Das Wässerchen
Am oberen Rande der Wiese, dort wo sie an den Wald stößt der sich dann bis zum Bahndamm und darüber hinaus hinzieht, war ein Graben gezogen, und wo die Wiese einen Knick machte und nach der Straße zu wieder abfiel, ein Stück Heide fing da an, ehemals bebautes Land, dürr und unfruchtbar — dort standen einige Sträucher und Büsche und dazwischen rieselte ein Wässerchen, das von dort in den Graben floss. Es war an der Stelle ein winziger Tümpel, der Pfad nach dem Wald ging darüber hin und man hatte aus zwei Brettern eine kleine Brücke gebaut.
Ein kleines Mädchen saß auf der Brücke, die immerhin hoch genug war, dass die hin- und herfahrenden Beine mit den Fußspitzen gerade noch nicht nass wurden, und raffte Sand und kleine Steinchen zusammen und warf sie runter ins Wasser. Das tat sehr unwillig. Es patschte etwas, runzelte die Stirn, als ob es sehr böse wäre und verschluckte den Sand, als wäre er nie gewesen. Und da ihm immer gleichmäßig der Kamm schwoll und dann wieder eben wurde, so dachte sich das Mädchen etwas anderes aus. Es nahm einen kleinen abgedorrten Zweig und warf ihn ins Wasser und siehe da, der Zweig drehte sich langsam im Kreise und schob sich dann nach einer Richtung zurecht und dann trug ihn das Wasser, durch die Länder durch und noch ein kleines Stück, dort hatte das Wasser große Falten und zwängte sich in eine Rinne, und über die Falten zog der Zweig und stieß sich ab, so dass er stolz weiter dahinfuhr. Nun war er fort, aber das Mädchen holte rasch einen neuen und dann Grashalme, die viel schneller auf die
Reise gingen und das Wasser trug sie alle. Es hob sie stolz noch einmal empor, dann drehten sie sich und verschwanden. Das Mädchen freute sich sehr. Es lief alles weiter und schwand aus dem Sinne, nichts blieb haften, dass es einem fortgesetzt vor Augen kam. Wie das Leben selbst geht alles dahin, in ewiger Bewegung. Auch die Wolken trug das Wasser fort. Dahinter aber zeigte sich nur hin und wieder der runde Kopf mit den Puschelhaaren, und die großen Augen, die man so fein hochziehen kann und die Backen so breit, und ganz lang wurde das Gesicht, wenn man sich vornüberbeugt und den Kopf unter die Brücke steckt. —
Das konnte aber Anna nicht sehen. Und dann kamen auch jetzt die Leute alle auf die Wiese, und sie müssen Platz machen; schon wenn jemand hier über die Brücke will. Sie griff das Kind am Arm. Aber die Kleine sträubte sich gewaltig. Die Mutter bat, aber es half nichts, das Mädel blieb fest. Da bat die Mutter noch dringender, und es kamen immer mehr Leute, da zog sie und zog immer stärker, und das Kind schrie jetzt und biss sich fest und wollte weinen, da zitterte die Mutter und wurde schwach.
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