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B. Traven - Die Troza (1936)
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ACHTES KAPITEL

1

Das Hauptquartier der Monteria La Armonia machte jetzt, nach den drei Tagen der Emsigkeit eines aufgescheuchten Ameisenhaufens, einen geisterhaft stillen Eindruck, verursacht durch den Abmarsch einer so großen Zahl von Menschen und Tieren, dass es den Anschein erweckte, als zöge ein ganzes Volk aus.
Die Handwerker und Peones waren anderweitig beschäftigt und darum auf dem Gelände nicht sichtbar. Das verstärkte den Eindruck, dass die Stadt ausgestorben sei.
Am Tage nach der Abreise der großen Karawane stellten die Montellanos zu ihrer Genugtuung fest, dass ihnen nicht ein einziger Mann entwischt war. In dieser Erkenntnis sonnten sie sich wie gute Soldaten, denen eiserne Medaillen auf ihre Brustlätze aufgespickt worden waren für eine blutige Handlung, um deretwegen sechzig Mütter Gott im Himmel verfluchten, dass er so etwas geschehen lassen konnte. Es gibt ja keine einzige Handlung, ausgeübt von Menschen, die nicht irgendwo von irgendwelchen anderen Menschen als eine verdienstwürdige Tat gelobt wird, Nun erst, als sie hier allein waren, begannen sich die Montellanos als die wirklichen Herren zu fühlen. Und um dieses Gefühl voll zu genießen, betrachteten sie es als ihre erste wichtige Aufgabe, alles das, was die Company und deren Verwalter hier bisher getan hatten, als stupid, dumm und in jeder Hinsicht ungeschäftlich zu bezeichnen. In welche Ecke der Oficinas sie auch kamen, welchen Handwerker oder Peon sie auch antrafen, bei welcher Arbeit sie auch einen Mann fanden, alles war verkehrt gemacht, und jeder, der dies oder das so oder anders angeordnet hatte, wurde als ein verblödeter Ochse bezeichnet, ganz gleich, ob es der bisherige Administrador war oder der Tendero oder der Lagerverwalter.
Nachdem sie für den ersten Tag mit dieser vernichtenden Kritik zu Ende waren, hielten die drei Brüder eine Konferenz ab, in der sie berieten, wie alles und jedes besser gemacht werden könnte und besser gemacht werden müsse.
Auf dieser Konferenz redete freilich nur Don Severo. Seine beiden Brüder durften lediglich zuhören, das, was er anordnete, gutheißen und sich verpflichten, es mit Kraft und, wenn nötig, mit Blut auszuführen.
Sie hatten sechs Capataces mitgebracht, Aufseher, die mit ihnen bereits seit einiger Zeit arbeiteten und von den drei Brüdern so erzogen worden waren, wie sie sich gute Capataces vorstellten. Diese Capataces wurden nun herbeigerufen. Und die zweite Konferenz begann.
Warum sollten die Montellanos den Contratistas zehn Pesos Gold für die gelieferte Tonne Caoba zahlen, wenn sie selbst erfahrene Contratistas waren, die, richtig organisiert, alles allein tun konnten, ohne die Mithilfe von Contratistas. Die zehn Pesos für jede Tonne konnten sie selbst verdienen.
Contratistas waren im Grunde genommen ja doch nur Parasiten, besonders dann, wenn sie von den Montellanos bezahlt werden mussten.
So wurde beschlossen, dass Don Felix im Hauptquartier, in den Oficinas, bleiben sollte. Hier musste eine verantwortungsvolle und erfahrene Person anwesend sein, bei der alle Zweige des weitausgedehnten Unternehmens zusammenliefen. Hier waren die neu angeworbenen Caobaleute abzuliefern; hierher brachten die Karawanen die notwendigen Waren; hier war die Tienda; hier war das Lager aller Geräte; hier war die Kontrollabschwemmstation; hierher kamen alle Bestellungen und Nachrichten, solange die Brüder kein Hauptbüro im Hafen unterhielten. Don Severo übernahm die
Lieferung der Caoba in La Armonia. Der Jüngste, Don Acacio, übernahm die Lieferung in den zwei anderen, kleineren Monterias, in La Estancia und in La Piedra Alta, die dicht beieinander lagen und darum leicht zusammen bewirtschaftet werden konnten.
Weder Don Severo noch Don Acacio vermochten in allen Distrikten oder Semaneos ihrer Monterias zu gleicher Zeit zu sein. Jeder Distrikt war bisher von einem Contratista ausgebeutet worden, und weil nun die zwei Brüder gleichzeitig alle jene Distrikte bearbeiten wollten, die bis heute von neun verschiedenen Contratistas geleitet worden waren, die Hauptmonteria allein. von vieren, so musste die Organisation völlig geändert werden, um dasselbe, nein, das Doppelte liefern zu können von dem, was unter der bisherigen Organisation gefördert worden war.
Die früheren Contratistas und die älteren, erfahrenen Angestellten hatten in ihrer Unterredung mit Don Leobardo bereits angedeutet, wie die Montellanos es wahrscheinlich machen würden, um die Ausgaben für die Contratistas zu sparen. Und so, genau so geschah es nun auch.
Zur Durchführung dieses wirtschaftlichen Planes war keine besondere Anstrengung des Hirns vonnöten, nur diktatorische Gewalt und genügend Brutalität.

 

2

Es war sehr einfach. Die Genialität des Planes beruhte in seiner Einfachheit. Als die sechs Capataces versammelt waren, hielt ihnen Don Severo eine Ansprache. Es wurde von ihnen nur erwartet zu nicken und »Si, patron!« zu sagen. Alles übrige redete Don Severo.
»Muchachos!« sagte er. »Von nun an, da wir selbst hier die Besitzer geworden sind, könnt ihr endlich einmal etwas verdienen.«
Die Burschen hielten die Ohren steif, um kein Wort zu verlieren; denn dass ihnen von den Montellanos Extraverdienste versprochen wurden, war für sie eine unerwartete Neuigkeit.
»Ihr seid an unsere Arbeitsmethoden gewöhnt. Ihr habt lange genug mit uns zusammen gearbeitet, um zu wissen, wie ich es meine und wie gearbeitet werden muss. Wir Menschen sind nicht auf der Welt, um herumzufaulenzen, zu saufen, zu huren und uns zu vergnügen, sondern um zu arbeiten. Und wenn ich sage, wir Menschen sind auf dieser jammervollen Erde, um zu arbeiten, dann meine ich natürlich, um hart zu arbeiten, sehr hart, bis die Knochen knacken und der Saft uns vorn und hinten 'rausspritzt. Das ist es, was ich unter arbeiten verstehe. Verstanden?«
»Si, patron!« antworteten die Burschen einstimmig.
»Ich habe mir darum gesagt, dass ihr mehr verdienen müsst, weil ihr wirklich gute und tüchtige Capataces seid. Da, gießt euch einen ein. Gottverdammt noch mal, nicht aus dieser Flasche, sondern aus jener. Ihr werdet doch wohl noch unterscheiden können, was für uns ist und was für euch, ihr gottverfluchten Hurensöhne.«
Nicht verschüchtert, sondern nur unbeholfen gemacht durch den Rüffel, nahmen sie die Flasche mit dem gewöhnlichen Aguardiente, die ihnen Don Severo hingeschoben hatte. jeder schenkte sich sein Glas voll, sagte »Salud!« zu jedem einzelnen der drei Brüder und goss es hinunter. Es war nur ein Glas für sie zur Hand. Darum dauerte es eine Weile, ehe es herum war. Diese Zeit ließ Don Severo nicht müßig vorübergehen.
»Jeder einzelne von euch übernimmt einen Distrikt. Wer nicht mitmachen will, kann seiner Wege gehen. Ich brauche euch überhaupt nicht und behalte euch nur hier aus Barmherzigkeit, und weil ihr alle zu tief im Vorschuss steckt, eurer ewigen Sauferei, Spielerei und Hurerei wegen. Für jeden werde ich den Distrikt bestimmen.«
Don Severo nahm einen Zettel auf. Auf diesem Papier waren die Semaneos eingeteilt. Die größte und reichste der drei Monterias, die er gekauft hatte, war La Armonia, wo sich die Oficinas befanden.
Diese übernahm er selbst. Die beiden kleineren, La Estancia und La Piedra Alta, übernahm Don Acacio. Diese beiden waren etwa vier Tagesritte von La Armonia entfernt. Don Severo fand La Armonia eingeteilt in vier Distrikte, die er beibehielt. Er änderte nur die Namen und benannte sie jetzt nach den Himmelsrichtungen, in denen sie vom Zentralpunkt aus lagen, Norte, Sur, Este, Oeste. La Estancia und La Piedra Alta teilte er in je zwei Distrikte ein, die beiden der La Estancia benannte er Norte und Sur und die beiden der La Piedra Alta Este und Oeste.
So hatte er das auf dem Zettel in einem roh gezeichneten Geländeplan ausgearbeitet. Es blieb ihm jetzt nur die Aufgabe, diese Distrikte mit den richtigen Männern zu besetzen.
»Ich selbst übernehme den Distrikt Norte der La Armonia hier, um in eurer Nähe zu sein. Du, Picaro, übernimmst Distrikt Sur.«
Die Montellanos riefen nie einen ihrer Leute beim wirklichen Namen. Vielleicht wussten sie die wirklichen Namen nicht einmal, oder wenn sie ihnen je genannt worden waren, so glaubten sie an die Richtigkeit der Namen ja doch nicht. Sie verließen sich vielmehr auf die Motes oder Spitznamen, die sie ihren Leuten gaben und die meist so gut gewählt waren, dass sie wenig Mühe hatten, den Mann herauszufinden, ohne sich an dessen richtigen Namen erinnern zu müssen.
»Jeder von euch ist in seinem Distrikt der Mayordomo, der Foreman, mit unbeschränkter Gewalt. Versteht ihr?«
»Si, patron!«
»Schenkt euch ein neues Glas ein. Hier sind auch Zigaretten. Jeder Mayordomo bekommt zur Hilfe einen Capataz, und zwar jeder den des früheren Contratista, der im Distrikt zurückblieb und von uns übernommen wurde. Mit denen arbeitet ihr verträglich zusammen, oder ich feuere euch, und ehe ihr geht, kriegt ihr eine ganz gottverdammte Dresche aufgeladen.«
»Las gratificaciones, Severo«, erinnerte ihn Felix.
»Halts Maul und sitz ruhig auf deinem Ursch! Ich komme schon dazu. Du, Pulpo, spinniger Octopus, du übernimmst den Distrikt Este.«
»Si, patron!«
»Chucho, du nimmst den Distrikt Oeste. Die übrigen drei, La Mecha (der Docht), El Guapo (der Schöne) und El Faldon (der Weiberrock), ihr geht mit Don Acacio zu den beiden anderen Monterias.«
»Las gratificaciones, Severo«, erinnerte ihn jetzt auch Don Acacio.
Don Severo schien nun endlich die Zeit für gekommen zu halten, um von den Belohnungen zu sprechen. Darum brüllte er Don Acacio nicht an, das Maul zu halten.
Aus den Listen, die ihm von Don Leobardo und den Contratistas übergeben worden waren, hatte er die genaue Zahl aller Leute, die in den einzelnen Distrikten arbeiteten, sorgfältig festgestellt. Und er hatte auch, soweit er das von den Oficinas aus tun konnte, ausgerechnet, wie viele Hacheros oder Fäller in jedem Distrikt waren und wie viele Boyeros und Macheteros. Ohne in Betracht zu ziehen, ja ohne überhaupt recht zu wissen, wie schwierig das Gelände der einzelnen Distrikte war und wie notwendig eine volle Zahl von Boyeros sein mochte, strich er kurzerhand mehrere Leute von den Schleppmannschaften und überschrieb sie zu den Hacheros.

 

3

Die tägliche Pflichtlieferung eines Fällers waren zwei Tonnen Caoba, vorschriftsmäßig abgeschält und zugehackt, fertig zum Schwemmen.
Es war bisher immer die Regel gewesen, dass ein Schläger, der nicht in der Lage war, zwei Tonnen täglich zu liefern, in den meisten Fällen ohne eigene Schuld, das Recht hatte, die fehlenden Tonnen innerhalb einer Woche nachzuliefern. Das war so gemeint, dass, wenn er am Montag und am Dienstag zusammen nur drei Tonnen geliefert hatte anstatt vier, er den Verlust einholen konnte dadurch, dass er innerhalb derselben Woche an einem Tage statt zwei gleich drei Tonnen schaffte, was durchaus möglich war, wenn er einen Baum fand, der allein zwei Tonnen gab. Zwei Tonnen täglich regelmäßig zu schaffen, ist eine ganz verteufelt harte Leistung für einen Mann, der im Dschungel unter tropischer Sonnenglut arbeiten muss und nie eine Mahlzeit in den Magen bekommt, die man als kräftig bezeichnen könnte. Erreichten die Hacheros ihre volle Tonnenzahl nicht, so wurden ihnen die Tage, an denen sie nicht zwei volle Tonnen geliefert hatten, nicht bezahlt; sie hatten also umsonst gearbeitet, obgleich sie vielleicht eine Tonne oder gar eine und eine halbe wirklich geschafft hatten. Aber weil die zwei Tonnen nicht voll waren, so wurden ihnen die wirklich gelieferten ebenfalls nicht berechnet oder nur dann berechnet, wenn sie innerhalb derselben Woche, zuweilen unter gutmütigen Contratistas in vier Wochen, die Gesamtlieferungszahl für die Woche auf vierzehn Tonnen brachten. Sonntage und Feiertage gab es nicht. Das war auch ganz in der Ordnung. Der Dschungel kennt ebenfalls keine Feiertage. In ihm wachsen die Caobas, die Mahagonibäume, jeden Tag und Tag und Nacht, ohne sich um Kalenderfeiertage zu kümmern. Dazu hat der Dschungel keine Zeit, und darum haben auch die Caobaleute keine Zeit, um solche Dummheiten zu machen, wie Feiertage oder Ruhetage zu verlangen.
Wenn ein Hachero ständig unter seinen zwei Tonnen täglich blieb, dann wurde angenommen, dass er absichtlich nicht liefern wolle. Der Contratista rief dann seinen Capataz herbei und gab ihm Befehl, sich den Mann einmal vorzunehmen. Die Capataces kannten kein anderes Mittel, als die faulen Schläger auszupeitschen. Mit langen Erwägungen über die physischen Möglichkeiten oder Unmöglichkeiten der Arbeiter hielt sich niemand auf. Mit Erwägungen und Untersuchungen kann keine Caoba geliefert werden; sie muss geschlagen werden. Und wer seiner Schulden wegen angekauft wurde, die Caoba zu schlagen, hat es zu tun oder die Folgen zu tragen.
Die persönliche Unterredung, die der Capataz mit dem nachlässigen Hachero hielt, war häufig erfolgreich. Zukünftig lieferte der Mann seine zwei Tonnen täglich. Ließ er abermals nach, weil er es beim besten Willen nicht schaffen konnte, so hatte er eine zweite Unterredung mit dem Capataz. Das Endergebnis bestand in zwei Möglichkeiten: Der Mann gewöhnte sich daran, die verlangte Leistung zu liefern, oder er starb. Er starb entweder an den fortgesetzten Überanstrengungen, denen er nicht gewachsen war, oder er starb an den Wunden, die ihm der Capataz beigebracht hatte.
In vielen Fällen war der Tod eines Arbeiters für den Contratista oder für die Monteria nur ein vorübergehender Verlust, und dann nur ein Verlust an Zeit. Die Mehrzahl der Muchachos war verpflichtet wenn für sie Schulden oder Polizeistrafen bezahlt oder ihnen Vorschüsse gegeben wurden und sie den Arbeitskontrakt für die Monterias bestätigten, einen Bürgen zu nennen, meist einen guten Freund oder einen Bruder, Vetter oder Schwager. Starb nun ein kontraktlich verpflichteter Muchacho, wäre es auch infolge von Unfall bei der Arbeit, ehe er die volle Schuld, die er im Kontrakt übernommen hatte, herunterzuarbeiten fähig gewesen war, so wurde sein Bürge herbeigeholt, der den Rest der Schuld nun in der Monteria abzuarbeiten hatte. Es vergingen freilich zuweilen mehrere Monate, ehe der Bürge benachrichtigt werden konnte und ehe er in der Monteria eintraf. Dies war meistens der einzige Verlust, den die Monteria dabei erlitt.
Als Ganzes gesehen, war dennoch die Behandlung der Leute, so hart es erscheint, nicht gar so grausam, wie man annehmen könnte. Weder die Administradoren, insbesondere Don Leobardo, noch die Contratistas hatten im allgemeinen ein Interesse daran, ihre Leute zu quälen. Sie waren, körperlich und erst recht sexuell betrachtet, vollblütige, kerngesunde und normale Menschen, die auch nicht das geringste Vergnügen oder eine geheime Lust darin fanden, ihre Leute auspeitschen zu lassen und sich dabei zu ergötzen. Der Capataz tat das mit dem Manne unter vier Augen ab, und er betrachtete es nicht als ein sadistisches Vergnügen, sondern als eine Arbeit, die er ebenso gern vermied wie jede andere anstrengende Arbeit. Und die Company und deren Administradoren vermieden jegliche Brutalität, solange sie ihr Ziel auf mildere Weise erreichen konnten. Sobald die Contratistas, wenigstens die Mehrzahl von ihnen, einsahen, dass ein Mann, obgleich er den besten Willen zeigte, die Lieferung einfach nicht schaffen konnte, gaben sie ihm eine andere Arbeit, falls sie eine andere für ihn hatten; oder sie ließen ihm Zeit, seine Fähigkeiten so zu verbessern, dass er endlich doch imstande war zu leisten, was wirklich geleistet werden kann, wenn man einmal die Übung hat und alle Tricks des Handwerks erlernt hat.
Aber solche Milderungen, wie sie von Companien und Contratistas im allgemeinen angewandt wurden, und meist ohne ernsten Nachteil für das Geschäft, konnten freilich in den Plänen der Montellanos keine Berücksichtigung finden. Es hat noch selten jemand Millionen verdienen können, der zu viel Rücksichten auf die Arbeiter nahm; und noch nie hat sich ein Diktator in seiner Macht behaupten können, der in seinen ihm unterworfenen Subjekten etwas anderes sah als gehorsame, uniformierte Holzklötze.

 

4

Don Severo sah sich die Liste für den Distrikt Sur an, den er El Picaro (der Gauner) übertragen hatte.
Er fand hier verzeichnet: neunzehn Schläger, elf Ochsenknechte, vier Ochsenjungen und zwei Macheteros. Macheteros sind die Burschen, die mit einem Machete die Gassen im Dschungel lichten, auf denen die geschlagenen Stämme fortgeschleift werden sollen.
Don Severo verringerte die elf Ochsenknechte um drei und schied die Macheteros aus. Er überschrieb diese fünf Leute, ohne sie zu kennen, ohne zu wissen, ob sie überhaupt eine schwere Caobaaxt führen könnten, zu den Schlägern. Die vier Ochsenjungen mussten die Arbeit der beiden Macheteros mit übernehmen. Auf diese Weise bekam Don Severo für den Distrikt Sur vierundzwanzig Schläger. Als er das so schön ausgerechnet hatte, kam er zu den Gratificaciones, den Belohnungen.
»Picaro, wie ich dir gesagt habe und wie ich euch allen hier gesagt habe, ich lasse verdienen, wenn wir verdienen. Ich bin kein Ladron, der arme Indianer ausbeutet. Ich lasse leben. Ihr alle könnt verdienen, wenn ihr auf unser Interesse bedacht seid. Was die Company bis jetzt geliefert hat, ist ja Schitt. Was die Leute hier getan haben, weiß ich nicht. Gehurt und gesoffen müssen sie haben und gefaulenzt zum Gotterbarmen. Ohne uns anzustrengen, können wir leicht das Doppelte liefern. Und das Doppelte ist das geringste, was wir liefern müssen. Wenn ich gesagt habe, ich lasse jeden verdienen, der uns verdienen lässt, dann meine ich das auch so. Bis jetzt waren wir nur Contratistas. Da konnten wir euch nicht mehr bezahlen als eure acht oder zehn oder zwölf Reales im Tag. Nun aber sind wir Besitzer und können euch mehr verdienen lassen. Ihr alle bekommt vorn nächsten Ersten ab, ohne Ausnahme, zwölf Reales im Tag, also einen Peso fünfzig. Die anderen Capataces, die unter eurem Kommando stehen, sollen auch zwölf Reales haben im Tag. Aber nun kommt der Unterschied.«
Die Capataces rückten aufgeregt näher heran. Vielleicht waren sie weniger geldgierig als die Montellanos. Aber Don Severo verstand es, seine Eigenschaften auf die zu übertragen, die ihm helfen sollten, seine Geldgier und die seiner Brüder zu befriedigen.
»Picaro, du hast in deinem Distrikt vierundzwanzig Schläger. Hier ist die Liste. Jeder hat natürlich seine zwei Tonnen täglich zu schaffen, wie immer. Dafür hast du zu sorgen. Wenn du mir fünfzig Tonnen am Tag schaffst, dann gebe ich dir für jede Tonne einen Real Gratificaciön das sind sechs Pesos fünfundzwanzig Centavos im Tag, und deinen Lohn natürlich außerdem. Deinem Companero gebe ich für jede Tonne einen viertel Real. Ich gebe dir einen Zettel für ihn mit. Wenn du mir aber weniger als fünfzig Tonnen im Tag schaffst, dann bekommst du nur einen viertel Real für die Tonne und dein Companero, nichts. Sind es aber weniger als vierzig Tonnen im Tag, dann bekommt ihr beide für den Tag keinen Lohn und erst recht nicht irgendeine Gratificaciön...«
»Pero, patron, entonces, dann arbeite ich ja umsonst«, sagte El Picaro schüchtern.
»Du wirst doch mit vierundzwanzig Schlägern mehr als vierzig Tonnen täglich liefern können.
Oder nicht? Wir haben doch beide zusammen, du und ich, mehr geschafft. Das weißt du doch gut.«
»Ja, freilich, Don Severo, aber manchmal sind eben die Bäume nicht so zur Hand, und da hat man seine liebe Not.«
»Darum mache ich dich Straßenräuber ja zum Mayordomo, damit du das mit den Bäumen regelst.
Zum Dastehen und Hinsehen brauche ich keinen Capataz, den ich bezahle. Da kann ich ebenso gut einen Stecken in die, Schitt stellen oder eine Krähenscheuche, wenn ich nur jemand brauche, um dazustehen. Und überhaupt ist das nicht alles. Ich habe dir gesagt, ich gebe dir einen Real für jede Tonne, wenn du mir mehr schaffst als fünfzig. Aber wenn du mir mit denselben Leuten sechzig Tonnen im Tag schaffst, dann gebe ich dir für jede Tonne zwei Reales Gratificaciön und deinem Companero einen halben Real für jede Tonne. Und das ist noch lange nicht genug. Ich gebe dir drei Reales und deinem Companero einen Real für jede Tonne, wenn ihr mir siebzig Tonnen im Tag schafft.«
»Con su permise, patron, mit Ihrer Erlaubnis, wie kann ich denn mit vierundzwanzig Muchachos siebzig Tonnen im Tag machen?«
»Was du machst und wie du das machst, ist deine Sache. Dafür habe ich dich zum Mayordomo erhoben. Wenn du das nicht kannst, suche ich mir einen andern.«
»Das ist nicht nötig, Jefe. Sie wissen, ich habe immer zu Ihnen gehalten.«
»Eben darum, weil ich das weiß, darum gebe ich dir diese Gratificaciönes. Du kannst leicht fünfhundert Pesos im Monat machen, geradeso wie gar nichts. Das rennt nur so in deine Tasche hinein. Schenk dir noch ein Glas voll. Ihr auch, Chucho, Pulpo und die andern, schenkt euch eins ein.«
Don Severo wandte sich wieder an El Picaro. »Wie du das machst, bleibt dir frei. Du hast lange genug gelernt mit mir, um zu wissen, dass diese stinkigen indianischen Drecksäue faul sind wie Mist auf dem Haufen. Stinkfaul in ihren Pueblos und noch zehnmal stinkfauler auf den Fincas. Aber Knochen haben sie wie Eisen. Tanzen drei Tage und drei Nächte durch, saufen und huren dabei, dass die Fetzen herumsausen und dir das Gesicht voll spritzt. Die können schon arbeiten, wenn du sie herankriegst.
Deine Sache. Ich weiß es, vier Tonnen können die machen, geradeso leicht wie ich hier den Zahnstocher zerbreche. Vier
Tonnen im Tag ist gar nichts für die, dabei schlafen sie noch. Aber wenn du das nicht kannst, ich kann mir auch einen der anderen Capataces für diesen Posten suchen.
Vielleicht El Tornillo oder El Doblado, die zurückgeblieben sind.«
»Aber, patroncito, ich habe doch mit keinem Wort gesagt, dass ich das nicht übernehmen will. Ich kann das Geld so gut gebrauchen wie die andern; wenn ich mir den Rancho von Don Aurelio kaufen will, brauche ich Geld.«
»Gut dann, abgemacht!«
Nun nahm sich Don Severo den nächsten vor. Es war El Chucho (der Jesus). Don Severo hatte nicht nötig, so viel zu erklären, wie er El Picaro hatte erklären müssen; denn darum waren sie ja alle zusammen hierher geladen, um gleichzeitig zu hören, was Don Severo von ihnen wollte. Es war bei jedem nur nötig, ihm zu sagen, wie viele Schläger er habe und wie viele Tonnen er täglich liefern müsse, um diese oder jene Prämie zu erhalten.
Als die Konferenz beendet war und alle Capataces wussten, wohin sie gehörten und was sie zu tun hatten, gingen sie zu den Branntweinhütten, um sich vor den langen Wochen der Arbeit im Dschungel noch einen vergnügten letzten Abend zu machen. Don Severo hatte allen genügend Vorschuss gegeben, um ihnen zu ermöglichen, eine so vergnügte Nacht zu feiern, dass allein der Gedanke, solche Nächte sich häufig leisten zu können, sie anspornen würde, alle Aufgaben zu erfüllen, die er von ihnen erwartete.

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