Nemesis-Archiv   WWW    

Willkommen bei Nemesis - Sozialistisches Archiv für Belletristik

Nemesisarchiv
Berta Lask - Leuna 1921 (1927)
http://nemesis.marxists.org

7. Szene

Großes Zimmer im Beamtenkasino. Festlich gedeckte Tafel mit Wein und Sekt. Polizeimajor v. Zechlinsky, Polizeimajor Kranz, Regierungspräsident, Direktor Oster, Direktor Weinbrand, Ingenieur Brettl, Rittergutsbesitzer und am unteren Ende des Tisches SPD-Führer, Gewerkschaftsführer und Betriebsrat Dammel.

Regierungspräsident (steht auf): Meine Herren! In dieser erhebenden Stunde, in der wir uns hier zusammengefunden haben, alle Hüter und Wächter der Ordnung, alle Kämpfer für Gesetz und Recht, möchte ich den Herren Polizeimajoren sowie allen Offizieren und Mannschaften der Schutzpolizei meine Anerkennung und meinen Dank aussprechen. Acht Tage hindurch Kämpfe bei Tag und bei Nacht. Noch ist unser schwer heimgesuchter Regierungsbezirk nicht völlig befriedet, noch schweifen kleine Banden durch das Land. Doch das Bollwerk, die Terrorburg der Arbeiter, ist in unserer Hand. Auf das Wohl der Leunadirektion! Auf das Wohl der Schutzpolizei!

(Anstoßen, Trinken)

Direktor Oster: Bewegten Herzens ergreife ich das Wort und danke den Herren Polizeimajoren, danke dem tapferen und umsichtigen Batterieführer der Reichswehr, danke den Herren Arbeiterführern von Gewerkschaft und Partei, danke unseren Vertrauensmännern im Werk, danke allen, die Hilfe geleistet haben zur Niederwerfung dieses verbrecherischen Aufstandes. Das Werk hat leider durch Artilleriebeschießung gelitten. Monate werden vergehen, bis die Produktion in vollem Umfang wieder aufgenommen werden kann. Die deutsche Volkswirtschaft erleidet unermesslichen Schaden, und die Arbeiterschaft muss vorläufig entlassen werden. Die Schuld tragen einzig und allein die gewissenlosen Hetzer und Verführer. Es gilt, durch umfassende Maßnahmen das Volk in Zukunft vor diesen Elementen zu schützen.

Von Zechlinsky: Meine Herren! Wir alten Soldaten haben freudig unsere Pflicht getan. Blut ist geflossen; das ist nun mal so im Kriege. Hohes Ziel - Ruhe und Ordnung im Vaterland. Höre, dass Aktion von großer Bedeutung für Industriegebiet und ganÂzes Reich. Berufene Wirtschaftsführer wieder fest eingesetzt, Terror der Arbeiterschaft gebrochen. Prost, Herrschaften!

Zwischenruf aus dem Zuschauerraum: Es ging um Zehnstundentag, Lohnabbau, kapitalistische Rationalisierung.

Rittergutsbesitzer (angeheitert): Auf dem allgemeinen Freudenfeste darf der alte Krautjunker nicht schweigen. Hab's mir sauer werden lassen, Kameraden, weil sie meine Landarbeiter mit versauen wollten. Hab' mit Ordnung geschafft, bin auch weiter zu Diensten für Ordnung, Blut, Vaterland und was ihr wollt. Helf euch noch, Rädelsführer raussuchen. Wann werden die Schweine abgeurteilt?

Von Zechlinsky: Die militärischen Sondergerichte werden sofort in Funktion treten. Nur wenige Stunden gönnen wir uns Ruhe. Es sind, wie mir berichtet wird, außer bewaffnetem Aufruhr noch Diebstahl, Raub, Einbruch und andere Gewalttätigkeiten begangen worden. Jedes Verbrechen wird geahndet werden.

(Hörsing kommt)

Rufe: Der Oberpräsident! Unser braver Oberpräsident!

Regierungspräsident  (halblaut):  Der  Grobschmied hat bald ausgedient. Jetzt sitzen wir wieder fest im Sattel.

Hörsing: Ich begrüße Sie mit großer Freude, meine Herren. Die Truppen haben sich vorzüglich geschlagen. Wir haben einen schönen Sieg errungen.

(Lichtbild von Misshandlungen) Ich kann mit Stolz sagen, dies ist der sechste Aufstand, den ich niederschlage! Ein schweres Amt, doch fürs Vaterland. (Er schenkt sich ein Glas Wein ein) Ich erhebe mein Glas auf das Wohl der Schutzpolizei, die sich immer mehr als ein brauchbares Organ zur Niederwerfung von inneren Unruhen herausbildet. Unsere Schutzpolizei!

(Er  erhebt   das  Glas,  es  wird   angestoßen. Knappe stürzt herein.)

Knappe: Sie sitzen hier sorglos und trinken, meine Herren, und draußen wird gemordet!

Von Zechlinsky (aufspringend): Ein Ãœberfall? Neue Banden?

Knappe: Die Schutzpolizei misshandelt und mordet unbewaffnete Arbeiter.

Von Zechlinsky  (setzt  sich):  Ach so. - (Hinausrufend) Verhaften Sie diesen Mann!

(Schutzpolizisten führen Knappe hinaus)

Knappe (im Hinausgehen): Ihre Leute morden.

Von Zechlinsky: Die Sektflaschen sind leer.

(Diener bringen neue Flaschen. Direktor Weinbrand, stark betrunken, wankt auf Dammel zu, klopft ihm auf die Schulter.)

Direktor Weinbrand: Trinken Sie, Dammel! Trinken Sie, bis Sie kotzen! Heute gehören Sie zu uns.

Dammel (unterwürfig): Der Wein schmeckt gut. (Er trinkt)

 (Bernd Konne, sehr bleich, weit aufgerissene Augen, erscheint in der Tür, geht unbemerkt einige Schritte ins Zimmer hinein und starrt die Zechenden an)

Konne (für sich): Dies ist ein grausiger Traum. (Dann entfernt er sich)

Sozialismus • Kommunismus • Sozialistische Belletristik • Kommunistische Unterhaltungsliteratur • Proletarisch-Revolutionäre Literatur • Utopische Klassiker • Arbeiterroman • Agitationsliteratur