Willkommen bei Nemesis - Sozialistisches Archiv für Belletristik
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IV. AKT1. SzeneLeunagrundstück. Bums und Schluck kommen, leicht betrunken, Arm in Arm. Bums: Das Saufen haben die Kommunisten verboten, aber so 'ne geklaute Pulle Wein merken sie nicht gleich. Warum soll man nicht mal 'ne Pulle Wein trinken? Jetzt gehört doch alles uns. Wer weiß, wie lange das dauert? Bleibst du hier? Machst du mit? Schluck: Solange es zu fressen und zu saufen gibt. Nur Weiber fehlen noch. Ãœberhaupt geht alles zu streng zu. Wir sind doch nicht in einer kaiserlichen Kaserne. Wollen mal ins Lazarett gehn. Da sind doch Weiber zum Pflegen. Vielleicht kriegen wir da ein Mädchen. Bums: Ein Weib und einen Kümmel. Komm! (Sie gehen weiter. Prell kommt, sieht ihnen nach, nickt zustimmend.) Prell: So ist's recht. (Er   verschwindet   wieder.   Arbeiterwache kommt.) Arbeiterwache: Ihr verfluchten Saufbolde, schert euch aus dem Werk! Beschmutzt unsere ganze Sache. (Schluck und Bums rasch ab. Matrose und Heizer kommen, der Matrose mit einem Gewehr, der Heizer mit einer Handgranate.) Matrose: Heut ziehen wir nur auf Wache. Aber morgen kann's schon in den Kampf gehen. Mir ist so leicht und frei, als hing' ich wieder oben im Mastkorb und säh' weit übers Meer. Heizer: Vor zwei Tagen stand ich noch auf dem Generatorofen. Vor zwei Tagen stieß ich noch mit der Stange in den glühenden Koks. Nun ist das ganze Land ein glühender Ofen. Und schmeiß' ich das Ding hinein, dann explodiert's. Matrose: Vorige Woche hab' ich meinen Kameraden verloren, mit dem Gerüst gestürzt und tot. Aber dich mag ich, Bruder. Du bist einer von meiner Sorte. Wir halten zusammen. Heizer: Wenn wir von den Öfen heruntersteigen, wenn wir aus den Kesselhaustoren wanken, wir mit den zerfressenen Lungen, dann ist Zeit zum Ausräuchern, Zeit zum Giftablassen. Ich begreife nicht so mit dem Kopfe wie ihr, aber hier drin, hier in der Brust, da fühl' ich's. Matrose (stehenbleibend): Dort drüben steht das Gerüst. Wie er da heruntergebrochen ist, weil die Firma wieder leichtsinnig war, wieder die Vorschrift übertrat, da hab' ich geschrieen - es stieg mir so auf -, da hab' ich geschrieen, ich will ihn rächen. Und nun ist der Tag der Rache da. - Solch Gewehr ist ein gutes Ding, Kamerad. (Ein Lastkraftwagen mit sechs bewaffneten Arbeitern, unter ihnen Willi, Karl und Bruno, kommt. Die Arbeiter springen ab und holen Gewehre aus dem Wagen.) Matrose: Hei, Gewehre! Zeigt her! Bringt ihr was Gescheites? Karl: Modell 98 und Jagdflinten und zwei Maschinengewehre. Matrose: Wo wart ihr? Willi: Waren nach Dürrenberg und noch weiter hinÂunter. In Dürrenberg haben wir den letzten Betrieb stillgelegt. Dann sind wir überall zu den großen Orgeschbauern hinein, haben ihnen den Wanst beklopft. Da war solch Großer, Dicker mit grauem Schnauzbart, der hat noch nie in seinem Leben ein Gewehr gesehen, unschuldig wie ein Kind. Dem haben wir unter den Dielen die schönsten Modelle 98 vorgeholt und ein tadelloses Maschinengewehr. (Gelächter) Die Landjäger haben wir auch überall entwaffnet. Bruno: Manche, die hatten bannig Angst, kamen gleich herausgesprungen und schmissen uns ihre Jagdflinten und Revolver hin. Willi: Wo unser Auto in Sicht kam, da schrieen die Kinder: die vom Leunawerk oder Max Hoelz kommt. Matrose: Das ist alles noch zu wenig, besonders die Munition. Weiß der Teufel, wo die Waffen stecken. Wie sieht's denn sonst aus so ringsherum? Bruno: Die Bauern halten sich still, schnüffeln, wie der Wind weht. Die Landarbeiter sympathisieren, melden sich zur Roten Armee. In den Betrieben sind sie halb so, halb so. Die rechten Bonzen bellen wie Polizeihunde gegen uns: Räuberbande im Leunawerk und was mehr. Von meiner Heimat, vom Ruhrgebiet, konnt' ich nichts erfahren. In Naumburg liegt bayrische Reichswehr unter Alarm. Matrose: Bayrische? Das ist eine Sorte! - Willi: In Richtung Berlin haben wir die Bahn stillgelegt gegen Schupozuzug. An anderen Stellen hat Hoelz was gemacht. An Sprengstoff fehlt's nicht. Bruno: Schafft die rostigen Gewehre nach Bau 15 zur Waffenmeisterei! Da werden sie repariert. Matrose: Kameraden, ich meine, es ist Zeit, dass wir was Ernsthaftes unternehmen. Hier wird rumgelungert. Man sieht nicht, was geschieht. Bruno: Alle sind wie weggeblasen und zerstreut. Die Kompanien liegen in ihren Bauten; da darf man nicht hinein. Die Feldwachen liegen weit draußen, da darf man nicht hinaus. Es ist alles so weitläufig. Man kann keine Verbindung kriegen, tappt so herÂum. Und Kuriermeldungen bekommt man auch nicht zu hören. Bei uns im Ruhrgebiet im vorigen Jahr, da war ein anderer Zug drin. Heizer: Morgen oder übermorgen, wenn wir mehr Waffen haben, dann wird's losgehen. Geht's dann nicht los, dann meutern wir. (Die Waffen werden fortgetragen) Matrose: Da kommt Kamerad Grasser, der am Südende die Eisenbahner führt. Auf den ist Verlas. Das ist ein Mann. (Grasser kommt eilig) Grasser: Rasch, Kameraden! Ich kann von meinem Posten nicht weg. Will nur nach Waffen fragen. Ich sah ein Auto von Dürrenberg kommen. Matrose: Auch noch wenig, was die gebracht haben. Wie steht's bei euch? Was macht deine Kompanie? Grasser: Manche sind getürmt, einer nach dem anderen über den Zaun. Die anderen sind gute Kameraden, halte sie zusammen. (Willi kommt und hört zu) Wir haben's nicht leicht, ein riesiges Gelände, und jeden Tag stoßen Sipopatrouillen von WeißenÂfels über Corbetha vor, den Bahndamm lang und Chaussee. Ich hab' ein Maschinengewehr auf dem Wasserturm aufgestellt und einen Posten mit Fernglas. Wir haben schon fünf Mann Patrouillen abgeschossen, fahren auch mit der Bahn bis Corbetha hin und her. Willi: Wir bauen jetzt aus Gipswagen einen PanzerÂzug, zwei Wagen und eine Lok, alles bepanzert. Die Platten haben wir schon. Die anderen: Einen Panzerzug? Willi: Wenn die weißen Halunken mit Kriegszeug anrücken, sollen wir uns  abschießen lassen wie Hasen? Gegen die weißen Garden des Kapitals, das ist doch der einzige gerechte Krieg. Da müssen wir Arbeiter alles einsetzen, auch einen Panzerzug. Karl: Einen Panzerzug aus Gips- und Kohlenwagen? Ha, das ist was. Ein Jahr lang hab' ich Gips zum Leunawerk gefahren. Das war mir verhasst, war mein schlimmstes Jahr. Wie ein Müllersknecht sah ich aus, und der Gipsstaub machte mich krank. Jetzt wird daraus ein Panzerzug für den Freiheitskampf. Du, Kamerad, das ist herrlich. In den Panzerzug muss ich mit hinein. Willi: Komm zu Bau 15 und sieh dir's an! Da wird Tag und Nacht am Panzerzug gebaut. Und wenn du so einer bist, der auf den Kampf brennt, dann nehm' ich dich mit in die Besatzung. Karl: Ich komm' zu dir in den Panzerzug. Vorstoßen werden wir gegen die weißen Garden. (Er eilt mit Willi fort) Grasser: Ihr seht, wir Lokführer liegen nicht auf der faulen Haut. Aber zum Teufel, was treibt ihr anderen hier? Tausend Mann und noch nicht mal Merseburg erobert! Ich halt' euch die Weißenfelser Sipo vom Leib, aber was tut ihr? Matrose: Da musst du den Aktionsausschuss fragen. Grasser: Der Aktionsausschuss, ich weiß nicht, ist das ein Misthaufen oder ein Aktionsausschuss? Eine gescheite Antwort bekommt man da nicht, wenn man anruft. Heizer: Aus Russland, sagen sie, sind Rotarmisten unterwegs, ein ganzer Eisenbahnzug voll. Grasser: Das wird wohl nur Phantasie sein. Matrose: Aber ein neuer Kampfleiter ist heute gekommen, manche sagen, aus Russland, manche sagen, von Max Hoelz. Die Wahrheit weiß man nicht. Ich trau' keinem fremden Gesicht. Oskar heißt er. Grasser: Hol euch allesamt der Teufel, Kameraden! Ich muss zum Güterbahnhof und zum Wasserturm. Wenn's nicht bald anders wird, komm' ich mal mit 'ner Handgranate wieder. (Lachen, Grasser rasch ab) Matrose: Komm, wir müssen auf Wache. (Beide ab, Prell kommt vorüber, verschwindet wieder. Zwei große Autos mit Bewaffneten kommen, gleich darauf Malchow und Oskar.) Führer aus dem Geiselthal: Kameraden, führt uns zum Aktionsausschuss des Leunawerkes! Malchow: Wir sind vom Aktionsausschuss. Das ist Kamerad Oskar von der Kampfleitung. Führer aus dem Geiselthal: Wir sind 250 Bewaffnete aus Neumark im Geiselthal, haben bis jetzt die Merseburger  Sipo  in  Schach  gehalten,  wollten gestern Max Hoelz im Mansfeldischen zu Hilfe kommen,  es war aber kein Durchkommen  möglich. Massig Schupo überall. Aus dem Rheinland sind neue gekommen und aus Berlin. Eine Reichswehrbatterie führen sie mit sich. Weil wir vergeblich gegen sie angerannt sind und kein Durchkommen für uns war, sind wir hierhergemacht ins Leunawerk, zweihündertfünfzig Mann und zweihundertfünfzig Gewehre und stellen uns euch zur Verfügung für eine Aktion. Oskar: Gut, Kameraden, kommt nur herunter und legt eure Gewehre hier zusammen. Rufe: Die Gewehre abgeben? Oskar: Bei uns werden die Waffen zusammengetan und nach Bedarf verteilt, denn wir haben nicht genug Waffen. Rufe: Das gefällt uns nicht. Wir wollen unsere Waffen behalten. Wir wollen kämpfen. Malchow: Ihr sollt auch kämpfen, Kameraden. Wir wissen, dass ihr eine tapfere Truppe seid, ihr aus Neumark im Geiselthal. Ruht euch gut aus die Nacht und stärkt euch! Nachher kommt ihr in den Kampf. Euch nehmen wir zu einer großen Sache, wenn's soweit ist. Führer aus dem Geiselthal: Disziplin, Kameraden! Steigt ab und legt die Waffen hin! (Die Arbeiter aus dem Geiselthal marschieren, nachdem sie die Waffen hingelegt haben, schweigend ab) Malchow: Oskar, weil du von Hoelz geschickt bist, darum haben wir Vertrauen zu dir. Du scheinst von militärischen Dingen was zu verstehen. Hast du einen Kampfplan? Oskar: Was man allein im Kopfe trägt, das kann nicht verraten werden. Ich will vorerst Menschen und Waffen sammeln, und dann kommt die große Aktion. Malchow: Ich bin auch deiner Ansicht, sammeln und abwarten, und vor allem hier den Betrieb halten. Hier können noch Tausende Unterkunft finden. Nach Ostern wird sich die Lage klären. Dann sieht man, ob anderswo im Reiche der Aufstand losbricht. Da kann man sich danach richten. Man kann doch nicht hier so allein vorgehen. Mir wächst auch alles über den Kopf. Unaufhörlich Fragen, Befehle, Nachrichten und niemals Ruhe, niemals Schlaf. Gut, dass du gekommen bist. Es ist eine große Verantwortung. Aus Berlin kommen gar keine Kuriere, vielleicht wegen der Eisenbahn, die meist stilleliegt. Aus Halle fordern sie immerfort bald dies, bald das. Bald sollen wir nach Mansfeld, bald nach Halle, dann Merseburg stürmen. Aber wir halten die Leute noch hier zusammen und warten ab. - Ich kann meinen Kopf kaum mehr halten. Ich will etwas Wein trinken, und dann schlafe ich ein paar Stunden. Komm! (Er betrachtet  Oskar aufmerksam)  Sag mal,  du kommst mir doch so bekannt vor, irgendwie von früher her. Warst du nicht... Oskar: Ja, ich war ebenso Offiziersaspirant wie du. (Malchow starrt erschrocken Oskar an) Brauchst dich nicht zu fürchten. Malchow (sich fassend): Ja, ja, so ist das. Sind eben solche Zeiten. - Du, dass heute wieder zwei Kuriere aus Mansfeld kamen, das braucht keiner zu erfahren. Oskar: Von mir wird's keiner erfahren. Ich halte zu dir. Aber eh' du dich schlafen legst, musst du mir Geld geben. Malchow: Bis jetzt haben wir kein Geld gebraucht, weil wir doch die Vorräte haben. Oskar: Wir müssen unbedingt Geld haben. Malchow: Gut, gut, ich werde das Geld für dich beschlagnahmen. |
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