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Das Selbstvertrauen kommt mit der ArbeitDie nächste Vollversammlung der Kolonie bot schon ein anderes Bild. Man konnte es schon daran sehen, wie die Leute hereinkamen und ihren Platz ausfüllten. Darin lag eine ganz andere Sicherheit als damals, als sie sich unter den langatmigen Ausreden des Vorstandes geduckt hatten. Auch diesmal erstattete der Kaufmann wieder einen längeren Bericht. Dort, wo er angeklopft hatte, war er vergebens gewesen, die Regierung jetzt schon anzufragen, hielt er für verfrüht, zumal sie die Deckung für die Zinsentilgung noch in Aussicht hätten. Dagegen deutete er an, dass die Regierung sich aller Wahrscheinlichkeit nach mit einer Kontrolle der Siedlungen, auf denen sie Hypotheken hatte, begnügen würde. Es hieße, ein derartiges Gesetz wäre in Vorbereitung. Die Kontrolle würde so zu verstehen sein, dass die Regierung sich das Recht vorbehält, die Hälfte der Wohnungen an Beamte, die sie ihrerseits der Kolonie zuweist, zu vergeben. Sollten indessen Staatsbeamte schon wohnhaft sein, so werden diese mitgezählt. Er glaube also, ungeachtet aller weiteren Versuche, sie ganz flott zu machen, mit Sicherheit in Aussicht stellen zu können, dass mindestens die Hälfte der Wohnungen von dem Zusammenbruch überhaupt nicht berührt würde. Er hatte sich über den erwarteten Erfolg seiner Ausführungen ziemlich getäuscht. Es traten jetzt Leute auf, die über die Siedlungsfrage gleichfalls genaue Erkundigungen eingezogen hatten. Diese erklärten, dass die Regierung allerdings ein derartiges Gesetz plane, das aber an dem Widerstand der Gewerkschaften scheitern würde. Die Gewerkschaften würden mit einem eigenen Plan hervortreten, und es sei noch fraglich, auf wessen Seite schließlich die tatsächliche Macht stünde. Andere sagten, sie seien eine reine Arbeitersiedlung und sie hätten nicht nötig, sich zwangsweise Beamte reinsetzen zu lassen. Denn diese Beamten wären nichts anderes als Aufpasser der Regierung und nur zu diesem Zweck in die Siedlungen verpflanzt, um die einheitliche Massenentwicklung der Arbeiterklasse zu stören und zu brechen. Fast jeder sprach ein paar Worte zur Lage und alle waren sehr ruhig und sachlich. Man brauchte sich nicht einschüchtern zu lassen durch solche Drohmittel. Sie sollten nur kommen und versuchen, sie rauszujagen, dann werde sich das weitere von selbst ergeben. Derjenige, der das sagte, fand den größten Beifall. Zunächst muss die Regierung auch erst zivilrechtlich ihre Ansprüche geltend machen, da lachten alle. Können uns ja pfänden, schrie einer. Aber der Kaufmann griff ein, da wären doch besondere vertragliche Vereinbarungen, und schließlich sei er doch für die Geschäftsführung verantwortlich, und wenn erst einmal die Bücher beschlagnahmt wären, so pflegt der Vorstand dann schnell hinter Gittern zu sitzen, das sei einmal bei Bauvereinen so üblich. Aber das machte wenig Eindruck. Dann werden wieder Wohnungen frei, lachte einer. Schließlich kam er, als er die Stimmung so umgeschlagen sah, noch mit einem Vorschlag heraus, den er sich ausgedacht und auch schon sich umgehört hatte, ob er überhaupt durchführbar sei, nämlich eine Lotterie aufzumachen zum Besten der Siedlung, die Genehmigung hoffte er zu bekommen. Allerdings müssten sie dafür sorgen, dass unter ihren Kollegen genug Lose abgesetzt würden. Er rechnete aus, dass man bei den üblichen kleinen Geldgewinnen und einem größeren Lostreffer eine ganze Menge Geld verdienen könnte. Aber der Vorschlag wurde schlank abgelehnt. Sie hätten gar keine Lust, ihre Kameraden noch mehr zu betrügen, als sie von den Unternehmern schon betrogen werden, und wenn er in seinen Kreisen die Dinger verkaufen wolle, so könne er das ruhig tun. Sie wollen die Finger davon lassen. Dagegen bestünde die Möglichkeit und sie hätten auch schon Besprechungen darüber gehabt, der Kaufmann machte große Augen, die Gewerkschaften dafür zu interessieren, ihre Siedlung zu erweitern. Vielleicht die beiden Nachbarkolonien mit zu vereinigen. Allerdings hänge es davon ab, wie sie mit dem Gutsbesitzer fertig werden. Denn das neue Terrain auf dem Berge, das jetzt brach liege, würden sie wohl dazu haben müssen. Dort könnte dann eine neue Siedlung von 200-300 Häusern angelegt werden. Ursprünglich bei der Gründung von Arbeitsfriede wäre das doch auch mit beabsichtigt gewesen. Natürlich rief der Kaufmann, der ganz Feuer und Flamme dafür war, aber woher das Geld nehmen. Und wenn wir uns auf die großen Organisationen stützen, wird Rat geschaffen werden, entweder sie bauen selber, oder sie zwingen die Regierung, für sie nach ihren Plänen zu bauen. Das lass nur unsere Sorge sein, meinte einer. Das war etwas ganz Neues, aber in der Versammlung war es jedem klar, natürlich wird das so sein. Aber da meldeten sich auch schon welche, die jetzt die Pläne mit der Werkstätte und der Schule weitersponnen und für weiteren Ausbau eintraten und die gleichfalls schon die Unterstützung der Organisationen dafür gewonnen hatten. Der Bewohnerausschuss wuchs mit jedem weiteren Sprecher in seiner Würde und Bedeutung. Die Gemeinschaftsarbeiten müssten in die Statuten aufgenommen werden, damit nicht wieder die frühere Trägheit und Unfrieden einreißen. So ginge das ganz gut. Es wurde zugestimmt, dass von der Jugend ein Vertreter in den Ausschuss aufgenommen wurde. Ein paar Frauen schüttelten allerdings den Kopf. Trauten sie ihren Kindern nichts zu, oder wuchs ihnen die ganze Entwicklung über den Kopf — möglich das letztere. Sie hatten noch nicht recht den Mut aufbringen gelernt, über ihren kleinen Wirtschaftskreis hinauszublicken. Woran meist die Männer schuld wären, die auftraten als hätten sie das Recht zu fordern und sie der Sorge um den Einzelhaushalt überließen. Andere Frauen waren klüger, die trieben auch wieder ihrerseits die Männer an, von denen einige es lieber gehen lassen wollten wie es ging. Sie schämten sich nur vor den andern, es offen einzugestehen. So dass sie schließlich alle einstimmig für diese neuen Pläne eintraten. Dann kam noch ein Fall zur Verhandlung, wo sich zwei wegen des Wasserverbrauchs, den sie gemeinschaftlich bezahlen mussten, gezankt und gegenseitige Beschwerden eingereicht hatten. Aber die hatten keine rechte Lust mehr, ihre Sache zu vertreten. Sie mussten ziemlich derben Spott über sich ergehen lassen und waren froh, dass die Sache geregelt Wirde, ehe noch ihre Beschwerden verlesen wurden. Denn die kamen ihnen jetzt höchst überflüssig und einfältig vor. Sie vertrugen sich schneller als sie in Ärger gekommen waren. Zu guterletzt wurde auch die Sache Merkel vorgebracht, die Beschimpfungen, die er ausgestoßen, sein Verhalten und sein ganzes Benehmen früher kam zur Sprache, ferner dass er die Arbeit aufgegeben hatte und anscheinend hier auf Anstellung wartete. Man entschied sehr schnell. Es gab einen Paragraphen in den Statuten, wonach einer, der Unfrieden und Ärgernis gab, sofort ausgeschlossen werden konnte. Der Kaufmann wollte die Sache zwar erst dem Bewohnerausschuss zur Prüfung und weiteren Erhebungen überweisen, man müsse doch den Merkel erst hören, ihn überhaupt vorladen. Aber es genügte ja schon, sagten die meisten, er ist ja wieder nicht erschienen. Und sie beschlossen, dass Merkel am nächsten Termin das Haus räumen müsse. Klinger hatte sich dabei zum Wort melden wollen, seine Frau hielt ihn aber am Stuhl fest und zischelte: willst du uns auch auf die Straße setzen. — |
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