Selbstkritik
Viele meiner Kameraden werden mich der nachfolgenden Zeilen wegen tadeln. Die einen werden sagen, ich dränge meine Person als Autor in den Vordergrund. Die anderen, das technische Problem soll nicht beschrieben, sondern gestaltet werden. Selbst wenn beide Ansichten richtig wären, würde ich trotzdem diese Einleitung als Selbstkritik schreiben. Ich will dem Leser schon vorher sagen, was ich will und wie das technische Problem liegt. Er soll beim Lesen mithelfen an der Lösung und Gestaltung, prüfen wo das Tempo ins Stocken gerät, und so die wirkliche Verbindung zwischen Autor und Leser herstellen, die der wesentlichste Teil des Inhalts dieses Buches ist. Jeder Inhalt, den man darstellen will, gewinnt dadurch einen neuen Rhythmus. Es wird nicht mehr so sehr ausschließlich Handlung, die sich aufbaut, sondern ein Teil unseres Selbst, der Geschehnisse in und mit uns, unserer Empfindungen, des als lebendige Gemeinschaft Miteinanderverbundenseins. Es wird Handlung mit uns mit, eine neue Form des rhythmisierten Lebens. Die Revolution der Sprache dämmert bereits herauf, und ihre ersten Spitzen werden bereits mit den ökonomischen des Proletariats in das Land der Gemeinschaftlichkeit einziehen.
Die aus der individualistischen Gedankenwelt übernommenen technischen Mittel, so das der Darstellung, sind aus den gleichen Entwicklungsgesetzen hervorgegangen, wie die Truste im Kapitalismus. Sie bedeuten die äußerste Anspannung von sprachlicher Dehnbarkeit, Empfindungsvertiefung im Sinne der Vereinzelung, um die Übertragung und Vermittlung, das Verständnis als Mitgefühl zu erzwingen. Man muss sie benutzen. Die Frage ist nur, wozu. Zu (wenngleich immer klagender auftretendem) Ich, oder zur Sichtbarmachung, Herausarbeitung des Wir. Nicht nur als der Schriftsteller, als Ich zum Wir, zur Gemeinschaft der Leser und allgemein, sondern der Schriftsteller als vorgestoßene Spitze der Leser und der All-Gemeinschaft, als technische Funktion, als Beauftragter. Das Leben wird bunter werden. Ich glaube nicht an die wissenschaftliche Form, die wissenschaftlich bestimmte literarische Form. Wir werden eine andere uns gestalten, herangestalten in der Entwicklung unserer Gemeinschaft. Nicht alle Fragen
werden wir dialektisch, verstandesmäßig lösen, sondern viele gefühlsmäßig und spielend. Obwohl heute noch im Kampf die Dialektik wichtiger und unsere Sehnsucht ist. Wir wollen uns aber auch gestehen, gerade weil wir in Reih und Glied marschieren und für den heftigsten Kampf uns rüsten, dass wir alle zutiefst Frieden wollen. Wir wollen im Grunde nicht als Kriegshelden, nicht im Getümmel der politischen Auseinandersetzungen, bebend das Schwert des Terrors in der Hand, sondern neben- und miteinander leben, etwas im Halbdunkel und die Schulter noch eingezogen. Denn wir vertragen die Sonne noch nicht und es ist schwer aufrecht zu stehen. Wir möchten sagen: Bitte langsam, noch einen Augenblick, wartet doch noch, denn wir sind noch nicht so weit. Das ist wahr. Wir müssen davon ausgehen. Das Heldentum ist für die Darstellung ein gefährlicher Irrtum. Es ist bürgerlich. Wir dagegen haben alle die Zähigkeit, Menschen zu sein. Nicht wie wir diese Menschen sind, bestimmt den Wert, hunderttausend Schattierungen, so genannte Inhalte fallen mit einem Schlage weg, sondern dass wir sie sind. Ich habe in meinen früheren Büchern immer nur alles um das eine gruppiert, den einen Punkt, wo das Menschliche im Menschen, der in beliebiger Lage, in nüchternen und phantastischen Verhältnissen sein mag, sich offenbart. Denn es kann keinem Menschen absolut fehlen. Ich habe gewissermaßen den technischen Sport getrieben, es doch zu finden, und so ein Buch nach dem anderen geschrieben. Wenn es schien, wenn alle Vorbereitungen so weit waren, dass jetzt die Lösung kommen müsste, da machte ich schnell Schluss. Unsere Luft verträgt das nicht, und ich bin nicht stark genug, es trotzdem als Gemeinschaft gefühlt auszusprechen. Schreiben an sich kann man ja viel und leider alles. Weil ich in dem Helden- oder Dulder-Wahn als Schriftsteller befangen war, nahm ich das als Inhalt. Ich habe mich mit den Lesern gestritten. Wollen wir in Frieden gemeinsam gehen. Beobachtet mich, wie ich mit den Sätzen hantiere. Prüft die Verwendbarkeit des technischen Materials und freut euch daran, wie es manchmal durcheinander wirbelt. Arbeitet mit mir an der Feilung des Ausdrucks, auch von der Empfindung her, dann schaffen wir was. Dann stellen wir einen Bau hin, wo jeder sich hundertfältig bunt widerspiegelt und doch nicht einzeln, sondern glücksfrohe Gemeinschaft ist.
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