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Franz Jung - Die Eroberung der Maschinen (1923)
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Anhang

Erwachen aus der Eiszeit

Es sind erst 20000 Jahre her, dass der Höhepunkt der letzten Eiszeit auf der Erde überschritten worden ist. Das ist noch keine allzu lange Zeit, und der neuen paradiesischen Periode stehen wir noch einige Jahrtausende fern. Sicher ist aber, dass die letzten Nachwirkungen jener Eisperiode im Schwinden sind und dass aus dem Gleichgewicht der Wirkungen zweier Zeitalter gegeneinander der Einfluss jenes kommenden paradiesischen genau wie das schon vor jener letzten Eisperiode der Fall war, sich bereits stärker bemerkbar zu machen und allmählich das Übergewicht zu gewinnen beginnt. In diesem Jahrtausend leben wir. Wir spüren das bereits im Blut, unsere Erkenntnis ist glücksfähiger geworden, die Natur scheint leichter geworden und beschwingter, und es sind schon viele unter uns, die an der so genannten ehernen Notwendigkeit des Naturgesetzes und dessen, was wir dafür anzusehen gelernt haben, zweifeln. Die erste paradiesische Periode, der wir uns noch gut erinnern, brachte jenen riesenhaften Pflanzenwuchs hervor, aus dem unsere heutigen Steinkohlenschätze entstanden sind. Der darauf folgenden Eiszeit folgte wiederum jene paradiesische Periode, die, was Europa betrifft, England mit Skandinavien zu einem Festland verband und die norddeutsche Tiefebene in ein Meer verwandelte. An dem Gestade dieses Meeres, im heutigen Sachsen, standen herrliche Blumenwälder. Das war die Zeit der fliegenden Drachenungeheuer, die den Menschen erschreckten. Das über die Welt vordringende Gletschereis begrub schließlich in der sibirischen Tundra die fliehenden Mammuts, eine Zeit, die so nahe vor uns stehend scheint, dass es ist, als hätten wir alles noch selbst erlebt. Aber auch diese Eisperiode ist vorübergegangen. Und schon 20000 Jahre lang sind wir wieder im Aufstieg, dem neuen Paradiese zu.
Wir sind schon erwartungsvoll. Im Blut ist schon ein leises Ahnen. Manchmal ist uns die körperliche Hülle schon zu eng. Was wird das Zeichen dieses neuen Paradieses sein? Unser Wissen ist schon so anspruchsvoll geworden. Die Riesenfarne und die Palmenwälder in Sachsen interessieren uns nicht mehr. Was werden wir denken, was werden wir tun und wie werden wir es tragen. Leben und Glück, das unserem Verstand nach Dunkle und Raunende -
Wir wissen bereits so viel davon, dass wir die Natur beherrschen werden. Nichts mehr wird sich entwickeln, was wir nicht entwickeln. Die Natur wird in Wirklichkeit das Mittel, mit dem der Mensch sich auf der Erde einrichten und diese seinen Zwecken nutzbar machen wird. Das, was den toten Kern zum Keimen, zum Aufwachsen und Blühen bringt, das wird sich in der Hand des Menschen entwickeln. Zur Erzeugung und Vollendung alles dessen, was zur Atmosphäre des Menschseins und des Menschentums gehört. Das Wort Menschlichkeit bekommt einen neuen Sinn. Wir werden uns nicht mehr darauf zu berufen brauchen, um uns gegenseitig näher zu bringen, uns voreinander zu verteidigen, gerade weil wir uns voreinander noch so sehr verstecken, sondern es wird eine Art Adelsprädikat im Gesamtumfang alles Lebendigen sein, aus dem die besondere menschliche Macht erwächst, die dann zur höchsten Blüte gelangt sein wird.
Diese Menschlichkeit wird in einem höchsten Symbol sich widerspiegeln, in der Geste des Schöpfers und des Schaffenden, in der Arbeit. Die Arbeit wird die Menschen untereinander verbunden sein lassen in Gemeinschaft und Gemeinsamkeit. Sie wird gemeinsam das Wissen der Arbeitenden tragen und sie in den Stand setzen, das Glück dieses Lebens untereinander nach Maßgabe der Arbeitsintensität jedes einzelnen aufzuteilen. Denn der einzelne, der sich dieses Lebensglücks eigenbewußt wird, wird verlöschen daran, wie die Sterne im Weltenraum aufflammen in gewaltigem Brand und dann verlöschen. Wir sehen nur ein winziges Pünktchen Licht davon. Vielleicht werden so noch die Menschen vergänglich sein. Sicher ist es jedoch nicht. Vielleicht, dass die auch dann den Mut haben werden zu bleiben, dazubleiben.

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