Nemesis-Archiv   WWW    

Willkommen bei Nemesis - Sozialistisches Archiv für Belletristik

Nemesisarchiv
Upton Sinclair - Jimmie Higgins (1919)
http://nemesis.marxists.org

21. Kapitel:  Jimmie Higgins tritt in die Gesellschaft ein

1

Als Jimmie wieder Interesse am Leben nahm, lag er in einem Bett: einem Bett, das tatsächlich stillstand, das nicht sprunghaft bis an die Decke stieg und dann wie ein geschwinder Fahrstuhl ins Erdgeschoß sank. Besser noch war der Umstand, dass dieses Bett sauber bezogen war und dass ein liebreizender Engel in fleckenlosem Weiß darüber schwebte. Ihr, die ihr von Jimmie Higgins' Abenteuern lest, seid vielleicht ein wenig mit den guten Dingen des Lebens gesegnet und müsst euch erst erklären lassen, dass Jimmie noch nie erfahren hatte, wie es ist, zwischen Bettzeug zu schlafen - geschweige denn zwischen sauberem Bettzeug; Sie hatte er erfahren, wie es ist, in einem Nachthemd zu schlafen; noch nie hatte er heiße Brühe genossen, die ihm ein schneeweißer Engel mit einem strahlenden Lächeln und
einer Aureole von goldbraunem Haar gebracht hatte. Dieses wunderbare Wesen bediente ihn auf seinen leisesten Wink hin, und wenn sie nicht damit beschäftigt war, Botengänge für ihn zu erledigen, saß sie an seinem Bett und plauderte, wobei sie ihm alle möglichen Fragen stellte über ihn und sein Leben. Sie hielt ihn für einen Soldaten, und er, elender Wicht, merkte, was sie dachte, und schob es auf, ihr zu erzählen, dass er nur ein gewöhnlicher Motorradschlosser war!
Das hier war ein Kriegslazarett, und was man hier zu sehen und zu hören kriegte, war schrecklich; aber Jimmie entging das für lange Zeit fast gänzlich - er fühlte sich so behaglich! Er lag da wie eine angenehm schläfrige Katze; er aß Gutes und trank Gutes, und dann schlief er ein, und dann öffnete er die Augen im Sonnenschein einer goldbraunen Aureole. Erst allmählich erkannte er, dass irgendwo auf der Station jemand die ganze Nacht würgte und röchelte, weil seine Lungen zum Teil von giftigen Säuren zerfressen waren.
Jimmie erkundigte sich und erfuhr, dass über hundert Menschen auf dem Transportschiff hatten ihr Leben lassen müssen, einschließlich mehrerer Frauen; die Krankenschwester brachte eine Zeitung mit einer Liste der Opfer, in der er den Namen Mike Angoni fand - seinen Freund, den Wobbly aus dem fernen Westen! Auch den Namen Peter Toms fand er - den Matrosen aus Cornwall, den es bei der achten Attacke erwischt hatte! Jimmie las, dass das U-Boot, das den Transporter versenkt hatte, von einer Wasserbombe zerschmettert worden war; das Meer war voll von seinen Trümmern gewesen! Und so merkwürdig und schrecklich es auch scheinen mag, Jimmie, den Pazifisten, den Sozialsten, durchzuckte ein Gefühl der Genugtuung! Nicht ein einziges Mal hielt er sich damit auf, darüber nachzudenken, dass an Bord dieses Unterwasserfahrzeugs vielleicht irgendein deutscher Genosse gewesen war, irgendein versklavter, unglücklicher Internationalist wie er selbst! Jimmie wollte, dass die heimtückischen, verräterischen Schrecken des Meeres ohne jede Rücksicht ausgerottet würden! Die Krankenschwester mit dem Glorienschein von goldbraunem Haar fand Interesse an ihrem amerikanischen Patienten und setzte sich hin und unterhielt sich mit ihm, wann immer sich die Gelegenheit bot. Sie erfuhr von Elisa Betuser und den Kleinen, die bei der Explosion in Stücke gerissen worden waren. Sie erfuhr auch, dass Jimmie Sozialist war, und stellte ihm Fragen deswegen. Urteilte er nicht ein bisschen hart über die Oberklasse? Konnte es denn nicht sein, dass unter den Kapitalisten ein paar waren, die ebenso froh wären wie er, wenn sie ein besseres Gesellschaftssystem wüssten? Die junge Dame sprach das Wort „Kapitalisten" mit dem Akzent auf dem ersten „i" aus, was Jimmie eine Zeitlang verwirrte; auch versicherte sie ihm, dass die „Lohnskala" niemals mehr so weit heruntergehen würde, wie sie vor dem Krieg gewesen sei, und Jimmie musste fragen, was eine „Skala" sei. Was sie mit „Tortelett" meinte, brauchte er nicht zu fragen, weil es auf seinem Tablett lag -ein köstliches Erdbeertörtchen.

2

Dies alles hatte zu bedeuten, dass der Zerstörer in einen englischen Hafen eingelaufen war; die Krankenschwester war Britin. Hätte Jimmie Takt besessen, so hätte er sich daran erinnert, dass die Briten eine Garnitur von Herzögen, Grafen, Lords und dergleichen hatten, die ihnen lieb und teuer waren. Doch Takt ist nicht die Haupttugend von Sozialisten; vielmehr rühmte sich Jimmie sogar, dass er Takt verachte - wenn man seine Meinung über etwas wissen wollte, sagte er es den Leuten lieber „direkt auf den Kopf zu". Also gab er diesem weißen Engel zu verstehen, dass er die degenerierten Aristokraten der Alten Welt mit abgrundtiefer Verachtung betrachte; er würde sie am liebsten ohne viel Federlesens unverzüglich aus dem Verkehr ziehen. Vergebens hielt der Engel in Weiß ihm vor, dass manche doch vielleicht ganz brauchbare Menschen waren oder zumindest Menschen mit gutem Willen - Jimmie erklärte sie für einen Haufen Parasiten und Profitmacher; das einzig Richtige sei es, reinen Tisch mit ihnen zu machen. „Aber Sie werden ihnen doch nicht den Hals abschneiden?" sagte die Schwester. „Sie müssten doch jedenfalls eine Chance bekommen, sich zu bessern!"
„Aber gewiss!" antwortete Jimmie. „Was ich meine, ist bloß, jeder Mensch muss arbeiten - die Herzöge und Aristokraten genau wie alle anderen."
Die Schwester ging hinaus, um Jimmies Nachtgeschirr auszuschütten, und während sie draußen war, rührte sich der Mann im Nebenbett, der Richtkanonier auf einem amerikanischen Zerstörer gewesen war und den Kopf so dick verbunden hatte, dass er wie ein Hinduswami aussah, wandte seine müden Augen Jimmie zu und nölte: „Du, Kumpel. das Gequatsche lass man lieber!"
„Was willst 'n damit sagen?" fragte Jimmie, der Streit mit einem Militaristen witterte.
„Ich will damit sagen, dass diese junge Dame hier selber
zum Adel gehört."
„Ach hör doch auf!" sagte Jimmie.
„Ehrlich!" sagte sein Nachbar. „Ihr Vater ist der Graf von Skyeterrier oder irgend so 'nem Lausenest." „Nee, nich mit mir!" knurrte der kleine Maschinenarbeiter - denn bei denen von der Truppe war man nie sicher, ob sie einen nicht aufzogen. „Hast du sie nach ihrem Namen gefragt?" „Miss Clendenning heißt sie, hat sie mir gesagt." „Na, dann frag sie mal, ob sie nicht die Ehrenwerte Beatrice Clendenning ist, und warte ab, was sie antwortet." Aber Jimmie brachte nicht den Mut auf zu fragen. Als die junge Dame zurückkam und seinen sauber ausgespülten Nachttopf wiederbrachte, lag ihr Lieblingspatient still, hatte aber einen so roten Kopf, dass sie ihn verdächtigte, er habe ohne Erlaubnis aufstehen wollen.

3

Damit waren die Wunder keineswegs zu Ende. Am nächsten Tag ging ein aufgeregtes Gemurmel durch den Saal, und überall wurde frisch saubergemacht, obwohl eigentlich gar nichts da war, das saubergemacht werden musste. Blumen wurden hereingebracht, und jede Krankenschwester hatte sich eine Blume an die Bluse gesteckt. Als Jimmie wissen wollte, was los sei, sah ihn die Ehrenwerte Beatrice mit einem undurchdringlichen Lächeln an. „Wir bekommen hohen Besuch", sagte sie. „Aber das wird ja einen klassenbewussten Proletarier wie Sie nicht interessieren."
Mehr wollte sie ihm nicht sagen; aber als sie fort war, verriet es ihm der Bettnachbar. „Der König und die Königin kommen", sagte der Richtkanonier.
„Sonst noch was?" sagte Jimmie - diesmal ganz sicher, dass er verkohlt wurde.
„Sie kommen die U-Boot-Opfer besuchen", sagte der Richtkanonier. „Lass mal für heute deine sozialistischen Grobheiten weg."
Jimmie fragte die Schwester, als sie zurückkam, und tatsächlich stimmte es - der König und die Königin sollten in das Lazarett kommen und den Opfern des U-Boots ihre Hochachtung aussprechen. Aber das würde ihn, Jimmie Higgins, ja nicht interessieren. Vielleicht wäre es ihm lieber, wenn man ihn wegtrug und irgendwo in ein Extrazimmer legte, damit seine Revolutionärsaugen nicht Anstoß nehmen müssten? Oder wollte er lieber dableiben und mit Seiner Majestät wie mit einem Straßenredner sprechen? „Der hat bestimmt keine Zeit, mit so einem wie mir zu sprechen!" sagte Jimmie.
„Darauf würde ich mich nicht verlassen", antwortete die Schwester. „Er hat ja weiter nichts zu tun, als zu reden, müssen Sie wissen!"
Jimmie riskierte nichts weiter, weil er merkte, die Ehrenwerte Beatrice lachte ihn aus, und er war noch nie von einer Frau ausgelacht worden und wusste nicht ganz, wie er das auffassen sollte. Schließlich konnte er ja nicht wissen, dass die Ehrenwerte Beatrice eine Suffragette war und sich aus Prinzip über alle Männer lustig machte. Jimmie lag still in seinem Bett und ließ sich seine unwürdige Aufregung nicht anmerken. War das nicht ein tolles Ding? Er, ein ganz kleiner Arbeiter von nirgendwo, den die Wohlfahrt aufgezogen hatte und der einen großen Teil seines Lebens als Tramp verbracht hatte - er sollte den König von England kennenlernen! Jimmie hatte eine Art, mit Königen umzugehen, die umfassend und endgültig war; statt „König" sagte er „Kennich", und mit diesem, Namen hatte er sie erledigt, hatte sie einfach ausgelöscht. „Ich hab für so 'n Kennich keine Verwendung", hatte er zu der Ehrenwerten Beatrice gesagt.
Aber jetzt kam so ein „Kennich" ins Lazarett! Und wie sollte sich Jimmie verhalten? Wie zum Teufel redete man mit so einem? Musste man „Eure Majestät" sagen? Jimmie verkrampfte die Hände unter der Bettdecke. „Ich will verdammt sein, wenn ich das mache!" Er nahm seine ganze revolutionäre Leidenschaft zusammen, er beschwor die Geister seiner Gewerkschaftsfreunde, des Wilden Bill und Erdbeer-Currans und Plattkopf-Joes und Chuck Petersons. Was würden die unter den gegebenen Umständen tun? Was würde der Kandidat tun? Irgendwie war Jimmies revolutionäre Bildung unvollständig - in keiner Ortsgruppe der Sozialisten war je etwas darüber gesagt worden, wie ein Genosse sich zu verhalten hatte, wenn ihn ein „Kennich" besuchen kam!
Jimmie war von Natur aus ein freundlicher Mensch; er war bereit, auf die Freundlichkeit anderer Menschen freundlich zu reagieren. Aber vertrug es sich mit dem revolutionären Moralkodex, höflich gegen einen „Kennich" zu sein? War es nicht vielmehr seine Pflicht, irgendetwas zu tun, was seine Verachtung für „Kenniche" zum Ausdruck brachte? Vielleicht hatte Seine Königliche Hohlheit noch nie im Leben jemand getroffen, der ihm mal „die Meinung geigte". Nun, das konnte er heute haben!

4

Eine Schwester stürzte in großer Aufregung in den Saal und flüsterte: „Sie kommen!" Und danach standen die Schwestern alle herum und spielten nervös mit den Händen, während die Patienten dalagen und ihre Augen fest auf die Tür geheftet hatten, wo die Erscheinung sich zeigen sollte.
Schließlich erschien ein Mann in Uniform, den Jimmie nicht mal im Traum für einen König gehalten hätte, wenn er nicht schon sein Bild in der Illustrierten gesehen hätte Er war ein mittelgroßer, ziemlich gebückt gehender Herr, entschieden alltäglich aussehend und mit einem ergrauen-den, kurzgeschorenen braunen Bart und rosigen Wangen, wie alle Engländer sie haben. Begleitet wurde er vom Chefarzt, und hinter ihm kam eine Dame, eine ernstblickende,
schwarzgekleidete Dame, mit einer Reihe weiterer Ärzte als Gefolge, und hinter denen wieder kamen mehrere Offiziere in Uniform.
Der König und die Königin blieben am oberen Ende des Krankensaals stehen und blickten die Bettenreihen entlang. Beide hatten ein freundliches Lächeln aufgesetzt, grüßten kopfnickend und sagten: „Haudjudu?" Und natürlich lächelte alles zurück, und die Schwestern knicksten und sagten: „Haudjudu, Euer Majestäten?" Und dann sagte Seine Majestät: „Ich hoffe, es geht Ihnen allen schon besser?" Daraufhin rief der Arzt die Stationsschwester, die lächelnd vortrat, sich verneigte und antwortete, alle machten sehr schöne Fortschritte, danke der Nachfrage; worauf sowohl Seine wie Ihre Majestät erklärten, sie seien hoch erfreut. Die Königin sah sich um und ging, als sie einen Mann mit vielen Verbänden erblickte, zu ihm, setzte sich an sein Bett und begann ihm Fragen zu stellen; der König ging den Mittelgang hinunter durch den Saal, bis plötzlich sein Auge auf die Ehrenwerte Beatrice fiel.
Sie hatte sich nicht gerührt; sie stand an ihrem Platz, ganz wie die anderen Schwestern. Doch Jimmie, der Obacht gab, sah auf dem Gesicht des Königs ein Lächeln erscheinen,
und dann ging der König auf sie zu und sagte: „Oh, haudjudu?" Die junge Dame begrüßte ihn auf eine Weise, als
wäre sie es gewohnt, jeden Tag mit Königen zusammenzutreffen.
„Wie geht es Ihren Patienten?" erkundigte sich Seine Majestät.
„Ausgezeichnet", sagte sie, und Seine Majestät sagte, er sei hoch erfreut - als ob er nicht erst vor einer Minute ganz wörtlich dasselbe gesagt hätte. Mit wohlwollenden, doch müden Augen blickte er die Patienten an, und die Ehrenwerte Beatrice brachte ihn mit den feinen Mitteln, über die Frauen verfügen, dazu, dass er speziell ihren Günstling bemerkte. Sie wusste, er würde mit ein paar Patienten reden wollen, und brachte es mit einer kaum merklichen Geste zuwege, dass es Jimmie Higgins war, dem er sich zuwandte.
„Wie heißen Sie?" fragte er, und dann: „Nun, Higgins, wie fühlen Sie sich?"
„Ach, ich bin schon wieder auf dem Damm", sagte Jimmie forsch, „ich würde gerne aufstehn, aber sie lässt mich nich."
„Ja", sagte Seine Majestät, „früher war der König ein Tyrann, heute ist es die Krankenschwester." Er lächelte die Ehrenwerte Dame an. „Sie sind ein amerikanischer Soldat?"
„Nee", erwiderte Jimmie, „ich bin bloß Maschinenarbeiter." „Dieser Krieg ist ein Krieg der Maschinen", antwortete Seine Majestät gnädig.
„Ich bin Sozialist!" platzte Jimmie unvermittelt heraus.
„Tatsächlich!" sagte Seine Majestät.
„Aber genau!" lautete die Antwort.
„Aber wie ich sehe, sind Sie keiner von den Sozialisten, die
sich ihrem Land entgegenstellen."
„Lange Zeit hab ich das getan", sagte Jimmie. „Ich konnte nich einsehn, was wir mit diesem Krieg zu schaffen haben. Aber ich hab meine Ansicht geändert - ein bisschen." „Freut mich zu hören", bemerkte Seine Majestät. „Zweifel-los hat Ihnen Ihre jüngste Erfahrung geholfen, Ihre Ansicht zu ändern."
„Klar", erwiderte Jimmie. „Aber Sozialist bin ich geblieben, machen Sie sich da nichts vor, Mister König." „Ich werde es mir merken", sagte Seine Majestät, und er blickte die Ehrenwerte Beatrice an, und zwischen beiden blitzte eine jener kaum spürbaren Botschaften auf, die höchst kultivierte Menschen zu senden und zu empfangen wissen - über die Köpfe sozialistischer Maschinenarbeiter aus Leesville, USA, hinweg. Für die Ehrenwerte Beatrice besagte die Nachricht: „Ganz köstlich!" Für Seine Majestät besagte sie: „Ich wusste, Sie würden Ihre Freude daran haben!"
Jimmie dachte natürlich an nichts anderes als an Propaganda. Aus dieser seltenen Gelegenheit musste er das Beste machen! „Nach dem Krieg hier wird alles anders!" sagte er. „Für die Arbeiter, meine ich."
„Es wird für uns alle anders", sagte Seine Majestät. „Auch die Dümmsten von uns wissen das." „Die Arbeiter müssen kriegen, was sie verdienen!" beharrte Jimmie. „Ja, Mister König - zu Hause, wo ich herkomme, kann einer sein ganzes Leben zwölf Stunden täglich arbeiten und kriegt doch nicht so viel gespart, dass er sich beerdigen lassen kann. Und es heißt ja, hier in England soll es noch schlimmer sein."
„Wir haben furchtbare Armut hier", gab Seine Majestät zu. „Wir werden eine Möglichkeit finden müssen, sie zu beseitigen."
„Eine andere Möglichkeit als den Sozialismus gibt es nicht", rief Jimmie. „Interessieren Sie sich mal dafür, und Sie werden es sehen! Wir müssen das Profitsystem beseitigen. Der Mann, der die Arbeit macht, muss kriegen, was er produziert."
„Nun", sagte Seine Majestät, „Sie werden doch so weit mit mir übereinstimmen - wir müssen erst die Deutschen schlagen." Und dann wandte er sich an die Ehrenwerte Beatrice. „Wir werden von unseren amerikanischen Besuchern viel lernen", sagte er und blitzte ihr wieder eine dieser fast unmerklichen Nachrichten zu, die besagte, dass es vielleicht doch keine so gute Sache sei, wenn sich Patienten in Lazaretten über sozialistische Propaganda ereiferten! So wandte sich die Ehrenwerte Beatrice einem Mann in einem anderen Bett zu und Seine Majestät ebenfalls; er ermittelte, dass der Mann Deakin hieß und dass er aus Kap Cod kam. Seine Majestät bemerkte, wie dringend England gute Yankee-Richtkanoniere benötige und wie dankbar er denen sei, die der britischen Marine zu Hilfe kamen. Jimmie hörte zu, doch wirklich ein kleines bisschen eifersüchtig - nicht seinetwegen natürlich, sondern weil er wusste, dass der Sozialismus so viel wichtiger war als Geschützrichten!

5

Am Fußende des Bettes stand ein Offizier. Er hatte dort schon eine ganze Zeitlang gestanden, doch Jimmie hatte ihn nicht bemerkt, bis der König aufgestanden und weitergegangen war. Der Offizier war gerade die Sorte handgeschöpfter Aristokraten, wie sie sich Jimmie alle vorstellte: glattrasiert bis auf einen kleinen Spielzeugsoldatenschnurrbart, mit gelassenen, unbewegten Gesichtszügen, einer schmucken, fleckenlosen Uniform und einem komischen kleinen modischen Spazierstock in der Hand, um anzudeuten, dass er niemals etwas tat, was im entferntesten nach Arbeit aussah. Er beäugte den Maschinenarbeiter mit, wie der Maschinenarbeiter meinte, überheblicher Miene. „Mein guter Mann", sagte er, „Sie hatten eine Unterhaltung mit dem König!"
Das lag allerdings auf der Hand. „Klar!" sagte Jimmie. „Im allgemeinen", fuhr der Offizier fort, „redet man den König, wenn man zu ihm spricht, mit ,Eure Majestät' an -nicht mit ,Mister König'."
Jimmie war jetzt müde und nicht auf Streit aus; er fiel dem andern nicht in die Zügel, wie er es sonst wohl getan hätte. „Hat mir keiner gesagt", brummte er. „Außerdem", fuhr der andere fort, „hat man nicht unaufgefordert Ansichten zu äußern. Man wartet, bis der König eine Frage stellt, und dann antwortet man." Jimmies Augen waren geschlossen, und er öffnete sie nur halb, als er antwortete: „Und mir haben sie gesagt, das hier wär ein Krieg für die Demokratie!" sagte er.

Sozialismus • Kommunismus • Sozialistische Belletristik • Kommunistische Unterhaltungsliteratur • Proletarisch-Revolutionäre Literatur • Utopische Klassiker • Arbeiterroman • Agitationsliteratur