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Berta Lask - Leuna 1921 (1927)
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I.AKT

1. Szene

Leunawerksgrundstück. Fabrikbauten. Hohes Baugerüst, auf dem Zimmerleute arbeiten. Unter den Zimmerleuten die beiden Matrosen. Karl kommt mit einer Sammelliste.

Karl: Sammlung für die streikenden Chemiearbeiter in Leverkusen. Gebt was, Kameraden!

Matrose: Für die armen Giftkumpels, da muss man was geben. Wie lange dauert's nun schon in Leverkusen?

Karl: Die dritte Woche.

Zimmermann: Wir sind doch Zimmerleute, zahlen für unsere Gewerkschaft, und wenn die Zimmerleute streiken, zahlen wir Streikgelder. Man kann doch nicht  immer zahlen.  Für  die  Leverkusener Giftkumpels können die Chemiearbeiter zahlen.

Matrose: Solidarität, Paul! Chemie oder Zimmermann, das ist alles eins. Arbeiter sind wir, Proleten sind wir. Wir zahlen für Leverkusen.

2. Matrose: Wir zahlen. Werden sie durchhalten?

Karl: Viel Kohldampf, viel Elend. Aber sie wollen durchhalten.

Matrose: Wenn wir mittags vom Gerüst steigen, dann komm mit deiner Liste. Dann zahlen wir. Da kommt der Betriebsrat Dammel. Was wird der sagen?

Karl:  Genosse  Dammel,   für   die   Streikenden   in

Leverkusen!

Dammel: Ihr mit euren wilden Streiks werdet die

Arbeiter noch ins Verderben jagen.

Matrose: Das hast du auch gesagt, wie wir hier im

Leunawerk den Kampf für die 48stunden-Woche anfingen. Und doch haben wir gesiegt.

Dammel: Ja, gesiegt. Aber mancher Sieg, der kann einem das Genick brechen.

Matrose: Ja du-----. Dämel, Dammel, Leithammel führt die Arbeiter in den Sumpf. Reißt ihn aus mit Stiel und Stumpf!

(Gelächter)

Dammel (halblaut): Diese fremdgeschriebenen Zimmerleute, das sind die richtigen Vagabunden.

Matrose: Ja, du bist was Besseres: Chemiebetriebsrat und Bonze und Katzbuckelheld. Wenn der unsre weiten Hosen von weitem sieht und unsre großen Hüte, dann graust's ihm schon.

(Gelächter) Was ein Kerl ist, den kann er nicht riechen.

(Wieland   kommt   ganz   leicht   angeheitert, spricht langsam und wichtig)

Wieland: Der aufm Gerüste - der Matrose -, das ist mein Freund. Breite Brust und Kopf hoch, ein Kerl der Matrose.

Dammel: Ja, breite Brust und Kerl, das reicht euch aus zum Kampfe. Aber was noch dazugehört, das versteht ihr nicht. Du bist auch so einer von den Wilden.

(Der alte Arbeiter kommt)

Alter Arbeiter  (mit Nachdruck):  Besser wild  als

falsch.

Matrose: Haut ihm die Jacke voll!

(Dammel entfernt sich etwas)

2. Matrose: Da kommt Konne-Bernd vom Bau 15. Der ist ehrlich, wenn er auch nicht gleich loshaut...

Matrose: Na, was gibt's denn, Konne?

Konne: Wisst ihr schon von Mansfeld, von Eisleben?

Matrose: Ja, haben davon gehört. Gestern sind die Kumpels von allen Gruben und Hütten im Mansfeldischen in Streik getreten, weil sie ihnen Werkspolizei hingesetzt haben, Offiziere und Spitzel.

Wieland: Die Mansfelder Kumpels, die kenn' ich, immer zahm, immer stille, kleine Leute, graue Gesichter. Aber wenn die mal anfangen, dann geht's los, dann geht's mit Wucht.

(Kessel kommt atemlos)

Kessel: Die Direktion in Eisleben musste nachgeben. Die Direktion zieht die Werkspolizei zurück.

Matrose: Hört doch! Die Direktion zieht die Werkspolizei zurück!

Karl: Zwei Tage Streik und gesiegt! Ein Hoch den Mansfelder Kumpels!

(Bruno kommt)

Bruno: Kameraden, sie haben gesiegt!

Verschiedene: Wir wissen schon.

Bruno: Ihr wisst's schon, aber ihr habt's nicht gesehn. Wenn ihr wärt dabei gewesen! - Das strömte, das brauste. Das war wie ein wildes Meer auf dem Marktplatz von Eisleben. Das war wie bei uns im Ruhrgebiet nach dem Kapp-Putsch. Wie's da losging, so war's.

(Lichtbild der Volksmenge)

Konne: Sei nicht so aufgeregt, Genosse! Das ist hier was andres wie voriges Jahr. Jetzt haben wir keinen Rechtsputsch hinter uns.

Mehrere: Aber vielleicht vor uns.

Kessel: Er hat recht, der Genosse vom Ruhrgebiet. Die Unternehmergarden stehn immer parat. Denk an Halle voriges Jahr, Bernd, an den Verrat, wie sie den Panzerzug der Kappisten entwischen ließen. Die rüsten Tag und Nacht. Jeden Tag kann die Orgesch losschlagen und die Baltikumer, wie voriges Jahr. Man muss an die Waffen denken.

Karl: So denk dran, Genosse Kessel! Du musst's am besten verstehn. Hast doch voriges Jahr bei Ammendorf die militärische Leitung gehabt.

Konne (sich umsehend): Seid bloß still, Genossen! Solche Reden, das ist's, was die Spitzel brauchen. Noch nichts von Waffen! In Mansfeld haben sie vorläufig ohne Waffen gesiegt.

Matrose: Da hinten steht ja noch der Bonze Dammel. Was sagst du nun, Dammel? Wieder ein Sieg der Arbeiterschaft. Die Werkspolizei muss raus.

Dammel: Ich sage, mancher Sieg, der kann einem das Genick brechen.

(Dammel rasch ab)

Matrose (voller Zorn): Du, du willst uns das Genick brechen.

(Angestelltenrat Knappe kommt)

Knappe: Ich bitte den Betriebsrat zur Direktion.

Konne: Wir kommen.

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