III. AKT
1. Szene
Fünf Arbeiterküchen nebeneinander auf der Bühne. 1. Küche: der Heizer und seine Frau, 2. Küche: Arbeiter Bertram und Else, 3. Küche: 3. Arbeiter und 3. Frau, 4. Küche: Freimann und Freimanns Frau und Kinder, 5. Küche: die rote Guste und 1. Spitzel. Falls dies szenisch für manche Bühne unmöglich, können die Küchen auch nacheinander gezeigt werden.
(Der Heizer holt sein Gewehr aus dem Schrank)
Frau des Heizers: Was willst du mit dem Ding? Las es doch im Schranke stehn!
Heizer: Morgen treten wir bewaffnet im Leunawerk an.
Frau des Heizers: Bewaffnet im Leunawerk? Wieder wie im vorigen Jahr? 250 Tote liegen in Halle. Nein, nein, du bleibst hier!
Else: Im Mansfeldischen kämpfen sie. Ihr sollt bewaffnet antreten im Leunawerk, und du willst hier bleiben? Du willst hier ausruhn und deine Brüder verraten? (Sie holt ein Gewehr unterm Bett vor) Hier hast du dein Gewehr vom vorigen Jahr. Es ist nicht verrostet.
Arbeiter Bertram: Ich will nicht mitmachen. Es wird schief gehen. Ich hab' kein Vertrauen zu der Sache. 3.
Frau (stellt einen Napfkuchen auf den Tisch): Also Klamauk machen sie wieder? Sieh mal, der Osterkuchen ist schon fertig. Ich hab' beim Kaufmann anschreiben lassen. Morgen bekommst du doch Lohn?
3. Arbeiter: Ja, morgen ist Lohntag. Aber da sollen wir Waffen mitbringen und im Leunawerk bleiben. 3.
Frau: Das ist ja Quatsch. Wat willste mit die Knarre? und überhaupt vor Ostern! Da, koste mal, wie's schmeckt.
Else: Wenn ihr feige seid, dann geht's schief. Ich dacht', ich hab' einen Mann, einen Mann, der aufsteht, wenn die Partei ruft, und seinen Brüdern hilft, wenn sie bluten.
Arbeiter Bertram: Das ist so 'ne wilde Sache von der KAP und den Kommunisten. Unsere Partei ist nicht dafür. Ich hol' meinen Lohn und komme wieder. Da gibt's doch nur Dresche. - Hier hat man seine Ruhe. Der Klamauk hilft ja doch nicht.
(Freimann in der 4. Küche putzt sein Gewehr, schwangere Frau steht neben ihm, drei Kinder vor ihm)
Freimanns Frau (auf Freimanns Schulter gestützt, mit leisem Schluchzen): Du mußt's wissen, ob's
nötig ist. Wenn's sein muss, will ich dich nicht halten.
Freimann: Es muss sein, Frau. Wir müssen kämpfen.
Freimanns Frau: Und ihr werdet siegen? (Schweigen) Werdet ihr siegen?
Freimann: Ob Sieg oder Niederlage - wir müssen kämpfen.
Die rote Guste: Morgen mach' ich ins Leunawerk. Der Oberkrim hat's gesagt.
1. Spitzel: Meinetwegen. Aber dass du mir nicht zu viel rumpussierst!
Die rote Guste: Ha, du Achtgroschenjunge, willst mir Vorschriften machen.
1. Spitzel: Bist du was Besseres?
Mädchen (zu Freimann): Wenn sie dich totschießen, Vater, was dann? (Die Frau schluchzt auf) Du sollst nicht weggehen, Vater!
Junge: Nimm mich mit, Vater!
Die rote Guste: Ich verdien' mir mein Geld selbst; da will ich auch meinen Spaß haben. Ich such' mir die schönsten Kerle raus im Leunawerk.
1. Spitzel: Hure!
Heizer: Begreifst du's nicht, Weib? Es geht zum Kampfe.
Frau des Heizers: Nein, du darfst nicht gehen. Ich will nicht allein die Kinder füttern. Ich will nicht allein im Bett liegen ohne Mann. Ich will keinen Krüppel, ich will keinen Toten! Du bleibst. (Sie umschlingt den Heizer. Der Heizer macht sich frei.) Warum willst du fort?
Heizer: Warum? - Das Unterste muss zuoberst werden. Der große Ofen muss werden angesteckt.
(Der Heizer steht, auf das Gewehr gestützt, und sieht visionär ins Leere. Die Frau sinkt schluchzend auf einen Stuhl.)
Arbeiter Bertram: Ich sag' dir doch, ich hab' kein Vertrauen zu der Sache.
Else: Dann bleib hier und back Osterkuchen! Ich nehm' dein Gewehr und stell' mich im Leunawerk zur Verfügung.
3. Frau: Ein viertel Pfund Rosinen sind mang den Kuchen. Mir tut der Bauch weh vom Teigschlecken. - Nun sitz doch still! Was rennst du denn so rum? 3.
Arbeiter: Mir geht das noch so im Kopf herum mit Leuna. In Eisleben sind die Grünen einmarschiert und haben geschossen.
3. Frau: Ostersonntag zieh' ich mein Blaues an. Da können wir rausfahren und uns erzählen lassen. Kuchen packen wir ein. Kaffee kochen wir draußen. 3.
Arbeiter: Kuchen mit Rosinen oder mit blauen Bohnen -
3. Frau: Ja, richtige Kaffeebohnen nehm' ich mit. (3. Arbeiter stampft ungeduldig mit dem Fuß auf) Na, was haste denn bloß?
Freimann: Frau, du begreifst, um was es geht - Zehnstundentag und Maulhalten.
Freimanns Frau (leise weinend): Ich begreif schon, um was es geht. Nur ist es so schwer, und nu kommt noch das Kind. Und du bist ein guter Mann. Wenn's sein muss, dann geh in den Kampf.
Mädchen: Nein, Vater soll bei uns bleiben.
Freimann (aufstehend): Wer ein Klassenkämpfer ist, der tritt morgen bewaffnet im Leunawerk an. So ist der Beschluss.
Die rote Guste: Denkst du, das macht mir Spaß mit euch Spitzeigemurks? Morgen im Leunawerk, ha, da gibt's Männer.
1. Spitzel: Wirst nicht lange deinen Spaß haben, musst sie doch verraten.
Die rote Guste: Erst die Liebe, dann Verrat. Und überhaupt - ich tu, was ich will.
1. Spitzel: Nimm dich in acht |