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William Dudley Haywood - Unter Cowboys und Kumpels (1930)
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Nachwort

Schwer sind die Opfer, die die internationale Arbeiterbewegung in den anderthalb oder zwei Jahrhunderten seit der Herausbildung der kapitalistischen Gesellschaft gebracht hat. Mit grausigen Blutbädern beginnt ihre Geschichte: mit dem Gemetzel von Peterloo 1819 in England, der Niederwerfung der Weberaufstände von Lyon 1881 und 1834 in Frankreich, dem Terrorregime der preußischen Pickelhauben nach dem Aufstand der schlesischen Weber von Langenbielau und Peterswaldau 1844 zieht sich in der kapitalistischen Welt der ununterbrochene Blutstrom bis in unsere Zeit. Aber jedes dieser Daten bedeutet zugleich eine historische Stufe in der Entwicklung der modernen Arbeiterbewegung. Überall war die Ausbeutung gleich hart, und überall waren die Arbeiter vom Genuss der bürgerlichen Rechte ausgeschlossen. Alle ihre Kämpfe richteten sich in gleicher Weise gegen die harte Ausbeutung und für bürgerliche Gleichberechtigung vor dem Gesetz. Erst in diesen Kämpfen entwickelte sich ein echtes Klassenbewusstsein, das die hemmenden Schranken der alten Zünftlerei und den trügerischen Glauben an eine Gerechtigkeit für alle zerriss.
Schon 1844 konnte Karl Marx schreiben: „Der schlesische Aufstand beginnt grade damit, womit die französischen und englischen Arbeiteraufstände enden, mit dem Bewusstsein über das Wesen des Proletariats. Die Aktion
selbst trägt diesen überlegenen Charakter." (Anm.: Karl Marx/Friedrich Engels: Werke, Band 1, Dietz Verlag, Berlin 1957, S. 404.) Doch das schwerste Hindernis war und blieb die Isolierung der einzelnen Kämpfe und Kämpfer, die sich ebenso in der lokalen Beschränktheit der einzelnen Aktionen, wie in der berufsständischen Abkapselung der Gewerkvereinigungen (Trade-Unions) ausdrückte. Solange noch eine politische Partei des Proletariats fehlte, die den Klassenkampf bejahte und unter Ausnutzung aller gesetzlichen Mittel die Arbeiter im politischen Kampf auch über die Schranken der bürgerlichen Gesetzlichkeit hinaus leitete, blieb die Arbeiterschaft führerlos und musste in jedem entscheidenden Kampf den Machtmitteln der Bourgeoisie unterliegen. Die Voraussetzungen, auf denen die moderne Arbeiterbewegung geschaffen werden konnte, bildeten sich zwischen der ersten industriellen Revolution in England und der deutschen bürgerlichen Revolution von 1848. In dieser Zeit trat das Proletariat fast gleichzeitig in England, Frankreich und Deutschland als selbständige Klasse mit eigenen Forderungen auf. In den Vereinigten Staaten von Amerika konnte sich die Arbeiterbewegung nur mit der wirtschaftlichen, das heißt kapitalistischen Entwicklung des Landes entsprechend entfalten. Im am weitesten entwickelten Osten, dem Gebiet der dreizehn alten Bundesstaaten, wo es eine für ihre Zeit bereits hoch entwickelte Industrie gab, entstanden die ersten „National Trade Unions" bereits 1834, führten aber nur ein kümmerliches Dasein. Selbst in den eigentlich industriellen Nordstaaten konnte von der Entstehung eines wirklichen amerikanischen Proletariats vor dem amerikanischen Bürgerkrieg zwischen den Nord- und Südstaaten nicht die Rede sein. Auch die wenigen Revolutionäre, die nach dem Zusammenbruch der deutschen Revolution von 1848/1849 nach Amerika auswanderten, blieben im industriellen Norden. Viele von ihnen kämpften an der Seite der fortgeschrittensten Amerikaner im Bürgerkrieg mit und halfen so, die Voraussetzungen für die weitere Entwicklung der amerikanischen Gesellschaft und damit einer spezifisch amerikanischen Arbeiterbewegung zu schaffen. 1857 gründete der deutsche Kommunist F. A. Sorge, bekannt durch den umfangreichen Briefwechsel, den er mit seinen alten Freunden und Kampfgenossen Karl Marx und Friedrich Engels führte, den Communist Club, in dem sich meist deutsche Emigranten trafen. Die Internationale Arbeiterassoziation hatte auch in den Jahren nach dem Bürgerkrieg nur eine geringe Mitgliederzahl in den Vereinigten Staaten und löste sich bekanntlich bereits kurze Zeit nach ihrer Verlegung nach New York, 1876, auf Anraten von Marx auf.
Wie Marx bereits in dem noch im Jahrzehnt des Bürgerkrieges erschienenen ersten Bande des „Kapital" schrieb, blieb „in den Vereinigten Staaten von Nordamerika jede selbständige Arbeiterbewegung gelähmt, solange die Sklaverei einen Teil der Republik verunstaltete. Die Arbeit in weißer Haut kann sich nicht dort emanzipieren, wo sie in schwarzer Haut gebrandmarkt wird. Aber aus dem Tod der Sklaverei entspross sofort ein neu verjüngtes Leben. Die erste Frucht des Bürgerkriegs war die Achtstundenagitation, mit den Siebenmeilenstiefeln der Lokomotive vom Atlantischen Ozean bis zum Stillen Ozean ausschreitend, von Neuengland bis nach Kalifornien. Der allgemeine Arbeiterkongress zu Baltimore (16. Aug. 1866) erklärte: ,Das erste und große Erheischnis der Gegenwart, um die Arbeit dieses Landes von der kapitalistischen Sklaverei zu befreien, ist der Erlass eines Gesetzes, wodurch 8 Stunden den Normalarbeitstag in allen Staaten der amerikanischen Union bilden sollen. Wir sind entschlossen, alle unsere Macht aufzubieten, bis dies glorreiche Resultat erreicht ist.'" (Anm.: Karl Marx: Das Kapital, Erster Band, Dietz Verlag, Berlin 1957, S. 315.) So optimistisch die Resolution dieses Kongresses war: der Kampf begann erst. Zwar waren die Sklaven jetzt nach der Verfassung frei - frei nämlich für die kapitalistische Ausbeutung und damit als neuer Motor eines industriellen Aufschwungs, wie ihn die Welt bis dahin noch nicht erlebt hatte. Aber ihr Kampf um Gleichberechtigung ging weiter - bis weit in die Reihen der Arbeiterbewegung hinein.
Auch die territoriale wirtschaftliche Erschließung der Vereinigten Staaten wurde erst nach dem Bürgerkrieg zu Ende geführt. Von den drei großen wirtschaftsgeographischen Gebieten, in die nach W. I. Lenin die Vereinigten Staaten zerfallen - dem industriellen Osten, dem ehemals sklavenhaltenden Süden und dem noch im Zustand der Kolonisation befindlichen Westen -, sollte das letzte, der Westen, erst jetzt zur vollen ökonomischen Entfaltung kommen. Es war das Eldorado der Nichteisenerze mit seinen riesigen Vorräten an Edel- und Buntmetallen. Um ihre Besitznahme und Ausbeutung entbrannten blutige Kämpfe - zugleich Klassenkämpfe von selten erlebter Brutalität, kaum weniger grausam als die letzten Ausrottungsschlächtereien gegen die aus ihren Stammessitzen verdrängten Indianer - deren letzte noch in die Lebenszeit Bill Haywoods fallen. Die Zeit der Pioniere des „Far West", des fernen freien Westens, wie dieses endlich entdeckte Eldorado, das über dreihundert Jahre gesuchte Goldland des vierten Erdteils genannt wurde, verliert beim Studium ihrer Sozialgeschichte viel vom Nimbus der Großartigkeit, mit
dem die Apologeten des Kapitalismus diese letzte Etappe einer „ursprünglichen Akkumulation" umstrahlt hatten. Gigantisch war nur die Brutalität, die Skrupellosigkeit, mit der die Antreiber, die wirtschaftlichen und politischen Bosse dieser Exploitierung, die echten Pioniere, nämlich die Arbeiter, anpeitschten, ausquetschten und oft genug in den sicheren Tod hetzten. Um so großartiger erscheint auch hier die Schnelligkeit, mit der sich dieses noch meist blutjunge Proletariat zu mächtigen Klassenschlachten erhebt. Zwei Jahrzehnte nach der Entdeckung der kalifornischen Goldgruben, dem „wichtigsten Faktum, das sich hier ereignet hat, wichtiger noch als die Februarrevolution" - wir zitieren hier und im folgenden Karl Marx im zweiten Heft der „Neuen Rheinischen Zeitung - Politisch-ökonomische Revue" vom Januar/Februar 1850 - „zeigen sich bereits die unheilbaren Widersprüche dieses amerikanischen Neukapitalismus in vollster Blüte". „Achtzehn Monate lang", schrieb Marx in genanntem Artikel, „sind die kalifornischen Goldminen entdeckt, und schon haben die Yankees eine Eisenbahn, eine große Landstraße, einen Kanal vom Mexikanischen Busen in Angriff genommen... schon konzentriert sich der Handel des Stillen Meeres in Panama, und die Fahrt um Kap Horn ist veraltet. Eine Küste von 30 Breitengraden Länge, eine der schönsten und fruchtbarsten der Welt, bisher so gut wie unbewohnt, verwandelt sich zusehends in ein reiches, zivilisiertes Land, dicht bevölkert von Menschen aller Stämme, vom Yankee zum Chinesen, vom Neger zum Indianer und Malaien, vom Kreolen und Mestizen zum Europäer." (Anm.: Marx/Engels: Werke, Bd. 7, S. 220.) Ein mächtiger Strom von Einwanderern erschloss jetzt auch die riesigen Bergwüsten der Rocky Mountains. Mit unter den ersten waren die Sektierer der
„Heiligen der jüngsten Tage", geschäftstüchtige Kleinbürger, Händler und Handwerker, deren besondere Anziehungskraft die zuerst empfohlene, bald nur erlaubte, später verbotene Vielweiberei bildete. Die von ihnen nach längerem Suchen gegründete Stadt, Salt Lake City, wurde bald das Zentrum der neu erschlossenen Erzgebiete der Vereinigten Staaten, die zu den mächtigsten Vorkommen der Erde gehörten. Zu den Sektierern kamen Arbeit und schnellen Verdienst suchende Zuwanderer entlang der großen Ost-Weststraße, denen schnell die Trasse der transamerikanischen Eisenbahn folgte. Wie auf das kalifornische Gold stürzten sich auch in den Rocky Mountains die Prospektoren auf die jedem Zugriff offen stehenden Minen. Noch bis in die siebziger und achtziger Jahre hinein glaubten viele von denen, die diese Gruben mit ihren Händen erschlossen hatten, sich als freie Bergknappen auf eigenem Grund fühlen zu können - so brutal auch der schnell aufholende amerikanische Kapitalismus seine Hand bald auch nach dem kleinsten Streubesitz ausstreckte.
Primitiv wie die Räubereien des Pionierkapitalismus waren auch die ersten Versuche der Arbeiterschaft, sich eigene Kampforganisationen zu schaffen. Sie waren Ausdruck des Willens, sich, sei es wie immer, zur Wehr zu setzen gegen die Brutalität der Ausbeutung, aber noch längst nicht der Ausdruck echten Klassenbewusstseins. Es fehlten alle Erfahrungen, die sich die Arbeiter Europas schon erworben hatten. Was aber der Entwicklung der amerikanischen Arbeiterbewegung ihre eigenartige, für uns oft unverständliche Richtung gegeben hat, ist vor allem die Entwicklung des Kapitalismus in den Vereinigten Staaten. Es war, bei aller Brutalität, ein junger, revolutionärer, voranstürmender Kapitalismus, der später als der europäische geboren wurde und dennoch als erster in das monopolistische Stadium eintrat. Bis spät in das 19. Jahrhundert hinein dauerte noch die Erschließung des eigenen weiten Territoriums an. Unter diesen Umständen war es immer wieder möglich, dass sich einzelne amerikanische Arbeiter im Westen als selbständige Farmer, Geschäftsleute oder Gastwirte ansiedeln konnten oder als gut bezahlte Facharbeiter geachtete Bürger ihrer Stadt wurden. Die Reihen des Proletariats wurden ständig durch den Strom der Einwanderer aus allen europäischen Ländern aufgefüllt, die eine starke Fluktuation in die amerikanische Arbeiterklasse brachten und zudem die verschiedenartigsten Auffassungen und Tendenzen hineintrugen. Dass gerade syndikalistische Tendenzen mit einer Abneigung gegen eine straff organisierte, disziplinierte Organisation und einer Überbetonung der „direkten Aktion", besonders des Generalstreiks, einen starken Anklang bei den Arbeitern fanden, ist unter diesen Umständen nicht verwunderlich.
Ein solches Sammelbecken verschiedenster Auffassungen und Tendenzen war die Organisation der Ritter der Arbeit in den siebziger und achtziger Jahren, die Friedrich Engels 1887 im Vorwort zur amerikanischen Ausgabe seiner berühmten Schrift „Die Lage der arbeitenden Klasse in England" als die für den gegenwärtigen Stand der Bewegung „typischste Abteilung" charakterisierte, „weil sie die zweifellos weitaus stärkste ist. Eine gewaltige Vereinigung, verbreitet über ein gewaltiges Gebiet des Landes, in zahllosen Versammlungen', alle Schattierungen individueller und lokaler Meinungen innerhalb der Arbeiterklasse zum Ausdruck bringend; das ganze unter einer Plattform von entsprechender Unbestimmtheit und zusammengehalten weniger durch ihre unpraktizierbare Verfassung als durch
das bestimmte Gefühl, dass ihr festes Zusammenstehen für ihr gemeinsames Streben sie zu einer größeren Macht im Lande macht; eine echt amerikanische paradoxe Verkleidung modernster Tendenzen im mittelalterlichsten Mummenschanz und das Verstecken des demokratischsten und selbst rebellischsten Geistes hinter einem scheinbaren, in Wirklichkeit aber machtlosen Despotismus -das ist das Bild, das die Ritter der Arbeit dem europäischen Beobachter darbieten. Aber wenn wir uns nicht verwirren lassen von bloß äußerlichen Wunderlichkeiten, so können wir nicht anders, als hierin die gewaltige Zusammenballung einer gewaltigen potentiellen Energie sehen, die sich langsam aber sicher zu einer wirklichen Kraft entwickelt. Die Ritter der Arbeit sind die erste nationale Organisation, geschaffen von der amerikanischen Arbeiterklasse als einem Ganzen; welches immer ihr Ursprung und ihre Geschichte, welches auch ihre Mängel und kleinen Absonderlichkeiten, wie auch ihre Plattform und ihre Verfassung sein mögen..." (Anm.: Friedrich Engels: Die Lage der arbeitenden Klasse in England, Dietz Verlag, Berlin 1952, S. 382/383.) Als Friedrich Engels das schrieb, war der Stern der Ritter der Arbeit allerdings schon im Sinken. Eben die von Engels charakterisierte Vielfalt der Meinungen und Unbestimmtheit der Plattform brachte es mit sich, dass immer mehr der Arbeiterklasse fremde, ja sogar feindliche Elemente in die Organisation eindrangen und sich der Führung bemächtigten. In der Organisation entstanden unüberbrückbare Widersprüche, einmal zwischen der kämpferischen Mitgliedschaft und der kompromissbereiten Führung, die schon mehr als einen großen Streik abgewürgt hatte, und zum anderen zwischen einem gewerkschaftsfreundlichen und einem gewerkschaftsfeindlichen Flügel. Die Arbeiter strömten der jungen AFL (American Federation of Labor) zu, die mit ihrem klar definierten Programm gewerkschaftlicher Forderungen ihren Interessen besser entsprach. Schon zu Anfang der neunziger Jahre hatten die Ritter der Arbeit jede Bedeutung eingebüßt.
Freilich zeigte es sich nur zu bald, dass auch von der AFL nicht ein wirklicher Kampf für die Rechte der Arbeiter, geschweige denn für eine Veränderung der gesellschaftlichen Verhältnisse, zu erwarten war. Die nach Fachverbänden gegliederte AFL wurde unter der Führung ihres Gründers, Samuel Gompers, zum Typus der den Klassenkampf aufgebenden, die Rechte der Arbeiter an den meistbietenden der herrschenden Parteien verkaufenden „wirtschaftsfriedlichen" Gewerkschaft, die die reaktionärsten und chauvinistischsten Forderungen der herrschenden Klasse verteidigte.
In den Grubengebieten des Westens gaben sich indessen die Bergarbeiter mit dem reaktionären Kurs der AFL nicht zufrieden. Aus den Trümmern der alten Ritter der Arbeit entstanden neue Verbände, Industriegewerkschaften, wirkliche Kampforganisationen, die nach dem Willen der Arbeiter fähig sein sollten, der skrupellosen Ausbeutung durch die Unternehmer Widerstand zu leisten. Sie waren es, die die alte, 1886 in Chicago erhobene Forderung nach dem Achtstundentag übernahmen und weit darüber hinaus bereit waren, für die Rechte der Arbeiterschaft zu kämpfen. Auch sie traten, wie die Ritter der Arbeit, für die Rechte der arbeitenden Frauen, für die ungelernten Arbeiter und für die Gleichberechtigung der Negerarbeiter ein, während die AFL die beitragsstarken hochqualifizierten „Arbeiteraristokraten" bevorzugte, sich immer mehr den bürgerlichen Parteien unterordnete und mit den Bossen der Wallstreet im Landesbürgerbund, einer ausdrücklich zur Unterdrückung jeden Klassenkampfes geschaffenen reaktionären Propagandaorganisation, zusammenarbeiteten. William D. Haywood, der Revolutionär, wurde Mitglied der Bergarbeiterföderation des Westens, die zu den am besten organisierten und kämpferischsten Industriegewerkschaften jener Tage gehörte und weit über den Westen hinaus Anklang fand. Sie führte zahlreiche, oft erfolgreiche Streiks und Massenaktionen durch und war ein von den Kapitalisten und ihren Söldnern gefürchteter und gehasster Gegner.
Im Jahre 1905 schlossen sich, wohl nicht unbeeindruckt vom Ausbruch der russischen Revolution, die aktivsten Industrieverbände der Vereinigten Staaten zur Einheitsorganisation der Industriearbeiter der Welt (Industrial Workers of the World - IWW) zusammen. Sie hatten erkannt, dass in einer Zeit, in der sich die Unternehmer zu großen Monopolverbänden zusammenschlossen, die zersplitterten Fachverbände als Kampfinstrument der Arbeiterklasse nicht mehr ausreichten, sondern dass die Arbeiter, in großen Industriegewerkschaften vereint, gemeinsam zuschlagen mussten. Die IWW waren eine kämpferische, klassenbewusste Organisation, die bedingungslos für die Sache der Arbeiterklasse eintrat. Nur so konnten sie die großen Siege erringen, von denen Bill Haywood schreibt. Lenin charakterisierte sie 1920 in seinen „Thesen über die Hauptaufgaben des 2. Kongresses der Kommunistischen Internationale" als eine „durch und durch proletarische Massenbewegung ... , die tatsächlich im wesentlichen auf dem Boden der Grundsätze der Kommunistischen Internationale steht". Die IWW waren bei ihrer Gründung eine sozialistische Organisation, begannen aber bald danach, sich in anarchosyndikalistischem Sinne zu entwickeln. Die Folge davon war eine ganze Reihe von Fehlern, die sich schließlich auf die weitere Entwicklung verhängnisvoll auswirkten. Die Hauptfehler, die auch Lenin in seiner Schrift „Der ,linke Radikalismus', die Kinderkrankheit im Kommunismus" kritisierte, waren ihre entschiedene Weigerung, an bürgerlichen Parlamenten teilzunehmen und in den reaktionären Gewerkschaften zu arbeiten. Sie lehnten jede Zugehörigkeit zu einer politischen Partei ab und glaubten, auf dem Wege des Generalstreiks ein „industrielles Gemeinwesen" schaffen zu können. Sie verließen sich in den gewerkschaftlichen Kämpfen ausschließlich auf die „direkte Aktion", den Generalstreik, der oft ungenügend vorbereitet ausgerufen wurde. Dazu kamen Unduldsamkeit in Religionsfragen und gegenüber anders denkenden Gewerkschaftskollegen und in organisatorischer Hinsicht ihre anarchistische Dezentralisation. Auf diese Fehler ist es zurückzuführen, dass die IWW der Unternehmeroffensive nach dem ersten Weltkrieg nicht standhalten konnten. Die besten aus ihren Reihen, unter ihnen William D. Haywood, fanden den Weg in die 1919 gegründete Kommunistische Partei der USA.
I. M. Lange

 

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