26. Kapitel: Jimmie Higgins entdeckt seine Seele
1
Jimmie ging zum Abendessen in die Kantine; aber die Berge von dampfend heißem Essen blieben ihm in der Kehle stecken - er dachte an den halbverhungerten kleinen Juden.
Die dreißig Silberlinge in der Tasche seines Waffenrocks brannten jeder einzeln ein Loch. Wie der Judas von ehedem wollte er sich am liebsten aufhängen und fand dafür ein schnelles Verfahren.
Neben ihm am Tisch saß ein Motorradfahrer, der vor dem Krieg gewerkschaftlich organisierter Klempner gewesen war und mit Jimmie darin übereinstimmte, dass die Arbeiter sich ihre Arbeitsplätze zurückholen oder die Politiker dafür schwitzen lassen würden. Auf dem Weg vom Essen nahm
Jimmie diesen Kameraden unauffällig beiseite und bemerkte: „Hör mal, ich hab da was Interessantes." Nun war Interessantes hier am nördlichen Polarkreis eine Seltenheit. „Was ist es denn?" fragte der Klempner. „Ich ging so auf der Straße", sagte Jimmie, „und da hab ich was Gedrucktes im Rinnstein gesehen. Es war der Aufruf, den die Bolschewiki an die deutschen Soldaten gerichtet haben und den sie in den deutschen Schützengräben verteilen."
„Donnerwetter!" sagte der Klempner. „Was steht denn drin?"
„Na, sie werden aufgerufen, sich gegen den Kaiser zu erheben - dasselbe zu machen, was die Russen gemacht haben."
„Kannst du denn deutsch lesen?" fragte der andere. „Nee", sagte Jimmie. „Das hier ist in englisch." „Aber wieso denn in englisch?" „Weiß ich doch nicht." „Was soll denn das hier in Archangelsk?" „Weiß ich erst recht nich." „Gottverdammich!" rief der Klempner. „Wetten, dass die Kerle jetzt ihren Dreh bei uns versuchen wollen?" „Daran hab ich nich gedacht", sagte Jimmie verschlagen. „Kann schon sein."
„Wetten, dass sie damit bei den Yankees nich weit kommen?" prophezeite der andere.
„Glaub ich auch nich. Aber immerhin ist es interessant, was sie sagen."
„Lass mich mal sehn", sagte der Klempner.
„Aber hör mal", sagte Jimmie, „sag es niemandem weiter.
Ich möcht keinen Ärger kriegen."
„Stumm wie ein Fisch, Kumpel." Und der Klempner nahm das beschmutzte Stück Papier und las. „Mein Gott!" sagte er. „Das ist ja komisch." „Was ist komisch?"
„Na, das klingt doch gar nich so, als ob die Kerle den Kaiser unterstützen, oder?".Und der Klempner kratzte sich am Kopf. „Also hör mal, mir kommt das ganz vernünftig vor!"
„Mir auch!" sagte Jimmie. „Dacht ich gar nich, dass sie so viel Grips haben."
„Das ist genau, was die Deutschen brauchen, bei Gott", sagte der Klempner. „Ich finde, wir müssten eigentlich Leute anstellen, um so was zu verteilen." „Find ich auch", sagte Jimmie begeistert. Der Klempner überlegte wieder. „Ich glaube", sagte er, „der Haken ist, sie werden so was nich allein an die Deutschen verteilen wollen; sie werden es an beide Seiten verteilen wollen."
„Genau!" sagte Jimmie, noch begeisterter. „Und natürlich geht das nich", sagte der Rohrleger, „darunter würde die Disziplin leiden." So waren Jimmies Hoffnungen zunichte gemacht.
Doch das Ergebnis der Unterredung war, dass der Klempner sagte, er würde gern den Zettel behalten und ihn ein paar anderen Männern zeigen. Er versprach noch einmal, Jimmie nicht zu erwähnen; daher war Jimmie einverstanden und ging seiner Wege mit dem Gefühl, ein Saatkorn in guten Boden gebracht zu haben.
2
Auch der „Christliche Verein" war mit der Expedition nach Archangelsk gekommen und hatte eine Baracke aufgestellt, in der die Männer Dame spielten und lasen und sich Schokolade und Zigaretten zu Preisen kauften, die sie für zu hoch hielten. Jimmie schlenderte hinein und sah dort einen Landser, mit dem er sich auf dem Transporter ein paarmal unterhalten hatte. Dieser Landser war zu Hause Drucker gewesen und hatte Jimmies Ansicht geteilt, dass vielleicht eine ganze Menge Politiker und Zeitungsredakteure Präsident Wilsons radikale Ideen gar nicht richtig verstanden und sie, soweit sie sie verstanden, hassten und fürchteten. Dieser Drucker las gerade eins der anspruchslosen Magazine, das voll war von dem intellektuellen Brei, den ein Konsortium von Großbankiers für harmlos genug hielt, um ihn dem gewöhnlichen Volk zu servieren. Er machte ein gelangweiltes Gesicht, deshalb ging Jimmie zu ihm hin, lockte ihn beiseite und wiederholte dasselbe Spielchen wie bei dem Klempner - mit demselben Ergebnis. Dann schlenderte er weiter, um sich einen der Filme anzusehen, die mitgenommen worden waren, um der Expedition in den langen Polarnächten die Zeit auf angenehme Reise zu vertreiben. Der Film zeigte ein puppenhaft süßes Mädchen mit einem Jahreseinkommen von einer Million Dollar in seiner üblichen Rolle als armes kleines Waisenkind, nach der neuesten Mode gekleidet und mit Ringellöckchen frisch vom Friseur, das jene furchtbaren Schicksale erduldet, die für die Armen der Alltag sind, und am Schluss dann belohnt wird durch die Liebe eines reichen und edlen und hingebungsvollen jungen Mannes, der das soziale Problem dadurch löst, dass er sie in einem Palast etabliert. Auch dies hatte die Billigung eines Konsortiums von Bankiers gefunden, bevor es das gewöhnliche Volk erreichte, und mittendrin, während das Waisenkind mit den Ringellöckchen in Großaufnahme zu sehen war, mit großen Wassertropfen, die ihr die Backen hinunterliefen, bemerkte der Landser auf dem Platz neben Jimmie: „Mein Gott! Warum müssen sie uns denn immer wieder solchen Käse vorsetzen?"
Jimmie schlug darum vor, sie wollten „abhaun", und sie gingen hinaus, und Jimmie spielte sein Spielchen ein drittes Mal und wurde wieder gebeten, das Flugblatt, das er im Rinnstein gefunden hatte, dem anderen zu überlassen. So ging es zwei Tage lang, bis Jimmie den letzten der Aufrufe los war, die Kalenkin ihm anvertraut hatte. Und am Abend des letzten Tages, als der gerissene Propagandist gerade für die Nacht in die Falle gehen wollte, erschien plötzlich ein Sergeant mit einem halben Dutzend Männer und erklärte: „Higgins, Sie sind festgenommen." Jimmie starrte ihn an. „Warum denn?" „Befehl - mehr weiß ich nicht."
„Gut, warten Sie einen Augenblick...", begann Jimmie, aber der Sergeant sagte, Warten gäbe es dabei nicht, packte Jimmie an einem Arm, und einer von den Männern packte ihn am anderen Arm, und dann führten sie ihn ab. Ein dritter hängte sich Jimmies Tornister über die Schulter, während die übrigen den Raum zu durchsuchen begannen, die Matratze aufschlitzten und nach losen Dielen im Fußboden suchten.
3
Jimmie brauchte nicht sehr lange, um seine Lage zu begreifen. Als er Lieutenant Gannet vorgeführt wurde, war ihm schon klar, was passiert war und wie er sich verhalten würde.
Der Lieutenant saß an einem Tisch, aufrecht und steif, mit einem schrecklich finsteren Blick hinter den Brillengläsern. Auf dem Tisch lagen sein Degen und seine Pistole - ganz, als wollte er Jimmie hinrichten und müsste sich nur noch entscheiden, auf welche Art.
„Higgins", donnerte er, „woher haben Sie dieses Flugblatt?"
„Das habe ich im Rinnstein gefunden." „Sie lügen!" sagte der Lieutenant. „Nein, Sir", sagte Jimmie. „Wie viele haben Sie gefunden?"
Jimmie hatte diesen kritischen Punkt vorausgesehen und
sich entschlossen, auf Nummer Sicher zu gehen. „Drei, Sir",
sagte er und fügte hinzu, „glaube ich."
„Sie lügen!" donnerte der Lieutenant wieder.
„Nein, Sir", sagte Jimmie lammfromm.
„Wem haben Sie sie gegeben?"
Diese Frage hatte Jimmie nicht eingeplant. Sie verschlug ihm die Sprache. „Ich - ich möchte es lieber nicht sagen", antwortete er.
„Ich befehle Ihnen, es zu sagen", sagte der Lieutenant. „Verzeihung, Sir, aber das kann ich nicht." „Sie werden es sagen müssen, ehe wir miteinander fertig sind", sagte der andere. „Darüber sollten Sie sich im klaren sein. Sie sagen, Sie haben drei gefunden?" „Es können auch vier gewesen sein", sagte Jimmie und ging noch mehr auf Nummer Sicher. „Ich hab nicht so genau darauf geachtet."
„Sie sympathisieren mit diesen Ansichten", sagte der Lieutenant. „Wollen Sie das leugnen?"
„Das nicht, Sir - nicht unbedingt. Ich sympathisiere mit einigen davon."
„Und sie haben diese Flugblätter im Rinnstein gefunden und sich nicht die Mühe gemacht nachzuzählen, ob es drei oder vier waren?"
„Nein, Sir."
„Könnten es nicht auch fünf gewesen sein?" „Ich weiß nicht, Sir - ich glaube nicht." „Sechs aber gewiss nicht?"
„Nein, Sir", sagte Jimmie, der sich jetzt ganz sicher fühlte. „Sechs waren es ganz bestimmt nicht." Darauf öffnete der Lieutenant eine Schublade im Tisch vor sich und nahm ein Bündel Flugblätter heraus, gefaltet, zerknittert und beschmutzt, und breitete sie vor Jimmie aus: eins, zwei, drei, vier, fünf, sechs, sieben. „Sie lügen!" sagte der Lieutenant.
„Ich habe mich geirrt, Sir", sagte Jimmie. „Haben Sie diesen Mann schon durchsucht?" fragte der Offizier die anderen Soldaten. „Noch nicht, Sir." „Dann tun Sie's."
Sie vergewisserten sich, dass Jimmie keine Waffe hatte, und dann ließen sie ihn sich bis auf die Haut ausziehen. Sie durchsuchten alles, rissen sogar die Sohlen seiner Stiefel los, und natürlich fanden sie mit als erstes die rote Karte in der Innentasche seines Waffenrocks. „Aha!" rief der Lieutenant.
„Das ist eine Karte der Sozialistischen Partei", sagte Jimmie.
„Wissen Sie nicht, dass in der Heimat Männer, die diese Karte haben, für zwanzig Jahre ins Gefängnis gehen?" „Nicht, weil sie die Karte haben", sagte Jimmie standhaft. Es entstand eine Pause, während Jimmie sich wieder anzog.
„Also, Higgins", sagte der Lieutenant, „Sie sind auf frischer Tat beim Hochverrat gegen das Vaterland und seine Fahne ertappt worden. Darauf steht die Todesstrafe. Es gibt nur einen Weg, wie Sie freikommen können - indem Sie alles offen gestehen. Haben Sie mich verstanden?" „Jawohl, Sir."
„Dann sagen Sie mir, wer Ihnen diese Flugblätter gegeben hat."
„Bedaure, Sir, ich habe sie im Rinnstein gefunden." „Sie wollen doch nicht bei dieser albernen Ausrede bleiben?"
„Es ist die Wahrheit, Sir."
„Wollen Sie Ihre Mitverschwörer mit Ihrem Leben schützen?"
„Ich habe Ihnen alles gesagt, was ich weiß, Sir." „Wie Sie wollen", sagte der Lieutenant. Er nahm ein Paar Handschellen aus der Schublade und ließ sie Jimmie anlegen. Er nahm seinen Degen und seine Pistole - und Jimmie, der militärische Bräuche nicht kannte, riss vor Angst die Augen weit auf. Doch der Lieutenant wollte sich nur die Waffen ans Koppel schnallen, dann zog er seinen Mantel und die großen Pelzhandschuhe an und setzte die Pelzkappe auf, die bis auf Augen und Nase alles verdeckte, und befahl, Jimmie abzuführen. Draußen wartete ein Auto, und der Offizier fuhr mit dem Gefangenen und zwei Wachen zum Militärgefängnis.
4
Dem Gefangenen saß die Angst im Herzen, aber ei ließ das niemand merken. Und ebenso ließ Lieutenant Gannet niemand die Unsicherheit merken, die er im Herzen hatte. Er war Offizier, er hatte eine harte militärische Pflicht zu erfüllen, und er tat es; aber er hatte noch nie jemand in Handschellen gelegt und noch nie jemand ins Gefängnis geschafft, und er war fast ebenso verstört deswegen wie der Gefangene.
Der Lieutenant hatte das schreckliche Schauspiel mit angesehen, wie Russland zusammenbrach, wie es in Trümmer und Erniedrigung verfiel wegen einer, wie es ihm erschien, hochverräterischen Propaganda, die in Russlands Armeen betrieben worden war; ihm war klar, dass diese „tollwütigen Hunde" von Bolschewiki bewusst konspirierten, um die anderen Armeen zu vergiften, um die übrige Welt in denselben Zustand zu bringen, in dem sie sich selbst befanden. Es erschien ihm ungeheuerlich, dass solche Bestrebungen auch in der amerikanischen Armee im Gange sein sollten. Wie weit war das schon gediehen? Das wusste der Lieutenant nicht und hatte daher Angst, wie Menschen immer Angst haben angesichts des Unbekannten. Es war seine unmissverständliche Pflicht, auf die er einen Eid geleistet hatte, den Kopf dieser Schlange mit dem Absatz zu zertreten, aber
dennoch war er tief beunruhigt. Dieser Sergeant Higgins war in Frankreich wegen Tapferkeit befördert worden und war trotz seiner frechen Zunge ein recht manierlicher Untergebener. Und nun erwies er sich hier als aktiver Verschwörer, als Propagandist des Aufruhrs, als trotziger und dreister Verräter!
Sie waren am Gefängnis angekommen, das der Zar zu dem Zweck errichtet hatte, die Menschen dieser Provinz niederzuhalten. Es ragte als gewaltiges Steinmassiv in die Dunkelheit, und Jimmie, der in der Ortsgruppe Leesville gepredigt hatte, dass Amerika schlimmer als Russland sei, erfuhr nun, dass er sich geirrt hatte - Russland war ganz genauso. Sie passierten ein steinernes Tor, und eine Stahltür öffnete sich vor ihnen und schlug hinter ihnen wieder zu. An einem Schreibtisch saß ein Sergeant, und bis auf die Tatsache, dass er Brite und seine Uniform nicht blau, sondern braun war, hätte es Leesville, USA, sein können. Jimmies Name und Adresse wurden notiert, und dann fragte Lieutenant Gannet: „Ist Perkins schon da?"
„Noch nicht, Sir", lautete die Antwort; aber in diesem Moment öffnete sich die Tür, und ein massiger Mann trat ein, in einen Mantel gehüllt, der ihn womöglich noch massiger machte. Diesen Mann sah Jimmie vom ersten Augenblick so an, wie ein hypnotisiertes Kaninchen eine Schlange ansieht. Der kleine Sozialist hatte in seinem gehetzten Leben so viel mit Polizisten und Detektiven zu tun gehabt, dass er sofort wusste, was da „auf ihn zukam".
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Dieser Perkins war vor dem Krieg Mitarbeiter einer Privatdetektei gewesen - was die Arbeiter verächtlich als einen „Schnüffler" bezeichneten. Als sich die Regierung plötzlich vor die Notwendigkeit gestellt sah, eine Menge „auszuschnüffeln", war sie gezwungen gewesen, zu nehmen, was sich bot, ohne allzu genau hinzusehen. So kam es, dass Perkins jetzt Sergeant beim Secret Service war, und genauso, wie die Zimmerleute Nägel einschlugen wie zu Hause, und die Chirurgen Fleisch schnitten wie zu Hause, „schnüffelte" Perkins wie zu Hause.
„Na, Sergeant?" sagte der Lieutenant. „Was haben Sie herausgefunden?"
„Ich glaube, ich habe die Geschichte, Sir." Man konnte Gannet die Erleichterung vom Gesicht ablesen, und Jimmie sank das Herz in die Hosen. „Es sind nur noch ein paar Einzelheiten zu klären", fuhr Perkins fort. „Sie haben doch sicher nichts dagegen, wenn ich diesen Gefangenen befrage?"
„Oh, nicht das geringste", sagte der andere. Er war heilfroh, dass er diese schwierige Angelegenheit einem Mann von Entschlusskraft, einem Profi, übergeben konnte, der solche Fälle gewohnt war und wusste, wie man damit fertig wurde.
„Ich werde Ihnen sofort Bericht erstatten", sagte Perkins. „Ich warte", sagte der Lieutenant.
Und Perkins packte Jimmies zitternden Arm mit einem Griff wie ein Schraubstock und führte ihn ab, einen langen Steinkorridor entlang und eine Treppe hinunter. Unterwegs griff er sich noch zwei andere Männer, ebenfalls in Khaki, die ihm folgten; zu viert gingen sie durch eine Reihe unterirdischer Gänge bis zu einer Steinzelle mit einer soliden Stahltür, die sie hinter sich zuschlugen - ein Geräusch, das für Jimmies verängstigte Seele wie der Glockenschlag zum Jüngsten Gericht klang. Und sofort ergriff Sergeant Perkins ihn bei der Schulter, wirbelte ihn herum und funkelte ihn wild an. „So, du kleiner Scheißkerl!" sagte er. Als ehemaliger Detektiv in einer amerikanischen Großstadt war dieser Mann vertraut mit dem „dritten Grad", durch den man Gefangene dazu bringt, dass sie sagen, was sie wissen, und auch vieles, was sie nicht wissen, aber wovon sie wissen, dass die Polizei es hören möchte. Bei einem der beiden anderen Männer, einem Soldaten Connor, war dieses Folterverhör mehr als einmal angewendet worden. Er war ein vorbestrafter Einbrecher, das letztemal jedoch in einer Stadt im Mittelwesten wegen einer Kneipenschlägerei festgenommen worden, und der Richter hatte zufällig von seinen Vorstrafen nichts gewusst und sich durch sein tränenreiches Betteln rühren und zu einer Strafe auf Bewährung herumkriegen lassen, vorausgesetzt, dass der Häftling Soldat werden würde, um für sein Vaterland zu kämpfen.
Der andere Mann hieß Grady und hatte in einer Mietwohnung in „Hell's Kitchen" in New York eine Frau und drei Kinder zurückgelassen, um herüberzukommen und gegen den Kaiser zu kämpfen. Er war ein gutherziger, anständiger Ire, der sich ein hartes Brot damit verdient hatte, dass er zehn Stunden am Tag Ziegelsteine und Mörtel eine Leiter hochschleppte; doch er war fest davon überzeugt, dass es irgendwo unter seinen Füßen eine Hölle mit Pech und Schwefel gäbe, in der er für immer braten würde, wenn er den Geboten der über ihn gesetzten Obrigkeit nicht gehorchte. Grady wusste, dass es gewisse böse Menschen gab, die die Religion hassten und verleumdeten und Millionen Seelen in die Hölle lockten; sie hießen Sozialisten oder Anarchisten und mussten offensichtlich Sendboten des Satans sein; es war also ein gottgefälliges Werk, sie auszurotten und zu vernichten. So denken die Gradys seit tausend Jahren, und darum haben sie in dunklen unterirdischen Verliesen die Daumenschrauben gedreht und die Hebel der Folterbank bedient. In vielen großen Städten Amerikas, wo die Polizei vom Aberglauben im Verein mit der Schnapsindustrie und den städtischen Unternehmen beherrscht wird, tun sie es noch immer.
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„So, du kleiner Scheißkerl", sagte Perkins, „nun hör mir mal gut zu. Ich hab mich hier mal umgesehn deinetwegen und die Namen von den meisten Bolschewiken rausgekriegt, mit denen du Kontakt hattest. Aber ich will sie alle haben, und ich kriege sie auch alle - kapiert?" Trotz all seiner Angst schlug Jimmie das Herz höher vor Triumph. Perkins log! Nicht ein bisschen hatte er rausgekriegt! Er wollte bloß seinen Gefangenen bluffen und seinem Vorgesetzten zeigen, was für ein toller „Schnüffler" er war. Er tat das, was die Polizisten überall taten - er versuchte durch Einschüchterung zu erreichen, was er durch Können und Intelligenz nicht erreichen konnte. „Gleich wirst du singen", fuhr der Mann fort. „Du denkst vielleicht, du kannst es aushalten, aber du wirst merken, das ist nicht drin. Ich reiße dir jedes Glied einzeln aus, wenn
du's nicht anders haben willst - ich schrecke vor nichts zurück, was sein muss, damit du ausspuckst. Ist das klar?" In einer Art Krampf nickte Jimmie mit dem Kopf, doch sosehr er sich auch bemühte, einen Ton von sich zu geben -es wurde nur ein Würgen in der Kehle daraus. „Du handelst dir nur 'ne Menge Schmerzen ein, wenn du mich warfen lässt, darum sei lieber vernünftig. Also - wer sind die Leute?" „Es gibt gar keine. Es . . ."
„Ach, so ist das? Na, dann wollen wir mal sehn!" Und der Sergeant schwenkte Jimmie herum, um hinter ihn zu kommen. „Festhalten", sagte er zu den beiden Männern, und sie packten den Gefangenen bei den Schultern; der Sergeant griff sich seine beiden Handgelenke, die mit Handschellen gefesselt waren, und drückte sie an Jimmies Rücken nach oben.
„Au!" schrie Jimmie. „Halt! Halt!" „Spuckst du aus?" sagte der Sergeant. „Halt!" schrie Jimmie, außer sich, und als der andere stärker drückte, begann er zu schreien. „Sie brechen mir ja den Arm! Den verwundeten." „Den verwundeten?" sagte der Sergeant. „Er hat eine Kugel abgekriegt!" „Was du nicht sagst!" meinte der Sergeant. „Es ist wahr - Sie können sich erkundigen! Bei der Schlacht von Chatty Terry in Frankreich!"
Gerade nur für einen Augenblick wurde der Druck auf Jimmies Arme schwächer; aber dann fiel dem Sergeant ein, dass Soldaten, die Karriere machen wollen, ihren Vorgesetzten nicht mit Gefühlsduseleien kommen dürfen. „Wenn du in der Schlacht verwundet worden bist", sagte der Sergeant, „warum wirst du dann zum Verräter? Gib mir die Namen, die ich brauche!" Und er begann wieder zu drücken. Der Schmerz war entsetzlicher als alles, was sich Jimmie je hatte träumen lassen. Ein Kreischen entrang sich ihm. „Warten! Warten! Hören Sie!" Der Folterer lockerte den Druck und sagte: „Die Namen?" Und als Jimmie die Namen nicht sagte, presste er noch stärker. Jimmie krümmte sich vor Schmerzen, aber die beiden anderen Männer hielten ihn wie in einem Schraubstock. Er flehte, er schluchzte und stöhnte; doch die Mauern dieses Verlieses waren so gebaut worden, dass die Besitzenden draußen nicht gestört werden konnten durch Kenntnis von dem, was drinnen in ihrem Interesse geschah.
Wir gehen ins Museum und sehen uns die teuflischen Instrumente an, die die Menschen einst zur Folterung ihrer Mitmenschen benutzten, und wir schaudern und beglückwünschen uns, dass wir in einer humaneren Zeit leben, und dabei übersehen wir, dass man gar keine komplizierten Instrumente nötig hat, um dem menschlichen Körper Schmerz zuzufügen. Jeder kann jeden quälen, wenn der ihm hilflos ausgeliefert ist. Erforderlich allein ist das Motiv - das heißt irgendeine Machtbefugnis, die gesetzlich verankert ist und sich vor Rebellion abzuschirmen versteht. „Sag mir die Namen!" verlangte der Sergeant. Er hatte Jimmies beide Hände bis zum Hals hochgedrückt und lehnte sich vorwärts über Jimmie und presste und presste. Jimmie war blind vor Schmerz, sein ganzes Sein krampfverzerrt. Es war zu entsetzlich, das gab es doch nicht! Alles, alles, damit das aufhörte! Eine Stimme schrie in seiner Seele: Rede! Rede! Doch dann dachte er an den kleinen Juden, so mitleiderregend, so vertrauensvoll - nein, nein, er würde nichts sagen! Er würde niemals etwas sagen! Aber wie, wie sollte er das schaffen? Wie diese Qualen aushalten? Er konnte sie doch nicht aushalten - sie waren grauenhaft!
Er wand sich und schrie, stammelte und flehte und schluchzte. Vielleicht hat es Menschen gegeben, die die Folter mit Würde ertragen haben, aber Jimmie gehörte nicht zu ihnen. Jimmie war erbärmlich, Jimmie war von Sinnen; er tat alles mögliche, alles, was ihm einfiel - bloß nicht das eine, das, was Perkins ihm fortwährend befahl. Das ging so weiter, bis der Sergeant außer Atem war; was sich allerdings als ein Nachteil des primitiven Handbetriebs der Folterung erwies, auf den sich die amerikanischen Polizisten wegen der Gefühlsduselei der Politiker beschränken müssen. Der Folterer verlor die Geduld und begann an Jimmies Armen zu rütteln und zu drehen, so dass Connor ihn warnen musste - er wolle ihm doch sicher nichts brechen?
Also sagte Perkins: „Drückt ihm den Kopf runter." Sie bogen Jimmie nach vorn, bis sein Kopf den Boden berührte, und Grady band Jimmie die Beine fest, damit er sie ruhig hielt; Connor hielt ihn am Hals fest, und Perkins setzte seinen Fuß auf die Handschellen und trat nach unten. Auf diese Weise konnte er die Folter im Stehen fortsetzen und dabei frei atmen, was für ihn eine große Erleichterung war. „So, du verfluchter Hund!" sagte er. „Das kann ich die ganze Nacht aushalten. Und nun pack mal aus!"
7
Jimmie erschien jeder Augenblick des Schmerzes als der schlimmste. Er hatte keine Ahnung gehabt, dass ein Schmerz so lange anhalten konnte, dass er mit solch heißer, sengender Flamme brennen konnte. Er knirschte mit den Zähnen, er zerbiss sich die Zunge, er ließ sein Gesicht über die Steine schleifen. Alles hätte er gegeben für eine Atempause - auch schon für eine andere Art Schmerz, damit er nicht mehr an die furchtbare Pein in den Schultern und Ellbogen und Handgelenken denken musste. Aber eine Atempause gab es nicht; seine Seele wurde in bodenlosen Abgründen herumgewirbelt und herumgestoßen, aus deren Tiefen wie von einem fernen Berggipfel Perkins' Stimme zu ihm drang: „Pack aus! Pack aus - oder du bleibst die ganze Nacht in dieser Stellung!"
Aber Jimmie blieb nicht in dieser Stellung, denn Perkins wurde es zu viel, auf einem Fuß zu stehen, und er wusste, dass der Lieutenant oben auf und ab schritt und sich wunderte, warum es wohl so lange dauerte, ein paar Fragen zu stellen. Jimmie hörte die Stimme von dem fernen Berggipfel: „So wird das nichts; wir müssen ihn ein bisschen aufknüpfen." Und er holte aus seiner Tasche einen starken Strick, band das eine Ende um Jimmies beide Daumen und ließ das andere Ende durch einen Eisenring in der Kerkermauer laufen - der dort von einem Handlanger des Zaren zur Verwendung im Geiste der Demokratie angebracht worden war. Die beiden anderen Männer hoben Jimmie hoch, bis seine Füße den Boden nicht mehr berührten, machten dann den Strick fest, und Jimmie hing mit seinem vollen Gewicht an seinen Daumen, die Hände noch immer auf dem Rücken gefesselt.
So machte er jetzt seinen drei Kerkermeistern keine Mühe mehr - außer dass er ein hässlich anzusehendes Etwas war, das Gesicht krebsrot und verkrampft und die Zunge blutig gebissen. Sie drehten ihn herum, mit dem Gesicht nach der Mauer, dann störte sie nichts weiter mehr als die Geräusche, die schwächer geworden waren, doch darum nicht weniger unangenehm, ein Stammeln und Plappern, ununterbrochen und doch nicht rhythmisch, so als ob es von einer ganzen Menagerie gequälter Tiere herrührte. Immer noch verstrich die Zeit, und Perkins' Zorn wuchs, Ihm persönlich hätte es nichts ausgemacht, denn seine Nerven waren stark; er hatte in den alten Zeiten zu Hause eine ganze Menge Arbeiter vom IWW in der Mangel gehabt; aber er hatte gesagt, er würde die Information herausholen, und daher stand sein Ruf auf dem Spiel. So gab er Jimmie einen Stoß und sagte: „Singst du jetzt endlich?" Und als sich Jimmie noch immer weigerte, sagte er schließlich: „Also, dann werden wir's mit der Wasserkur versuchen müssen. Connor, holen Sie mir ein paar Krüge Wasser und einen Trichter - nicht zu klein."
„Jawohl, Sir", sagte der ehemalige Einbrecher und ging hinaus, und in der Zwischenzeit wandte sich Perkins wieder an sein Opfer. „Hör zu, du kleines Mistvieh", sagte er. „Ich werde jetzt was Neues ausprobieren, etwas, was dich ganz bestimmt weichmacht. Ich bin auf den Philippinen gewesen mit der Armee; da haben sie's oft so gemacht, und bis jetzt hab ich noch keinen gesehn, der es ausgehalten hat. Wir lassen dich bis oben hin mit Wasser volllaufen, und dann kannst du ein paar Stunden liegen, damit es auch überall hinsickert, und dann schütten wir noch was nach, und das machen wir Tag und Nacht, so lange, bis du auspackst. Es wär also besser für dich, wenn du dir das noch mal überlegst und gleich singst, ehe wir dir das Wasser eintrichtern, denn so leicht kriegt man es nicht wieder raus."
Jimmies Gesicht lag an der Wand, und seine gemarterten Daumen schmerzten, als ob man Messer in ihn hineinstach und umdrehte; er hörte diese Drohungen und vernahm wieder den Schrei in seiner Seele nach einer Atempause, koste es, was es wolle.
Jimmie kämpfte einen Kampf, den schwersten, den je ein
Mensch gekämpft hat - den Kampf des Gewissens gegen die Schwachheit des Fleisches. Reden oder nicht reden? Der arme gefolterte Körper schrie: Rede! Doch das Gewissen keuchte mit kraftloser Stimme immer und immer und immer wieder: Nein! Nein! Nein! Es musste sich fortwährend behaupten, weil der Kampf niemals vorbei, niemals gewonnen war. Jeder Augenblick bedeutete neue Qual und daher wieder eine Versuchung; jedes Argument musste endlos wiederholt werden. Warum sollte er nicht reden? Weil Kalenkin ihm vertraut hatte, und Kalenkin war ein Genosse. Aber vielleicht war Kalenkin inzwischen verschwunden, war an einem seiner Hustenanfälle gestorben, vielleicht hatte er von Jimmies Verhaftung gehört und war geflohen. Vielleicht würden sie Kalenkin auch gar nicht foltern, wie sie Jimmie folterten, weil er kein Soldat war; vielleicht steckten sie ihn nur eben ins Gefängnis und behielten ihn da, und andere würden die Arbeit weiterführen. Vielleicht...
Und so weiter. Aber die kraftlose Stimme flüsterte in Jimmie Higgins' Seele: Du bist die Revolution. Du bist die soziale Gerechtigkeit, die in dieser Welt um ihr Leben kämpft. Du bist die Menschheit, die ihr Gesicht dem Licht zuwendet, die darum ringt, ein neues Ziel zu erreichen, ein altes Grauen hinter sich zu lassen. Du bist Jesus am Kreuz, und wenn du versagst, schreitet die Welt rückwärts, vielleicht für immer. Du musst durchhalten! Du musst das ertragen! Und das! Und das! Du musst alles ertragen - ewig - so lange, wie es nötig ist! Du darfst nicht „auspacken"!
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Connor kam zurück mit den Wasserkrügen und dem Trichter! Sie nahmen Jimmie ab - ach, welche Wohltat für seine Daumen! - und legten ihn auf den Boden, die geschundenen, geschwollenen Hände, noch immer gefesselt, unter dem Körper, und Grady setzte sich auf seine Füße, und Connor setzte sich auf seine Brust, und Perkins stieß ihm mit Gewalt den Trichter in den Hals und goss Wasser hinein.
Jimmie musste natürlich schlucken; er musste verzweifelt würgen, um nicht zu ersticken, und nur zu bald war er bis oben hin voll Wasser, und dann begannen die fürchterlichsten Qualen, die er bis dahin erduldet hatte. Es war wie der Schmerz von dem Äthergas, nur unendlich viel schlimmer. Er wurde aufgetrieben wie ein Ballon; sein Inneres wollte platzen; sein ganzer Körper war eine einzige wunde Geschwulst - und Connor, der auf seinem Bauch saß, machte sich ab und zu ein bisschen schwerer, um sicherzugehen, dass das Wasser auch an die richtigen Stellen drang.
Jimmie konnte nicht schreien, aber sein Kopf lief blau an, und auf Stirn und Hals traten die Adern hervor; er begann zu würgen, und das war das schlimmste von allem; jede Zuckung seines Körpers stach ihn mit zehnmal tausend Messern.
Jimmie hatte mit mehreren Wobblies gesprochen, die diese „Wasserkur", die übliche Methode der Polizeibehörden in kleinen Städten und Dörfern, durchgemacht hatten. Sie ist einfach und billig und sauber; sie hinterlässt keine Blutspuren und keine Beulen, die dem Gericht vorgezeigt werden könnten; sie verstopft dem Opfer den Mund, so dass seine Schreie nicht durch die Gefängnisfenstern dringen - daher genügt schon ein einfaches Abstreiten völlig, um sie geheimzuhalten. Der Wilde Bill hatte diese Behandlung erfahren, Erdbeer-Curran sogar mehrere Male. Aber ach, dachte Jimmie, wie das hier konnte es nicht gewesen sein - noch niemals hatte ein Mensch so etwas wie das hier ausgehalten! Der arme Jimmie war in Geschichte nicht bewandert und wusste nicht, dass der Mensch schon alles ertragen hat, was sein Mitmensch ihm hat antun können. Er wird es auch künftig ertragen, so lange, wie Privilegien gesetzlich verankert sind und es erlaubt ist, das Gesetz für ihre unheiligen Zwecke einzusetzen.
So wurde in Jimmie Higgins' Seele der Kampf der Jahrhunderte ausgetragen. Er war ein Zwerg von einem sozialistischen Maschinenarbeiter, mit schlechten Zähnen und abgearbeiteten Händen, und er konnte nichts Erhabenes oder Begeisterndes tun, nicht einmal etwas Würdevolles; übrigens würde es für jeden schwer sein, etwas Würdevolles zu tun, wenn er auf dem Boden liegt mit ein paar Litern Wasser im Leib und ein Mann auf seinen Beinen, ein anderer auf seinem Bauch sitzt und ein dritter ihm einen Trichter in den Mund rammt. Jimmie konnte weiter nichts tun, als in seinem Innern den fürchterlichen Kampf zu kämpfen und ihn nicht zu verlieren. „Heb das Knie, wenn du bereit bist zu singen", sagte Perkins, und Grady stand auf, damit Jimmie das Knie heben konnte, wenn er wollte; aber Jimmies Knie hob sich nicht.
Tief innen in Jimmie Higgins' gepeinigter Seele geschah etwas Merkwürdiges. Während er gebunden und hilflos dalag, verzweifelnd, sich krümmend vor Schmerz, halb wahnsinnig vor Angst, rief Jimmie um Hilfe - und Hilfe ward ihm zuteil; die Hilfe, die alle Kerkermauern durchdringt und alle Kerkermeister und Folterknechte überlistet; jene Macht, die alle Schranken von Stahl und alle Schranken der Furcht bricht...
„Du hast große Freunde; Verbündet sind dir Jubel, Leid und Liebe Und eines Mannes unzähmbarer Mut!"
In Jimmies Seele ließ sich die Stimme vernehmen, die lauter spricht als die Drohungen und Befehle der Tyrannei und die da sagt: Ich bin ein Mensch, und ich bestehe. Ich besiege das Fleisch, ich trete den Leib unter mich und erhebe mich über ihn. Ich trotze seinen Kerkern, seinen Rücksichten und seinen Ängsten. Ich bin die Wahrheit, und die soll gehört werden auf Erden. Ich bin die Gerechtigkeit, und die soll verwirklicht werden auf Erden. Ich bin die Freiheit, und ich breche alle Gesetze, ich trotze aller Unterdrückung, ich triumphiere, ich verkünde die Erlösung! - Und weil zu allen Zeiten und unter jedem Himmel diese heilige Kraft in der Seele des Menschen gewohnt hat, weil diese geheimnisvolle Stimme dort gesprochen hat, ist die Menschheit aus Finsternis und Barbarei fortgeschritten bis wenigstens zum Traum von einer anständigen und glücklichen Welt.
So lag Jimmie da, verwandelte seinen Schmerz in Ekstase, in eine schwindeln machende, gefährliche Verzückung, dicht an der Grenze des Wahnsinns, und Sergeant Perkins stand auf, sah auf ihn herab und schüttelte den Kopf. „Mein Gott!" sagte er. „Was steckt in diesem kleinen Mistvieh?" Er gab Jimmie einen Tritt in die Rippen, und Jimmies Seele tat
einen Sprung und wirbelte durch eine Unendlichkeit von Pein.
„Bei Gott, dich kriege ich zum Reden!" schrie Perkins und begann mit seinen schweren Stiefeln nach ihm zu treten - bis Connor ihn bremste, denn er wusste, das war moralisch nicht vertretbar - es hinterließ Spuren.
So sagte der Sergeant schließlich unvermittelt: „Wartet hier." Und er ging nach oben, wo Gannet auf und ab schritt.
„Lieutenant", sagte er, „der Kerl ist ein sturer Fall." „Was sagt er denn?"
„Ich kann kein Wort aus ihm herausholen. Er ist Sozialist und ein Spinner, müssen Sie wissen, und Sie würden sich wundern, wie übel manchmal solche Kerle sein können. Sobald ich die Geschichte komplett habe, mach ich Ihnen Meldung, aber bis dahin hat es keinen Zweck, wenn Sie hier warten."
Darauf ging der Offizier, und Perkins kehrte in das Verlies zurück und gab den Befehl, dass alle zwei Stunden jemand Jimmie mit Wasser vollfüllen und ihm eine Chance geben solle, „ja" zu sagen. Und Jimmie lag da in seiner Einsamkeit und stöhnte und weinte, ab und zu zitternd in jener gefährlichen Verzückung, die nicht anhält, sondern durch größte Willensanstrengung ständig erneuert werden muss, so wie ein erschöpftes Pferd mit Sporen und Peitsche angetrieben werden muss. Niemals, niemals konnte dieser Kampf wirklich gewonnen werden! Niemals ließ sich der Leib ganz und gar vergessen, ließen sich seine lauten Forderungen vollkommen zum Schweigen bringen! Gott kommt, aber der Zweifel folgt auf dem Fuße. Was hat dieses furchtbare Opfer für einen Sinn? Was soll dabei Gutes herauskommen, wer wird es erfahren, wen wird es kümmern? So der Satan in der Seele, und so das ewige Duell zwischen dem Neuen, von dem der Mensch träumt, und dem Alten, das er zum Gesetz erhoben hat.
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