Zweites Kapitel
Kumpels, Cowboys und Indianer
Es war meine erste lange Reise. Die Fahrt um den Großen Salzsee ging durch Ogden, da die Luzonbrücke damals noch nicht erbaut war. Ich sah mir Corinne und Promontory vom Zuge aus an, denn ich wusste, dass mein Vater und mein Onkel früher oft dort gewesen waren. Auf der Station Promontory wurde seinerzeit der goldene Schienennagel eingehämmert, als dort die beiden Eisenbahnlinien, die Central Pacific von Osten und die Union Pacific von Westen zusammentrafen. Das eiserne Pferd, wie die Indianer die Eisenbahn nannten, hatte die Ochsengespanne und die Planwagen überholt. Nach Verlassen des Sees fuhr der Zug viele Meilen lang durch Tiefland, das ganz von einer Salzkruste bedeckt war. Dann kamen sandige Salbeistrauch-Steppen, die sich endlos auszudehnen schienen. So weit das Auge sah, gab es nichts als die langen Streifen des grünlich-grauen Gestrüpps. Nur wenige Stationen und kleine Städte lagen an dem Schienenweg. Elko und Battie Mountain wurden passiert, dann tauchte zur Rechten der Humboldtfluss auf. Am Morgen des zweiten Tages kam ich in Winnemucca an, ging in ein Hotel und nahm sofort nach dem Mittagessen die Vier-Pferde-Post nach Rebel Creek. Die Postlinie führte damals bis Fort McDermitt, einer Militärstation. Die Kutsche war mit Paketen beladen. Ich war der einzige Reisende. Von Winnemucca führte der Weg am Zollhaus vorbei durch Sandhügel. Zu beiden Seiten der Wagenspur wuchs das Salbeigestrüpp. Nur wo es niedergetreten war, konnte man eine Zeitlang durchkommen, aber die Sanddünen wechselten beständig, so dass fortwährend neue Wege im Entstehen waren. Gegen Abend kamen wir in Kane Springs an. Die Dunkelheit war schon hereingebrochen, und es war mittlerweile sehr kalt geworden. Der Postillion nahm auf der Station ein Glas Whisky, während ich mich bei einer Tasse heißen Kaffees erwärmte. Inzwischen waren frische Pferde eingespannt. „Wir sind fertig. Fahren wir!" Es war eine kalte, klare Nacht. Vor uns und etwas zur Rechten konnten wir die majestätische Silhouette des Granite Peak sehen, dessen schneebedeckte Gipfel den am Fuße liegenden Ebenen Wasser spenden. So sah ich zum ersten Male die Ketten des Santa-Rosa-Gebirges. Spät in der Nacht trafen wir in Rebel Creek ein. Zitternd vor Kälte kletterte ich aus der Postkutsche und wollte mir schon mit meinen Decken ein Bett zurechtmachen, als ich entdeckte, dass man mir ein Abendbrot bereitet hatte und mich ein sauberes weißes Bett erwartete. Am nächsten Morgen hatte man mir einen gefederten Wagen besorgt; ich warf mein Deckenbündel und meinen Mantelsack hinauf und fuhr nach dem zwei Meilen von der Ohio-Grube entfernt liegenden Eagle Canyon. Nirgends war ein Baum zu sehen; nichts als armselige Weiden an dem Bach, der den Canyon hinunterfloss. In weitem Umkreis war nur ein einziges Wohnblockhaus zu erblicken, das ich, da es mein Ziel war, sofort in Augenschein nahm. Es war ungefähr achtundzwanzig Fuß hoch, vierzehn Fuß breit und im Innern durch einen Verschlag geteilt. Im Vorderzimmer waren in drei Reihen übereinander Schlafpritschen untergebracht. Es gab keine Stühle, keine Tische, keine Einrichtung irgendwelcher Art außer einem Pult und den Sachen, die den Arbeitern gehörten, hauptsächlich Decken, Kleidungsstücke und einige Taschen und Koffer, die unter die unteren Schlafpritschen geschoben waren.
Im zweiten Zimmer befanden sich in einer Ecke ein großer Küchenherd, ein Küchentisch und an der einen Wand ein Küchenschrank. Die Fensterseite wurde von einem langen Tisch, der mit braunem, geblümtem Wachstuch bedeckt war, und von langen Bänken zu beiden Seiten eingenommen. Auf den Balken unter der Decke waren die verschiedenen Vorräte aufgestapelt und die Schlafpritsche des chinesischen Kochs hergerichtet, die er nur mit einer Leiter erreichen konnte. Charley Sing war, wie ich bald feststellen konnte, ein guter Koch und hielt den ihm anvertrauten Teil des Hauses peinlich sauber. Das erste Zimmer war auch rein, das heißt, es gab kein Ungeziefer, aber die Balken waren nicht gestrichen und hatten niemals einen Hobel gesehen. Am Haus war ein kleiner Vorbau mit einer Bank, einem Spiegel darüber, Waschschüsseln und Wasserkrug daneben und Handtüchern, die an der Wand hingen. Der Brunnen befand sich unweit des Baches. In der Nähe des Wohnhauses lag noch eine halbverfallene alte Steinhütte mit einem Dach aus Holzbalken, Reisig und Lehm. Eine Ecke darin war als Laboratorium zur Untersuchung der Erzproben eingerichtet, während der übrige Teil der Hütte zum Aufbewahren von Konserven, Gemüse und anderen Vorräten diente.
Mein Stiefvater kam einige Minuten vor den anderen Leuten, die hier arbeiteten, aus der Grube und begrüßte mich sichtlich erfreut. Nachdem ich den Kumpels vorgestellt worden war und gegessen hatte, breitete ich etwas Heu auf der Schlafpritsche über dem Pult aus und legte die aufgerollten Decken darüber. Ich zog Overall, Jumper und Bergmannsstiefel an und ging noch am selben Nachmittag mit in die Grube. Meine erste Arbeit bestand darin, aus dem Schacht, der am Ende eines offenen Ganges gegraben wurde, Steine hinaufzufahren. Ich merkte sehr bald, dass ich mit einem vollgeladenen Schiebkarren nicht fertig werden konnte, also machte ich die Ladung kleiner und fuhr öfter. Ich war reichlich froh, als die Arbeitszeit zu Ende war.
Es war schon dunkel, als wir nach Hause kamen. Das übliche Bergmannsessen stand bereit, und jeder stürzte sich mit herzhaftem Appetit darauf. Nach der Mahlzeit war in wenigen Minuten das Geschirr abgeräumt, und die Männer setzten sich wieder an den Tisch und lasen oder spielten Karten und Schach, so gut es bei dem flackernden Kerzenlicht ging. Andere streckten sich auf ihr Lager aus oder saßen am Bettrand. So vergingen gewöhnlich die Winterabende. Man konnte nirgendwo hingehen. Die nächstgelegene Stadt, Winnemucca, war sechzig Meilen entfernt. In Willow Creek, der vier Meilen entfernten Poststation, gab es allerdings ein Wirtshaus, aber es wurde nur selten besucht. Ab und zu brachten Arbeitskameraden ein paar Flaschen Whisky von dort mit. Obgleich wir Kumpels in unserer Abgeschiedenheit uns nicht genau über die täglichen Ereignisse auf dem laufenden halten konnten, waren wir doch alle fleißige Leser. Ich erinnere mich, dass mir einer meiner Angehörigen zum zweiten dort verlebten Weihnachtsfest ein Buch über das Baseballspiel schickte. Einige Jahre früher hätte es mich sehr interessiert, aber jetzt hatte ich keine Verwendung dafür, denn nicht einmal im Umkreise einer Tagesreise konnte man auch nur eine halbe Baseballmannschaft auftreiben. Ich war so weit von jedem Baseballspielplatz entfernt, dass ich das Interesse an diesem Spiel völlig verloren hatte.
Ich selbst besaß nicht viele Bücher, dafür hatte aber jeder von den anderen Kumpels eine ganze Anzahl. Der eine einen Band Darwin, ein anderer Voltaire, Shakespeare, Byron, Burns oder Milton. Für diese Schriftsteller zeigte mein Stiefvater große Vorliebe. Die Bücher, die zusammen eine ziemlich wertvolle Bibliothek ausmachten, wurden gegenseitig ausgetauscht. Einige Kameraden waren außerdem auf Zeitschriften abonniert, und auch vier bis fünf Tageszeitungen kamen zu uns. Dass sie sieben Tage alt waren, störte uns wenig.
Ich besaß einen Freund, von dem ich noch nicht erzählt habe. Er hieß Tim und war ein Schäferhund, aber größer als ein gewöhnlicher Schäferhund, mit hellen braunen Augen, schwarzem, braungesprenkeltem Fell und einem weißen Fleck am Halse. Tim war schnell und kräftig. Sein ganzes Gebaren, sein Schwanzwedeln, sein freudiges Gebell, wütendes Brummen, klagendes Winseln oder merkwürdiges tiefes Knurren wurde mir mit der Zeit sehr vertraut, und es war etwas in Tim, das mich an ein menschliches Wesen gemahnte. Jedenfalls war er ein prächtiger Gefährte für einen Jungen, der wie ich sechzig Meilen von der Eisenbahn und vier Meilen vom nächsten Nachbar entfernt bei einer Grube lebte. Den einzigen Jungen in dieser Gegend sah ich nur hin und wieder, aber Tim war die ganze Zeit bei mir. Wir beide erlebten gemeinsam viele Abenteuer. Ich stand ihm in vielen erbitterten Kämpfen mit Luchsen, Wildkatzen und Dachsen bei.
John Kane, der Metallprüfer und Sortierer unserer Grube, mochte mich sehr gut leiden und lehrte mich, Erzprüfungen vorzunehmen. Er war ein großer, kräftig gebauter, gutmütiger Ire mit einem dichten, schwarzen Schnurrbart und braunen Augen. Wenn ich mit ihm arbeitete, half ich ihm beim Herrichten der zur Untersuchung bestimmten Erzproben.
Die verschiedensten Formen und Prozesse wurden angewandt, um die Erze auf ihren Gehalt an Gold, Silber, Blei, Kupfer usw. zu untersuchen. Diese ersten kleinen Entdeckungsfahrten in das Reich der Chemie weckten in mir den Wunsch, Bergwerksingenieur zu werden. Ich beschloss, diesen Beruf zu erlernen und wandte mich an die Bergbauschule in Houghton und an die Columbia-Schule, um ihre Aufnahmebedingungen zu erfahren. Außerdem verschaffte ich mir einige Bücher über Metallprüfungen und -messungen und verwandte viel Zeit auf das Studium. Aber ich bin niemals in eine dieser Schulen eingetreten; andere Pflichten fielen mir zu, und meine weitere Ausbildung erfuhr ich in der Schule der praktischen Erfahrung.
Eines Morgens, als ich auf meinem Wege zur Poststalion das ausgetrocknete Flussbett hinuntermarschierte, sah ich vor Andy Ennigers Haus am Eingang des Ortes Willow Creek mehrere gesattelte Pferde und eine Menge Leute. Ich eilte hinzu und vernahm, dass Kinniger erschossen worden war und dass der Wundarzt von Fort McDermitt eben versuchte, die Kugel zu finden, die irgendwo im Schädel des Toten steckte. Ich bewunderte die Geschicklichkeit, mit welcher der Arzt die Schädeldecke abhob, um herauszufinden, in welcher Gehirnwindung die Kugel lag.
Kinniger war irgendwann am Abend vorher erschossen worden, während er gegen eine Weidengruppe gelohnt auf einem Stuhl saß. Später wurde festgestellt, dass Kinniger vom „Einarmigen Jim", einem Piute-Indianer, getötet worden war. Dieser wurde verhaftet, vor Gericht gestellt und zum Tode durch den Strang verurteilt. Niemand konnte einen Grund für die Tat des Indianers finden, und jeder meinte, sie sei zufällig geschehen. Man ließ eine Petition zirkulieren, und das Urteil gegen den einarmigen Jim wurde in lebenslängliche Haft umgewandelt, die er im Zuchthaus von Carson verbringen musste. Dort sah ich ihn viele Jahre später, als ich in den Kerker kam, um Preston und Smith, zwei Bergarbeiter aus den Goldfeldern, deren Geschick ich noch erzählen werde und die dort ihre lebenslängliche Zuchthausstrafe verbüßten, zu besuchen.
Die Leute im Grenzland waren recht gesellig. Ein Tanzvergnügen war ein großes Ereignis. Es wurde gewöhnlich wochenlang vorbereitet, und die Teilnehmer kamen aus einer Entfernung von dreißig bis vierzig Meilen im Umkreis zusammen. Es war nichts Seltenes, dass die Viehzüchter mit ihren Familien von den entlegensten Ranches zum Tanz herbeieilten, die ganze Nacht und den nächsten Tag durchtanzten und dann wieder nach Hause fuhren. Was die Tänzerinnen anbelangt, so waren es Mädchen und ältere Frauen von den Ranches, und manchmal nahmen auch indianische Squaws am Fest teil. Ich erinnere mich noch an einen improvisierten Tanz in Kinnigers Wirtschaft, zu dem Mrs. Snapp von der Station in Rebel Creek auf einer dreisaitigen Fiedel aufspielte, begleitet von Tom Melody, der aus einer mit ein paar Bohnen gefüllten Zigarrenschachtel ein Tamburin hergestellt hatte.
Interessanter aber waren die Indianertänze, wenn sich die Indianer auf einem vom Salbeigestrüpp gesäuberten kreisrunden Platz zu ihrem Pow-Wow trafen und den Schnecken-, den Geister-, den Sonnentanz oder irgendeinen anderen ihrer geheimnisvollen Tänze aufführten. Die einzige Musik dazu waren das Tönen der Trommeln und der Gesang der Squaws. Ihre Weisen waren klagend und phantastisch und schienen mir alle ziemlich ähnlich zu klingen. In der Nacht, wenn das Feuer angezündet war, wirkten die hypnotisierenden Rhythmen der Trommeln und die federnden, schwebenden Tanzschritte der Indianer, von dem leisen summenden Gesang der Frauen begleitet, schaurig und zauberhaft. Die Geschichte vom Massaker unter den Piute-Indianern auf dem Thacker-Paß vernahm ich einmal von Jim Sackett, der als einer der Freiwilligen bei dem großen Morden mitgemacht hatte. Später erzählte sie mir der Piute Ox Sam, einer von den drei einzigen Überlebenden. Das erste Mal hörte ich die haarsträubende Geschichte, als der alte Sackett zufällig auf Besuch in die Ohio-Grube kam. Die Indianer, so erzählte er, hätten im ganzen südlichen Oregon und nördlichen Nevada viele Plündrereien durchgeführt, welche die Weißen dazu veranlassten, eine Freiwilligenkompanie zu organisieren, die, wie Sackett sagte, dem gegenseitigen und gemeinsamen Schutze dienen sollte. Die Angehörigen dieser Kompanie waren im ganzen Bezirk als die besten Indianerkämpfer berühmt. Ihr Standort war Fort McDermitt; von dort aus durchstreiften sie das Land nach Indianern. McDermitt lag am Westabhang der Santa-Rosa-Gruppe, an der Mündung eines Nebenflusses des Quin River. Sackett war ein alter Rentenempfänger, der im Lande umherzog und nicht mehr viel arbeitete, da er schon zu alt war, um noch etwas zu leisten. Es gab nur noch wenige Menschen seines Schlages. In den Bergen war er ebenso zu Hause, wie in den Hütten der Goldsucher oder auf den Ranches, die längs des Flusses im Tale lagen. Er trug langes, graues Haupthaar und einen langen, grauen Bart; seine Augen waren schwach und sahen aus, als wären sie vom Alkalistaub wund. Beim Sprechen pflegte er den Tabaksaft nach einem bestimmten Ziel, das er sich zur Schießscheibe ausgesucht hatte, zu spritzen, und traf es auch mit bemerkenswerter Genauigkeit. Er berichtete über das Ereignis:
„An dem Tag hatten wir an der Mündung des Willow-Baches unser Lager aufgeschlagen, gerade oberhalb der Stelle, wo jetzt Andy Kinnigers Haus steht. Wir wollten uns gerade schlafen legen, als plötzlich Rufe nach den
Stiefeln und Sätteln laut wurden. Was war los? Die Mannschaft war sehr schnell zum Aufbruch gerüstet, die Maultiere waren beladen und die Pferde gesattelt. Der Führer trat zu uns, zeigte über das Tal hinweg in der Richtung des jetzigen Thacker-Passes und sagte: ,Seht mal da drüben. Wenn ihr genau hinseht, findet ihr ein Feuer. Als es noch hell war, kam es mir schon so vor, als wäre dort Rauch zu sehen, aber jetzt sehe ich das Feuer ganz deutlich. Es ist ein Indianerlager. Bis zum Tagesanbruch müssen wir hinkommen. Sobald es etwas dunkler wird, brechen wir auf.' Es war ein langer Ritt durch die mit Salbeigestrüpp bewachsenen Sandebenen und über Wiesen, bis wir zum Fluss kamen, den wir durchschwimmen mussten. Wieder kamen Wiesen und Salbeisteppen. Ein Pferd trat in ein Dachsloch und brach ein Bein; wir konnten es erst am nächsten Tag töten. Die Indianer hätten den Schuss gehört, und wir hatten keine Veranlassung, sie zu alarmieren. Die Kompanie teilte sich: eine Gruppe ritt weiter den Pass hinunter bis an das Lager, eine kleine Abteilung wurde mit den Packtieren und Reservepferden zurückgelassen, der Rest ritt den Pass hinauf.
Der Tag brach eben an, als wir in Sichtweite des Indianerlagers kamen. Alle schliefen. Wir machten unsere Karabiner los, entsicherten unsere sechsschüssigen Pistolen und ritten im Galopp in das Lager der Wilden; dort schossen wir in ihre Reisighütten hinein. Im Nu stürzten verschiedene Squaws und Kerle und kleine Kinder durcheinander, betäubt von dem plötzlichen Angriff, aber sie wurden niedergeschossen, bevor sie überhaupt noch recht wussten, was los war. Dann kam auch unsere zweite Abteilung, schoss aber erst, als sie nahe herangekommen war. Wir sprengten von einer Hütte zur nächsten und überschütteten sie mit unseren Kugeln.
Dann erst stiegen wir ab und sahen uns um. Dabei fanden wir zwei kleine Indianerkinder, die noch am Leben waren. Einer der Soldaten meinte: ,Wir machen gleich reinen Tisch. Aus Nissen werden Läuse.' Da fiel Charley Thacker ein: ,Ich möchte die zwei Babys behalten, wenn niemand etwas dagegen hat.' Bevor noch die Sache entschieden war, schrie jemand: ,Da macht sich einer aus dem Staub.' Der Indianer war schon eine Meile weg mit seinem großen, grauen Pferd, das wie der Wind davonraste. Einer von uns schoss ihm nach, mehrere warfen sich auf die Pferde und galoppierten hinter ihm her. Aber es war zu spät, er entkam. Die Verfolger kehrten bald zurück. Den Indianern, die nur verwundet waren, verhalfen wir zu einem schnellen Ende ihrer Leiden, dann stiegen wir auf und ritten fort. Charley Thacker nahm seine zwei Indianerkinder mit." Diese Kinder wuchsen unter dem Namen Jimmy und Charley Thacker auf. Als ich sie kennen lernte, waren sie zum Nomadenleben der Indianer zurückgekehrt. Beide waren prächtige, kräftige Burschen und wahrscheinlich viel bessere Menschen als diejenigen, von denen ihre Väter und Mütter, Verwandten und Freunde hingemordet worden waren.
Die Erzählung des alten Sackett ließ mir die bewunderten Indianerkämpfer in ihren Hirschlederhosen, von denen ich in Zehn-Cent-Magazinen so viel gelesen hatte, in einem ganz anderen Licht erscheinen. Niemals hatte ich in diesen Geschichten mit Herzklopfen davon gelesen, dass Frauen und kleine Kinder mitten aus dem Schlaf heraus gemordet wurden. Der alte „Freiwillige" mit seinen Heldentaten konnte mir von da an nicht mehr imponieren und sank noch weiter in meiner Achtung, als mir Ox Sam nach einigen Monaten in seinem gebrochenen Englisch von den Geschehnissen am Thacker-Passe erzählte. Er fügte sachlich nichts Neues zur Geschichte hinzu, aber sie klang aus dem Munde eines der Opfer des Massenmordes ganz anders. Der alte Indianer hockte eines Tages auf einem Sack Holzkohlen vor der Tür der halbverfallenen Hütte, die wir als Metallprüfungsraum benutzten. Ich setzte mich neben ihn und fragte, wie es seiner Squaw Maggie und seinen Papoos (Anm.: Indianerbabys.) gehe. „Ganz gut", antwortete er. Ich bat: „Sam, erzähle mir vom Thacker-Pass." Mit abwesendem Blick sah er auf und murmelte: „Lange Zeit her. Jetzt nicht viel darüber reden." Aber ich drängte: „Sam, ich möchte wissen, warum die Weißen die Indianer töteten. Weißt du es?" Sam zog die Brauen zusammen. „Ja, ich wissen. Du nicht wissen?" Ich verneinte seine Frage. Darauf begann Sam:
„Vor langer Zeit, als ich geboren, vielleicht noch früher, kein weißer Mann in Nevada. Damals Piute leben ganz gut. Im Frühling viele Fische fangen, trocknen, räuchern. Viele Enten, viele Gänse, auch räuchern. Im Herbst Hirsche töten, Fleisch in Streifen schneiden und an Luft trocknen. Beim ersten Frost viele Tannenzapfen sammeln. Immer viele Hasen, Steppenhühner. Piuten nicht kennen große Ranch, keine Farm haben, trotzdem ganz gut leben. Manchmal Bannock, manchmal Schoschone ihm Squaw stehlen. Wir mit ihnen kämpfen. Manchmal Piute stehlen Schoschone- oder Bannock-Squaw, kämpfen ziemlich gut. Manchmal großes Spiel machen; manchmal großen Tanz; manchmal großen Pow-Wow. Heiß, kalt, macht nichts. Piute leben. Wenn er sterben, machen ihm großen Steinhügel, er drin bleiben. Bekommen Pfeil und Bogen, gutes Messer, töten guten Pony, Piute gehen selige Jagdgründe. Alles gut. Weißer Mann, er kommen, er machen kleine Farm,
manchmal heiraten Piute-Squaw. Das ganz gut. Blut mischen macht nichts, das wie Bannocks, Schoschone. Das ganz gut. Ziemlich bald mehr weiße Mann kommen. Er Aufseher; er ganz gut. Ich nicht verstehen: immer Löcher bohren, große Steine auftürmen, mehr Löcher bohren. Er nicht lange an einem Ort bleiben. Soldaten kommen. Ich nicht verstehen Soldat. Er keine Farm haben, er keine Löcher bohren, er nichts tun; immer sagen: ,Onkel Sam'. Alle ein Haus leben, keine Frau. Ich nicht verstehen. Immer sagen, ,Squaw, Squaw'. Er Feuerwasser haben, Piute geben; wenn sie Indianer verrückt machen, weiße Mann nichts fragen. Alle Indianer haben großen Pow-Wow, Häuptling sagen: ,Was jetzt los?' Zu viel Unruhe immer. Indianer lieben Feuerwasser. Feuerwasser ihm nicht gut. Soldaten geben Indianer Feuerwasser. Nicht lieben Feuerwasser. Indianer ihm Nerzfell, Dachsfell verkaufen, verschiedene Felle verkauf en. Auch Squaw für Feuerwasser verkaufen. Nach und nach Indianer verrückt. Kein Feuerwasser mehr, trotzdem verrückt. Häuptling sagen: Soldaten nicht gut; Indianer sagen: alle Weißen nicht sehr gut. Bald Weiße Piuten töten. Indianer nicht viel wissen, er weißen Mann töten. Das ziemlich schlechte Zeit. Soldaten jagen Piute wie Präriewolf.
Das die Zeit von Thacker-Pass. Viele Indianer gehen Quin River, wollen nach Enten, Gänsen tauchen. Diesen Morgen, Soldaten kommen schnell, schießen, schießen. Ich schneide Fell von Hütte hinten auf, laufe schnell und springe auf großes weißes Pferd, reite schnell; Soldaten mich nicht fangen, mich nicht erschießen. Ich Disaster Peak reiten. Lange Zeit versteckt. Mein Vater, meine Mutter, meine Schwestern, meine Brüder ich nicht mehr sehen. Lange Zeit vorbei. Jetzt nicht viel darüber reden."
Der alte Sam endete mit zitternder Stimme und feuchten Augen. „Ja, ich wissen, ich wissen." Ich ergriff seine Hand: „Bleib noch ein Weilchen, Sam. Wir haben bald Mittagbrot."
In der kurzen Geschichte, die Ox Sam, der Piute-Indianer, mir erzählte, lag Tiefe und große historische Bedeutung. Sie begann zur Zeit, als die ältesten Ansiedler die Manhattaninsel raubten. Sie wiederholte sich immer wieder. Mit Glasperlen und schlechtem Whisky, mit Bibeln und Gewehren führte die herrschende Klasse das Massaker weiter, von einem Ende des Kontinents bis zum anderen.
Männer in unserer Lage schließen manchmal enge Freundschaft. So war es auch zwischen mir und Pat Reynolds. Pat war der Älteste unter uns. Er war groß, stark und knochig. Er hatte einen roten Backenbart, buschige Augenbrauen und ein rotes Mal am äußeren Winkel des linken Auges. Dieser alte Ire führte mich in die Gewerkschaftsbewegung ein. Pat war Mitglied der „Ritter der Arbeit", und manches, was er mir über diese Organisation erzählte, konnte ich damals nicht ganz verstehen. Ich hatte niemals davon gehört, dass die Arbeiter sich zur gegenseitigen Unterstützung organisieren müssen. In unserem Teil des Landes schien kein großer Unterschied zwischen dem Boss und den Arbeitern zu bestehen. Der alte Mann, der als Boss galt, schlief im selben Zimmer und saß am gleichen Tisch und trat ebenso auf wie die übrigen. Aber Pat erklärte mir, dass er gar nicht der wirkliche Boss sei, dass niemand von uns den Besitzer der Grube kenne. Er zählte mir die großen Ranches in der Umgebung auf und sagte: „Die Besitzer leben in Kalifornien, aber die Menschen, die die ganze Arbeit leisten und Profit für die Ranches und Gruben schaffen, sind hier in Nevada." Er erzählte mir von den
Gewerkschaften, denen er angehört hatte: vom Bergarbeiterverband in Bodie, Kalifornien, und von dem 1867 organisierten Bergarbeiterverband von Virginia City in Nevada, dem ersten Bergarbeiterverband in Amerika. Diese zwei Gewerkschaften gehörten zu den ersten, die später die Bergarbeiterföderation des Westens bildeten. Erst nach einiger Zeit verstand ich die volle Bedeutung einer Bemerkung, die er gemacht hatte, dass die Arbeiterklasse nur durch die Arbeiter selbst befreit werden könne. Anfang Mai 1886 wurde mir dieser Gedanke noch klarer, als ich in den Zeitungen die Berichte über die Unruhen auf dem Haymarket in Chicago verfolgte und später die Reden der Angeklagten vor Gericht las. Tag für Tag besprach ich mit Pat Reynolds alle Tatsachen und Einzelheiten. Ich versuchte in Gedanken, mir die Gründe für die Explosion zu erklären. Waren die Streikenden dafür verantwortlich? Waren es die Männer, die ihre Wortführer waren? Warum waren die Polizisten auf dem Haymarket gewesen? Wer hatte die Bombe geworfen? Albert Parsons oder einer seiner Bekannten war es sicher nicht; wenn er es wirklich gewesen wäre, warum hätte er sich dann selbst dem Gericht gestellt? Wer waren diejenigen, denen so darum zu tun war, diese Männer, die sie Anarchisten nannten, an den Galgen zu bringen? Gehörten sie zu derselben Kapitalistenklasse, von der Pat Reynolds ständig mit mir sprach? Mir gingen August Spies' letzte Worte nicht aus dem Kopf: „Es wird eine Zeit kommen, da unser Schweigen mächtiger sein wird als die Stimmen, die ihr heute erwürgt." Es war ein Wendepunkt in meinem Leben. Ich eröffnete Pat, dass ich der Organisation der „Ritter der Arbeit" beitreten wollte. Von dieser Zeit an fühlte ich mich als Mitglied, obwohl ich niemals Gelegenheit fand, mich wirklich aufnehmen zu lassen.
Bald darauf fuhr ich zum ersten Mal, seit ich in dem Bergwerk arbeitete, auf Besuch nach Hause. Nach einigen Wochen kehrte ich nach Nevada zurück. Das folgende Jahr war ein Jahr der finanziellen Krisen, und Störungen dieser Art bringen Rückschläge für die Bergarbeiter ebenso wie für die Arbeiter in anderen Industrien. Die Ohio-Grube wurde geschlossen; nur ich allein wurde zu ihrer Bewachung zurückgelassen. Nach einiger Zeit kehrte ich nach Utah zurück und fand Arbeit in der Brooklyn-Grube. Ich hatte die Kessel zu heizen, den Förderkorb zu bedienen und über Tage den Schutt und das Erz wegzuräumen. Zeitweise arbeitete ich in dem so genannten Mormonen-Stollen, dessen Name davon herrührte, dass die meisten der dort beschäftigten Arbeiter aus dem San-Pete-Tal, einem streng mormonischen Gebiet, kamen. In dieser Grube, in der Blei gefördert wurde, arbeitete ich an verschiedenen Stellen. Es war ein ständiges Kommen und Gehen zwischen der Grube und dem Krankenhaus, denn viele Arbeiter litten an Bleivergiftung. Gegen diese schwere Berufskrankheit waren keine Vorbeugungsmaßregeln getroffen. Die Bergarbeiter dieses Reviers wurden nach Salt Lake City in Spitäler geschickt, die sie selbst unterhalten mussten. Jedem Kumpel wurde monatlich ein Dollar Spitalbeitrag abgezogen. Auch die Fahrt zum und vom Spital mussten sie selbst bezahlen. So eine Gruppe von Bleiarbeitern mit ihren aschbleichen Gesichtern ist ein schauriger Anblick.
Außer dem Rheumatismus, der Schwindsucht, der Bleivergiftung und anderen Krankheiten ist ein Bergarbeiter noch vielen Gefahren ausgesetzt. Eine davon ist die ständige Möglichkeit von Steinschlägen, wenn eine Grube nicht genügend ausgezimmert ist. Ich arbeitete ganz nahe bei Louis Fontaine, als er von einer herunterstürzenden Felsplatte getötet wurde, die seinen Kopf an dem von ihm gehaltenen Bohrer zerschmetterte. Wir schafften den Leichnam auf einen Bretterwagen, fuhren ihn zum Förderschacht und taten alles, was von Louis übrig geblieben war, in den Förderkorb. Dann läuteten wir dreimal die Glocke zur Auffahrt. Zur Zeit, als ich in der Brooklyn-Grube arbeitete, ließ ich meine Braut, Jane Minor, aus Nevada kommen. Wir heirateten und ließen uns in Salt Lake City nieder, wo auch unser erstes Kind geboren wurde, ein Junge, der bei der Geburt starb. Kurz nachher kehrten wir nach Nevada zurück, wo ich einige Zeit für Thad Hoppin bei den Abschätzungen mitarbeitete und nach Erz schürfte. Später arbeitete ich eine Zeitlang als Cowboy auf Hoppins Ranch.
Das Leben eines Cowboys ist nicht so lustig und abenteuerlich, wie es im Film gezeigt und in billigen Romanen beschrieben wird oder wie man es auf Weltausstellungen sehen kann. Den Kühen das Zeichen der Farm einbrennen oder halbwilde Pferde zureiten - das alles sieht ohne Zirkuspolitur, ohne Musik und die Hurras der Menge ganz anders aus. Die Arbeit des Cowboys beginnt bei Tagesanbruch. Wenn er gerade auf der Ranch selbst beschäftigt ist, springt er aus dem Bett, fährt in seine Hosen und Stiefel, setzt den Hut auf und geht zum Stall, um seine Sattelpferde zu füttern. Er setzt seinen ganzen Stolz darein, nichts zu Fuß zu tun. Dann wäscht er sich an der Pumpe und setzt sich an seinen Platz am langen Tisch, der von dem chinesischen Koch mit einem Berg von Beefsteaks, Kartoffeln und Plinsen mit „langer Butter" gedeckt wird. Diese „lange Butter" ist eine Art Mehltunke, denn auf einer großen Ranch mit mehreren Tausenden Stück Vieh gibt es oftmals keine einzige Milchkuh und keine Butter, außer der, die aus der viele Meilen weit entfernten Stadt herangeschafft wird.
Auf einer Ranch hat der Cowboy, je nach der Jahreszeit, verschiedene Arbeiten zu verrichten. Das Vieh wird nicht geweidet oder in Herden gehalten, sondern läuft wild auf den Bergen und in den Salbeisteppen umher. Im Frühling und im Herbst wird es eingefangen, eine Arbeit, die „Rodeo" genannt wird. Dieses und noch andere im Südwesten allgemein gebräuchlichen Worte stammen aus der Zeit, als dieser Teil des Landes eine spanische Kolonie und Spanisch die allgemeine Umgangssprache war.
Die Zeiten der „Rodeos" waren immer die interessantesten für den Cowboy, wenn auch hart und anstrengend. Zum „Rodeo" kamen die Cowboys von allen Ranches in einem Umkreis von hundert Meilen oder mehr mit ihren Sattelpferden zusammen. Am Ufer eines Flusses oder in der Nähe einer Quelle wurde für die ganze Mannschaft das Lager aufgeschlagen. Manchmal waren wir aber auch gezwungen, an einer trockenen Stelle zu kampieren, und dann musste im Notfall das Wasser in Fässern herbeigeholt werden.
Am nächsten Morgen, nach dem Frühstück, ging es dann in die Berge. Die einen wählten diesen Canyon, die anderen jenen. Der Ritt führte bis zu den höchsten Gipfeln, dann kehrten wir um und trieben das gesamte Vieh in dem Gebiet vor uns her. Unten im Tal wurde die Herde dann eingekreist. Fünfzig bis hundert Cowboys umzingelten mehrere hundert Stück Vieh. Einige Cowboys von der größten Ranch ritten in die Herde hinein und trieben die Kühe mit ihren Kälbern heraus. Jede Kuh war an den Brandmalen und Ohrzeichen erkennbar. Dann mussten die Cowboys von jeder Ranch die Kälber mit dem Brandmal und dem Ohrzeichen der
Farm, auf der sie beschäftigt waren, versehen. Die Aufteilung wurde fortgesetzt, bis alle Kühe und Kälber aus der Herde herausgesucht waren. Das übrige Vieh wurde dann wieder in die Berge zurückgetrieben. Während der ganzen Prozedur war nur das Blöken und Schreien der Kühe und Kälber zu hören, sonst war Stille; wir konnten während der Arbeit wenig sprechen, da der aufgewirbelte Staub uns fast erstickte. Inzwischen fuhr der Proviantwagen zum nächsten Lagerplatz. Dieses Einfangen des Viehs dauerte mehrere Wochen; wir ritten die eine Seite des Tales hinauf und die andere hinunter. Ein zweites Mal wurde das Vieh jedes Jahr im Herbst zusammengetrieben, um die Jungtiere für den Markt einzufangen.
Wilde Pferde sind flinker als das Rindvieh und schwieriger zu behandeln. Wenn wir Pferde im Kreis zusammengetrieben hatten, wurden diejenigen, die wir an Geschirr und Sattel gewöhnen wollten, bis zum Herbst oder Winter auf dem Feld oder im „Corral" gehalten. Während dieser Zeit wurden sie zur Arbeit angelernt oder zugeritten, die erheiterndste Seite unseres Cowboylebens. Die Behandlung und das Einreiten der wilden Pferde war etwas sehr Aufregendes, nicht nur für die Reiter, sondern auch für die Zuschauer. Einige Pferde waren äußerst bösartig, bissen, schlugen heftig aus, ganz zu schweigen von den Tücken, die sie während der Brunstzeit offenbarten.
„Heute reite ich den roten Hengst zu", sagte Tom Minor, mein Schwager, eines Morgens, als wir im Schlafhaus von Hoppins Ranch aus den Betten krochen. „Ich wette, er wird allerhand Sprünge machen", bemerkte John White.
„Oh, ich weiß nicht", antwortete Tom, „ich glaube, er wird so bequem wie ein Schaukelstuhl sein."
Nach dem Frühstück gingen sechs oder acht Cowboys hinaus zum „Corral". Es war ein strahlend schöner Morgen, klar und etwas frostig. John White ging mit einem Lasso über dem Arm auf die Pferde zu: „Sie sind heute reichlich übermütig, Tom", sagte er, schlang sein Lasso um den Hals eines flinken Rotschimmels und setzte sich auf das andere Ende. Zwei Burschen liefen hinzu, um ihm zu helfen, und Minor näherte sich dem Pferd, während seine Hände am straff gespannten Lasso entlang glitten.
„Hüh, Schaukelstuhl", schnurrte Tom und streckte seine Hand nach dem Hengst aus, der weder an seinen neuen Namen, noch an den Geruch von Menschen gewöhnt war. Das Pferd bäumte sich und schlug mit beiden Vorderfüßen aus. Nach wiederholten Anstrengungen und vielem Streicheln wurden ihm endlich der Halfter über den Kopf geworfen und lederne Scheuklappen über die Augen gezogen. Das Lasso wurde abgenommen. Der Hengst stand da, an jedem Nerv bebend. Tom murmelte immer wieder: „Hüh, Schaukelstuhl!" Von der Seite und von vorne her drängten die Cowboys das Pferd in die Nähe des Zaunes und banden es an einen Pfahl. Tom warf ihm eine Decke über, aber das ungebärdige Füllen schlug aus, schnaufte und bäumte sich so lange, bis es sie wieder abgeworfen hatte. Dies wurde viele Male wiederholt, bis der Hengst wohl einsah, dass ihm nichts geschehen würde, und er auf das offene Feld geführt werden konnte, wo er sich nach geduldiger Überredung Zaum und Sattel anlegen ließ. Minor schnallte sich seine großgezackten Sporen an, fasste die Reitpeitsche mit der Rechten und die Zügel mit der Linken, stützte sich mit dieser auf den Sattelknauf, steckte seinen Fuß in den Steigbügel und saß oben! Er langte nach vorn und zog die Scheuklappen in die Höhe, versetzte dem Hengst einen Schlag mit der Peitsche, und „Schaukelstuhl" begann sich zu bäumen und, den Kopf zwischen die Vorderbeine gesteckt, mit allen vieren auszuschlagen. Als Minor ihm die Sporen gab und ihn mit der Peitsche schlug, wölbte sich sein Rücken wie ein Kamelhöcker. White rief aus: „Heiliger Strohsack! Kann der sich bäumen! Ein schöner Schaukelstuhl!" Das Pferd wand sich, lief im Zickzack, bäumte sich, kurz, es tat alles, was ein Pferd nur tun kann, außer sich am Boden zu wälzen. Als es vollkommen erschöpft war, führte Tom es zum „Corral" zurück und stieg ab. Einer der Burschen nahm „Schaukelstuhl" in Empfang und sattelte ihn ab. Minor erklärte den anderen, die kamen, um ihm die Hand zu schütteln: „Das ist ein zäher Bursche. Den heben wir uns für die Umzingelung von Pendieton auf."
Die Cowboys und Bergarbeiter des Westens führten ein trauriges und einsames Leben. Sie waren von den großen Zentren der Zivilisation nach dem Westen gefahren und hatten den Kontakt mit dem gesellschaftlichen Leben verloren. Jung und kräftig, von überschäumendem Temperament, machten sie sich manchmal in wilden Trinkgelagen und Schießereien Luft. Da das Land noch fast unbesiedelt war, fehlte es ihnen an Frauengesellschaft, und wenn sie die kleinen, an der Eisenbahnstrecke gelegenen Städte besuchten, ließen sie ihren überquellenden Gefühlen gern freien Lauf. Wir waren immer fleißig auf der Ranch von Hoppin. Je nach der Jahreszeit wurden die Schafe geschoren oder die Pferde zugeritten, das Rindvieh zusammengetrieben oder mit Heumachen die Tage verbracht. Zu dieser Zeit wurde das Fort McDermitt aufgelassen. Es gab nirgendwo in der Nähe ein Industriezentrum, und die Indianer waren eigentlich alle aufgerieben. Mein
Schwiegervater wurde als Wächter für die staatlichen Besitzungen angestellt. Meine Frau und ich fuhren voraus und lebten in dem alten verlassenen Fort, bis die ganze Familie von Willow Creek dorthin übersiedeln konnte.
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