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William Dudley Haywood - Unter Cowboys und Kumpels (1930)
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Achtes Kapitel
Cripple Creek

Ende Juli des gleichen Jahres explodierte in der Sun-and-Moon-Grube in Idaho Springs ein Kompressor. Diese Katastrophe wurde sofort der Bergarbeiterföderation des Westens zur Last gelegt. Einige Tage darauf drang der Sheriff mit seinen Leuten des Nachts in die Wohnungen von achtzehn Bergarbeitern ein. Die Männer wurden ungeachtet der Tränen und Bitten ihrer Familienangehörigen auf ganz ungesetzliche Weise, ohne Haftbefehl, ins Gefängnis geworfen. Ohne auch nur gegen einen der Festgenommenen Anklage zu erheben, übergab sie der Sheriff am nächsten Morgen dem Mob der „Bürgerschutzliga", der sie verprügelte und aus der Stadt verjagte.
Dies geschah zur Zeit des Waffenstillstandes vor dem zweiten Streik in Cripple Creek, gerade als der Streik der Schmelzarbeiter von Denver unsere Aufmerksamkeit in Anspruch nahm. Ein Komitee der deportierten Arbeiter von Idaho Springs kam direkt in das Gewerkschaftsbüro in Denver, während ihre Kameraden der Bande, die sie fortgeschleppt hatte, zurück nach Idaho Springs folgten. Ich besprach die Angelegenheit ausführlich mit dem Komitee und holte telefonisch John Murphys Rat ein. Wir entschieden uns für einen Appell an den Gouverneur. Das Komitee machte sich auf den Weg zum Kapitolgebäude. Währenddessen kam Murphy ins Büro. Er versprach sich nicht viel vom Besuch beim Gouverneur und meinte, wir sollten sofort an den Richter Owers vom Bezirk Clear Creek, der sein Büro in Denver habe, appellieren, um eine gerichtliche Verfügung gegen die Mitglieder der Bürgerschutzliga in Idaho Springs zu erwirken.
Tatsächlich erklärte Gouverneur Peabody dem Komitee, er könne nichts in der Sache tun, sie sollten an das Gericht appellieren. Diesem Rate wurde unverzüglich Folge geleistet. Richter Owers erließ eine gerichtliche Verfügung mit dauernder Geltung. Sooft nun die Bergarbeiter gegen Mitglieder der Bürgerschutzliga Beschwerde erhoben, zitierte Richter Owers die Bankiers, Spieler, Zuhälter, Geistlichen und die übrige Sippschaft vor sein Gericht und las ihnen die Leviten, dass ihnen Hören und Sehen verging.
Die Folge davon war, dass Gouverneur Peabody der Presse ein Interview gab, in dem er Richter Owers beleidigte. Einige Tage später - es war derselbe Tag, an dem der Streik in Cripple Creek erklärt wurde - rief Richter Owers mich telefonisch an und sagte: „Haywood, sobald Sie Zeit haben, möchte ich gern ein ziemlich wichtige Sache mit Ihnen besprechen." Ich erklärte mich bereit, sofort in sein Büro zu kommen wo ich den Richter auf einem Korbliegestuhl ausgestreckt antraf. Er sah müde, abgearbeitet und krank aus, aber in seinen Augen blitzte es hell auf. „Setzen Sie sich", sagte er und fuhr, als ich der Aufforderung nachgekommen war, fort: „Ich habe ein Antwortschreiben an Gouverneur Peabody vorbereitet und
möchte, dass Sie dem Diktat zuhören; vielleicht können Sie einige Anregungen dazu geben." Er rief eine Stenotypistin und diktierte mit Hilfe einiger Notizen folgenden Brief, der in den „Rocky Mountain News" erschien:
„An seine Exzellenz, Hon. James H. Peabody, Gouverneur von Colorado:
Sehr geehrter Herr,
In den ,News' vom Sonnabend, dem 15. August 1903, wird berichtet, dass Sie in einem Interview über die Arbeitskämpfe in Cripple Creek folgendes ausgeführt haben:
,Ich erwarte jedoch keine Unruhen, weder hier noch in Cripple Creek. Die Bergarbeiter fangen an zu begreifen, dass sie das Gesetz nicht verletzen können. Sie können niemanden ermorden, und sie können keinen Sachschaden anrichten. Nicht einmal, wenn sie den Schutz des Bezirksrichters Owers haben. Aus diesem Grunde glaube ich nicht, dass wir irgendwo die Miliz werden einberufen müssen. Aber alle müssen sich darüber klar sein, dass die öffentliche Ordnung aufrechterhalten werden muss, wenn sie nicht wollen, dass der Staat eingreift.'
Als ich zufällig dieses Interview las, tat ich es in Gedanken als einen Irrtum ab, von der Voraussetzung ausgehend, dass kein Mann, der die Stellung eines Gouverneurs dieses Staates innehat, so sehr jedes Anstands- und Gerechtigkeitsgefühls ermangeln könne, um eine solche Erklärung über ein Mitglied der Richterschaft abzugeben.
In dem Interview beschuldigen Sie die Bergarbeiter von Colorado in Bausch und Bogen das Gesetz zu verletzen, auf Mord und Zerstörung des Eigentums auszugehen,
und mich, den Bezirksrichter, sie bei der Ausübung jedes und aller dieser Verbrechen zu schützen. Das Gesetz nimmt bei jedem Unschuld an, solange kein Schuldbeweis vorliegt. Es ist mir nicht bekannt, und ich habe nicht davon gehört, dass bisher irgendein Bergarbeiter im Zusammenhang mit irgendeinem Verbrechen, das mit den jüngsten Arbeitsstreitigkeiten in diesem Staat in Zusammenhang steht, verhört oder gar verurteilt worden wäre. Ich habe nicht gehört, dass Bergarbeiter, sei es als Personen oder als Verband oder in anderer Form, sich irgendeines Verbrechens oder schlechten Verhaltens öffentlich gerühmt hätten, dass sie öffentlich eine Verantwortung dafür eingestanden oder es in irgendeiner Weise gebilligt hätten, geschweige denn, dass sie Resolutionen angenommen und veröffentlicht hätten, die ein solches Verhalten billigen oder zu unterstützen versprechen. Im Gegenteil, es ist allgemein bekannt, dass es in Denver, Idaho Springs und an anderen Orten dieses Staates eine Organisation gibt, die offen die Verantwortlichkeit übernommen und sich mit Stolz der kürzlich begangenen Ausschreitungen des Mobs in Idaho Springs gerühmt hat, und gegen die Sie bisher noch nicht Ihre Stimme zur Verurteilung oder zum Protest erhoben haben...
Als die ausgewiesenen Arbeiter aus Idaho Springs an Sie appellierten, um zu ihren Familien zurückkehren zu können, waren Sie schnell mit der Verweigerung der Hilfe bei der Hand, gestützt auf eine formale Auslegung Ihrer Pflichten. Sie rieten ihnen mit vielen leeren Phrasen, sich an die Gerichtshöfe um Beistand zu wenden.
Die Arbeiter baten um Brot, und Sie gaben ihnen einen Stein, dennoch befolgten sie Ihren Rat; und wenn das Gericht, an das sie appellierten, sie wieder ihren Familien zurückgab und in zwei Tagen durchführte, was
Sie in zwei Wochen nicht zu versuchen wagten, so beeilen Sie sich mit bemerkenswerter Erregung, Ihren Herren zu Hilfe zu eilen, indem Sie Ihrer Missbilligung und Unzufriedenheit über diese Maßnahme des Gerichts Ausdruck geben, indem Sie öffentlich den Richter beleidigen, der den Vorsitz führte und der den Mut hatte, die Pflicht zu erfüllen, die Sie erkannten, der Sie aber auswichen.
Ich fürchte fast, wäre das Schicksal Colorado so günstig gewesen, mich zu seinem Gouverneur zu machen, ich wäre brutal genug gewesen, die hysterischen Sheriffs abzuweisen, wenn sie bei jedem Hühnerstall, dem Gefahr drohte, verzweifelt nach der Miliz verlangt hätten. Ich hätte vielleicht sogar darauf bestanden, dass zuerst die Machtmittel des Bezirks in Anwendung gebracht würden, bevor der Staat sich dadurch lächerlich machte, dass er unter enormen Kosten die Miliz auf die Reise schickte.
Würde ich als Gouverneur von Leuten angerufen, die geltend machten, sie seien von einem Mob aus ihren Heimen vertrieben worden, so hätte ich es infolge mangelnden Sinnes für Moral vielleicht sogar für meine Pflicht gehalten, ohne Rücksicht auf Präzedenzfälle die Miliz dazu zu verwenden, diese Leute ihren Frauen und Kindern zurückzugeben, und den Rechten, die meinen Mitmenschen durch die Verfassung und das Gesetz garantiert sind, Geltung zu verschaffen. Ich wäre in diesem Falle womöglich noch ,unpolitisch' genug, nicht einmal darauf Rücksicht zu nehmen, dass es sich bei diesem Mob ja um ,unsere besten und angesehensten Bürger' handelte.
Zum Schluss möchte ich der Hoffnung Ausdruck geben, dass Sie mir durch die Presse eine Antwort auf diesen Brief zukommen lassen werden, sobald Sie jemanden
finden können, der eine Antwort für Sie schreibt, und dass Sie in derselben freundlichst die Gründe für die gegen mich erhobene Beschwerde genauer ausführen werden. Hochachtungsvoll Frank W. Owers."
Mein einziger Beitrag zu dem Briefe war die Bemerkung im letzten Absatz, dass der Gouverneur jemand suchen müsse, der die Antwort für ihn schriebe. Anscheinend konnte er niemanden finden, denn der Brief blieb ohne Erwiderung.
Nach Erledigung des Briefes sagte der Richter: „Der Bergarbeiterverband von Leadville hat es schwer." „Ja", antwortete ich, „und es wird immer schlimmer. Seit der Bürgerbund organisiert worden ist, hemmt die scharfmacherische Haltung der Vereinigung der Grubenherren den Fortschritt der Gewerkschaft. Und für unsere besten Mitglieder ist die Lage am schwersten. Die Arbeit zu verlieren ist so ziemlich das Schlimmste, was ihnen geschehen kann, und gerade das trifft gewöhnlich die aktivsten Leute zuerst."
„Ich weiß, dass sie schon mehrmals versucht haben, den Bergarbeiterverband zu schädigen und zu schwächen", erwiderte der Richter und fügte hinzu: „Nächste Woche habe ich vorübergehend eine Vertretung im Bezirk von Leadville, da der Richter dort auf Urlaub geht. Ich habe einen Vorschlag! Wenn während der Zeit, in der ich dort das Richteramt ausübe, ein sorgfältig vorbereiteter Antrag eingereicht wird, kann eine gerichtliche Verfügung erlassen werden. John Murphy ist ein gewissenhafter Rechtsanwalt, besprecht die Sache mit ihm. Wir wollen sehen, dass diese Verfügung wie aus ,Eisen gegossen und mit Kupfer beschlagen' ausfällt." Nachdem wir noch einiges besprochen hatten, verließ ich Owers, um Murphy aufzusuchen.
„Das ist ein ziemlich ungewöhnlicher Fall", sagte John, „aber ich werde den Antrag ausarbeiten, und wenn die gerichtliche Verfügung erlassen und durchgesetzt wird, so wird sie den Bergarbeitern ausreichend Schutz gewähren."
Murphy fuhr also nach Leadville, während Richter Owers dort das Richteramt versah. Die angestrebte gerichtliche Verfügung zugunsten des Bergarbeiterverbandes von Cloud City kam wirklich zustande. Owers begleitete die Verkündigung mit einigen für ihn charakteristischen Bemerkungen über die Notwendigkeit des Schutzes der Bergarbeiter, „die jeden Tag mit dem Tode Würfel spielen", und über die Pflicht der Behörden, den Übergriffen der Unternehmer entgegenzutreten. Dementsprechend wurde der Vereinigung der Grubenherren gerichtlich verboten, sich in irgendeiner Weise in die Angelegenheiten des Bergarbeiterverbandes einzumischen oder Arbeiter wegen der Zugehörigkeit zu dieser Organisation zu entlassen. Obwohl der eigentliche Richter des Bezirks nicht geneigt war, dem Gerichtsbeschluss Geltung zu verschaffen, nachdem Richter Owers nach Denver zurückgekehrt war, hielt die Verfügung die Vereinigung der Grubenherren doch davon ab, ihre Kräfte mit den Vereinigungen anderer Bezirke gegen die Bergarbeiter zu verbinden. Gelegentlich einer Unterredung mit dem Senator Patterson in dessen Büro bei den „Rocky Mountain News" über die Lage in Telluride, Idaho Springs, Colorado City und über den Streik der Hüttenarbeiter in Denver fragte mich der Senator: „Haywood, wo haben Sie nur diesen Moyer aufgetrieben?"
Ich erzählte ihm, wer Moyer sei und dass er sich als ein sehr guter Organisator erwiesen habe. Patterson erklärte nachdrücklich:
„Er hat weder den männlichen Charakter, noch die Beständigkeit, die einen Mann auszeichnen müssen, der leitender Funktionär einer Organisation wie der Bergarbeiterföderation des Westens ist. Ich bin überzeugt, dass ihr noch erkennen werdet, dass ich recht habe." Der Bezirk Cripple Creek lag am Kamm der Ausläufer der Rocky Mountains. Die Natur, diese Zauberin, hatte hier porphyrhaltige Adern bloßgelegt, und jede Spalte, I jede Fuge war mit goldhaltigem Quarz oder Quarzit angefüllt. Zur Verwunderung der Bergbausachverständigen hatte dieselbe alte Zauberin Natur den Muttergranit gespalten und seine Sprünge und Spalten mit Gold gefüllt. Dieser unerhörte Reichtum war durch alle Zeiten verborgen geblieben bis zum Jahre 1899, als ein einsamer Goldgräber, der nicht weiter sah als bis zum Hinterteil seines Esels, mit einer stumpfen Hacke auf eine reiche Goldader stieß. So begann die Erschließung eines der größten Goldfelder der Welt. Männer wie dieser arme Erzschürfer haben die Reichtümer der Welt entdeckt. Umherwandernde Erzsucher entdeckten die Gruben in Kalgoorlie, Witwatersrand, Klondike, Sibirien, die Diamantfelder in Afrika, den Goldklumpen von Ballerat, die Eisenlager in Schweden und Amerika, die Kupfergruben in Chile und Peru, die Silberbergwerke in Mexiko. Aber der Reichtum, den sie entdeckten, ist immer in die Taschen der Ausbeuter geflossen.
Im Jahre 1903 hatte der Bezirk Cripple Creek eine Förderung von vierundzwanzig Millionen Dollar jährlich. Kleine und große Städte wurden auf diesen Berggipfeln erbaut, manche davon über der Baumgrenze. Eisenbahnen erkletterten in Windungen und durch Tunnels die Berge, überzogen sie mit einem Netz bis hinauf zur Schachtmündung am Gipfel.
Cripple Creek und Victor waren saubere, gediegen gebaute Städte mit Straßen und Alleen, aus denen hier und da hohe Schornsteine aufragten und Gruben mitten in der Stadt erkennen ließen. Die Bergarbeiterverbände besaßen in den verschiedenen Städten eigene, gewöhnlich zweistöckige Gebäude. Das untere Stockwerk war meist an einen Kaufmann vermietet; im oberen Stockwerk befanden sich die Säle, Klubräume und die Bibliothek. Die Säle wurden an befreundete Organisationen vermietet. Der Bergarbeiterverband von Cripple Creek besaß eine Bibliothek von achttausend Bänden. Die Bergarbeiter dieses Bezirks waren im allgemeinen nicht weniger belesen und gebildet als jeder andere Arbeiter. Seit Jahren herrschte zwischen den Bergarbeitern und Geschäftsleuten, in der Mehrzahl geborenen Amerikanern, das freundlichste Einvernehmen, und sie gehörten alle den gleichen Geselligkeitsvereinen an. Aber der Streik hatte erst drei Tage gedauert, als die Kaufleute des Bezirkes Cripple Creek am 13. August 1903 unter dem Druck des Bürgerbundes ankündigten, sie würden von diesem Tage an nur mehr gegen Barzahlung verkaufen. Die Bergarbeiter hatten wie gewöhnlich ihre Rechnungen am 1. des Monats beglichen, und die Kaufleute waren der Ansicht, sie hätten nun nicht mehr genug Geld, um bis zum nächsten Monat auszukommen. George Hooten vom Bergarbeiterverband Anaconda kam nach Denver, um die Lage mit mir zu besprechen. Sie brauchten notwendig Kartoffeln für den Bezirk. Ich gab ihm die Vollmacht, sich in der Stadt umzusehen und mit Großhändlern wegen des Kaufs von zwei bis drei Waggons Kartoffeln zu verhandeln. Er trieb auch drei Waggons mit Creely-Kartoffeln auf, die nach ihrer Ankunft in Anaconda direkt von den Waggons aus an die Bergarbeiter verkauft wurden. Dann beschafften wir
einige Waggons Mehl. Da wir im großen einkauften und bar zahlten, erzielten wir niedrige Preise und waren in der Lage, die Waren an die Streikenden und ihre Angehörigen zu niedrigeren Preisen zu verkaufen, als irgendein Geschäft in dem Bezirk sie hätte liefern können.
Kurz darauf kam Hooten mit Tom Parfet aus Cripple Creek und John Harper aus Victor nach Denver, um einen Vorschlag zu besprechen, den ich den Gewerkschaften gemacht hatte: Die Eröffnung von Lebensmittelgeschäften als ein Mittel der Streikunterstützung. Es war der erste Versuch dieser Art, der in Amerika gemacht wurde. Die drei Männer wurden von den Verbänden als Geschäftsführer bestimmt. Beabsichtigt war, die Läden in unsere eigenen Häuser zu verlegen, sobald wir die Räume dort freibekommen konnten. Nach dieser Vereinbarung gingen die Geschäftsleiter zu den Großkaufleuten in Denver und bestellten Warenvorräte. Ich versandte eine Serie von Kuponheftchen, in denen jeder Kupon das Zeichen unserer Organisation trug. Jedes Heftchen enthielt Gutscheine von verschiedenem Wert, für die in unseren Läden jede beliebige Ware eingetauscht werden konnte.
Nachdem die bisherigen Mieter unsere Geschäftslokale geräumt hatten, übersiedelten wir mit unserem Vorrat an sauberen, en gros eingekauften Waren in unsere eigenen Häuser. Jedes Geschäft war eingeteilt in eine Fleischbank, eine Gemüse- und eine Lebensmittelabteilung. Diese Läden waren ein großer Erfolg. Neben den als Streikhilfe abgegebenen Warenmengen erzielten sie auch einen großen Bargeldumsatz. Da keine großen Profite für Aktionäre herauszuwirtschaften und keine hohen Gehälter an die Leiter zu bezahlen waren, konnten wir erstklassige Waren billiger abgeben, als sie jemals vorher im Bezirk Cripple Creek verkauft worden waren. Die Geschäftsleute waren darüber so außer sich, dass sie vollkommen den Kopf verloren. Es gab keinen Streikenden und kein arbeitendes Mitglied des Verbandes, der nicht mit dem Experiment aufs höchste zufrieden gewesen wäre.
Es hatte den Anschein, als wollte die Verwaltung der Grube El Paso einen eigenen kleinen Zirkus eröffnen, denn sie ließ einen hohen Bretterzaun rings um die ganze Grabe errichten. Für diese und ähnliche Arbeit zahlte sie den bei ihr beschäftigten Streikbrechern einen Dollar pro Stunde, ein recht ansehnlicher Lohn, wenn man bedenkt, dass die Bergarbeiter dieser Grube nicht mehr als dreieinhalb Dollar Tageslohn verlangt hatten. Die Mitglieder des Bezirksverbandes waren ständig auf dem Posten und erfuhren eines Tages, dass die Vereinigung der Grubenherren mit Hilfe von gedungenen Halunken versuchen wollte, das alte Schachthaus in El Paso Nr. 2 zu zerstören, um nachher die Streikenden der Tat beschuldigen und die Entsendung von Militär fordern zu können. Die Bergarbeiter verhinderten die Tat, indem sie das üble Komplott aufdeckten.
Inzwischen hatten mir die Sekretäre der Verbände schon früher von mir angeforderte Bilder von Streikbrechern mit ausführlichen Personalbeschreibungen geschickt. Sie gaben das Material für ein wirkungsvolles Plakat gegen die Streikbrecher ab. Der Text prangerte die bodenlose Gemeinheit des Streikbrechertums an. In der Mitte des Plakats prangte Bill Gleason, ein berüchtigter Führer der Streikbrecher. Um sein Konterfei gruppierten sich im Kreise die der anderen Strolche mit ihren Personalbeschreibungen. Zweitausend Exemplare dieses Plakats gingen nach Cripple Creek, wo sie an Telegrafenstangen, Plakatwänden und ähnlichen öffentlichen Anschlagstellen angebracht wurden. Als Bill Gleason eines der Plakate am Fenster unseres Ladens in Victor bemerkte und sein eigenes Bild erkannte, wurde er so wütend, dass er seinen Revolver herauszog und den Anschlag, die Spiegelglasscheibe und alles zusammenschoss. Der Streik war erst zwei Wochen im Gange, als auf einer Konferenz mit dem Präsidenten der Portland-Bergwerksgesellschaft, James Burns, ein Abkommen zustande kam, das siebenhundert Mann die Wiederaufnahme der Arbeit ermöglichte. Die Portland-Grube war eine der führenden im Bezirk. Sie förderte damals Gold im Werte von siebzehn Millionen Dollar jährlich. Die Leitung war außergewöhnlich gut. Zu Beginn des Streiks im Jahre 1894 war sofort ein Abkommen getroffen worden, so dass die Portland-Grube während des ganzen Streiks offen blieb, und sie wäre auch diesmal nicht geschlossen worden, wenn nicht ein Missverständnis zwischen dem Direktor und dem Ausschuss des Bezirksverbandes entstanden wäre. In Berichten vom Bezirksverband winde gemeldet, dass die ganze Stadt Victor mit einem Freudentaumel die Nachricht von dem Abschluss des Abkommens mit der Portland-Grube und die Rückkehr der Männer zur Arbeit aufgenommen habe. Wir nahmen dies als Zeichen dafür, dass der Streik auch auf den anderen Gruben nicht mehr lange dauern werde. Ungefähr zur gleichen Zeit waren wir auch fast zu einem Abkommen mit den Zechenverwaltungen von Telluride gekommen, aber die Verschwörer vom Bürgerbund arbeiteten dagegen.
Vom Gouverneur wurde eine Kommission nach Cripple Creek geschickt. Diese Kommission, die nach den Worten einer Protestresolution aus den Kreisen der Bevölkerung einen „kurzen und verstohlenen Besuch" abstattete, schlich auf Umwegen nach Cripple Creek, wo sie mit dem Sheriff Robertson eine Besprechung hatte. Der Sheriff teilte nicht ihre Meinung, dass ein Truppenaufgebot nötig sei; aber die Bürgermeister von Victor und Cripple Creek reichten trotzdem zwei gleichlautende Briefe ein, in denen es hieß, dass es dem Sheriff und den anderen Friedensrichtern unmöglich sei, die Ordnung aufrechtzuerhalten und das Leben und Eigentum der Bürger zu schützen. Sie verlangten, dass die Nationalgarde von Colorado sofort in den Bezirk gesandt werde. Der Sheriff hatte der Kommission erklärt, dass er Vollmacht besitze, Hilfssheriffs zu ernennen, soweit er deren bedürfe, dass er vollkommen Herr der Lage sei, dass keine Unruhe in seinem Bezirk herrsche oder geherrscht habe, dass keine ungewöhnlichen Menschenansammlungen zu verzeichnen seien und die Wirtshäuser um Mitternacht geschlossen würden. „Die Entsendung von Truppen ist eine willkürliche Überschreitung der Vollmacht seitens des Gouverneurs", sagte er. Das Exekutivkomitee des Bezirksverbandes Nr. 1 erklärte, dass die Kommission gar nicht versucht habe, mit ihm oder anderen Vertretern der Bergarbeiterföderation zu sprechen, geschweige denn den Wunsch geäußert habe, die Auffassung der Föderation über die bestehenden Schwierigkeiten kennen zu lernen. Die Kommission dagegen berichtete, dass sie sorgfältige Erkundigungen bei den Bürgern und Grubenbesitzern einschließlich der Bürgermeister von Cripple Creek und Victor eingeholt habe. Diese seien „der Meinung, dass das Leben der Einwohner des Bezirks unmittelbar gefährdet ist und die persönlichen Rechte auf dem Spiele stehen. Eine sofortige Aktion ist notwendig... Wir sehen, dass im Bezirk ein Terrorregime herrscht. Wir glauben nicht, dass die zivilen Behörden der Lage Herr werden können." Dieser bluttriefende Bericht wurde abgegeben, obwohl im ganzen Bezirk Cripple Creek nicht einmal ein Faustkampf stattgefunden hatte und obwohl eine der führenden Gruben, Portland, bereits wieder arbeitete. Eintausend Soldaten stiegen in Cripple Creek aus dem Zug. Es herrschte vollkommene Ruhe. Sie errichteten Stationen auf jedem Berg rings um die Stadt, auf dem Cow Hill, Bull Hill, Pisgah, Nipple Hill, Squaw Hill und St. Peter's Dome, von denen aus sie die ganze Stadt beherrschten. Sie waren mit Funkstationen, Scheinwerfern, heliografischen Signalapparaten und Fernrohren ausgestattet. Vom ganzen Bezirk nahmen sie Besitz. Die Einwohner mussten vom Militär ausgestellte Passierscheine haben, um in ihrer eigenen Stadt, auf ihren eigenen Straßen umhergehen zu können. Die Soldaten standen unter dem Kommando des Generaladjutanten Sherman Bell, der außer seinem gewöhnlichen Gehalt dreitausendzweihundert Dollar von den Zechenbesitzern erhalten sollte. Die Grubenherren hatten sich auch bereit erklärt, eine halbe Million Dollar für den Unterhalt der Truppen während ihrer Anwesenheit im Bezirk zu zahlen. Ich möchte hier hinzufügen, dass auch die Zechenbesitzer von Telluride sich bereit erklärt hatten, für die Soldaten zu zahlen, die in den Bezirk San Juan eingerückt waren.
Nach Ankunft der Miliz traf eine Ladung von tausend Craig-Jorgsen-Gewehren und sechzigtausend Patronen aus Wyoming ein. Diese Waffen konnten von keiner anderen Stelle geschickt worden sein als von der Bundesregierung.
Der Stadtrat von Victor protestierte gegen die Haltung des Bürgermeisters.
In allen Städten des Bezirks wurden Massenversammlungen abgehalten und scharfe Resolutionen und Petitionen angenommen. Aus Victor kam eine Resolution, die die dort herrschenden unerhörten Zustände feststellte.
Selbst die Demokratische Partei und der Ortsverband der Veteranen des Bürgerkrieges protestierten energisch gegen die Anwesenheit der Miliz. Die Bevölkerung des Bezirks protestierte mit lauter, unmissverständlicher Stimme, aber der Gouverneur Peabody hatte seine Ohren der Vereinigung der Grubenherren verkauft. Die Bergarbeiter des Bezirks benutzten den Tag der Arbeit (Anm.: Labor Day, Staatsfeiertag am ersten Montag im September. Die Red.), der auf den 7. September fiel, um eine wuchtige Solidaritätsdemonstration zu veranstalten. Fünftausend Arbeiter marschierten in Victor in Reih und Glied. Die Soldaten säumten die Bürgersteige und waren an manchen Punkten in ganzen Kompanien aufgestellt.
Während ich im Büro arbeitete, musste meine Frau, die wieder bettlägerig war, ihre Zeit oft allein verbringen, obgleich wir auch eine Wartefrau hatten, die für uns arbeitete. Irgend jemand machte sie mit einer Heilsbotin der „Christian Science" bekannt. Da meine Frau nichts zu tun hatte, ließ sie sich allmählich von dieser Frau, die vorgab, Heilkräfte zu besitzen, „behandeln". Ihre Phantasie beschäftigte sich mit der Möglichkeit einer Erlösung von ihren Leiden durch diese Gesundbeterin, da es den Ärzten nicht gelungen war, sie zu heilen. Eine Scharlatanin nach der anderen nahm sie in Behandlung. Manchmal, wenn meine Frau einen Anfall hatte, ließ sie unsere älteste Tochter Vernie an einen dieser weiblichen Asketen telefonieren, die für sie „beteten" oder sie in „Fernbehandlung" - zu soundso viel pro Behandlung -nahmen. Meine Frau wurde eine eifrige Leserin der Zeitschrift „Wissen und Gesundheit", die weiter nichts enthielt als die Phantastereien eines überspannten, unwissenden alten Weibes. Für mich war das alles Unsinn, begründet auf jene profane Fabelsammlung, die man die Bibel nennt. Vergebens versuchte ich zu protestieren. Solange diese so genannten Behandlungen ihr nur irgendwelche seelische Beruhigung brachten, konnte ich sie noch ertragen, als sie aber auch meine Kinder zu beeinflussen begannen, brachte es mich fast um den Verstand.
Bisher war mir der Alkohol fast unbekannt geblieben. Nun glaubte ich entdeckt zu haben, dass er ein sympathischer Freund sei, der mir über den stets gegenwärtigen, wachsenden Kummer hinweghalf. Die Arbeit im Zentralbüro nahm mich immer stärker in Anspruch. Die Streiks nahmen nicht nur an Zahl, sondern auch an Intensität zu. Wir hatten gegen eine feige, heimtückische, mörderische Kraft, den Bürgerbund, zu kämpfen. Es galt, Abendversammlungen in Denver, Versammlungen außerhalb unter den Hüttenarbeitern, Versammlungen der Partei abzuhalten und Komiteesitzungen beizuwohnen, und doch reichte das alles nicht aus, um meine Gedanken von den häuslichen Verhältnissen abzulenken. Nach meiner Tagesarbeit im Büro pflegte ich auf dem Weg nach Hause in ein oder zwei Wirtshäuser einzukehren, um durch einen Whisky die marternden Gedanken über den Aberglauben zu betäuben, der meine Familie in seine Netze verstrickt hatte. Ungefähr zu dieser Zeit kam „Mutter Jones" nach Denver und nahm im Oxford-Hotel Wohnung, wo ich sie aufsuchte. Sie war eine prächtige alte Frau mit schnee-weißem Haar, zartem Teint und sympathischer Stimme, die aber hart und heftig werden konnte, wenn sie von ihrem Feind, der Kapitalistenklasse, sprach. Als junge Frau hatte „Mutter Jones" im Süden mit dem gelben Fieber gerungen, hatte ihren Mann und ihre Kinder verloren, die alle an dieser schrecklichen Krankheit gestorben waren. Sie zog nun nach dem Norden und begann aus Erbitterung gegen die Hilflosigkeit der Armut die Bergarbeiter zu organisieren. Ihre Arbeit in West-Virginia brachte unerhörte Erfolge. Wo immer ein Kampf der Bergarbeiter ausbrach, da erschien Mutter Jones. Wenn eine Brücke von einer Soldatenpatrouille versperrt war, so watete sie mitten im Winter durch das Wasser. Wurden die Züge beobachtet, so wurde sie vom Bahnpersonal durchgeschmuggelt. Sie erreichte immer ihr Ziel. Als ich sie in Colorado sah, hatte sie nichts von dem Mut und der Unerschrockenheit verloren, die diese Frau den Unternehmern so verhasst und gefürchtet machte.
Während des Streiks der Bergarbeiter fuhr Mutter Jones nach Trinidad. Dort erreichte sie eines Tages ein Telegramm, in dem ich ihr mitteilte, dass am nächsten Morgen Truppen nach Trinidad abfahren würden. (Später erfuhr ich, dass dieses Telegramm den Gouverneur Peabody in Erstaunen versetzt hatte; er erklärte, dass er zur Zeit, da ich das Telegramm abschickte, den Befehl noch gar nicht erlassen und mit niemandem über ihn gesprochen hatte.) Kurz nach der Ankunft der Soldaten in Trinidad wurde Mutter Jones zusammen mit drei anderen Organisatoren deportiert. Die alte Frau wurde rücksichtslos davongeschleppt und nach Helper geschafft. Dort angekommen, wurde sie verhaftet und in das Pesthaus geschafft, in der Erwartung, dass sie dort Blattern oder irgendeine ändere Krankheit bekommen und daran sterben werde. Sie entkam aber am nächsten Tag und traf wieder in Denver ein.
Eine berüchtigte Zeitschrift, „Polly Pry's Magazine", brachte einen infamen Artikel gegen Mutter Jones. John
Mitchell von den Vereinigten Bergarbeitern schien zu glauben, dass an den darin enthaltenen Behauptungen etwas Wahres sei, und entließ zu seiner eigenen Schande Mutter Jones von ihrem Posten als Organisatorin, nach all der tapferen Arbeit, die sie für die Bergarbeiter von West-Virginia, von Pennsylvanien und anderen Gebieten geleistet hatte. Ich war froh, sie als Organisatorin für die Bergarbeiterföderation des Westens anstellen zu können. Während des Streiks in Cripple Creek arbeitete sie eine kurze Zeit für uns, nahm dann aber wieder ihre Arbeit unter den Kohlenbergarbeitern auf. Die Kohlenbergarbeiter des Westens waren zuerst von der Bergarbeiterföderation des Westens erfasst worden, aber da die Vereinigten Bergarbeiter Amerikas, die nur Kohlenbergarbeiter organisierten, ihren Geltungsbereich erweiterten, traten die Kohlenarbeiter der Bergarbeiterföderation zu den Vereinigten Bergarbeitern über. Deren Präsident, John Mitchell, kam nach Denver, stieg im St. James-Hotel ab und stolzierte am Büro der Föderation vorbei, um sich zur Visite beim Bürgerbund einzufinden! Dabei war nichts natürlicher als die Annahme, dass er die Bergarbeiterföderation aufsuchen würde, wenigstens um der Organisation für die Unterstützung zu  danken,  die  sie  den  Vereinigten  Bergarbeitern während des Streiks von 1902 gewährt hatte. Aber nicht nur das schien John Mitchell vergessen zu haben. Zur Zeit seines Besuches saßen sechzehn streikende Mitglieder seiner Gewerkschaft wegen Verletzung eines Gerichtsbeschlusses in Denver im Gefängnis. Mitchell suchte sie nicht auf; er ging zum Bürgerbund! Die Verbände der Vereinigten Bergarbeiter und der Bergarbeiterföderation des Westens kämpften gemeinsam um den Achtstundentag. John Mitchell vertrat nicht diel Arbeiter, die im Streik standen!
Ich erwähnte bereits, dass die Kohlengrubenarbeiter des Westens zuerst in der Bergarbeiterföderation organisiert waren; eine Einschränkung muss ich nachtragen. Es gab einige Ausnahmen,  darunter  die  Bergarbeiter  von Hanna, Wyoming; sie waren in unabhängigen Verbänden organisiert. Die große Mehrzahl der Mitglieder des Verbandes in Hanna waren Chinesen. Ein bemerkenswerter Streik fand in Hanna statt, bei dem die Chinesen die Führung hatten. Als der Widerstand der weißen Arbeiter nach langer Streikdauer zusammenzubrechen drohte, suchten die Chinesen jeden einzelnen auf und versprachen, die Streikunterstützung zu verdoppeln, wenn sie bis zum Siege durchhielten. Bevor ich wieder auf die Kämpfe in Cripple Creek und Denver zurückkomme, soll noch ein tragischer Fall erwähnt werden, der sich in Ely, Nevada, abspielte. John Murphy, den wir zur Feststellung von Einzelheiten hingeschickt hatten, berichtete nach seiner Rückkunft, dass der Verband in Ely beschlossen hatte, eine Forderung an die Gesellschaft zu richten. Ein Komitee von drei Männern sollte dem Betriebsleiter die Forderung überbringen. Dieser, von ihrem Kommen in Kenntnis gesetzt, Wurde, als die Kommission in seinem Büro erschien, anscheinend von einer plötzlichen Panik befallen, zog einen Winchester-Revolver und tötete die drei unbewaffneten I Männer. Murphy erfuhr, dass der Mörder sofort aus der Stadt entflohen war. Es wurde niemals etwas unternommen, um ihn wegen des dreifachen Mordes zur Verantwortung zu ziehen.
Dem Hüttentrust war es gelungen, für einige Tage eine in ihrer Art einzige Mannschaft von Streikbrechern zu dingen. Es waren Navajo-Indianer. Diese eingeborenen Amerikaner fügten sich jedoch nicht gut in die Arbeit, für die sie geholt worden waren. Eines Abends traten sie zu einem Pow-Wow zusammen, auf dem ein junger Häuptling erklärte:
„Lange Zeit leben Navajo-Indianer in diesem Land, lange bevor weiße Männer kommen. Wir bauen Getreide, wir weben Tücher, wir haben Menge Schafe. Wir haben Menge Wild, fangen Fische, leben ziemlich gut. Weißer Mann kommen, er Hütten machen. Machen alles heiß wie die Hölle. Machen Feuerwasser; machen kaltes Wasser heiß. Machen nachts arbeiten. Nacht Schlafenszeit. Navajo nicht mehr nachts arbeiten. Navajo nicht mehr im Hüttenwerk arbeiten. Morgen nach Hause gehen."
Der Streik der Hüttenarbeiter von Denver dehnte sich auf die Arbeiter in den anderen Industrien aus, und eine Zeitlang schien es, als sollte die Stadt Denver von einem Generalstreik betroffen werden. Das wurde vom Buchdruckerverband verhindert, der die zugespitzte Situation in unsolidarischer Weise ausnutzte, um für seine Mitglieder einen Arbeitstag von sieben Stunden und zwanzig Minuten durchzusetzen. Er ließ ohne Skrupel die Hüttenarbeiter im Kampfe gegen den Elf- und Zwölfstundentag im Stich.
Gouverneur Peabody hatte erklärt, dass die Soldaten zur Unterstützung der Zivilbehörden in Cripple Creek seien. Die Truppen lieferten dazu eine bezeichnende Demonstration: unter den ersten Verhafteten befanden sich der Bezirkskommissionär Lynch und  der Friedensrichter Reilly. Sie schleppten Lynch von seinem Mittagstisch fort, setzten ihn aufs Pferd und führten ihn mit Pauken und Trompeten unter militärischer Bedeckung den Generalen Bell und Chase vor. Sie legten weder einen Haftbefehl vor, noch erhoben sie Anklage gegen Lynch. Die Generale erklärten ihm einfach, sie wünschten nicht, dass er weiter so über die Miliz spreche, wie er es bisher
getan habe, und dass er aufhören müsse, die Streikenden in Schutz zu nehmen. Nach dieser Predigt ließ man ihn nach Hause gehen. Dieselbe Behandlung wurde dem Richter Reilly zuteil.
In Verbindung mit dem Militärlager in Goldfield wurde ein „Bullenstall" eröffnet. Charles Kennison, Präsident des Bergarbeiterverbandes Nr. 40 von Cripple Creek, war der erste, der verhaftet und dort eingesperrt wurde. Sherman Parker, Bill Davis, Bill Easterly, Paddy Mullany, Lafferty und andere wurden gleichfalls ohne Anklage verhaftet und folgten Kennison ins Gefängnis. Wir gewannen die Anwaltsfirma Richardson und Hawkins aus Denver für die Verteidigung, außerdem wirkten Frank Hangs, der alte General Engley und John Murphy mit. Diese Anwälte erwirkten eine Verfügung unter Berufung auf die Habeaskorpusakte (Anm.: Ein 1697 erlassenes englisches Gesetz, das die Verhaftung von Staatsbürgern ohne richterlichen Befehl verbietet. Seit 1787 besteht ein ähnliches Gesetz in den USA und ist der Form nach auch heute noch gültig. Die Red.) und ließen sie Chase und Bell zustellen.
Die Generale zögerten die Vorführung der Gefangenen vor das Gericht lange hinaus; als sie schließlich nicht mehr anders konnten, erfolgte die Vorführung unter bewaffneter Bedeckung, nachdem eine Kanone auf das Gerichtsgebäude gerichtet und Scharfschützen auf dem Dach des National-Hotels und der umliegenden Gebäude postiert worden waren. Bei Eröffnung der Verhandlung standen zwanzig bis zu den Zähnen bewaffnete Soldaten im Saal.
John Murphy nahm diesen Aufmarsch der Bewaffneten zum Anlass, um, gegen den Gerichtshof gewandt, zu erklären:
„Ich weigere mich, diesen Prozess angesichts der Bedingungen, unter denen der Gerichtshof tagt, zu führen. Das ist kein Zivilprozess mehr, das ist eine bewaffnete Invasion." Darauf wurden die Gefangenen in den „Bullenstall" zurückgeführt und erst am nächsten Tag wieder vor das Gericht gebracht. Wieder war der Gerichtssaal voll Soldaten, wenn auch ohne Gewehre. Die Begründung des Richters Seeds für den Beschluß des Gerichts auf Freispruch der Angeklagten war sehr ausführlich und nachdrücklich. In heftigen Worten verurteilte er die durch nichts gerechtfertigte Verletzung der verfassungsmäßigen Rechte durch die Militärs. Hierauf ordnete er die Freilassung der Gefangenen an. General Chase verkündete, dass er den Beschluß des Gerichts nicht anerkennen werde, und befahl den Soldaten, zum großen Erstaunen und zur Verblüffung aller Anwesenden, die Gefangenen abzuführen, die so aus dem Gericht, welches sie eben freigesprochen hatte, zurück in den „Bullenstall" gebracht wurden. Später, am Abend, wurden die Männer ohne jede Erklärung freigelassen. Der Gouverneur hatte wohl an Chase telegrafiert, dass er zu weit gegangen sei.

 

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