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Franz Jung - Die Eroberung der Maschinen (1923)
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Der Herr Arbeitsminister

In jedem Land gibt es eine öffentliche Meinung. Das ist diejenige Organisation, auf die sich die Regierung stützt und aus der sie selbst wiederum bis zu einem gewissen Grade sich erneuert, vorausgesetzt, dass nicht mächtigere Widerstände den gewohnten Kreislauf stören. Wer regieren will, muss verstehen, mit den Ausgaben dafür nicht zu knausern und vor allem nicht wählerisch zu sein. Die Anwärter auf einen guten Staatsposten, die Presseregisseure und die von diesen in den Vordergrund geschobenen Repräsentativen der Industrie- und Handelsvereinigungen, der Arbeitersyndikate und der Beamten- und Angestelltenschaft folgen so dicht aufeinander, dass sie sich gegenseitig auf die Hacken treten. Da muss der Ellenbogen gebraucht werden und ein bisschen Findigkeit, jemandem ein Bein zu stellen; und da die meisten irgendwie Spitzenpersönlichkeiten sind, so haben sie ihrerseits wiederum Kräfte hinter sich, die sie in Bewegung setzen können, nach vorn zu kommen. Daraus entwickeln sich dann feinere Abstufungen. Der Schlaue stoppt kurz vorm Ziel und schiebt den Hintermann vor, der dadurch sein Werkzeug wird. Den polternden Dummkopf lässt man vorschießen, die Reihe Überspringen, die willig Platz macht - denn man braucht vielleicht gerade einen Klotz, auf dem man hartes Holz hacken kann. So findet man in den repräsentativen Stellen Leute, die zu dumm waren, ihr bisschen ergaunerte Macht an dritter und vierter Stelle auswirken zu lassen, und jetzt Prügelknabe und Spielball geworden sind, bis sie wie eine Zitrone ausgequetscht sind und beiseite geworfen werden. Sie machen den Eindruck von etwas asthmatischen Narren. Es sind Leute, die vor sich selbst erschrecken und vor ihrer eigenen Machtvollkommenheit die Augen verdrehen, als staunten sie einer Fata Morgana nach. Inzwischen wird die Mine vorgetrieben, die sie zum Explodieren bringt. Das alles zusammengefasst nennt man Regierung. Sie stellt dar die verantwortliche Vertretung eines Staates nach innen wie nach außen. Sie lebt davon, dass die Millionen braver Mitbürger an den Schwindel glauben. Damit es nicht so langweilig ist.
Diese Regierung regiert für die große Mehrzahl von Menschen, die nichts weiter wollen, als in Ruhe gelassen zu werden. Man kann seinen Kohl bauen und fressen, genau so wie es immer war; wozu sich Gedanken machen, die Großväter haben doch auch gelebt. Leider folgt das Gesetz menschlicher Gesellschaftsentwicklung, das uns die Geschichte beschert hat, solchen Erwägungen nicht. Aber das braucht hier nicht erörtert zu werden. Wo was nicht klappt, soll die Regierung zusehen - sagt man. Dafür bekommen die Beamten Gehalt und der Minister die Schärpe und den Frack. Niemand will weiter damit belästigt werden. Also fängt die Regierung an zu regieren. Die wirklichen Kräfte allerdings kümmern sich darum nicht.
Der Herr Arbeitsminister saß in seinem Bureau und hatte kaum einen Blick für alle die wundervollen Ledersessel und die breiten Reihen dicker großer Bücher, schon gebunden, praktisch geordnet - nur zum Greifen, die Stapel der Broschüren und Zeitschriften auf allen Tischchen, malerisch hingeworfen in Sofaecken, über den Kaminsims: das war ein Raum, in dem das Wissen von der Arbeit mit allen ihren Problemen drum und dran zu Hause war. Leute genug waren auch damit beschäftigt, dies alles in Ordnung zu halten und immer wieder neu aufzufüllen. Es war nur gut, dass es auch Leute gab, die sich im Ernst damit beschäftigten. Aber die standen leider dem Herrn Arbeitsminister fern. Solche Leute kannte er nur vom Hörensagen oder wenn er gegen sie einschreiten ließ. Der Minister war, wie das jetzt so üblich war, aus dem Arbeiterstande hervorgegangen, hatte sich in seinem Berufssyndikat emporgearbeitet, und man rühmte ihm nach, er sei ein guter Verwaltungsbeamter, als das Auge eines Regierungsmachers auf ihn fiel. Er wurde herangezogen, geschult in Privataufträgen, dem oder jenem zur Macht zu verhelfen, erwies sich brauchbar und willig, hielt das Rückgrat gegenüber seinem neuen Herrn, wenn seine Hintermänner gegen ihn selbst aufsässig wurden. Das Wort Verräter klingt dann so süß, wenn man die Macht hat, den Schreier sofort aufs Pflaster zu setzen. So schult man sich, dann winkt der Lohn. Der Mensch fliegt ordentlich hinauf. Ein bisschen Glück, jemandem mitzuhelfen, das Genick zu brechen, dann ist man oben. Aber das Halten ist schwer, das empfand der Minister gerade sehr, sehr bitter. Die dicke Zigarre, sonst sein Stolz, schmeckt gar nicht mehr richtig, Da hatten ihm einige seiner Ministerräte einen blödsinnigen Gedanken eingegeben, sich in die soziale Frage einzumischen und mit Vorschlägen an das Kabinett heranzutreten. Gewiss, schön wäre es ja, wenn er als Minister Initiative entfaltet hätte - hätte es geheißen, in solche Gedanken lässt man sich leicht einfangen, man hält sich dadurch für unentbehrlicher, aber meide die Bankiers, hörte er ordentlich einen Komiker in einer Tagesoperette, der er repräsentativ bei irgendeiner Gelegenheit mal beigewohnt hatte, singen. So einem Gauner war er scheint's ins Garn gegangen, das heißt die ändern, die den Kerl angeschleppt gebracht und empfohlen hatten. Jetzt hatte dieser Lump, unter Garantie der Regierung auf Übernahme, Bergwerksanteile und Chemische Werke an der Börse gekauft, weil er, der Minister, der von der ganzen Sache so viel verstanden hatte wie der Papua vom Dynamo, dem Kabinett das als geeignete Plattform empfohlen hatte, darauf die Sozialisierungs- und möglicherweise Verstaatlichungsfrage der Bergwerke zu erörtern, wenigstens eine öffentliche Diskussion in Gang zu bringen. Aber die Kommissionsfirma, die die Kurse so wahnwitzig in die Höhe getrieben hatte, hielt zwar beinahe die Mehrheit der Anteile in der Hand, wenigstens der in Frage kommenden Bergwerksgesellschaften, aber die tatsächliche Mehrheit, wenn auch nur um ein Prozent, lag im Portefeuille der Elege. Und dort war ihnen ein anderer zuvorgekommen. Ja, natürlich war er das, der Minister hätte am liebsten laut herausgeflucht. War doch dort die Geschichte mit den Arbeiteraktien, die er mit den Syndikaten zu erledigen gehabt hatte, wofür der Finanzminister die Zusage verlangt hatte, dass die Regierung die Besitzverhältnisse der Gesellschaft immer im gleichen Verhältnis der Neuemissionen unverändert den Stammaktien überließ. Dort waren eben die Hände gebunden. So viel verstand er doch, der Minister, er und die Regierung und der ganze Operationsplan waren in eine Krise hineingesegelt. Sie hatten nicht nur gegenüber der immer selbstbewusster auftretenden Schwerindustrie die Vorhand verloren, sondern waren auch mit den Anteilen in direkte Abhängigkeit geraten. Den Gang beziehungsweise die Wiederaufnahme der Produktion bestimmte der Elektrotrust, nur die Regelung der Arbeiterfrage hatten sie dafür zu übernehmen, und jetzt nach dem Aufstand und unter diesen Umständen, wer hat da Lust, die Verantwortung nach außen dafür zu übernehmen — das war eine verdammte Nuss, die man ihm da zu knacken gegeben hatte. Das Kabinett wird alles auf ihn abwälzen, denn dieser Lump von Bankier, hielt der reinen Mund? Er hatte ihm ein paar Leute auf den Hals geschickt, die mit Kreditbeträgen an der Spekulation beteiligt sein wollten - das versteht sich, das ist üblich geworden, niemand findet etwas daran, etwa nicht - man hält damit eine Zeitschrift, eine Sondergruppe m der Partei, ein Nachrichtenbureau vielleicht gut über Wasser, denn alles das verlangt Riesenzuschüsse, so etwas bringt doch nichts ein. Der Minister hätte wollen mit der Faust dreinschlagen. Dabei war er immer so vorsichtig. Nachdem er am Vorgänger gemerkt hatte, wie schlimm es wirkt, dick zu sein - draußen im Lande die Witzblätter fallen darüber, her, die Arbeiter bekommen eine gefährliche Waffe in die Hand, man wird zum Typ -, ließ er sich täglich massieren, natürlich nicht von einem Fremden, der es dann rumtrug, sondern da musste seine Frau ran, er turnte und trainierte zu Hause, dass es nur so eine Art hatte. Nein, es ist eine böse Welt, schloss der Minister diese bitteren Betrachtungen. Da hatte der Bureaudiener, der da eben mit einer Anmeldekarte hineinkam, bessere Tage. Was hatte er große Kopfschmerzen? Er saß seine sieben Stunden täglich ab, strich monatlich sein Geld ein, das bisschen Hin und Her an Arbeit, das war ja mehr gegen die überhand nehmende Langeweile; zu tun, da brauchte man ihm doch nichts vormachen, war doch nichts. Und in einer Aufwallung von Kameradschaft bot der Minister dem Boten eine seiner guten Zigarren an. Dann lächelten die beiden sich jovial an. So etwas machte Spaß.
Aber der Ernst der Pflichten kam wieder, als der Minister noch rasch die Karte überflog. Geheimrat stand drauf und dann Chef der Zuckerimportfirma, das war etwas ganz Seltsames, wahrscheinlich geerbt oder übernommen, denn im allgemeinen hatte der Minister vor Geheimräten zuviel Respekt, als dass er sie mit Geschäften hätte in Verbindung bringen können. Aber noch etwas anderes ärgerte ihn: Zuckerimport und -export - das zum Teufel, das fiel doch nicht in sein Fach. Soll doch der Mann zum Handelsminister, wie oft kamen jetzt solche Verwechslungen vor, er wollte gerade klingeln - da trat auch der Geheimrat schon ein. Ein Geheimrat war es, das sieht man auf den ersten Blick. So ein Mensch misst einen erst richtig ab - jedenfalls stand der Minister auf, und sie setzten sich dann beide an das Konferenztischchen in die großen Fauteuils, in denen man, so bequem sie einem auch erscheinen, steif sitzen muss wie ein Stock, das hatte der Minister bald herausgefunden, will man nicht den Eindruck erwecken, man lümmle darin wie ein Viehtreiber. Also der Geheimrat fiel gleich mit der Tür ins Haus. Der Minister versuchte eine überlegen-klingen-sollende höfliche Bemerkung über die Möglichkeit einer Verwechslung. Der Geheimrat warnte dringend vor einer amtlichen Unterstützung der Diskussion über die Beteiligung der Arbeiter an den Industrieunternehmungen. Sein Ton war vertraulich und leicht scherzend, es hätte nicht viel gefehlt und er hätte dem Minister auf die Schulter geklopft. »Sehen Sie«, sagte er, »ich besitze Aktienmehrheit unserer Zellulosefabriken, ich kontrolliere damit im wesentlichen den Holz- und Papiermarkt, zum Konzern gehören auch die leistungsfähigsten Papierfabriken selbstverständlicherweise, ich habe einige draußen gelassen, um mir die Konkurrenz zu halten, sehen Sie, und nun diese Kleinaktien, die Lohnaktien und alle die schönen Bezeichnungen, die Sie dafür finden mögen, setzen mich matt, wissen Sie, früher oder später — ich sehe schon jetzt die Gefahr aufsteigen, so etwas verläuft dann automatisch.« Der Minister lächelte und wurde schnell todernst. Denn der Geheimrat schrie auf seine Einwendungen: »Was - wo denken Sie hin, was verstehen Sie darunter, ausgleichendes Produktionsgesetz, Annäherung der Hand- und Kopfarbeiter, Wirtschafts- und Arbeitsgemeinschaft - darüber mag und mit Recht sehr viel geschrieben werden, aber Phrasen, mein Herr, nichts als Phrasen, hören Sie. Ah, Sie wissen nicht, allerdings, mir gehört der Hauptteil der Presse. Darauf hätten Sie ohne mich schließen können, von dem Papier geht der direkte Weg zur Zeitung, das lernt man schon in der Schule.« Dem Minister war mehr als unbehaglich. Man hätte ihn über den Mann informieren sollen, wie kann er sich in alles einarbeiten, bei diesen Pflichten — und dann musste er dem Mann doch irgendwie entgegentreten, Ansichten haben, Würde halten — eine verfluchte Lage, fühlte er und stotterte etwas. »Glauben Sie denn«, fuhr der andere wieder dazwischen. »Sie Exzellenz« — aber er besann sich und lächelte, was sollte er mit diesem Kerl erst einen Streit anfangen - »bitte, bedenken Sie doch selbst, mit den Zeitungen verdiene ich doch nichts, das kostet doch, und gewaltig heißt es da in die Tasche greifen, ja, ja, die Politik verschlingt geradezu Unsummen. Das muss das Holz bringen und das Papier und das viele andere so nebenher, sehen Sie. Wollen Sie das aufs Spiel setzen - ich gebe Ihnen einen vertraulichen Rat, lieber Freund, das Kabinett wird anders darüber denken, und ich selbst bin auch da, ich habe viele kommen und gehen sehen. Die Konjunktur in Zellulose und Papier ist schlecht. Meine Unternehmungen weisen seit Jahren keinen Gewinn auf, dagegen Riesenverluste. Ich habe das immer so gehalten, es ist sicherer. Wollen Sie daran die Arbeiter beteiligen? Sollen vielleicht Leute in mein Kontor kommen, die die Bilanz mit ihren eigenen Augen prüfen, was? Machen Sie bei der Elege, was Sie wollen, aber keinen Schritt weiter. Keine amtlichen Polemiken mehr« - er schnitt mit der Hand in der Luft das Gesprächsthema ab. Sie sprachen noch einige Minuten, dann ging der Geheimrat. Er legte das verdiente Geld in Zucker an. Man braucht dazu viel flüssiges Kapital, man muss Lager halten, große Vorkäufe schon für Jahre voraus tätigen - dazu braucht man sehr viel Kapital, und es blieb immer ein erhebliches Risiko. Die Firma war zudem eine der größten am Kontinent. Das Risiko für den Zeitungstrust war geringer. Es wirkt schon mehr als Sport, die Regierung zu halten.
Dann kamen weitere Anmeldungen, der Minister hatte noch nicht richtig wieder Platz genommen. Die Vertreter des Maschinensyndikats waren schon wieder mal da und der Inhaber einer Sackfabrik - nehmen wir den, entschied der noch ziemlich Verdutzte. Da konnte er die Haltung wieder finden, hoffte er, die er den ewigen Dränglern der Syndikate gegenüber brauchte. Der Herr mit dem sehr bescheidenen Namen erschien, stellte sich noch einmal sehr laut vor und ließ sich in den Sessel fallen, ein kleiner dicker Herr mit einem runden Kopf wie ein Stier. Er redete von der nämlichen Aktienbeteiligung und bat um nähere Erläuterungen und so. Der Minister lächelte verlegen; er stand schon wieder mitten im Konflikt. Der ist etwas blöd, stellte der Besucher fest, den müssen wir anders anfassen - und er sagte dem Minister mit großem Wortschwall für sein neues soziales Programm seine Unterstützung zu. Der aber wehrte kühl ab, es gäbe Grenzen, und seiner Meinung nach sei der amtliche Apparat in der Diskussion in der Öffentlichkeit bereits zu weit gegangen, Heißsporne, Unverantwortliche und alles das, die verantwortliche Stelle wird demnächst energisch abwinken. Ah so -lächelte der Dicke, ausgezeichnet, komme gerade noch zurecht. Dann legte er dem andern, der ihn missbilligend musterte, eine Liste vor. Darauf standen eine Anzahl Firmen, bei denen er die Aktienbeteiligung der Arbeiterschaft durchgeführt wissen wollte, auch die Chemischen Werke waren darunter. Der Minister wollte auffahren, das war doch stark. »Bleiben Sie ruhig, Herr« - rief der Dicke -, »wir sind vorläufig noch Freunde.« Und dann legte er los. »Wird die Regierung die Bergbaugesellschaften übernehmen, sie dem Elektrotrust überlassen, der die Regierung stürzen wird, wer stellt die Transportmittel - er. Sonst häuft sich der Verlust ins Unermessliche.« Er kennt sich auf dem Düngemittelmarkt aus. Die Landwirte werden gegen die Regierung aufgebracht werden. Und dann die Säcke braucht er für den Kalibergbau; aber von den Säcken ist er zum Zement gekommen. »Ich kontrolliere die Zementindustrie«, sagte er. »Kein Schacht wird mehr niedergebracht ohne meinen Zement. Natürlich besitze ich auch genügend Einfluss in den großen Tiefbaugesellschaften, sehen Sie, das wird Sie als Arbeitsminister besonders interessieren. Vielleicht sind große staatliche Aufträge zu vergeben« — er lacht ein glückliches Lachen. Dem Minister wurde unheimlich, er schrumpfte ordentlich zusammen. »Jetzt bin ich am Film«, fuhr der andere fort, »natürlich Film. Sie verstehen recht, ich habe erst die Theater aufgekauft, dann die Gesellschaften, die fallen einem dann halb umsonst zu. Ich stelle jetzt Rohfilme her, und gerade dort fasse ich Fuß in der chemischen Industrie. Hier berühren wir uns, die Großen meine ich, und ich, das heißt meine Firma. Sie werden mir dabei helfen, ich bin Ihr Mann. Sie werden mir noch dankbar sein.
Mit einem Schlage die Aktienbeteiligung in der Schwerindustrie durchgeführt, verlangt finanzielle Umstellungen, ganze Industriezweige, wie Eisen, Bergbau, Elektrizität und alles, was daran hängt, Stickstoff, Aluminium und so weiter, verbeamtet, verstehen Sie, stabilisiert sich. Ich bekomme die Arme frei, dehne mich in der chemischen Industrie weiter aus, greife Spezialitäten heraus, der Film packt die Propaganda wie der Sperber die Taube, der Film, ich will sagen, startet den Weltmarkt - nun, ich bin offen zu Ihnen. Sie sehen, wir haben denselben Weg. Also bitte« - Der Minister hatte wenig von allem verstanden. Er stand mechanisch auf. Der andere drohte lächelnd, aber voller Arggründe. Der Minister kam wieder ins Stottern. Sie schieden wie von einer sehr interessanten Unterhaltung. Unten im Auto aber sagte der Dicke zu seinem Sekretär, der im Wagen sitzen geblieben war - ein ehemaliger Major aus dem Großen Generalstab, der sich im Kriege ausgezeichnet hatte und jetzt die verschiedensten Unternehmungen seines Brotherrn ordnend strategisch zusammenhalten half: »Wissen Sie«, sagte der Dicke, »der da oben ist keinen Groschen mehr wert. Der schwimmt schon. Dumm, das mag angehen, aber bockbeinig dazu - nee, das ist fünf Minuten schlechte Laune nicht wert. Klingeln Sie mal gleich nachmittag« - dann verlor sich das Gespräch in den Hupensignalen.
Oben war allerdings die Stimmung dem Gefrierpunkt nahe. Die Syndikatsvertreter wurden schnell abgefertigt. Krampfhaft bemühte sich der Ärmste um ein joviales Lächeln, es wollte nicht glücken. Er hatte zuviel im Kopf. Wütend gingen die ehemaligen Kollegen weg. Aber einer darunter hütete sich laut zu denken. Was brauchten das die ändern zu merken, er witterte da oben Morgenluft —.
Aber auch eine Delegation der ausgesperrten Bergarbeiter war erschienen. Sie baten um Wiedereinstellung, um Schutz gegen Übergriffe der Polizei. Sie wollten um Aufnahme von Verhandlungen zur Neufestsetzung der Arbeitsbedingungen ersuchen. Sie hatten die Aufgabe, vorstellig zu werden, dass die Regierung die Bergwerksbesitzer veranlasst, die Arbeitervertreter zu empfangen, damit sie auch dort vorstellig werden könnten. Und noch eine Anzahl solcher Sachen mehr. Die Leute waren mehr als Friedfertig. Zum Teil waren welche darunter, die gar kein Mandat hatten, nur weil sie selbst glaubten, durch ihren Ruf als gewandte Verhandler und ruhige Leute was ausrichten zu können. Der gute Eindruck macht viel, Schreier sind zu nichts nütze, lieber mal ein Loch zurückstecken - das nimmt man dann nicht so genau. Außerdem hätten auch die Syndikate ihre Unterstützung zu diesem Schritt zugesagt. Damit schmiss sie dann auch der Minister heraus. Er suchte während der ganzen Zeit, als sie vor ihm standen, nach dem geeigneten Anlass. »Na also«, schnitt er ihnen das Wort ab, »in den nächsten Wochen wird die Regierung über diese Frage eine Besprechung mit den Syndikatsvertretern ansetzen. Aussichten, Aussichten« - und er zuckte brüsk die Achseln - »kann ich nicht machen.« Dann waren sie entlassen. Einigen würgte es doch im Halse. Noch ein weiterer Auftrag drückte sie schwer. Sie waren nun noch nicht damit vorgekommen: sie sollten auch um Milderung des Loses der Gefangenen und Verurteilten bitten, um mehr Gerechtigkeit, vielleicht sogar eine Amnestie - aber der Herr Arbeitsminister war schon verschwunden. Er hatte die Leute im Dienerzimmer warten lassen und war nur im Vorbeigehen mit hereingekommen. Der Diener Öffnete jetzt die Flügeltüren.

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