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Berta Lask - Leuna 1921 (1927)
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3. Szene

Großer Platz und Werkstraße im Leunawerk. Ein Arbeiter mit einem Gewehr patrouilliert. Ein Trupp Arbeiter kommt.

Arbeiterwache: Wohin wollt ihr, Kollegen?

2. Chemiearbeiter: Wir gehen zur Schicht, Wir haben uns Konne-Bernd  für die Notstandsarbeiten  zur Verfügung gestellt.

Arbeiterwache: Ausweis vom Aktionsausschuss!

2. Chemiearbeiter: Hier.

Arbeiterwache (die grünen Ausweise betrachtend): Gut.

(Die Arbeiter gehen weiter. Ingenieur Brettl kommt.)

Arbeiterwache: Wohin, Kollege? Ihr Ausweis.

Ingenieur Brettl: Sie kennen mich doch, Mann. Ich bin doch der Ingenieur Brettl. Ich muss zu den Gaskompressoren.

Arbeiterwache: Ich kenne nur Leute mit oder ohne Ausweis. Weiter gibt's hier keine.

Ingenieur Brettl: Ich habe mich zur Verfügung gestellt, damit kein Unglück geschieht, und nun macht ihr solche Schwierigkeiten.

Arbeiterwache: Ich verlange nur Ihren Ausweis.

Ingenieur Brettl: Ich bin von der Direktion geschickt und nicht von eurem Aktionsausschuss.

Arbeiterwache:   Aber   den   Ausweis   müssen   Sie vom   Aktionsausschuss   oder   vom   Angestelltenrat haben. Sonst kommen Sie nicht ins Werk.

Ingenieur Brettl: Zum Teufel, das ist mir zuviel. Erst haben mich zwei freche Lausejungens mit Schießknüppeln kontrolliert, und jetzt geht's noch mal los. Macht euern Dreck allein! Ich komme nicht wieder. (Brettl macht kehrt und geht fort. Man hört lautes, erregtes Sprechen. Viele Arbeiter kommen, dann Freimann.)

Arbeiter Bertram: Wir haben unsere Löhnung. Jetzt haun wir ab. Die Suppe haben wir nicht eingebrockt. Die wollen wir nicht auslöffeln.

(Die Arbeiter wollen eilig weiter) 3.

Arbeiter: Das endet mit Dresche und weiter nichts. Kommt, kommt! Den Schreiern sollen sie das Fell gerben, uns nicht.

Arbeiter Bertram: Ich muss meinen Acker bestellen. Ich kann nicht hier bleiben.

Freimann: Kameraden, wo wollt ihr hin? Wollt ihr die rote Front verlassen?

Arbeiter Bertram: Wir sind keine Kommunisten.

Freimann: Das ist eine Sache der ganzen Arbeiterschaft. Haben wir zuerst die Waffen ergriffen? Haben wir die Schupo ins Land gerufen?

Arbeiter Bertram: Wir wollen Ruhe und Frieden haben. Wir wollen nicht kämpfen.

Freimann: Ja, ihr wollt nicht kämpfen. Ihr wollt, dass andere für euch kämpfen. Wir Kommunisten sollen euch die Kastanien aus dem Feuer holen. Wir sollen für die Arbeiterrechte bluten, und ihr wollt's genießen. Aber allein schaffen wir's nicht. Und wenn sie u n s niederschlagen, liegt ihr auch am Boden und müsst hungern und schuften für eure Feigheit.

2. Arbeiter: Unsere Partei, die SPD, hat in Leipzig Maueranschläge gemacht, wir sollen den Wahnsinn nicht mitmachen, und in Leuna haust eine Verbrecherbande.

(Lichtbild des Maueranschlages)

Arbeiter Bertram: Denselben Anschlag habe ich in Weißenfels gesehen und  von  den  Unabhängigen Sozialdemokraten mit unterschrieben.

Freimann: Ha, so hetzen sie schon wieder gegen ihr eigenes Fleisch und Blut, die Verräter! Wollen uns wieder spalten und den Henkern ausliefern. Begreift's doch! Das sind die Bonzen, die das tun. Aber ihr Arbeiter dürft doch die eigene Sache nicht verlassen.

(Malchow kommt eilig)

Malchow: Nun was gibt's!? Man hat mich hergerufen.

Freimann: Die wollen sich drücken. Genossen, bleibt! Es ist unser aller gemeinsame Sache, und gemeinsam fechten wir's durch. Wir brauchen eine starke Front. Die darf nicht zerrissen werden.

Malchow: Nein, Genosse Freimann, wir halten keinen, der nicht freiwillig bleibt. Mit erzwungenen Kämpfern werden wir keine Schlacht gewinnen.

Wieland: Weg mit Schund und Bruch! Abfalleisen wollen wir nicht schmieden. In unserer Schmiede Glut, Hammer und Stahl - alles andere raus!

Malchow: Wer das Werk verlassen will, kommt mit mir zum Ausgang. Ich gebe ihm einen Ausweis.

(Die Arbeiter drängen sich um Malchow, der sie fortführt. Den fortgehenden Arbeitern entgegen und an ihnen vorbei kommen die Züge der in Reih und Glied marschierenden Arbeiterkompagnien mit dem Gesang des russischen Liedes:)

Weißes Gesindel und adlige Brut
baun am zaristischen Throne gar gut.
Doch von Sibirien zum Baltischen Meer;
die Rote Armee ist das stärkere Heer.
Es trägt die Waffen in eisernen Fäusten.
Die Rote Wehr voran zum Sieg,
und unaufhaltsam Proletenreihen
vereinen sich zum letzten Krieg!
Rote Soldaten zum Sturme voran!
Tönt das Signal, folgen Mann wir für Mann,
Refrain: Denn von Sibirien...
Schüret das Feuer, das Welten verzehrt,
Kirchen und Kerker auf ewig zerstört,
Refrain: Denn von Sibirien...

(Jede Kompagm'e singt beim Anmarsch auf den Platz eine Strophe des Liedes. Auf erhöhter Stelle steht

Kessel. Wieland und Freimann treten zu ihm. Waffen liegen aufgeschichtet. Die Kompanien marschieren singend auf und formieren sich.)

Kessel:   Lokomotivführer,   Kameraden   Willi   und Grasser.

Willi und Grasser (vortretend): Hier!

Kessel: Habt ihr die Eisenbahnkompanien zusammengestellt?

Willi: 150 Mann Eisenbahner und Schlosser.

Kessel: Eisenbahner erste Kompanie, ihr haltet das Südende des Werkes mit dem Güterbahnhof besetzt, und zweite Kompanie den Norden.

Grasser: Jawohl.  Es  ist  ein weites Gelände.  Ich brauche Waffen, ein Maschinengewehr für den Wasserturm, gute Gewehre und Fernglas zur Beobachtung der Bahnstrecke nach Corbetha.

Kessel: Erste und zweite Kompanie ein leichtes Maschinengewehr, zehn Gewehre und Revolver.

Willi: Das ist zuwenig.

(Die Waffen werden gebracht)

Kessel: Mehr Waffen gibt es noch nicht. Seht, dass ihr euch mehr beschafft.

Willi: Das werden wir tun, Kamerad Kessel. Bei den Großbauern gibt's genug.

Kessel: Sprengstoff ist auch da - Kamerad Prell!

Prell (vortretend): Hier.

Kessel: Du führst die fünfte Kompanie.

Prell: Jawohl.

Kessel: Wie lange warst du im Feld?

Prell: Vier Jahre als Unteroffizier.

Kessel: Als Unteroffizier? - (Sieht ihn misstrauisch an) Dritte Kompanie: Radfahrer!

3. Kompanieführer: Hier.

Kessel: Alles geübte Radfahrer?

3. Kompanieführer: Jawohl.

Kessel: Genug Räder vorhanden?

3. Kompanieführer: Jawohl.

Kessel: Vierte Kompanie: Sturmkolonne vollzählig?

4. Kompanieführer: Jawohl.

Kessel: Samariterkolonne zur Stelle?

Samariter: Jawohl.

Kessel: Alle Kompanien vollzählig zur Stelle. Nehmt die Waffen in Empfang. Jede Kompanie vorläufig zehn Gewehre.

(Die Waffen werden verteilt. Man hört ein Lastauto anfahren.)

Alle: Waffen! Waffen! Gewehre!

(Die Arbeitersoldaten treten aus Reih und Glied und wollen zum Lastauto eilen)

Kessel: Alle zurück!

Die Kompanieführer: Alle zurück!

Die Arbeitersoldaten: Wir wollen Gewehre!

Stimme  des  Chauffeurs  (hinter  der  Mauer):  Ich bringe nur Sprengstoff, noch keine Gewehre.

(Die  Arbeitersoldaten  treten   in   Reih   und Glied zurück)

Kessel: Disziplin, Kameraden! Jetzt Wachen heraus! Der ganze Umfassungszaun in Abständen umstellt, je zwei Doppelposten an die Tore. Macht zehn Lastkraftwagen fahrbereit! Auf jeden Wagen zehn Mann mit einem Maschinengewehr. Dann los in die Umgegend, Waffen beschaffen. Holt die Flinten und MGs von den Orgeschbauern und Rittergütern. und aus allen Winkeln, wo sie vergraben sind!

Freudige Rufe: Wir holen Gewehre!

Kessel: Und wo noch gearbeitet wird, legt die Gruben und Betriebe still!

(Malchow kommt eilig)

Malchow: So kriegerisch? Heeresmusterung! Eine Armee ohne Waffen! - Wartet doch, bis ihr Waffen habt!

Kessel (heftig zu Malchow): Wartet, bis ihr überfallen seid. Dir fällt wohl das Herz in die Hosen, du Wetterfahne?

Malchow (zu den Kompanien): Kameraden, keine Kompanie darf sich aus dem Standort und Bau, wo sie einquartiert ist, eigenmächtig entfernen. Kein Arbeitersoldat darf frei im Werk herumgehen ohne Auftrag und Befehl! Dies ist streng zu befolgen.

Die Kompanieführer: Jawohl.

Kessel: Abmarsch! Jede Kompanie in ihren Bau. (Die Kompanien marschieren singend ab)

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