17. Kapitel: Jimmie Higgins ringt mit dem Versucher
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Natürlich waren nicht alle Sozialisten Leesvilles vom „Militärbazillus" befallen wie Emil Forster. Am späten Nachmittag traf Jimmie den Genossen Schneider, der auf dem Heimweg von seiner Arbeit in der Brauerei war, und Schneider war immer noch der alte - immer noch das frische Germanengesicht, immer noch die kräftige Germanenstimme, immer noch der empörte Germanenstandpunkt. Jimmie brauchte nur den Namen Emil zu erwähnen, und Schneider ging hoch. Das war ja vielleicht ein Sozialist! Konnte nicht mal warten, bis der Rekrutenausbilder zu ihm kam, nein, er musste ihm nachlaufen, musste hingehen und sich in aller Öffentlichkeit auf dem Platz schleifen lassen, wo alle Faulenzer in der Stadt zusehen konnten, wie er sich zum Affen machte!
Nein, sagte Schneider und fluchte gehörig, er selber sei keinen Zollbreit von seinem Standpunkt abgewichen; ihn konnten sie einbuchten, wenn sie es nun mal nicht anders haben wollten, ihn konnten sie vor einem Erschießungskommando aufbauen, den Militarismus würden sie nicht in ihn hineinkriegen. Direkt befragt, gestand der dicke Brauer, dass er sich gemeldet hatte; aber einziehen lassen würde er sich nicht, nie im Leben! Jimmie deutete an, der Grund dafür könnten vielleicht seine Frau und seine sechs Kinder sein, doch der andere war zu sehr in seine Schimpfkanonade vertieft, als dass er Jimmies Grinsen bemerkt hätte. Er polterte weiter, mit so durchdringendem Organ, dass es mehrmals Leute auf der Straße mit anhörten und ihm unmutige Blicke zuwarfen. Jimmie, der weniger in Märtyrerstimmung war, trennte sich von ihm und ging die Meissners besuchen.
Der kleine Flaschenabpacker wohnte noch am alten Ort. Er hatte den Oberstock seines Hauses an eine polnische Familie vermietet, die ihm seine ständig steigenden Unkosten bestreiten half. Er begrüßte Jimmie mit ausgebreiteten Armen - klopfte ihm vor Begeisterung auf den Rücken und machte eigens für ihn eine Flasche Bier auf. Er stellte hundert Fragen nach Jimmies Erlebnissen und erzählte seinerseits, was es in Leesville gegeben hatte. Die Ortsgruppe als Ganzes war fest geblieben in ihrer Haltung zum Krieg und machte immer noch Propaganda gegen ihn, obwohl sie heftig angefeindet wurde. Die Arbeiter waren so mit „patriotischem Schmus" vollgepumpt, dass man sie kaum noch dazu bringen konnte, einem zuzuhören; was die Radikalen anging, so waren sie Gezeichnete - ihre Post wurde abgefangen, ihre Versammlungen von fast ebenso vielen Geheimpolizisten wie Zuhörern besucht. Mehrere waren eingezogen worden - was Meissner als bewusste Verschwörung seitens der Musterungskommission ansah. Wen hatten sie geholt? fragte Jimmie. Der andere antwortete: Genossen Claudel, den Juwelier - der wollte natürlich gehen, und Genossen Koeln, den Glasbläser - der war zwar Deutscher, aber naturalisiert, darum hatten sie ihn trotz seiner Proteste geholt, und Genossen Stankewitz ... „Stankewitz!" rief Jimmie bestürzt. „Ja, der ist schon weg." „Wollte er denn?"
„Sie haben ihn nicht gefragt, ob er wollte. Sie haben ihm einfach gesagt, er müsste sich stellen." Irgendwie rückte das den Krieg Jimmie mehr ins Bewusstsein als alles andere, was bisher passiert war. Der kleine rumänische Jude hatte ihm fast alles, was er über diesen Weltkrieg wusste, beigebracht; über den Ladentisch des Zigarrengeschäfts hatte Jimmie die ersten Geographiestunden seines Lebens erhalten. Er hatte gelernt, dass Russland das gelbe Land war und Deutschland das grüne und Belgien das blassblaue und Frankreich das hellrosa; er hatte gesehen, wie die Bahnlinien vom grünen zum rosa durch das blassblaue liefen und wie die großen Festungen in dem blassblauen alle gegen das grüne gekehrt waren - etwas, was Meissner und Schneider und der Rest des grünen Volkes als Schmach und Schande ansahen, als Schuldbekenntnis seitens des blassblauen Volkes. Das verhutzelte, eifrige kleine Gesicht des Genossen Stankewitz stieg vor Jimmie auf; er hörte die schrille Stimme, die die Streitereien in der Ortsgruppe zu schlichten versuchte. „Genossen, das bringt uns doch nicht weiter! Es gibt doch nur eine Frage, die wer
müssen beantworten: Sind wer nu Internationalisten, oder sind wer keine?"
„Mein Gott!" rief Jimmie. „Ist denn das zu fassen?" Er war an dem Punkt angelangt, wo er bereit war, zuzugeben, dass der Kaiser möglicherweise Prügel beziehen musste und dass es vielleicht auch in Ordnung war, wenn Männer, die so dachten wie Emil Forster, auszogen und ihn verdroschen. Aber einen Mann zu holen, der den Krieg von ganzem Herzen hasste, ihn wegzuschleppen aus seinem kleinen Geschäft, das er mit so viel Mühe aufgebaut hatte, und ihn zu zwingen, eine Uniform anzuziehen und den Befehlen anderer Männer zu gehorchen - nun, wenn man so etwas sah, dann verstand man, was Kriegsgräuel waren!
2
Genosse Meissner fuhr fort. Schlimmer noch - sie hatten auch den Genossen Gerrity geholt. Jimmie starrte ihn an. „Aber der ist doch verheiratet!"
„Weiß ich", erklärte Meissner, „aber das allein reicht nicht. Man muss eine Frau haben, die von einem abhängig ist. Und die Gerritys haben das nicht gewusst - Genossin Evelyn hat ihre Stellung als Stenographin behalten, und irgendjemand muss die beiden verpfiffen haben, denn die Kommission hat ihn hoppgenommen und seine Zurückstellung gestrichen. Natürlich nur, weil er in der Ortsgruppe Organisator war; sie tun, was sie können, um uns kaputtzumachen." Und was hat Gerrity gemacht?"
„Er hat sich geweigert zu dienen, und da haben sie ein Kommando geschickt, das ihn fortgeschleppt hat. Sie haben ihn nach Camp Sheridan gebracht und versucht, ihn in eine Uniform zu stecken, und er hat sich geweigert - er wolle nicht arbeiten, er wolle mit dem Krieg überhaupt nichts zu tun haben. Da haben sie ihm den Prozess gemacht und ihn zu fünfundzwanzig Jahren Zuchthaus verurteilt; sie haben ihn in Einzelhaft gesteckt, und er kriegt nur Wasser und Brot - und zeitweise ketten sie ihn mit den Handgelenken an..."
„Oh! Oh!" ächzte Jimmie.
„Die Genossin Evelyn hat darüber fast den Verstand verloren. Sie ist zusammengebrochen und hat geweint in der Ortsgruppe, und sie ist zu den Kirchen gerannt - sie haben da Frauennähzirkel, musst du wissen, und machen Sachen für das Rote Kreuz, und sie und Genossin Mary Allen stehen dann auf und halten Reden und machen die Frauen verrückt. Einmal haben sie sie verhaftet, aber sie haben sie wieder laufenlassen - sie wollten nicht, dass es in die Zeitungen kommt."
Genosse Meissner hatte nicht voraussehen können, wie diese spezielle Neuigkeit Jimmie treffen würde; Meissner wusste nichts von dem merkwürdigen Abenteuer seines Freundes, von der Liebeserschütterung, die seine Seele aufgewühlt hatte. Vor Jimmies innerem Auge stieg das reizende Gesicht mit den kecken kleinen Grübchen und der Gloriole aus lockerem braunem Haar auf; den Gedanken, dass Genossin Evelyn Baskerville in Not war, konnte er einfach nicht ertragen. „Wo ist sie?" rief er. Er sah sich schon davon stürzen, um sogleich die Agitation aufzunehmen, sah sich schon die kirchlichen Nähzirkel überfallen und dem Zorn der Patriotinnen Trotz bieten; sah sich schon zusammen mit Genossin Evelyn ins Gefängnis gehen oder vielleicht auch - wer konnte das wissen? - zart und verehrungsvoll ein Paar brüderliche, tröstende Arme um sie schlingen.
Jimmie hatte das Temperament des Träumers, des Idealisten, dem es genügt, sich eine Sache zu wünschen, um sie sogleich Wirklichkeit werden zu sehen. Seine Phantasie, von dem Bild der reizenden Stenographin beflügelt, stürmte im wildesten aller Flüge davon. Zum ersten mal wurde ihm bewusst, dass er ein freier Mann war; was indessen Genossin Evelyn betraf - wie, wenn ihr das Schlimmste noch bevorstand, wie, wenn Genosse Gerrity bei der Kost von Wasser und Brot nun dahinsiechte oder in die Schützengräben geschleppt und getötet wurde - dann würde die trauernde Witwe jemand brauchen, der sie aufrichtete, der seine brüderlichen, tröstenden Arme um sie legte ... „Wo ist sie?" fragte Jimmie noch einmal, und Genosse Meissner verscheuchte seinen Traum durch die Erwiderung, dass sie abgereist sei, um in New York für eine Organisation zu arbeiten, die für die humane Behandlung von „Kriegsdienstverweigerern" agitierte. Meissner kramte die
Flugschrift dieser Organisation hervor; darin wurden die grässlichsten Geschichten über die Misshandlung solcher Opfer der Kriegswut berichtet; man hatte sie geschlagen, gefoltert und hungern lassen, hatte sie der Verhöhnung und Demütigung ausgesetzt, in vielen Fällen vor das Kriegsgericht geschleppt und sie zu zwanzig, dreißig Jahren Zuchthaus verurteilt. Jimmie saß die halbe Nacht auf und las diese Geschichten - mit dem Ergebnis, dass wieder einmal das schwache Pflänzchen des Patriotismus in seiner Seele zermalmt wurde!
3
Jimmie ging zu der nächsten Ortsgruppenversammlung. Das war eine bescheidene Angelegenheit jetzt, denn einige Mitglieder waren im Gefängnis, einige in den Ausbildungslagern, einige trauten sich nicht zu kommen, aus Angst, ihre Arbeitsplätze zu verlieren, und einige ließen sich durch fortgesetzte Schikanen abschrecken. Doch die alten Kämpen waren da - Genosse Schneider und der sanfte alte Hermann Forster und Genossin Mabel Smith, die von der Misshandlung ihres Bruder im Countygefängnis berichtete, und Genossin Mary Allen, die Quäkerin. Die letztere betrachtete es noch immer als eine persönliche Beleidigung, dass Amerika trotz all ihrer Anklagen und Proteste an dem blutigen Massaker teilnehmen wollte; sie war sogar noch blasser und magerer geworden, seit Jimmie sie das letzte Mal gesehen hatte - ihre Hände zitterten, und ihre dünnen Lippen bebten beim Sprechen - man sah, dass sie vor Erregung über die ungeheure Schändlichkeit der Weltereignisse förmlich verbrannte. Sie las den Ortsgruppenmitgliedern die bewegende Geschichte von einem Jungen vor, der sich in New York als Kriegsdienstverweigerer hatte registrieren lassen und in ein Ausbildungslager gebracht und solchen Demütigungen ausgesetzt worden war, dass er sich erschossen hatte. Genossin Mary hatte keine eigenen Kinder; darum hatte sie diese Kriegsdienstverweigerer als Kinder angenommen, und beim Vorlesen ihrer Schicksale blutete ihr das Herz vor Kummer und Zorn. Jimmie ging zu den Empire Shops zurück und bewarb sich um Arbeit. Sie brauchten Tausende von Männern, so stand es im „Herald" - aber sie brauchten keinen einzigen, der so war wie Jimmie! Der Mann, bei dem er sich bewarb, erkannte ihn sofort und sagte: „Nichts zu machen!" Aus purer Bosheit ging Jimmie zum Büro der neugegründeten Gewerkschaft und verlangte, sie sollten den alten Abel Granitch zwingen, ihm Arbeit zu geben, entsprechend der Vereinbarung, die mit der Regierung getroffen worden sei. Aber der Gewerkschaftssekretär entschied, nachdem er sich die Sache überlegt hatte, dass die Bestimmung gegen das Führen schwarzer Listen sich nur auf Männer anwenden ließe, die auf Grund des letzten Streiks arbeitslos geworden seien, nicht auf die Streikenden früherer Jahre. „Es wäre sinnlos, sich absichtlich Ärger auf den Hals zu ziehen", sagte dieser Sekretär. Jimmie ging, spottete über die Gewerkschaft und fluchte so herzhaft auf den Krieg wie eh und je.
Es eilte ihm nicht damit, Arbeit zu bekommen, denn er hatte noch Geld in der Tasche und konnte bei den Meissners billig wohnen. Er ging wieder hin und sah zu, wie der junge Forster exerzierte, und ging dann mit ihm nach Hause und war dabei, als es zu einem Streit mit dem alten Forster kam. Es war zu merken, wie sehr diese Familie sich entzweit hatte; der Alte hatte seinen abtrünnigen Sohn mehrfach aus dem Haus gewiesen, doch die Mutter hatte sich für ihn ins Mittel gelegt und bittend vorgebracht, dass der Junge ja in wenigen Tagen hinausmusste und vielleicht nie mehr zurückkehren würde. An dem Abend, an dem Jimmie bei ihnen war, stand in der Zeitung eine Rede des Präsidenten, in der er seine Kriegsziele umriss: die Bedingungen für einen gerechten Frieden für alle Völker, für einen Völkerbund und für allgemeine Abrüstung. Emil las das triumphierend vor, weil er darin die Rechtfertigung dafür fand, dass er den Krieg unterstützte. War das nicht zu einem großen Teil das, was die Sozialisten wollten? Widerstrebend antwortete Hermann Forster, dass es mit den Worten schon seine Richtigkeit hatte, wie aber stand es mit den Taten? Und außerdem, wie war das mit den anderen Alliierten - glaubte der Präsident, dass er sie kommandieren konnte? Nein - für die Imperialisten Englands, Frankreichs und Italiens waren diese schönen Worte nur Köder für
Leichtgläubige; sie würden ihnen dazu dienen, die Arbeiter ruhig zu halten, bis der Krieg gewonnen war, und dann würden die Militaristen dem amerikanischen Präsidenten einen Fußtritt verpassen und dem Kadaver Deutschlands die Knochen abnagen. Wenn sie sich wirklich an die Bedingungen des Präsidenten halten wollten, warum kamen sie dann nicht offen und ehrlich damit heraus und sagten das? Warum kündigten sie dann nicht die Geheimverträge? Warum begann England seine Karriere in Demokratie nicht damit, dass es Irland und Indien die Freiheit schenkte? So ging es weiter, und Jimmie hörte beiden Sprechern zu und gab ihnen abwechselnd recht und spürte mehr und mehr jenen qualvollen Zustand geistiger Verwirrung, in dem er sich zwischen zwei absolut widersprüchlichen und einander diametral entgegengesetzten Standpunkten befand.
4
Den ganzen Winter waren die Zeitungen voller Gerede über eine mächtige Offensive der Deutschen gewesen, die im Frühjahr stattfinden sollte. Dem deutschen Volk wurde alles darüber mitgeteilt, auch dass sie den Krieg mit einem glorreichen Sieg beenden sollte. In Amerika glaubte niemand so recht daran; die Tatsache allein, dass der Angriff so dreist angekündigt wurde, schien Grund genug, anderswo Obacht zu geben. Vielleicht bereitete sich der Feind darauf vor, Italien zu überwältigen, und wollte Frankreich und England davon abhalten, Truppen an die geschwächte italienische Front zu schicken! Aber dann plötzlich, in der dritten Märzwoche, stürmten die Deutschen mit aller Macht gegen die britische Front vor Cambrai; Armee für Armee drangen sie vor, überwältigten die Abwehr und brachen durch. Die britischen Streitkräfte zogen sich zurück - jede Stunde konnte ihr Rückzug in wilde Flucht ausarten. Tagtäglich sah sich Jimmie, wenn die Depeschen eintrafen, die Karte vor dem Büro des „Herald" an und bemerkte, wie sich eine große Lücke in der britischen Front auftat, eine Speerspitze, die mitten ins Herz Frankreichs zeigte. Drei Tage, vier Tage, fünf Tage ging
dieses entsetzliche Aufreißen der Front weiter, und die ganze Welt hielt den Atem an. Sogar Jimmie Higgins war von den Nachrichten erschüttert - er war um diese Zeit bereits weit genug in den Krieg eingedrungen, um zu erkennen, was ein deutscher Sieg bedeuten würde. Es gehörte schon ein sehr kräftiger Pazifistenmagen dazu, wenn man einen solchen Ausgang der Dinge guten Mutes schlucken wollte.
Genossin Mary Allen hatte einen solchen Magen; für ihren religiösen Eifer lag nicht der mindeste Unterschied darin, welche Räuberbande die Welt regierte. Auch Genosse Schneider hatte einen solchen Magen; er wusste, dass Deutschland der Geburtsort und die Wiege des Sozialismus war, und glaubte, das Beste, was der Welt widerfahren könne, sei, dass sie von den Deutschen erobert würde, damit die deutschen Sozialisten sie nach und nach in ein genossenschaftliches Gemeinwesen umwandeln könnten. Genosse Schneider frohlockte nun offen über diesen neuen Beweis deutscher Übermenschlichkeit, der Unbesiegbarkeit deutscher Zucht. Doch die meisten anderen Mitglieder der Ortsgruppe fürchteten sich vor dieser Macht - sie erkannten wider Willen, wie ernst die Gefahr war, die der Zivilisation drohte.
Jimmie las die Nachrichtendepeschen am Schwarzen Brett, ging hinüber, um beim Exerzieren zuzusehen, und anschließend mit Emil Forster zu „Toms Imbissstube". Er hatte schon immer viel übrig gehabt für Emil, und der junge Designer, unglücklich über den Hader zu Hause, war jetzt froh, jemand zu haben, dem er sein Herz ausschütten konnte. Er half Jimmie zu verstehen, was die britische Niederlage bedeutete, die enormen Verluste an Geschützen und Nachschub, die Last, die dadurch Amerika aufgebürdet werden würde. Denn Amerika würde diese Verluste ersetzen müssen. Amerika würde die Deutschen aus jedem Fußbreit dieses neueroberten Gebiets wieder hinaustreiben müssen.
Jimmie hörte zu und studierte die Sache gründlich auf der Landkarte, und so lernte er allmählich, sich für eine neue Wissenschaft zu interessieren, die der militärischen Strategie. Bist du erst einmal dem Zauber dieses Spiels erlegen, so ist deine Seele auch schon verloren. Du denkst an Männer nicht länger als an menschliche Wesen, die leiden, hungern, bluten, in Qualen sterben; du denkst an sie als an Schachfiguren; du verfügst über sie wie ein Spieler über seine Chips, ein Kaufmann über seine Waren; du teilst sie ein in Brigaden, Divisionen und Korps, rückst sie hierhin und dorthin, rechnest deine Verluste gegen die Verluste des Feindes auf, setzt in kritischen Augenblicken deine Reserve ein, zahlst diesen Preis für jenes Angriffsziel, rottest Tausende und aber Tausende aus mit einer Handbewegung, einem Federstrich, einem Druck auf den elektrischen Knopf! Hast du erst einmal gelernt, das Leben von diesem Standpunkt zu betrachten, bist du kein menschliches Herz mehr, an das Pazifisten und Menschenfreunde appellieren können; du bist eine Maschine, die Verderben ausmahlt, du bist ein reifer Apfel, bereit, dem Kriegsgott in den Schoß zu fallen, du bist ein Herbstblatt, bereit, von den Stürmen des Patriotismus erfasst und in Vernichtung und Tod geblasen zu werden. |
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