7. Sterni
»Die erste Frage, die der Vertreter der Statistikzentrale gestellt hat«, begann Sterni in seinem mathematisch-sachlichen Tonfall, »die Frage nach der Wahl des Planeten für die Kolonisation, bedarf keiner Entscheidung, weil sie längst entschieden ist, entschieden von der Wirklichkeit. Es gibt keine Wahl. Von den beiden erreichbaren Planeten eignet sich nur einer für die Massenkolonisation. Das ist die Erde. über die Venus gibt es viel Literatur, die Ihnen natürlich bekannt ist. Aus allen dort angeführten Daten ist zu schließen: Vorläufig können wir die Venus nicht besiedeln. Die sengende Hitze würde unsere Kolonisten peinigen und entkräften, die schrecklichen Stürme und Gewitter würden unsere Bauten zerstören, unsere Sternschiffe fortreißen und sie an den Gebirgen zerschellen lassen. Die Raubtiere könnten wir bezwingen, allerdings um den Preis nicht geringer Opfer, doch die sehr formenreiche Bakterienwelt ist uns kaum bekannt — und wie viele neue Krankheiten birgt sie in sich? Die Oberfläche der Venus gärt noch, wie viele Erdbeben, Vulkanausbrüche, überschwemmungen hätten wir zu gewärtigen? Vernünftige Wesen sollen nichts Unmögliches unternehmen. Der Versuch, die Venus zu kolonisieren, würde zahllose, aber nutzlose Opfer kosten, keine Opfer für die Wissenschaft und das allgemeine Glück, sondern Opfer der Unvernunft und der Träumerei. Diese Frage scheint mir klar zu sein, und der Bericht der letzten Venusexpedition zerstreut alle Zweifel.
Wenn man also Massen umsiedeln will, dann nur auf die Erde. Dort sind die Voraussetzungen sehr günstig und die Naturreichtümer unermesslich — sie übersteigen diejenigen unseres Planeten um das Achtfache. Die Kolonisation ist schon von menschlichen Wesen vorbereitet worden, wenn diese auch auf einer niederen Kulturstufe stehen. Das alles ist auch der Statistikzentrale bekannt. Wenn sie uns trotzdem die Frage nach der Wahl des Planeten vorlegt und wir eine Erörterung für notwendig erachten, dann ausschließlich aus dem Grunde, weil es dort ein sehr ernsthaftes Hindernis gibt. Das ist die irdische Menschheit.
Die dortigen Menschen beherrschen die Erde, sie werden keineswegs freiwillig weichen und uns einen bedeutenden Teil des Planeten abtreten. Das geht aus dem Charakter ihrer Kultur hervor. Sie beruht auf dem Eigentum, das durch organisierte Gewalt geschützt wird. Obwohl selbst die zivilisiertesten Stämme tatsächlich nur einen winzigen Teil der ihnen zugänglichen Naturkräfte ausbeuten, wird ihr Streben nach der Eroberung neuer Territorien niemals geringer. Der systematische Raub von Land und Besitz weniger zivilisierter Stämme heißt bei ihnen Kolonialpolitik und wird als eine Hauptaufgabe der staatlichen Organisation betrachtet. Man kann sich vorstellen, wie man den natürlichen und vernünftigen Vorschlag aufnehmen würde, uns einen Teil des Festlands abzutreten, wofür wir die dortigen Menschen lehren würden, den übrigen Teil unvergleichlich besser zu nutzen. Für sie ist Kolonisation nur eine Frage roher Gewalt. Ob wir wollen oder nicht — sie zwingen uns, uns ihnen gegenüber ebenfalls .so zu verhalten.
Es geht nicht einfach darum, ihnen unsere übermacht einmal zu beweisen — das wäre relativ einfach und erforderte nicht mehr Opfer als jeder beliebige von ihren unsinnigen Kriegen. Große, auf Mord dressierte Menschenherden, die Armeen heißen, wären das geeignetste Objekt für eine solche unvermeidliche Gewaltanwendung. Jedes Sternschiff könnte mit den tödlichen Strahlen, die beim beschleunigten Radiumzerfall entstehen, in wenigen Minuten ein bis zwei solcher Herden vernichten, und das würde der irdischen kulturellen Entwicklung eher nützen als schaden. Aber leider ist die Sache nicht so einfach, und die Schwierigkeiten würden erst mit dem Moment beginnen.
Im ewigen Kampf unter den Stämmen ist auf der Erde eine psychologische Besonderheit entstanden, die Patriotismus heißt. Dieses unbestimmte, aber starke und tiefe Gefühl enthält boshaftes Misstrauen gegenüber allen anderen Völkern und Rassen, die elementare Gewöhnung an das eigene Milieu, besonders das Territorium, mit dem die irdischen Stämme verwachsen sind wie eine Schildkröte mit ihrem Panzer, und einen kollektiven Dünkel und oft wohl auch ein Verlangen nach Gewalt, Vernichtung und Eroberungen. Der patriotische Seelenzustand wird nach militärischen Niederlagen außerordentlich verstärkt und verschärft, besonders wenn die Sieger den Besiegten einen Teil des Territoriums wegnehmen. Dann wird der Patriotismus der Besiegten zu verbissenem Hass, und die Rache wird zum Lebensideal eines ganzen Stammes, nicht nur seiner übelsten Elemente, der >oberen< oder herrschenden Klassen, sondern auch der besten Vertreter, der arbeitenden Massen.
Wenn wir also einen Teil der Erdoberfläche gewaltsam erobern, würde sich die gesamte dortige Menschheit in einem Gefühl von irdischem Patriotismus vereinen, unsere Kolonisten würden dem schonungslosen Hass und der abgrundtiefen Bosheit der Erdenmenschen begegnen; die Vernichtung unserer Siedler, auf welche Weise auch immer, selbst durch Verrat, würde eine geheiligte, edle Heldentat sein, die unsterblichen Ruhm verspräche. Das Leben unserer Kolonisten würde völlig unerträglich werden. Wir alle wissen, dass es sogar für niedere Kulturen leicht ist, Leben zu zerstören. Im offenen Kampf wären wir unvergleichlich stärker als die Erdenmenschen, aber bei unvermuteten überfällen könnten sie uns ebenso erfolgreich töten, wie sie das untereinander tun. übrigens ist die Kunst des Mordens bei ihnen unvergleichlich höher entwickelt als alle anderen Seiten ihrer Zivilisation.
Zusammen mit den Erdenmenschen und mitten unter ihnen zu leben wäre also unmöglich; wir müssten vor Verschwörungen auf der Hut sein und wären ihrem Terror ausgesetzt, unsere Siedler lebten in ständiger Gefahr und würden unzählige Opfer bringen. Also müssten wir die Erdenmenschen aus allen von uns benötigten Gebieten aussiedeln — Dutzende, vielleicht Hunderte Millionen Menschen. Bei ihrer Gesellschaftsordnung, die keine kameradschaftliche gegenseitige Hilfe kennt, bei ihren sozialen Verhältnissen, wo jeder Dienst mit Geld bezahlt werden muss, und bei ihrer plumpen und unbeweglichen Produktionsweise, die keine schnelle Produktionserweiterung und Umverteilung der Erzeugnisse zulässt, wäre die überwiegende Mehrheit der Ausgesiedelten einem qualvollen Hungertode preisgegeben. Die überlebende Minderheit würde innerhalb der übrigen irdischen Menschheit zu fanatischen Agitatoren gegen uns.
Dann müssten wir den Kampf trotzdem fortsetzen. Unser gesamtes irdisches Gebiet müsste in ein ständig geschütztes Militärlager verwandelt werden. Die Furcht vor weiteren Eroberungen unsererseits und der Hass auf uns würden alle Anstrengungen der irdischen Stämme darauf richten, Kriege gegen uns vorzubereiten. Schon jetzt sind ihre Waffen vollkommener als ihre Arbeitsinstrumente, dann wird die Entwicklung der Kriegstechnik noch schneller voranschreiten. Zugleich werden sie Gelegenheit zu unverhofften kriegerischen überfällen suchen, und wenn ihnen das gelingt, werden wir unersetzliche Verluste erleiden, selbst wenn wir siegen. Außerdem ist es durchaus nicht ausgeschlossen, dass sie auf irgendeine Weise erfahren, wie unsere Hauptwaffe funktioniert. Radioaktives Material ist ihnen schon bekannt, und die Methode des beschleunigten Zerfalls kann entweder durch Spionage erkundet oder sogar von ihren Wissenschaftlern selbständig entdeckt werden. Wer bei dieser Waffe seinem Gegner um wenige Minuten zuvorkommt, vernichtet ihn unweigerlich, und höheres Leben ist in dem Falle ebenso leicht zu vertilgen wie niedere Lebensformen. Wie würden unsere Siedler bei diesen Gefahren und in dieser ständigen Angst leben? Ihnen wären nicht nur alle Lebensfreuden vergällt, sondern der Mensch selbst würde degenerieren und pervertieren. Allmählich würden unsere Menschen von Argwohn, überängstlichkeit, egoistischem Selbsterhaltungstrieb und der damit unzertrennlich verbundenen Grausamkeit innerlich zerstört. Unsere Kolonie würde zu einer militärischen Republik inmitten besiegter, feindlich gesonnener Stämme. Wiederholte überfälle, die Opfer kosten, würden nicht nur Rache und Wut erzeugen, sondern sie würden unsere Siedler auch objektiv dazu zwingen, von der Selbstverteidigung zu rücksichtslosem Angriff überzugehen. Und schließlich ständen wir nach langem Zögern und qualvollem Kräfteveflust unvermeidlich vor der Entscheidung, die wir als bewusste Wesen, die den Gang der Ereignisse voraussehen, von Anfang an treffen müssen: Die Kolonisation der Erde erfordert die völlige Ausmerzung der Erdbevölkerung.«
(Unter den Hunderten von Zuhörern erklang ein Raunen des Entsetzens, von dem sich der laute Protestruf Nettis abhob. Als es im Saal wieder still war, fuhr Sterni ungerührt fort.)
»Wir müssen die zwingende Notwendigkeit begreifen und ihr fest ins Auge sehen, so hart das auch ist. Uns bleibt nur die Wahl: Entweder Stillstand bei der Entwicklung unseres Lebens oder Vernichtung der uns fremden Wesen auf der Erde. Einen dritten Weg gibt es nicht. (Zwischenruf Nettis: »Falsch!«) Ich weiß, was Netti im Sinn hat, wenn sie gegen meine Worte protestiert, und erwäge jetzt die dritte Möglichkeit, die sie vorschlägt.
Netti denkt an die sozialistische Umerziehung der Erdbevölkerung. Diesen Plan haben wir alle noch unlängst gehegt, jetzt aber müssen wir ihn aufgeben. Wir wissen inzwischen genug über die Erdenmenschen, um das Illusionäre dieser Idee zu erkennen.
Die fortgeschrittensten Völker befinden sich ungefähr auf der gleichen Kulturstufe wie unsere Vorfahren beim Bau der großen Kanäle. Auf der Erde herrscht ebenfalls das Kapital, und es gibt ein Proletariat, das für den Sozialismus kämpft. Danach zu urteilen, könnte man denken, eine Revolution, die das System der organisierten Gewalt beseitigt und die Möglichkeit zu einer freien und schnellen Entwicklung menschlichen Lebens schafft, sei nicht mehr fern. Der irdische Kapitalismus besitzt jedoch wichtige Besonderheiten, die eine solche Revolution erschweren.
Einerseits ist die irdische Welt politisch und national schrecklich zersplittert, so dass der Kampf für den Sozialismus kein einheitlicher und geschlossener Prozess in einer Gesamtgesellschaft ist, sondern es gibt eine ganze Reihe eigenständiger Prozesse in einzelnen Gesellschaften, die durch staatliche Organisation, Sprache und manchmal auch durch Rasse voneinander getrennt sind. Andererseits sind die Formen des sozialen Kampfes auf der Erde weitaus gröber und mechanischer als seinerzeit bei uns, und eine unvergleichlich große Rolle spielt unmittelbare materielle Gewalt, verkörpert durch Armeen und bewaffnete Aufstände.
Somit ist die soziale Revolution sehr unbestimmt: Nicht eine, sondern viele Revolutionen sind voraussehbar, in den verschiedenen Ländern zu unterschiedlicher Zeit, in vielem werden sie einander wahrscheinlich nicht gleichen, und die Hauptsache — ihr Ausgang — ist zweifelhaft. Die herrschenden Klassen, die sich auf die Armee und die hoch entwickelte Kriegstechnik stützen, könnten in manchen Fällen dem aufständischen Proletariat eine solche vernichtende Niederlage zufügen, dass der Kampf für den Sozialismus in mehreren großen Staaten um Jahrzehnte zurückgeworfen wird. Ähnliche Fälle gab es schon in der irdischen Geschichte. Dann werden einzelne fortgeschrittene Länder, in denen der Sozialismus gesiegt hat, zu Inseln inmitten einer kapitalistischen und teilweise sogar vorkapitalistischen Welt. Die herrschenden Klassen der nichtsozialistischen Länder werden alles versuchen, um diese Inseln zu zerstören, sie werden ständig kriegerische überfälle organisieren und sogar unter den ehemaligen großen und kleinen Besitzenden in den sozialistischen Ländern genügend Verbündete finden, die zu jedem Verrat bereit sind. Das Ergebnis solcher Zusammenstöße ist schwer vorauszusagen. Aber selbst dort, wo der Sozialismus als Sieger hervorgeht, wird sein Charakter nach den vielen Jahren des Belagerungszustandes, nach dem unvermeidlichen Terror und dem Militarismus stark und für lange Zeit verzerrt sein, was unausweichlich einen barbarischen Patriotismus zur Folge haben wird. Es wird bei weitem nicht unser Sozialismus sein.
Nach unseren früheren Plänen sollte unsere Einmischung darin bestehen, den Sieg des Sozialismus zu beschleunigen und zu fördern. Auf welche Weise könnten wir das tun? Erstens könnten wir den Erdenmenschen unsere technischen und wissenschaftlichen Möglichkeiten zur Beherrschung der Natur bringen und dadurch ihre Zivilisation so weit heben, dass die rückständigen Formen wirtschaftlichen und politischen Lebens in scharfem Widerspruch dazu stünden und infolge ihrer Untauglichkeit abgelöst würden. Zweitens könnten wir das sozialistische Proletariat in seinem revolutionären Kampf direkt unterstützen und ihm helfen, den Widerstand der anderen Klassen zu brechen. Andere Wege gibt es nicht. Aber werden wir auf diesen beiden Wegen das Ziel erreichen? Wir wissen jetzt nur zu gut, dass die Antwort auf diese Frage nur ein entschiedenes Nein sein kann.
Wozu würde es führen, wenn wir den Erdenmenschen unsere Kenntnisse überließen?
Als erste werden die herrschenden Klassen aller Länder diese Kenntnisse anwenden und damit ihre Macht vergrößern. Das ist unvermeidlich, weil sich alle Produktionsmittel in ihren Händen befinden und weil ihnen neunundneunzig von hundert aller Wissenschaftler und Ingenieure dienen — sie haben alle Möglichkeiten zur Anwendung der neuen Technik, und sie werden diese Technik nur soweit nutzen, wie das für sie vorteilhaft ist und wie das ihre Macht über die Massen stärkt. Mehr noch: Die neuen und mächtigen Mittel zur Vernichtung und Zerstörung werden unverzüglich eingesetzt werden, um das sozialistische Proletariat zu unterdrücken. Sie verzehnfachen die Ausbeutung und provozieren das Proletariat, damit es möglichst bald zu einem offenen Kampf gezwungen wird. In diesem Kampf werden die bewussten und besten Kräfte vernichtet, das Proletariat wird seiner geistigen Führung beraubt, bevor es ebenfalls die neuen und besseren Methoden militärischer Gewalt beherrscht. Auf diese Weise würde unsere Einmischung die Reaktion fördern und ihr gleichzeitig Waffen von ungewöhnlicher Stärke überlassen. Im Endeffekt würde das den Sozialismus um Jahrzehnte hinauszögern.
Und was würden wir erreichen, wenn wir das sozialistische Proletariat unmittelbar gegen seine Feinde unterstützen?
Nehmen wir an, dass es sich mit uns verbündet, was nicht sicher ist. Die ersten Siege werden dann leicht errungen. Aber danach? Unter allen anderen Klassen wird sich unvermeidlich ein verbissener Patriotismus entwickeln, der sich gegen uns und gegen die Sozialisten richtet. Das Proletariat stellt selbst in den fortgeschrittensten Ländern noch eine Minderheit dar; die Mehrheit wird von den ehemaligen kleinen Eigentümern gebildet, das sind die unwissendsten und rückständigsten Massen. Für die großen Eigentümer und ihre Gehilfen — die Beamten und Wissenschaftler — wird es ein leichtes sein, diese Masse gegen das Proletariat aufzuhetzen, weil die ehemaligen kleinen Eigentümer ihrem Wesen nach konservativ und teilweise sogar reaktionär sind, sie empfinden jeglichen schnellen Fortschritt als unnatürlich. Das fortschrittliche Proletariat, von erbosten, rücksichtslosen Feinden umringt— ihnen werden sich auch breite Schichten ideologisch zurückgebliebener Proletarier zugesellen —, befindet sich dann in derselben unerträglichen Lage, in die unsere Kolonisten inmitten besiegter Erdenstämme geraten würden. Es wird zahllose überfälle, Pogrome, Metzeleien geben — und vor allem wird das Proletariat nicht mehr imstande sein, die Umgestaltung der gesamten Gesellschaft zu leiten. Wiederum würde unsere Einmischung die soziale Revolution nicht näher bringen, sondern hinauszögern.
Der Zeitpunkt dieser Revolution bleibt also ungewiss, und es kommt uns nicht zu, ihn bald herbeizuführen. Jedenfalls müssten wir darauf viel länger warten, als wir könnten. Schon in dreißig Jahren werden wir einen Bevölkerungsüberschuss von fünfzehn bis zwanzig Millionen haben, der danach jedes Jahr um weitere zwanzig bis fünfundzwanzig Millionen wachsen wird. Wir müssen rechtzeitig mit der Umsiedlung beginnen, sonst werden unsere Kräfte und Mittel nicht ausreichen, um sie in den notwendigen Ausmaßen durchzuführen.
Außerdem ist es mehr als zweifelhaft, dass wir selbst mit einer sozialistischen irdischen Menschheit friedlich auskämen, falls die Revolution unerwartet bald einträte. Wie ich schon gesagt habe, wird das in vielem nicht unser Sozialismus sein.
Die Jahrhunderte nationaler Zersplitterung, gegenseitigen Unverständnisses, harter und blutiger Kämpfe hinterlassen für lange Zeit tiefe Spuren in der Psyche der befreiten irdischen Menschheit; und wir wissen nicht, wie viel Barbarei und Engstirnigkeit in der neuen sozialistischen Gesellschaft zu finden sein werden.
Aus eigener Anschauung können wir sehen, wie sehr sich die Psyche der Erdenmenschen selbst bei deren besten Vertretern von der unseren unterscheidet. Wir haben beim letzten Experiment einen Sozialisten von der Erde mitgebracht, einen Mann, der sich in seinem Milieu durch seelische Kraft und körperliche Gesundheit auszeichnete. Und was ist geschehen? Unser Leben ist ihm dermaßen fremd, es steht in einem solchen Widerspruch zu seiner inneren Struktur, dass nur wenig Zeit vergangen ist, und er ist schon an tiefer psychischer Zerrüttung erkrankt.
So ergeht es einem der Besten, den Menni selber unter vielen ausgewählt hat. Was können wir von den anderen erwarten?
Also bleibt dasselbe Dilemma: Entweder unseren Bevölkerungszuwachs aufhalten und damit unsere gesamte Entwicklung schwächen oder die Erde kolonisieren, nachdem die dortige Menschheit ausgemerzt wurde.
Ich spreche vom Ausmerzen der gesamten Menschheit, weil wir selbst für ihre sozialistische Avantgarde keine Ausnahme machen können. Erstens gibt es keinerlei technische Möglichkeiten, bei der allgemeinen Vernichtung diese kleine Avantgarde aus der übrigen Bevölkerung auszusondern. Und zweitens — wenn es uns gelänge, die Sozialisten am Leben zu erhalten, würden sie selber einen erbitterten, gnadenlosen Kampf gegen uns beginnen, in dem sie sich bis zur völligen Ausrottung opfern würden. Sie würden sich niemals mit der Ermordung von vielen hundert Millionen Menschen abfinden, Menschen, die ihnen ähneln und mit denen sie viele enge Bande verbinden. Beim Zusammenprall zweier Welten darf es keine Kompromisse geben.
Wir müssen wählen. Und ich sage: Wir können nur das eine wählen.
Höheres Leben darf nie für niederes geopfert werden. Unter den Erdenmenschen finden sich nicht einmal ein paar Millionen, die bewusst nach einer wahrhaft menschlichen Lebensform streben. Um dieser embryonalen Menschen willen können wir nicht auf die Möglichkeit verzichten, Dutzende, vielleicht Hunderte Millionen Menschen unserer Welt zu gebären — Menschen in unvergleichlich höherem Sinne dieses Wortes. Und wir werden nicht einmal grausam handeln, weil wir die Erdenmenschen mit viel geringeren Leiden vertilgen, als sie einander selber ständig zufügen.
Das Leben im Universum ist ein einheitliches Ganzes. Und für dieses Leben wird es kein Verlust, sondern eine Errungenschaft sein, wenn sich auf der Erde anstelle eines noch fernen, halbbarbarischen Sozialismus bald unser Sozialismus entfalten wird, ein unvergleichlich harmonischeres Leben in seiner ständigen grenzenlosen Entwicklung.«
(Nach Sternis Rede trat tiefe Stille ein. Sie wurde von Menni unterbrochen, der alle, die eine gegensätzliche Meinung hätten, zum Reden aufforderte. Das Wort ergriff Netti.) |
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