jetzt in der Klemme, jetzt mussten sie's ihm zeigen, und gleichzeitig mussten sie den Arbeitern ihre Macht zeigen. Lizzie seufzte und schüttelte den Kopf; denn für sie war der alte Granitch kein Mensch von Fleisch und Blut, sondern ein Naturphänomen, so wie der Winter oder der Hunger. Granitch oder irgendeiner seinesgleichen war schon seit unzähligen Generationen der Herr ihrer Vorfahren gewesen, und der Versuch, seine Macht zu brechen oder auch nur einzuschränken, war, als wollte man der Flut oder der Sonne befehlen.

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Die Ereignisse trieben rasch ihrem Höhepunkt zu und rechtfertigten Lizzies schlimmste Befürchtungen. In den Werken brodelte die Unzufriedenheit, und Agitatoren schienen förmlich aus dem Boden zu schießen; manche von ihnen wurden zweifellos von Jerry Coleman bezahlt, während andere ihren Lohn in der Befriedigung der Ressentiments fanden, die das Profitsystem ihnen ins Herz gelegt hatte. Ganz spontan und ohne vorherige Absprache kam es in der Mittagspause zu Versammlungen, und bald erfuhr Jimmie, dass Männer herumgingen und die Namen aller aufschrieben, die bereit waren zu streiken. Die Dinge wurden auf die Spitze getrieben durch die Leitung der Empirewerke, die natürlich von ihren Spitzeln auf dem Laufenden gehalten wurde. Sie entließ über zwanzig der Unruhestifter, und als diese Nachricht in der Mittagszeit bekannt wurde, brach der ganze Betrieb in lodernden Zorn aus. „Streik! Streik!" hieß die Parole. Jimmie war einer von vielen, die einen Umzug durch das Werk starteten mit Geschrei, Gesang, Drohungen gegen die Bosse und Kampfansagen an alle, die etwa wieder zurück an die Arbeit gehen wollten. Doch nur weniger als ein Zehntel der Belegschaft machte den Versuch dazu, und so produzierte an diesem Nachmittag das Werk der Empire Machine Shops, das eigentlich Granatkörper für die russische Regierung herstellen sollte, gewerkschaftliche, sozialistische und proletarisch-internationalistische Rhetorik.
Jimmie Higgins war vor Aufregung außer sich. Er tanzte herum und schwenkte seine Mütze, er schrie sich heiser, er war drauf und dran, seinem Impuls nachzugeben und höchstpersönlich eine Rede zu halten. Bald kamen die Genossen Gerrity und Mary Allen, die von den Unruhen erfahren und eine ganze Ausgabe des „Worker" auf einen Ford geladen hatten; Jimmie wurde Zeitungsjunge, verkaufte diese Zeitungen, Hunderte davon, bis seine Taschen vom Gewicht der vielen Centstücke fast platzten. Und danach ließ man ihn nicht wieder fort, sondern schickte ihn auf Botengänge für die Genossen, die damit beschäftigt waren, die Arbeiter zu organisieren; er trug Bündel von Mitgliedskarten und Aufnahmeformularen herbei, folgte einem Mann mit einer Stimme wie ein Bulle und einem Megaphon, der in verschiedenen Sprachen den Standort der Gewerkschaftsgeschäftsstelle ausrief und die Säle, in denen am Abend in verschiedenen fremden Sprachen Versammlungen abgehalten werden sollten. Offensichtlich hatte jemand den Ausbruch dieser Unruhen vorausgesehen und sich die Mühe gemacht, im Voraus zu planen. Am späten Nachmittag wurde Jimmie Zeuge eines aufregenden Vorfalls. In einer der Werkhallen hatte eine Anzahl Männer darauf bestanden, wieder an die Arbeit zu gehen, und eine riesige Menge von Streikenden hatte sich versammelt, um auf sie zu warten. Sie hatten Angst herauszukommen und blieben nach der Feierabendsirene im Gebäude, während die Draußenstehenden johlten und pfiffen und die Bosse wild nach Hilfe telefonierten. Der größte Teil der Polizei von Leesville war zur Stelle, und außerdem verfügte die Firma über eine eigene Wachmannschaft und Privatdetektive. Aber sie wurden auf dem ganzen Gelände gebraucht. Man sah sie an den verschiedenen Eingängen, drohend, doch nicht ganz so selbstsicher wie gewöhnlich; ihre Hände hatten den Drang, nach hinten zu rutschen, zu der Ausbuchtung auf ihrer rechten Hüfte. Jimmie und ein anderer Bursche hatten sich eine leere Kiste besorgt und standen nun darauf, lehnten sich gegen die Fabrikmauer und schrien „Pfui! Pfui!", sobald sich der Kopf eines Streikbrechers zeigte. Sie sahen ein Auto mit wildem Hupen zum Tor hereinfahren, so dass die Menge nach links und rechts zur Seite springen musste. Das Auto war mit Männern beladen, die einer auf des andern Knien saßen oder sich auf den Trittbrettern draußen festklammerten. Ein zweiter Wagen kam, genauso beladen. Es waren Wachmannschaften, die man den weiten Weg von Hubbardtown herbeigeholt hatte; denn natürlich half die Hubbard Engine Company ihren Rivalen in einem Notfall wie diesem. Das war die Solidarität des Kapitalismus, über die die Sozialisten nicht müde wurden zu predigen. Die Männer sprangen von den Wagen und stellten sich fächerartig vor der Tür auf. Sie hatten Gummiknüppel in den Händen und eine grimmige Entschlossenheit auf den Gesichtern; sie riefen: „Zurücktreten! Zurücktreten!" Die Menschenmenge johlte, machte aber langsam Platz, und ein paar Minuten später öffneten sie die Türen des Gebäudes, und der erste der furchtsamen Arbeiter erschien. Gebrüll ertönte, und irgendwo aus der Menge wurde ein Stein geworfen. „Festnehmen, den Mann!" schrie eine Stimme, und Jimmies Aufmerksamkeit wurde auf den Besitzer dieser
Stimme gelenkt - einen jungen Mann, der im ersten Auto angekommen war und jetzt auf dem Sitz stand, von wo aus er die Menge übersehen konnte. „Festnehmen, den Mann." schrie er wieder, zeigte mit dem Finger in die Menge, und drei Wachleute sprangen zu der angezeigten Stelle. Der Mann, der das Geschoß geworfen hatte, begann zu rennen, konnte aber in der Menge nicht rasch genug vorwärts kommen, und offenbar hatten die Wachleute ihn im Nu beim Kragen. Er versuchte sich loszureißen, und sie schlugen ihn auf den Kopf und droschen um sich, um die übrige Menge in Schach zu halten. „Bringt ihn rein!" schrie der junge Mann im Wagen wieder. Und einer der Wachmänner drehte seine Hand im Kragen des unglücklichen Steinwerfers, bis der purpurrot im Gesicht war, und zog ihn und stieß ihn hinein ins Gebäude.

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Der junge Mann im Wagen wandte sich gegen die Menge, die den Weg zum Ausgang versperrte. „Schafft diese Leute aus dem Weg!" schrie er die Wachmänner an. „Treibt sie weg - sie sollen sich zum Teufel scheren, sie haben hier nichts zu suchen." Und so weiter mit einer Reihe schwungvoller Flüche, die sowohl die Wachmänner wie die Polizisten auf Trab brachten, so dass sie fleißig ihre Gummiknüppel gegen die Menge gebrauchten. „Weißt du, wer das ist?" fragte Jimmies Gefährte auf der Kiste. „Das ist Lacey Granitch." Jimmie erschrak, ein Schauder überlief ihn bis zu den Sohlen seiner abgetragenen Schuhe. Lacey Granitch! In den vier Jahren, die der kleine Maschinenarbeiter nun für die Empirewerke arbeitete, hatte er den jungen Herrn kein einziges Mal auch nur flüchtig zu Gesicht bekommen - was kein Wunder war, denn der junge Herr hielt Leesville für ein „Nest" und beehrte es nur ein- bis zweimal im Jahr mit seiner Gegenwart. Aber sein Geist lastete auf der Stadt; er war für Leesville eine mythologische Figur, entweder des Staunens und der Ehrfurcht oder des Schreckens, je nach dem Temperament des Betrachters. In der Ortsgruppe war eines Tages der Wilde Bill mit einem Skandalblatt aus der
Hauptstadt in der Hand aufgestanden und hatte eine Seite aus der Magazinbeilage hochgehalten. Darin hatte ein Artikel gestanden, der schilderte, wie Lacey Granitch sieben Tänzerinnen das Herz gebrochen hatte, indem er mit einer achten durchgebrannt war. Er „vernaschte sie mit Haut und Haaren", dem Artikel nach zu urteilen; um den Lesern eine Vorstellung von der Atmosphäre zu geben, in der der junge Held lebte, von dem Wirbel der Vergnügungen, die sein Leben ausmachten, hatte der Künstler der Sonntagsbeilage um den Blattrand ein irritierendes Durcheinander von weiblichen Knöcheln und Waden in einem Rausch von Unterwäsche gewoben; während man auf dem Kopf der Seite einen Soupertisch mit knallenden Champagnerkorken sah, auf dem eine von Schleiern nur unzulänglich verhüllte Dame zwischen den Schüsseln tanzte.
Dies hatte sich zur gleichen Zeit ereignet, als die Ortsgruppe mitten in einer harten Kontroverse über „Abschnitt sechs" begriffen war. Sollte die Sozialistische Partei die Mitglieder, die für Sabotage, Gewalt und Verbrechen eintraten, ausschließen? Der junge Norwood war für geordnete Methoden bei der Umgestaltung der Gesellschaft, und da stand nun der Wilde Bill und ließ kein gutes Haar an dem jungen Plutokraten von den Empire Shops. „Dafür rackert ihr Rindviecher euch nun ab! Dafür müsst ihr hübsch brav sein und dürft keine Schraubenschlüssel ins Getriebe schmeißen - damit die sieben Hüpflieschen mit den gebrochenen Herzen ihren Kummer in Champagner ersäufen können!" Und nun war der Held all dieser romantischen Eskapaden da, hatte die weißen Lichter des Broadways im Stich gelassen und war heimgekehrt, seinem alten Herrn zu helfen, die Verträge einzuhalten. Er stand auf dem Autositz und ließ seine Blicke rasch umherschweifen, ein Jäger, der auf der Hut ist vor gefährlichem Wild. Seine dunklen Augen wanderten hin und her, sein stolzes Gesicht war bleich vor Zorn, seine hohe, tadellos gepflegte Gestalt zeugte von Herrschertum, von Führungsqualitäten. Er war anmaßend wie ein junger Cäsar, schrecklich in seiner Rache, und der arme Jimmie, der ihn beobachtete, wurde zwischen zwei widersprüchlichen Empfindungen hin und her gerissen. Er hasste ihn - hasste ihn mit unversöhnlichem, beständigem Hass. Aber er bewunderte ihn auch, bestaunte ihn, duckte sich vor ihm. Lacey war ein Wüstling, ein fluchender Tyrann, ein brutaler Snob; aber er war auch der Herr, der Sieger, der stolze, freie, reiche junge Aristokrat, um dessentwillen die ganze übrige Menschheit existierte. Und Jimmie Higgins war nur ein armer kleiner Wurm von einem Proletarier, der nichts hatte als seine Arbeitskraft, die er verkaufen konnte, und der allein mit seinem Willen versuchte, über seine Sklavenpsychologie hinauszuwachsen! Es gibt ein altes Sprichwort, dass „die Katze sich den König ansehen darf". Aber das kann sich nur auf Hauskatzen beziehen, auf Palastkatzen, die an die Hofetikette gewöhnt sind; es kann sich nicht auf proletarische Kellerkatzen beziehen, nicht auf die Jimmie-Higgins-Variante roter revolutionärer Jauler. Jimmie und sein Gefährte standen auf ihrem Hochsitz, schrien „Pfui! Pfui!", und plötzlich teilte sich die Menge vor ihnen und gab sie dem Zornesfinger des jungen Herrn preis. „Verschwindet! Haut ab! Ein bisschen plötzlich!" Und Jimmie, der arme, kleine, abgerissene, unterernährte Jimmie mit den schlechten Zähnen und den verarbeiteten Händen, schrumpfte vor diesem Auspuff aristokratischen Zorns zusammen und beeilte sich, in der Menge unterzutauchen. Aber er ging mit flammendem Herzen, jeden Augenblick stellte er sich vor, wie er kehrtmachte, dem Zornesfinger trotzte, die befehlsgewohnte Stimme niederbrüllte oder sie sogar in die Kehle zurückdrosch, aus der sie kam!

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Jimmie hielt sich nicht einmal mit Abendessen auf. Den größten Teil des Abends half er dabei, die Arbeiter zu organisieren, und den ganzen folgenden Tag brachte er damit zu, sozialistische Versammlungen vorzubereiten. Er arbeitete wie ein Besessener, über die Grenzen menschlichen Leistungsvermögens hinausgehoben. Denn an jenem Tag verfolgte ihn, wohin er auch ging, das Bild des stolzen, freien, reichen jungen Aristokraten mit den dunklen Augen, die rasch wanderten, der hohen, tadellos gepflegten Gestalt, die von Herrentum kündete, und der Stimme, die von Herausforderung widerhallte. Jimmie war für den
Augenblick ganz besessen von Hass, und er sah um sich her Tausende von anderen, die in der gleichen Stimmung waren und sie laut herausbrüllten. Jeder Redner, den man auftreiben konnte, musste reden, bis ihm die Stimme versagte, und abends sollten ein halbes Dutzend Straßenversammlungen stattfinden. So hielten sie es immer, wenn Streik war; denn dann hatte der Arbeiter Zeit zuzuhören - und auch das Verlangen danach!
So kam die entscheidende Wende, bei der der kleine Maschinenarbeiter zeigen musste, aus welchem Stoff er gemacht war. Er hielt gerade die Laterne am üblichen Versammlungsort Ecke Main Street und Third Street, während Genosse Gerrity den Streik und die Wahl als die beiden Schneiden des Schwertes der Arbeit erklärte, als plötzlich vier Polizisten um die Ecke kamen und sich ihren Weg durch die Menge bahnten. „Sie müssen aufhören!" erklärte der eine. „Aufhören?" rief Gerrity. „Was soll das heißen?" „Solange der Streik dauert, dürfen keine Straßenreden mehr gehalten werden." „Wer sagt das?" „Befehl vom Polizeichef." „Aber wir haben eine Genehmigung." „Alle Genehmigungen sind zurückgezogen. Schluss damit!"
„Aber das ist gegen das Gesetz!"
„Wir wollen nicht mit Ihnen diskutieren, junger Mann..."
„Aber wir sind hier im Recht." „Vergessen Sie's, junger Mann!" Gerrity wandte sich rasch an die Menge. „Mitbürger", rief er, „wir sind hier in der Ausübung unserer Rechte als amerikanische Staatsbürger! Wir führen eine friedliche und ordentliche politische Versammlung durch, und wir kennen unsere Rechte und denken nicht daran, sie aufzugeben. Wir..."
„Kommen Sie von der Kiste da runter, junger Mann!" befahl der Polizist, und die Menschenmenge pfiff und schrie buh. „Mitbürger!" begann Gerrity wieder, aber weiter kam er nicht, denn der Polizist packte ihn beim Arm und zog, und Gerrity kannte die Art amerikanischer Polizisten zu gut, um Widerstand zu leisten. Er stieg hinunter - redete aber immer noch. „Mitbürger ..."
„Wollen Sie wohl endlich den Mund halten?" befahl der andere, und als Gerrity immer noch weiterredete, verkündete er: „Sie sind festgenommen." Ein halbes Dutzend Sozialisten befanden sich in der Menge, und dies war eine Herausforderung für die Selbstachtung eines jeden von ihnen. Im Nu war Genossin Mabel Smith auf die Kiste gesprungen. „Arbeitergenossen!" rief sie. „Ist das hier Amerika, oder ist es Russland?" „Das genügt, Lady", sagte der Polizist, so rücksichtsvoll, wie er zu sein wagte; denn Genossin Mabel trug einen großen Filmstarhut und viele andere Zeichen der Jugend und Schönheit.
„Ich habe das Recht, hier zu sprechen, und beabsichtige auch, hier zu sprechen", erklärte sie. „Wir möchten Sie doch nicht gern festnehmen, Lady ..." „Sie müssen mich entweder festnehmen oder mir gestatten zu reden."
„Tut mir leid, Lady, aber Befehl ist Befehl. Sie sind festgenommen."
Dann kam die Reihe an Genossen Stankewitz. „Kollegen, wer stehn hier fer de Rechte der Arbeiter." Und mit einem Ruck hatten sie ihn heruntergezogen. Und dann der Wilde Bill. Dieser waschechte, unabhängige Proletarier hatte sich in der Nähe der Versammlung aufgehalten, da ihm wegen der Unbeherrschtheit seiner Äußerungen von der Ortsgruppe verboten worden war, sich an den Reden zu beteiligen; aber jetzt waren natürlich alle Vorschriften hinfällig, und Bill sprang auf das wankende Podest. „Sind wir Sklaven?" brüllte er. „Sind wir Hunde?" Anscheinend dachten die Polizisten das, denn sie rissen ihn mit einem Ruck vom Podest, und einer von ihnen packte ihn beim Handgelenk und drehte ihm den Arm um, so dass seine Rede in einem Schmerzensschrei endete. Dann kam Johnny Edge, ein schüchterner Junge mit einem Armvoll Schriften, von denen er sich trotz Polizeigewalt nicht trennte, und dann - dann war da noch einer! Armer Jimmie! Er wollte nicht im Mindesten festgenommen werden, und er war zu Tode erschrocken bei dem Gedanken, eine wenn auch noch so kurze Rede zu halten, wie sie an diesem Abend an der Tagesordnung war. Aber da jetzt seine Ehre auf dem Spiel stand, gab es keinen Ausweg. Er reichte seine Laterne einem der Umstehenden und bestieg die Tribüne. „Ist das hier ein freies Land?" rief er. „Haben wir Redefreiheit?" Und Jimmies erster Versuch in Rhetorik endete mit einem Ruck an seinen Rockschößen, der fast das schwache Podest, auf dem er stand, umgekippt hätte.
Es waren vier Polizisten mit sechs Festgenommenen und eine Menschenmenge um sie herum, die vor Empörung heulte, vielleicht kurz davor war, gewalttätig zu werden -wer konnte das wissen? Die Hüter der Ordnung hatten jedoch vorgesorgt. Einer von ihnen ging bis zur Ecke und ließ seine Trillerpfeife ertönen, und eine Minute später hörte man das Heulen einer Sirene, und um die Ecke schaukelte der große Gefangenentransportwagen der Stadt, die „Schwarze Maria". Die Menge machte Platz, und einer nach dem andern wurden die Gefangenen hineingestoßen. Einer von ihnen, der Wilde Bill, erhob seine Stimme, als er sich vom Griff seines Fängers einen Augenblick befreit fühlte, und schrie durch das Drahtgitter des Wagens: „Ich erhebe Anklage gegen diesen Rechtsbruch! Ich bin ein freier Amerikaner ..."
Und plötzlich fühlte sich Jimmie, der neben ihm im Wagen saß, zur Seite geschleudert, ein Polizist sprang an ihm vorbei und landete seine Faust mit furchtbarer Gewalt voll auf den Mund des Redners. Der Wilde Bill ging zu Boden wie ein Ochse unter dem Beil des Schlächters, und der Gefangenentransportwagen fuhr an, während das Geheul seiner Sirene die Proteste der Menge erstickte. Der arme Bill! Er lag quer über dem Sitz, und Jimmie, der neben ihm sitzen musste, nahm ihn in seine Arme und hielt ihn. Er zuckte und machte schreckliche Bewegungen wie im Krampf. Dabei gab er keinen Laut von sich, und Jimmie dachte angstvoll, er würde sterben. Es dauerte nicht lange, und Jimmie fühlte eine heiße Nässe über seine Hände laufen, erst glitschig, dann klebrig werden. Er musste dort sitzen bleiben, fast ohnmächtig vor Entsetzen; er wagte nichts zu sagen, denn vielleicht würde der Polizist ihn auch schlagen. Er saß da, hielt den zuckenden Körper fest mit seinen Armen umklammert und flüsterte: „Armer Bill! Armer Bill!"

5

Sie kamen zur Polizeiwache, und Bill wurde hinausgetragen und auf eine Bank gelegt, und die anderen wurden vor dem Schreibtisch aufgebaut und mussten ihre Personalien angeben. Gerrity forderte empört, telefonieren zu dürfen, und dieser Forderung wurde stattgegeben. Er störte Anwalt Norwood bei einer Gesellschaft und trug ihm auf, eine Kaution zu beschaffen; inzwischen wurden die Gefangenen in Zellen abgeführt. Sie waren dort erst ein paar Minuten, als durch die Reihe der Stahlkäfige der Gesang einer Frauenstimme drang. Es war Genossin Mabel Smith mit ihrer klaren, angenehmen Stimme, der sie so oft an geselligen Abenden in der Ortsgruppe gelauscht hatten. Sie sang die Internationale:
„Wacht auf, Verdammte dieser Erde, Die stets man noch zum Hungern zwingt!"
Die Klänge packten sie bis ins Innerste, und sie stimmten laut in den Refrain mit ein. Darauf kam natürlich der Wärter: „Maul halten." Und dann noch einmal: „Maul halten!" Und dann wurde ein Eimer Wasser durch die Gitterstäbe geschüttet. Jimmie bekam es direkt in den Mund, und um es mit des Dichters Worten zu sagen, „das weitere Geschehen interessierte ihn nicht mehr". Gegen Mitternacht kamen Rechtsanwalt Norwood und Dr. Service. Beide hatten sie sich gegen Straßenreden zum gegenwärtigen Zeitpunkt ausgesprochen; aber wenn es sich um Genossen handelte, die in Schwierigkeiten waren, konnten sie sich dem Appell an ihr Mitgefühl natürlich nicht entziehen. Das sind eben die Probleme der durch und durch achtbaren, gesitteten „Solansozialisten" im Umgang mit den ungezogenen Kindern der Bewegung, den nach Unmöglichem Strebenden, den zu direkten Aktionen Drängenden und den sonstigen proletarischen Heißspornen. Dr. Service zückte ein Bündel Geldscheine und löste alle Gefangenen aus und machte, während man auf einen Krankenwagen wartete, der den Wilden Bill ins Krankenhaus bringen sollte, in eindrucksvoller Weise seiner Empörung gegenüber dem Polizeisergeanten Luft. Jimmie Higgins, der
bisher immer laut mit den „Wilden" geschrien hatte, erkannte plötzlich, wie angenehm es ist, einen Freund zu haben, der im schwarzen Anzug auftritt, sich stramm hält wie der Tambourmajor einer Militärkapelle und den Ruf hat, ein paar hunderttausend Dollar wert zu sein.
Jimmie ging nach Hause, wo Lizzie auf und ab lief und in tausend Ängsten die Hände rang - denn es war unmöglich gewesen, ihr Nachricht zu geben, was geschehen war. Sie warf sich in seine Arme und fuhr dann erschreckt wieder zurück, als sie merkte, dass er nass war. Er erzählte ihr die Geschichte, und - soll man das glauben! - Lizzie, die nur eine Frau und erst im Abc-Schützen-Stadium der revolutionären Bildung war, begriff doch tatsächlich nicht, dass es ein glorreiches und heroisches Abenteuer war, wenn man verhaftet wurde! Sie fand, es wäre eine Schande, und wollte ihn überreden, das schreckliche Geheimnis vor der Nachbarschaft zu verbergen! Und als sie erfuhr, er hätte die Sache noch gar nicht hinter sich, sondern müsste am Morgen aufs Gericht zur Verhandlung, brach sie in eine Tränenflut aus und weckte Jimmie zwei auf, der zu brüllen anfing. Sie ließ sich erst besänftigen, als Jimmie eins einwilligte, sofort seine nassen Sachen auszuziehen, ein, zwei Tassen kochend heißen Tee zu trinken und sich in Decken wickeln zu lassen, damit er nicht an Lungenentzündung starb, bevor er aufs Gericht gehen konnte.
Am nächsten Morgen war der Gerichtssaal überfüllt, und ein gestrenger, feierlicher Richter runzelte die Stirn über seinen Brillengläsern, und Rechtsanwalt Norwood hielt eine schwungvolle Verteidigungsrede für das amerikanische Grundrecht der Redefreiheit. Sie war so mitreißend, dass Jimmie sich kaum zurückhalten konnte, seinem eigenen Anwalt Beifall zu klatschen! Und dann stand Genosse Dr. Service auf und gab in seinem eindrucksvollsten Tonfall sein ärztliches Gutachten ab, dass des Wilden Bills Nase gebrochen sei, dass ihm drei Vorderzähne ausgeschlagen worden seien und dass er im Krankenhaus liege und nicht in der Lage sei, vor Gericht zu erscheinen, und dann mussten alle anderen Gefangenen aussagen, was der Wilde Bill getan hatte, um sich dieses Schicksal zuzuziehen. Der Polizist, der den Schlag geführt hatte, sagte aus, der Gefangene habe sich der Festnahme widersetzt; ein zweiter Polizist bezeugte: „Ich hab gesehn, wie der Gefangene ihm zuerst geschlagen hat, Euer Ehren" - was Genossin Mabel Smith zu dem Zwischenruf veranlasste: „So ein ungrammatischer Tatsachenverdreher!"
Das Ergebnis der Verhandlung war, dass jeder der Angeklagten zu einer Geldstrafe von zehn Dollar verurteilt wurde. Genosse Gerrity weigerte sich als erster, diese Strafe zu bezahlen, und alle übrigen - sogar Genossin Mabel -folgten seinem Beispiel. Dies verursachte dem Richter augenscheinliche Seelenqual, denn Genossin Mabel mit ihren entrüsteten rosigen Wangen und ihrem großen Filmstarhut sah mehr denn je wie eine Lady aus, und es ist eine selbst Richtern bekannte Tatsache, dass amerikanische Gefängnisse nun mal nicht für Ladies eingerichtet sind. Die Sache wurde schließlich dadurch beigelegt, dass Anwalt Norwood trotz ihrer Proteste und ihres Verlangens, ins Gefängnis geworfen zu werden, für Genossin Mabel die Strafe bezahlte.

6

Die fünf Männer wurden über die „Seufzerbrücke", wie sie genannt wurde, zum Stadtgefängnis abgeführt, wo man wieder ihre Personalien aufnahm, Fotos von ihnen machte und ihre Fingerabdrücke registrierte - wodurch ihnen zum ersten mal klar wurde, dass sie gefährliche Verbrecher waren. Man nahm ihnen ihre Kleidung weg und gab ihnen Hemden und Hosen, deren ausgeblichenes Blau von dem Elend Dutzender früherer Träger zu zeugen schien. Sie wurden durch stahlvergitterte Türen geführt und über dunkle, stahlvergitterte Flure zu einem der „Tanks". Ein „Tank", so stellte man fest, war ein Stockwerk dieser vierstöckigen Packkiste; auf jeder Seite befanden sich ein Dutzend Gitterzellen, jede mit vier Pritschen, so dass die maximale Bewohnerzahl, die in den Mittelraum des „Tanks" hineingepfercht werden konnte, sechsundneunzig betrug; dieser Fall trat jedoch nur montagmorgens ein, wenn alle Betrunkenen hereingebracht worden waren und die Gerichte noch keine Zeit gehabt hatten, sie auseinanderzusortieren.
Nachdem man ein paar Minuten auf seiner Pritsche gelegen oder sich an die Wand des „Tanks" gelehnt hatte, spürte man irgendwo an sich ein lästiges Stechen. Man begann zu reiben und zu kratzen; es dauerte nicht lange, da rieb und kratzte man an einem Dutzend verschiedener Stellen, und dann merkte man, dass der Nachbar einen grinsend beobachtete. „Filzbienen?" fragte er und riet einem, seine Jacke auszuziehen und sich an der beliebten Jagdpartie der Institution zu beteiligen. Jimmie erinnerte sich an einen Redner, der vom Stadtgefängnis als der „Leesviller Läuseranch" gesprochen hatte; er hatte das damals für einen guten Witz gehalten, aber jetzt fand er es gar nicht so witzig. Es war großartig, im Gerichtssaal aufzustehen und seine Stellung als Märtyrer zu beziehen; doch jetzt entdeckte Jimmie, wie so mancher Unglückliche vor ihm, dass das Märtyrerdasein durchaus nicht das Vergnügen ist, als das es gerühmt wird. Es war vorbei jetzt mit dem Pathos, mit dem Gesang. Wenn man auch nur ein wenig summte, holten sie einen heraus und schlossen einen in einem dunklen Loch ein, das der „Abkühler" hieß! Lesen konnte man auch nicht, denn in der Zelle gab es kein Licht, und auf dem zentralen Versammlungsort des „Tanks" herrschte beständige Dämmerung. Offensichtlich waren die einzigen Beschäftigungen, die die Behörden von Leesville für einen vorgesehen hatten, „Filzbienen" jagen, Zigaretten rauchen, Würfel spielen und die Bekanntschaft der verschiedensten Arten von interessanten jungen Verbrechern machen, damit man sich, wenn es soweit war und man sein Leben draußen wiederaufnehmen durfte, entscheiden konnte, ob man lieber Straßenräuber, Geldschrankknacker, Fälscher oder Fassadenkletterer werden wollte.
Jimmie Higgins brachte natürlich eine andere Psychologie mit als der durchschnittliche Gefängnisinsasse. Jimmie konnte seine Art von Arbeit genauso gut im Gefängnis tun wie irgendwo sonst, und abgesehen von der Ungezieferplage, der Kost von Brot und dünnem Kaffee und übel riechender fettiger Suppe und der Sorge um seine hilflose Familie draußen, war es für ihn eine glückliche Zeit - er machte die Bekanntschaft von Tramps und Taschendieben und erläuterte ihnen die revolutionäre Philosophie. Wenn ein Mensch die soziale Ungerechtigkeit im Alleingang abschaffen wollte, konnte er nie sehr weit kommen. Nur wenn er sich als Angehöriger einer Klasse begriff, klassenbewusst auftrat und klassenbewusst handelte, konnte er ein dauerndes Ergebnis erzielen. Manche Arbeiter hatten das herausgefunden und beschlossen, es auch ihren Gefährten mitzuteilen. Sie brachten die wunderbare Botschaft sogar denen im Gefängnis; führten ihnen das Bild einer Welt vor Augen, die mit Güte und Gerechtigkeit neu gestaltet war, das genossenschaftliche Gemeinwesen der Arbeiter, in dem jeder bekommen sollte, was er produzierte, und niemand seine Mitmenschen ausbeuten konnte.

7

Drei Tage verstrichen, und dann wurde Jimmie eines Nachmittags aufgerufen, weil Besuch für ihn da war. Er konnte sich denken, wer der Besuch war, und das Herz klopfte ihm bis zum Hals, als er hinunterging. Er blickte durch den dunklen Maschendraht und sah Lizzie stehen -die stämmige, mütterliche Lizzie, jetzt sehr blass und schwer atmend und mit Tränen, die in kleinen Bächen ihre Backen hinunterrannen. Die arme Lizzie, mit ihren drei Kleinen zu Hause und ihrer simplen, gewöhnlichen, unrevolutionären Psychologie, die das Ins-Gefängnis-Gehen als eine Schande betrachtete anstatt als eine Probe der Männlichkeit, als eine ehrende Auszeichnung! Jimmie fühlte einen Kloß in der Kehle und einen Drang, das verfluchte Drahtnetz niederzureißen und das liebe mütterliche Geschöpf in die Arme zu schließen. Doch alles, was er tun konnte, war, sein Gesicht zu einem fragwürdigen Lächeln zu verziehen. Klar, er amüsiere sich großartig in diesem Gefängnis! Unter keinen Umständen hätte er das verpassen mögen! Er hatte aus „Glotzaugen-Mike" einen Sozialisten gemacht und hatte Pete Curley, einem Heiratsschwindler, das Versprechen abgerungen, „Warum Krieg" zu lesen. Es gab nur eins, was ihm Sorgen gemacht hatte, und das war, wie seine Familie zurechtkam. Sie hatten praktisch nichts im Hause gehabt, das wusste er, und der arme Meissner konnte nicht vier zusätzliche Mäuler stopfen. Doch Lizzie, die ebenfalls ihren Mund zu einem Lächeln verzog, versicherte ihm, dass zu Hause alles in Ordnung sei, dass es keinen Grund zur Sorge gebe. Erstens habe Genosse Dr. Service ihr ein Stück Papier geschickt, auf dem sein Name gestanden habe; es habe sich herausgestellt, dass man so was Scheck nenne, und der Kaufmann habe diesen gegen einen Fünfdollarschein eingelöst. Und zum andern war da ein Haushaltsgeheimnis, das ihm Lizzie verraten musste - sie hatte nämlich ein bisschen Geld beiseite gelegt, ohne es Jimmie zu sagen.
„Aber wie denn bloß?" rief Jimmie erstaunt - er hatte angenommen, er wüsste alles über seinen Haushalt und die dafür nötigen Ausgaben.
So erklärte Lizzie ihm den Trick, den sie angewandt hatte. Jimmie war so verschwenderisch gewesen, ihr von seinem gestiegenen Lohn ein neues Kleid zu spendieren: ein Prachtstück in mehreren Farben, das wie Seide aussah, aber keine war. Lizzie hatte behauptet, dass es fünfzehn Dollar gekostet habe, und er hatte sich an der Nase herumführen lassen und es geglaubt! Die Wahrheit war, dass sie das Kleid in einem Gebrauchtwarenladen für drei Dollar gekauft und zwölf Dollar weggesteckt hatte für die Zeit, wenn es zum Streik kommen würde!
Und Jimmie ging zurück zu seinem „Tank", schüttelte den Kopf und philosophierte: „Nein, diese Frauen!"

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