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Berta Lask - Leuna 1921 (1927)
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3. Szene

Leunawerksgrundstück   mit   Baugerüst   wie   in   der 1. Szene. Matrose, Karl, 1. Chemiearbeiter.

Matrose: Es treibt einen vom Gerüst. Ich weiß nicht, was es ist; man hat keine Ruhe mehr bei der Arbeit.

1. Chemiearbeiter: Wir kommen auch, zu hören, was es gibt. Das summt im Werk wie im Bienenstock. Mal kommen die Funktionäre von der KAP zusammen und mal die von der VKPD und dann die von der Allgemeinen Arbeiterunion und dann der neu gewählte Aktionsausschuss. Es liegt was in der Luft. Ihr Zimmerleute, ihr wisst doch immer, was gespielt wird.

Matrose: Wir sind doch nur grobe Kerle mit Fäusten. Ihr von der Chemie seid feine Köpfe mit euren Messapparaten und Registrierapparaten. Womit wir hantieren, das sieht ein jeder: Balken, Pfosten und Säge. Aber ihr in euren Giftbauten; in euren tausend schwarzen Röhren und Kontaktöfen da sitzt der Teufel drin, unsichtbar. Kein Mensch sieht was, und ihr wisst doch Bescheid. Feine Köpfe seid ihr, hört das Gras wachsen.

1. Chemiearbeiter: Ihr fremden Zimmerleute, ihr hört die Revolution wachsen. Sturmvögel von der Wasserkant seid ihr.

Matrose: Sturmvögel, aber kein Sturm mehr im Land.

Karl: Im vorigen Jahr, da hat's gebrannt, da wär' bald alles Morsche und Faule in Flammen aufgegangen wie drüben in Russland.

Matrose: Da haben die Verräter mit Blut gelöscht. (Der alte Arbeiter ist zu ihnen getreten)

Alter Arbeiter: Sie löschen immer mit Blut.

Karl: Bis einmal das Feuer so stark wird, dass kein

Blut mehr löscht.

(Der SPD-Betriebsrat Dammel kommt)

Dammel: Hu, hu, hu! Hier geht's wieder hoch her und mitten in der Arbeitszeit. Wird hie noch ein Aktionsausschuss gewählt? Warum arbeitet ihr nicht, Kollegen? Ich bin als Betriebsrat verantwortlich. Wie soll die Werksleitung zum Betriebsrat Vertrauen haben, wenn nicht gearbeitet, sondern nur diskutiert wird?

Matrose: Vertrauen! Der Werksleitung ihr Vertrauen, das hast du, aber

unser Vertrauen schon lange nicht mehr. Kotz du nur den Aktionsausschuss an! Wir wissen, warum wir ihn gewählt haben.

Wieland: So einen, der der Werksleitung ins Arschloch kriecht, so einen Betriebsrat können wir nicht gebrauchen.

(Bernd Könne kommt)

Konne: Kollegen, euer Schimpfen hilft gar nichts. Warum beschimpft ihr immer den Kollegen Dammel?

Matrose: Der Dammel, der Waschlappen, da scheiß' ich drauf.

Zimmermann: So stänkert ihr gegeneinander, die Kommunistische Arbeiterpartei, wie sie sich nennt, gegen die Vereinigte Kommunistische Partei Deutschlands. Einer schmiert den anderen aus, und da soll man Vertrauen haben.

Konne: Zu denen könnt ihr Vertrauen haben, denn die Kommunistische Partei, die Partei Liebknechts und Rosa Luxemburgs, hat sich mit den besten, mutigsten Proleten von der USP vereinigt und ist nun die wirkliche Vertreterin der Arbeiterklasse, die um ihre Rechte kämpft.

Zimmermann: Das hat wohl seine Richtigkeit; aber da ist zum Beispiel seit dem Winter der neue hier, der Malchow von der KAPD. So jung wie er ist, aber reden kann er, Donnerschock. Dem jubeln sie zu, wenn er so steht und mächtig von sich gibt. Und andere wieder sagen: KAP und Malchow, das ist falsch. Wer findet sich da zurecht? Steht doch zusammen und haltet Frieden.

Alter Arbeiter: Auf den Frieden allein kommt's nicht an. Das muss alles seine Richtigkeit haben und seine Vernunft.

Konne: Die richtige Theorie vom Kampf muss man haben und die richtige Erkenntnis von der Lage. Und die hat die KAP nicht.

(Malchow kommt eilig mit Zeitungsblättern. Er hat die letzten Worte gehört.)

Malchow (höhnisch lachend): Erkenntnis der Lage! - Hier bring' ich euch die richtige Erkenntnis von der Lage. Hier steht's schwarz auf weiß: die weißen Garden rücken an. Wer hat das schon lange gesagt, dass wir uns rüsten, dass wir losschlagen müssen? Wir von der KAP. Da, lest!

(Lichtbild mit Aufruf) -Frauen! Arbeiter! Bürger!

... Wilde Streiks, Raub und Plünderungen... Holz, Kohlen... wertvolle Materialien... Gesetzwidrig... Versammlungen während der Arbeitszeit. An Wahnsinn grenzende Taten... dadurch gekrönt, dass man die gesetzlichen... Betriebsräte durch so genannte Aktionsausschüsse ersetzt. Wer sind... diese Leute, die... zu diesen Verbrechen aufreizen?... Internationale Verbrecher ... Provokateure... Arbeiter betören... Ich... ein halbes Menschenalter... in der Arbeiterbewegung... blutet das Herz... Daher habe ich befohlen: starke Polizeikräfte nach vielen Orten des Industriereviers. Polizei kommt... als Freund... Aber mit... Schärfe und Festigkeit... gegen die Verbrecher... Aufhetzung der Bevölkerung." -----
(Alle drängen sich um Malchow, der aus der Zeitung vorliest)

Wieland: Also es geht wieder mal los gegen die Arbeiterschaft.

Matrose: Das wird noch ein zweiter Kapp-Putsch. Da muss man die Augen offen halten.

Malchow: Gebt Signal mit der Sirene; die Funktionäre sollen sofort zusammentreten.

Dammel: Wie man da schon wieder hetzt! Es steht doch im Aufruf, die Polizei kommt als Freund; die Polizei kommt nur gegen Diebe und Räuber.

Matrose (Dammel mit der Faust drohend): Dass ich dir nicht die Judasfresse zerschlage, du Lump! Solche wie du, die sind den Mansfelder Kumpels in den Rücken gefallen, haben der Direktion ihre Unterschrift gegeben. Wir wissen, wo du stehst!

(Dammel geht eilig fort. Sirenensignal)

Malchow: Zur Funktionärssitzung!

(Malchow und Konne ab)

Matrose: Dass wir die Achtundvierzigstundenwoche erkämpft haben, das lässt ihnen keine Ruhe. Nun sollen wir mit Gewalt niedergeknüppelt werden.

Karl (in die Zeitung sehend): -Ungeheure Diebstähle von Holz und Kohlen und wertvollen Materialien finden Tag für Tag statt." -

Wieland: Ja, die Pfuscharbeit. Die Wohnungseinrichtungen, die bekommen die Herren da oben mit Kusshand zu ihrem hohen Gehalt noch dazu, damit sie die herrschende Klasse beschützen. Und wir Arbeiter? Für den Rucksack voll Brennholz, den wir mitnehmen, wollen sie uns mit blauen Bohnen füttern.

Willi: Um das bisschen Holz geht's doch nicht. Um den Achtstundentag geht's, um die Rechte des Betriebsrats geht's. So soll das Spiel gespielt werden.

Matrose: Die letzten Waffen aus unserer Hand und alle niedergeschlagen, und die Kapitalisten und Junker wieder aufs hohe Pferd. Auf uns wollen sie reiten. Die Sporen sollen wir in die Weichen kriegen, dass Blut spritzt.

(Bruno ist gekommen)

Bruno: Ich habe die Sirene gehört, ich hab' das Flugblatt gelesen. Ich kann nicht mehr arbeiten. Wir vom Ruhrgebiet, uns brennt's noch in der Brust. Wenn ich solch ein Blatt seh', da brennt's mich wie Feuer, da fliegen mir rote Funken vor den Augen und brennt's mir im Kopfe, da möcht' ich losstürzen mit einem Gewehr und meine toten Brüder rächen. - Ach, warum seid ihr damals nicht auch aufgestanden und zu uns gestoßen, ihr aus Mitteldeutschland? Jetzt kommt ihr dran.

Karl (den Arm um Bruno legend): Wir sind doch am Anfang der Revolution, Bruno. Du sprichst, als wären wir am Ende.

(Bruno geht rasch fort)

Matrose: Wir von der Wasserkant, wir sind weit herumgekommen, wissen, wie's im Lande aussieht. Überall ist die Arbeiterschaft zurückgedrängt, langsam, Schritt für Schritt. Viele merken's kaum. Nur hier in Mitteldeutschland sind wir noch stark. Wenn man uns reizt und tritt, steht das Werk still. Hier finden die politischen Flüchtlinge Unterkunft. Hier im Leunawerk ist das rote Herz. Auf das sehen sie von nah und fern, aufs rote Leunawerk. Auf das hoffen sie. Wir halten den Funken. Wir lassen das Feuer nicht verschütt gehn. Die Maschinengewehre marschieren. Die Aasgeier kreisen in der Luft. Jetzt geht's hart auf hart.

(Sie zerstreuen sich. Gleich darauf kommen Malchow, Konne und andere Funktionäre.)

Malchow: Also du zur Zentrale der KAP nach Berlin, du zur Zentrale der VKPD nach Berlin. Nachmittags Sitzung der Funktionäre der Allgemeinen ArbeiterÂunion hier im Werk. Wir beide - Konne und ich - heute Abend nach Halle zu unseren Parteileitungen. Du nach Weißenfels, du nach dem Geiseltal. Ãœberall Wahl von Aktionsausschüssen vorbereiten. Die Nachrichtenabteilung in Alarmbereitschaft!

(Alle ab außer Konne und Malchow)

Konne: Malchow, ich rate dir, dass du den Kurieren keine Meldung mitgibst, die wir nicht kennen.

Malchow: Ich verstehe nicht, was du willst.

Konne: Du  willst  nicht verstehen.  Deine wilden Reden sind bekannt. Du rufst immer nach Waffen. Aber du weißt, wie es im Reich aussieht. Vor vier Wochen  waren   die   Chemiebetriebsräte   aus   dem ganzen Reich hier in Leuna. Sie sind nicht bereit zum bewaffneten Kampf, weil sie noch nicht genug Massen hinter sich haben. Das Ruhrgebiet hat sich im vorigen Jahr verblutet durch Severings Verrat. Jetzt   erst   Generalstreik   überall,   und   dann   erst steigern zum Kampf.

Malchow: Generalstreik! Was ist das schon für 'ne Losung! Wir von der KAP haben hier die Mehrheit. Das hast du ja gesehen. Und wir werden mit euch einig werden. Jetzt an die Arbeit!

Konne: Ich hab' dir meine Meinung gesagt. Ich bin bereit, zu kämpfen wie irgendeiner. Aber ich liefere keinen Arbeiter leichtsinnig ans Messer. Ihr - heute so und morgen anders, keine Linie, keine Festigkeit, nichts von Taktik und noch weniger von Strategie.

Malchow: Ha, du! Taktik! Strategie! Theoretisches Geschwätz! Unsinn!

(Willi tritt zu Konne)

Willi: Ich versteh' dich, Bernd. Du bist ein Disziplinierter. Auf mich kannst du dich verlassen.

Konne: Das weiß ich, Willi. Du bist kein Faselhans wie Malchow. Fest bist du. (Beide ab)

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