Die Jugend greift ein
Jetzt tauchte auch plötzlich eine Gruppe Jugendlicher auf, die zwar schon immer dagewesen war, die aber niemand weiter beachtet hatte. Wie wenn ein Funken Feuer gefangen hat und das Reisig hoch auflodert. Wer hätte früher sich darum gekümmert, was die Jugend macht, wenn die ihre eigenen Wege geht. Die Bewegung unter den jungen Arbeitern ist eine ganz andere Jugendlichkeit als bei den Bürgerlichen. Man braucht nicht etwa nur an das Lächerlichste zu denken, die Studenten, nein, überhaupt alle Zusammenkünfte dieser bürgerlich-jugendlichen tragen den komischen Charakter des Nachäffens der Alten, auch in der bloß umgebenden Form des Altenhasses und der Antiautorität. Widerspruch muss erlebt und Gemeinschaft sein, wenn er nicht bloß einfältig und öder Zeitvertreib sein soll. Die Arbeiterjugend tritt dagegen selbständig auf. Sie wird den Alten zeigen, wie es gemacht werden soll. Man macht das oft nicht, erst wenn die bestimmten Gelegenheiten dazu gegeben sind. Sie übt Kritik an sich selbst und will sich vor allem den eigenen Weg bahnen, und neue Wege gehen. So kommt es, dass sie sich absondert, aber wie anders als die jungen Bürgerlichen.
Die Jugendlichen, die in Arbeitsfriede eine Ortsgruppe in der Gesamtorganisation bildeten, hatten erst harte Kämpfe unter sich auszufechten gehabt, die ja schließlich die Alten und etwa den Bewohnerausschuss nichts angegangen wären. So bildete die Geschlechterfrage einen der Hauptpunkte der Auseinandersetzungen. Sie waren alle nicht mehr dafür, das bürgerliche Versteckspiel mit der Liebe fortzusetzen, und die Abhängigkeit, die Vater und Mutter noch zusammenkettete, sollte auch aufhören. Die Jungen und Mädels waren fest entschlossen, mit diesen widerlichen Dingen aufzuräumen. Da war es zunächst notwendig, den Körper gesund und kräftig zu machen. Wenn der Mensch endlich natürlich sein will, braucht er die Natur. Sie machten große Wanderzüge ins Land. Am liebsten hätten sie wo draußen im Wald eine Hütte gehabt, wo sie sich über Sonntag aufhalten konnten. Denn fast alle standen schon wie die Alten in Arbeit, auch die Mädels. Auf ihren Fahrten behandelten sie dann alle Fragen, die zur Lösung drängten, stritten sich mit heiligem Ernst darüber, bis alle Meinungen geklärt und in den Grundzügen wenigstens zu einer einzigen gemeinschaftlichen zusammengeschlossen waren. Die Frage der Geschlechtlichkeit wird im allgemeinen sehr übertrieben. Für die Arbeiterjugend ist das Geschlechtliche kein Problem mehr. Niemand leidet mehr daran oder geht zu Grunde, es müsste denn an den Resten der bürgerlichen Erziehungsweise sein. Das junge Blut, das die ganze Welt offen vor sich sieht, das sich anschickt, seinen Platz einzunehmen, zu erkämpfen mit den Gleichaltrigen zusammen, mit den Kameraden und Kameradinnen, das drängt gar nicht so sehr nach geschlechtlicher Auslösung, der Gemeinschaftswille und das Gemeinschaftsgefühl hat noch andere darum nicht weniger lebendige kampffrohe Ziele des Erlebens. Es trägt in sich noch die menschliche Erobererforderung des Nichtalleinseinwollens und in diese erst ordnet sich allmählich die geschlechtliche Gemeinschaft ein. Es verläuft sehr natürlich und ohne abgrenzbare Gesetzmäßigkeit und es wird immer frei von der damit verknüpften bürgerlichen Gedankenwelt veredelnd und menschlich sein. Mögen Krisenwellen auch über das Ufer schlagen, der Ausgleich findet sich.
So hatten sie den Fall, dass sie einen zur Rechenschaft zogen, der mit seinem Mädel oben am Berg in der Dunkelheit rumkroch und versteckte Wege ging. Die bürgerlichen Schriftsteller pflegen zu sagen, die Liebe sucht die Einsamkeit. Das war nicht der Jugendgenossen Ansicht. Sie zogen den Kerl zur Verantwortung, umsomehr weil er nicht mal den Mut hatte, das Mädel in die Ortsgruppe einzuführen und sich scheint’s überhaupt schämte, gesehen worden zu sein. Dem machten sie gründlich den Standpunkt klar, dass, wer nicht frei und offen sich bekennt zu dem, was er tut, bei ihnen nichts zu suchen hätte. Dem war das zwar längst leid geworden, und schließlich von einem großen tragödienhaften Gefühl war gar nicht die Rede, also überwand er sich und steckte alles ruhig ein, um eine Erfahrung und gute Lehre schlauer geworden. Das Mädel erschien später auch, und wenn sie auch anfangs die Verlegene machen wollte, so gab sich das bald und sie half dann
feste mit, ihren Kavalier nach allen Regeln aufzuziehen. Die Jugend war schon viel eher als die Alten mit der Nachbarschaft in Verbindung getreten und hielt mit denen gute Kameradschaft. Wie seltsam das auch immer sein mag, gerade die Arbeitsfrieder, obwohl sie als Kolonie die weitaus größte in der ganzen Umgebung war, hatten bisher immer auswärts gearbeitet. Sie bildeten dort mit den Kameraden eine Arbeitskolonne, die liegen gebliebenen Gemeindearbeiten, die die Kolonie schließlich nicht selbst ausführen konnte, aufzuarbeiten. Das ging flott weg und in ein paar Stunden war so eine Straße manchmal vom Schutt geräumt oder ein Zaun hochgeführt. Im Anschluss daran veranstalteten sie dann eine Versammlung und siegfrohe Kampflieder singend kehrten sie heim. Die allgemeine Bewegung, wie wenn die Leute alle aus dem Winterschlaf erwacht wären, gab Arbeitsfriede jetzt einen andern Anstrich. Man machte die Augen auf und es gab viel zu tun. In der letzten Bewohnerversammlung war auch von der Kanalisation gesprochen worden, die ausgebessert und gereinigt werden müsse, wenn man genug Wasser für den Sommer zur Gartenbestellung haben will. Das war eine sehr leidige Kostenfrage, und wer weiß, wo man die Arbeitskräfte herbekommen solle. Das war mit eine von den vielen kleinen Sorgen, die man am liebsten immer zu erledigen hinausschob. Aber am nächsten Sonntag rückte die gesamte Jugend aus der Umgebung an und ordnete sich in Trupps unter Leitung von Arbeitsfriedern und die Arbeit wurde in Angriff genommen. Erst guckten die Alten neugierig, was da wohl vor sich gehen würde. Aber dem einen oder andern ließ es bald keine Ruhe und er schlenderte hin um näher anzusehen, sprach auch manch einer etwas dazwischen, was Sinn und Verstand hatte einen Ratschlag, wie man das eine oder andere am besten anfasst, und es dauerte nicht lange, da waren schon ein paar Alte mit beim Pumpen und zuletzt gar wurde manchem das Mittagessen kalt. Denn die Jungen schaffen wie der Teufel, und vor denen wird man sich doch, was arbeiten heißt, nicht unterkriegen lassen. Den nächsten Sonntag wurde trotz strömenden Regens weiter gearbeitet. Da standen schon so viele Hände bereit, dass Ablösung genug vorhanden war und nicht mal alle gleich praktisch beschäftigt werden konnten. Und als die Arbeit getan war, da traten sie zusammen und hielten Umschau,
was noch weiter zu tun sei. Aber die Arbeitsfrieder hatten jetzt die Sache begriffen und sie organisierten eine Gruppe freiwilliger Feiertagsarbeiter, die sich dem Bewohnerausschuss für die Zwecke der Siedlung zur Verfügung stellte. Aber der Ausschuss brauchte nichts Neues zu organisieren, sondern nur einzuteilen und zu ordnen, denn es schloss sich niemand aus, und diejenigen, die wirklich nichts zu tun hatten, weil man sie gerade nicht brauchen konnte, standen mürrisch und ärgerlich herum.
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