FÜNFZEHNTES KAPITEL
1
Als die Ochsen eine gute Weile geruht hatten, das Joch nicht mehr auf ihren Nacken fühlten und darum wussten, dass für heute ihre Arbeit vorüber war, ließen sie sich mit wenig Mühe auftreiben und zum Camp führen.
»Wo ist denn Eulalio?« fragte Andres plötzlich, als sich der Zug in Bewegung setzte. »Ich habe ihn seit wenigstens einer Stunde nicht gesehen. Verflucht, es fällt mir erst jetzt ein, dass er die letzte Stunde nicht im Zuge war.«
Mehrere Burschen liefen in den Dschungel hinein, seinen Namen schreiend. Nach einigen Rufen hörten sie Eulalio mit schwacher Stimme antworten: »Aqui estoy, companeros!«
Zwei liefen auf ihn zu. Er hatte sich niedergesetzt, gegen einen Baum gelehnt. Sein Gesicht war grünlich, und ein leichter Schaum hing auf seinen geschwollenen Lippen. Das Bein, das von der Culebra gebissen worden war, zeigte bis zum Knie hinauf eine rotviolette, dunstige Farbe. Es war dick, glühend und klumpig und sah aus, als wolle es zerplatzen.
»Verflucht noch mal, Companeros, ich kann nicht laufen«, sagte Eulalio müde.
Zwei Burschen nahmen ihn auf und trugen ihn auf ihren Schultern, dem Zuge folgend, zum Campo.
Als sie dort angelangt waren, trieben drei Jungen die Ochsen zur Weide, wo die Zacateros, die Futterknechte des Campo, Laub, trockene Maisstauden und Gras, das auf einigen lichten Stellen des Dschungels am Morgen geschnitten worden war, aufgehäuft hatten. Die Ochsen waren jedoch zu müde, um zu fressen. Sie nagten eine Weile an dem mageren Gras der Weide.
Dann suchten sie schattige Plätze unter den Bäumen, die vereinzelt hier herumstanden, und ruhten. Später am Nachmittag würden sie zum Bach trotten, sich volltrinken und dann, wohl ausgeruht, in der Kühle des Abends behaglich ihr Futter suchen.
Der Koch hatte das Essen für die Burschen noch nicht fertig. Und das gab ihnen Gelegenheit, sich in der Boyerohütte auf ihre Matten zu werfen, wo sie sofort in Schlaf fielen.
2
Andres ging zur Oficina. des El Picaro. El Picaro schaukelte sich in einer Hängematte, aufgehängt unter dem hervorstehenden Dach der Hütte, die ihm und El Gusano zur Oficina und zur Wohnung diente. El Gusano war bei den Schlägern, um Acht zu geben, dass keiner etwa schläfrig wurde, sondern sich abmühte, drei oder besser noch vier Tonnen zu liefern.
»Jefe«, redete Andres El Picaro an, »kommen Sie doch einmal 'rüber zu unserer Choza. Da liegt der Eulalio und kann nicht laufen.«
El Picaro, der eine Zigarette rauchte, die aus klein geschnittenem rohem Tabak, eingewickelt in gewöhnliches Packpapier, bestand, schaukelte sich unbekümmert weiter und fragte faul: »Was hat er denn? Will sicher heute Nachmittag nicht helfen Calzadas bauen. Ich werde ihn schon zum Laufen bringen.«' Andres sagte nichts darauf. Er blieb, seinen zerlöcherten und verschlammten Palmhut in der Hand haltend, vor dem Portico stehen.
»Bueno, vengo«, sagte El Picaro endlich, »gut, ich komme!« Er ließ sich aus der Hängematte gleiten und ging hinüber zur Choza, wo die Boyeros lebten, wenn sie hier im Campo übernachteten.
Sehr oft freilich, besonders wenn ihr Arbeitsplatz zu weit entfernt vom Campo lag und die Ochsen sich auf einer Weide befanden, die näher dem Arbeitsplatz war, schliefen die Boyeros und die Gananas in Hütten, die aus Stämmchen und Palmblättern rasch aufgerichtet wurden und so leicht gebaut waren, dass sie eben nur gerade so lange dienten, wie die Burschen in ihrer Nähe zu arbeiten hatten.
Während El Picaro zu der Hütte ging, kam er an der Küche vorüber.
Die Küche war ein Palmendach, auf Pfähle gesetzt. Nur an der Seite, von der gewöhnlich der Wind zu kommen pflegte, war eine Wand errichtet worden, die aus dünnen, mit Lianen aneinander geflochtenen Stämmchen bestand und außen mit belaubten Zweigen behangen war. Das Kochen geschah auf dem Boden, wo mehrere Feuer brannten, über denen verbeulte Blech- und Emailletöpfe hingen und kleine und große irdene Gefäße standen. Der Koch, ein Indio, wie alle Arbeiter hier, hatte einen achtjährigen Jungen zur Hilfe. Er hatte auch seine Tante hier, die sicher doppelt so alt war wie er und mit der er in einer Art ehelicher Gemeinschaft lebte. Diese Frau jedoch half ihm nie kochen. Sie aß nur, rauchte den ganzen lieben langen Tag ungemein dicke Zigarren, die sie für sich und für ihn selbst drehte. Und wenn sie weder rauchte noch aß, dann lag sie in einer Hängematte, die an zwei der Balken, die das Dach trugen, aufgehängt war. Es war im Campo wohl bekannt, dass diese alte, fette, reichlich verschrumpelte, infolge seltenen Waschens wenig wohlriechende Tante für eine entsprechende Menge rohen Tabaks, für Aguardiente oder ein Stück buntbedruckten Baumwollstoff, ein buntes Atlasband oder für eine Kette von Glasperlen eine viertel oder halbe Nacht mit irgendeinem der Boyeros oder der Hacheros zubrachte. Der Koch hatte nichts dagegen. Jedoch erwartete er, dass, wenn mit Aguardiente bezahlt wurde, er die größere Hälfte bekam. Dann betrank er sich unmäßig und verprügelte die Tante unbarmherzig, während er dabei in die Welt hinausbrüllte, dass sie eine alte unverbesserliche Hure sei, die er eines Tages mit seinen eigenen Händen erwürgen werde.
»He, du dreckiger Hund!« schrie El Picaro den Koch an. »Warum hast du denn das gottverfluchte Fressen für die Muchachos immer noch nicht fertig? Ich werde dich einmal aufmuntern, wenn die Musicos kommen, das sollst du sehen.«
»La comida, das Essen, ist noch in dieser Sekunde fertig, Jefe, ganz gewiss«, erwiderte der Koch.
»Wenn nicht, dann schlage ich dir die Peitsche ins Gesicht, Himmelhund von einem stinkigen Hurensohn.«
Der Koch ging auf den kleinen Küchenjungen zu, der am Feuer hockte und es anblies, damit es besser brenne.
»Du Schlingel«, schrie er den jungen an, »hättest du besser auf die Feuer geachtet, dann wäre das Hundefressen längst fertig!« Er nahm einen der Äste auf, die beim Feuer lagen, und hieb ihn dem Jungen mitleidlos über den Rücken. Der Junge sprang auf und rannte fort. »Kommst du gleich einmal hierher, du kleine, bissige Kröte!« rief der Koch hinter ihm her. Der Junge blieb jedoch in guter Entfernung stehen. Von dort aus rief er: »Wenn Sie mich noch einmal prügeln, dann gehe ich als Ochsenjunge.«
»Komm her«, sagte nun der Koch versöhnlich, »ich werde dich nicht prügeln«
Der Junge kam wieder in die Küche zurück. Der Koch klopfte ihm schmeichelnd die Backen und sagte halblaut: »Ich habe das nicht so gemeint, Pablito. Ich musste dich nur etwas verdreschen in Anwesenheit des El Picaro, damit er glauben sollte, du habest die Schuld, verstehst du? Sonst lässt er mich henken oder auspeitschen, und dann verhöhnt mich die alte Hexe hier. Du weißt doch, wie sie ist. Nimmst mir die paar Hiebe nicht übel, Pablito, he?«
»Nein, gewiss nicht, Don Filemon«, sagte der Junge versöhnt und machte sich erneut über seine Arbeit her.
3
El Picaro war in die Hütte gekommen. Eulalio lag bewegungslos auf seiner Matte. Einige Burschen hockten dicht bei ihm. Sie gaben ihm Wasser zu trinken und kühlten ihm den Kopf und das Bein mit Wasser.
»Was hast du denn, Muchacho?« fragte El Picaro. »Als wir den Graben von Gebüsch reinigten, biss ihn eine Klapperschlange«, erklärte Andres.
»Das sieht verflucht böse aus«, sagte El Picaro, das Bein befühlend. »Es fängt nun auch schon über dem Knie an, blau zu werden. Da wird nichts anderes übrig bleiben, Eulalio, als dass wir das Bein absägen.«
»Ja, das denke ich auch, Jefe«, erwiderte Eulalio, in sein Schicksal ergeben.
»Vielleicht ist es besser, das Bein einfach abzuhacken«, rief Pedro, »das geht schneller.«
»Du bist ein Burro, ein richtiger Esel«, sagte darauf Santiago zu Pedro. »Wenn wir das Bein abhacken, und es wird nicht geschickt gehackt, dann kann der Knochen aufsplittern, und dann dauert es Wochen, ehe der Knochen zuheilt.«
»Was sagst du dazu, Lalio?« fragte Andres.
»Mir ist das gleich, wie ihr das Bein loskriegt. Es tut so entsetzlich weh, dass es nicht weher tun kann, ob es abgehackt oder abgesägt wird. Wenn ich das verfluchte Bein nur loswerden kann, dann bin ich schon zufrieden. Denn lange kann ich es nicht mehr aushalten. Es frisst sich schon bis an die Hüften 'rauf, das verdammte Gift.«
»Du hättest uns früher sagen sollen, dass du gebissen wurdest«, sagte Cirilo, »dann hätten wir das gleich ausbrennen können. Wir haben zu spät ausgebrannt, das ist die Sache.«
»Lass mich in Frieden mit deinen guten Ratschlägen«, stöhnte
Eulalio. »Ich habe doch das selbst nicht früher gewusst, dass sie mich geschnappt hatte, verflucht noch mal. Und nun schneidet oder sägt oder hackt das gottverdammte Bein endlich ab, damit ich Ruhe habe, und quakt hier nicht so viel dummes Zeug.« »Andres«, rief El Picaro, »komme mit mir zur Oficina!«
Beide gingen und brachten nach wenigen Minuten eine Flasche Aguardiente, eine Baumsäge und Fetzen eines alten Hemdes. El Picaro sah sich um, nahm eine der Schalen, schüttete das Wasser aus, füllte sie bis an den Rand mit Aguardiente und sagte zu Eulalio: »Trink das aus, damit du es nicht so sehr fühlst!«
Eulalio goss den Branntwein in einem Zuge hinunter. Dann nahm El Picaro einen Fetzen, tauchte ihn in eine andere Schale, in die er Aguardiente gefüllt hatte, wusch damit die Säge ab, dann wusch er das Bein des Eulalio über dem Knie sauber und feuchtete es tüchtig an mit Branntwein.
»Wir müssen das Bein oben unter der Hüfte abbinden«, rief Andres, »damit er nicht verblutet. Und heißes Fett aus der Küche müssen wir haben, um die Wunde heiß abzufetten, und dann Zucker drauf, dick drauf.«
»Salz, meinst du«, sagte Pedro.
»Brauner Zucker, habe ich gesagt, und Zucker ist es«, bestimmte Andres. »Und du, Matias, gehst zum Cocinero, zum Koch, und schaffst das 'ran. Spritzend heißes Fett und Zucker. Den Zucker gut gestampft, dass er wie Pulver ist. Los, corre, renne!«
4
Eulalio war inzwischen von dem raschen Zug Aguardiente, den er hintergegossen hatte, in halbe Stumpfheit gefallen; nur dumpf schien er sich bewusst zu sein, was um ihn her vorging.
»Wer kann gut sägen?« fragte Andres und sah sich um.
»Ich werde das tun«, antwortete Santiago. Ich habe Übung; ehe ich Carretero wurde, habe ich in Ocosocoautla bei Don Benigno als Fleischhacker gearbeitet und weiß, wie man Knochen sägen muss.«
»Gut, dann sägst du!« befahl El Picaro.
Santiago nahm die Säge auf, prüfte ihre Zähne, und sagte dann: »Haltet ihm den Kopf fest und die Arme, auch das andere Bein, damit er nicht zu schlagen anfängt. Und hier einer am Dickbein, wo es abgebunden ist und einer unten am Bein. Aber gut festgehalten.«
»Lass einen Lappen Fleisch stehen, Santiago«, meinte Andres, »damit da etwas bleibt zum Überkleben am Knochen.«
»Das weiß ich allein, du Ochse. Aber richtig, da haben wir das Nähen vergessen. Renne mal einer 'rüber zu der alten Hure und hole eine gute, kräftige Stopfnadel und einen starken Faden und lang genug, dass er ein paar Mal herumreicht, den Lappen gut zu übernähen.«
Im Augenblick waren Nadel und Faden zur Hand. El Picaro tauchte alles in Branntwein und hielt es bereit. Einer der Burschen stand dicht dabei mit der Schüssel heißen Fettes und ein anderer mit Zucker.
Eulalio schluckste auf, versuchte, sich zu krümmen, wurde aber auf seine Matte kräftig niedergedrückt und an allen Gliedern festgehalten. Er stöhnte einige Male, grunzte und schluckste, während er mit offenen Augen zusah, was mit seinem Bein geschah. Er schien sich in manchen Minuten nicht völlig klar zu sein, ob es sich um sein eigenes Bein handelte oder um das eines der Burschen, die ihn umdrängten und von denen jeder eine bestimmte Aufgabe zu erfüllen hatte. Alles glückte zu voller Zufriedenheit aller Helfer. Als die Burschen endlich zum Essen gehen konnten, war Eulalio in Schlaf verfallen, nachdem er noch einen zweiten guten Zug, den ihm El Picaro eingoss, hinuntergeschossen hatte.
Das Mittagessen der Burschen war nicht sehr bedeutend. Aber da es nichts Besseres gab, musste es ihnen genügen. Reis, aufgekocht mit grünen und roten Pfefferschoten, einige Stückchen aufgeweichtes Leder oder Came seco, wie es genannt wurde, knochenhartes, getrocknetes Fleisch, schwarze Bohnen mit grünem Pfeffer und bespritzt mit einigen Augen ranzigen Fettes. Dazu als Schlussgetränk eine Brühe, die Kaffee hieß.
Kaum war das Essen hinuntergeschlungen, da war El Picaro auch schon vor der Hütte: »Los, Muchachos, vorwärts, die Calzada gebaut! Andres, du weißt wo. El Gusano hat dir gestern den neuen Platz, wo nächste Woche geschlagen wird, gezeigt.«
»Si, jefe«, antwortete Andres.
Die Burschen zogen ab, mit Machetes bewaffnet.
5
Andres, Pedro und Santiago schritten die Strecke ab, die von El Gusano als Callejon bezeichnet worden war. El Gusano hatte diese Gasse nur ungefähr in der Richtung angegeben. Es war nun die Aufgabe der erfahrenen Boyeros, die Gasse so zu wählen, dass sie die wenigsten Schwierigkeiten für das Abfahren der Trozas bot.
Die Strecke hatte, gerechnet von den Schlagfeldern zum Abschwemmgraben, eine Länge von etwa zehn Kilometern. Von diesen zehn Kilometern waren fünf versumpft. Die drei Forscher versuchten, den Sumpf zu umgehen und einen anderen Weg zu entdecken. Aber so sehr sie auch suchten, der von El Gusano bestimmte war immer noch der beste. Die übrigen führten unausgesetzt über felsige Hügel und über mehr als zwanzig Gräben, die teils trocken, teils morastig waren. Diese Gräben waren während der tropischen Regengüsse von reißenden Gewässern gebildet worden, schnitten jedes Jahr tiefer in den Boden ein und waren nun oft so tief, dass es Stunden gekostet hätte, auch nur eine einzige Troza über den Graben zu bringen. Der Nachteil war, dass keiner dieser Gräben eine direkte Verbindung mit einem der Schwemmflüsse besaß. Sie verliefen in Sümpfen, Morästen und Seen oder in unterirdisch weitergehenden Kanälen, Höhlen und Rinnen. Es war vielleicht möglich, dass einer dieser zahlreichen Gräben doch in irgendeiner Weise seine Wasser zum Flusse sandte; das aber festzustellen und zu erforschen hätte sicher Wochen gebraucht. Und es war möglich, dass man nach wochenlanger Durchforschung entdeckte, dass der Graben in eine Senkung fiel, wo er in einer Erdspalte endete, oder dass er völlig in die Breite verlief über ein weites Geröllfeld hinweg, wo die Trozas nicht mehr schwimmen, sondern in den Gesteinsmassen hängen bleiben und verloren gehen würden.
Es war ja nun auch nicht die Aufgabe der drei Burschen, Forschungen zu unternehmen. Ihnen waren die Schlagfelder bezeichnet worden und auch der Tumbo, wo das Holz gelagert wurde, um bei Beginn der Regenzeit abgeschwemmt zu werden. Alles, was sie zu tun hatten, war, die Gasse, auf der die Trozas abgefahren werden sollten, aus dem Dschungel freizuschlagen.
Die, übrigen Boyeros und die Jungen hatten bereits begonnen, die Varales zu hacken, die Stämme, mit deren Hilfe die Calzada gebaut werden sollte. Nur weil in dieser neuen Region der Reichtum an Caoba um zehnmal größer war als in jener, wo heute morgen geschleppt worden war, lohnte es sich, eine Woche darauf zu verwenden, eine besondere Calzada zu bauen. Sobald alle Trozas der Region, wo heute geschleppt worden war, am Tumbo sein würden, was wahrscheinlich übermorgen Mittag sein konnte, sollten eine ganze Woche lang die Boyeros und deren Jungen nichts weiter tun, als die Gasse der neueröffneten Region zu bauen. Während dieser Zeit konnten die Ochsen ruhen und sich gut voll fressen, um nach Ablauf der Woche bei besten Kräften zu sein. An die Ochsen, an deren Ruhetage, an deren Pflege wurde ständig gedacht; denn sie kosteten teures Geld und waren schwerer zu beschaffen als Indios, die man betrunken auflesen, mit fünfzig Pesos Strafe wegen Ruhestörung belasten konnte, um sie dann dieser fünfzig Pesos Strafe wegen, die sie nicht bezahlen konnten, einem Enganchador zu verkaufen, der sie an die Monterias weiterverkaufte.
6
Als Andres von seinem Inspizierungsmarsch zurückkam, hieß er Pedro mit Hilfe von sechs Burschen die Gasse von Gebüsch und Gestrüpp, das bei der Fahrt im Wege sein würde, säubern.
Er selbst begann mit den übrigen Burschen und Jungen, die feste Gasse zu bauen. Nur wo das Gelände morastig war oder so weich und feucht, dass es verschlammte, sobald auch nur drei oder vier Trozas hindurchgeschleppt worden waren, nur da wurde die Calzada, die gepflasterte Gasse, angelegt.
Armdicke Stämme von drei bis vier Meter Länge wurden auf dem Grund der Gasse nebeneinander gelegt. Dann wurden diese Stämme mit Lianen und Riemen aus Bast verflochten. Das war die Pflasterung. Auf einer solchen Calzada konnte eine Troza leicht mit zwei Gespannen Ochsen über den Morast gefahren werden; und so rüstig, wie die Ochsen dahintrotteten, so rüstig ging die Fahrt vonstatten. Da die Troza nicht auf dem nackten Grunde geschleift wurde und die ziehenden Ochsen nicht in den Boden zu treten hatten, so wurde der Morast nicht vertieft. Lediglich durch das Gewicht der Ochsen, die darüber hintrotteten, dann durch die Trozas, die darüber hinweggezerrt wurden, und endlich infolge des Rüttelns und Stoßens gegen die Varales geschah es natürlich, dass, nachdem eine gute Anzahl Trozas geschleppt worden waren, die, Calzada einzusinken begann. Gewöhnlich sank sie an einer Seite zuerst ein, und zwar an jener Seite, wo der Boden am weichsten und sumpfigsten war. Hatte sich die Calzada erst einmal nach einer Seite hin geneigt, so rutschte die darüber hinfahrende Troza nach jener Seite ab. Weil aber die Ochsen anzogen, so geriet die Troza seitlich unter die feste Gasse und riss sie auf. Oder die Gespanne vermochten sich auf der geneigten und glitschigen Gasse nicht zu halten, rutschten zur Seite hinunter und zerrten die Troza in den Morast, wodurch sich dann dieselben Mühen und
Quälereien ergaben wie bei den Trozas, die völlig durch Morast gefahren wurden.
Aus diesen Gründen genügte es nicht, die Calzada einmal zu bauen, sondern sie musste unausgesetzt ausgebessert und erneuert werden, solange Trozas darüber hinweg gefahren wurden. Das Bauen und stete Ausbessern aber verursachte so viel Nebenarbeiten und hielt so viele Burschen von wichtigerer Arbeit ab, dass nur dann Calzadas gebaut wurden, wenn sehr viele Trozas diesen Weg geschleppt werden mussten; oder dann, wenn das Abfahren weniger Trozas über versumpftes Gelände mehr Zeit und Mühen gekostet haben würde als das Bauen der Calzada und das Abfahren zusammengerechnet.
»Da siehst du, Nene«, erklärte Andres dem jungen, »warum nur in Ausnahmefällen Calzadas gebaut werden. Wie das ohne Calzadas zugeht, das hast du heute ja genügend gesehen. Und wir sind noch nicht zu Ende. Heute Nacht um zwölf geht es wieder frisch los und abermals bis morgen früh um zehn oder elf, solange die Ochsen mitmachen. Kostet noch zwei verflucht harte Tage für uns und für die Ochsen. Aber wenn wir da drüben erst lange eine Calzada bauen wollten, dann kostete es vier oder fünf Tage, und für so wenige Trozas lohnt es sich nicht.«
»Aber dann brauchten wir uns weniger zu quälen«, sagte Vicente.
»Das kommt hier nie in Frage, ob wir uns mehr oder weniger abquälen. Was in Frage kommt, ist nur die mehr oder weniger rasche Lieferung. Und so oder so, wir, die Muchachos, sind es, die immer bezahlen müssen.«
7
Als die Sonne tief stand und die eilig hereinbrechende Nacht sich durch einen kühlen Hauch ankündigte, rief Andres: »Muchachos, wir machen Schluss für heute. Um zwölf müssen wir schon wieder 'raus.«
Procoro erinnerte Andres daran, El Gusano habe gesagt, dass sie bis zum vollen Sonnenuntergang hier an der Gasse arbeiten sollten. Darauf meinte Fidel: »Das kümmert uns einen saftigen Schitt, was der Cabron gesagt hat. Wir gehen jetzt; ich habe genug geschuftet.«
»Wer ist der Cabron, und was für einen Schitt hat er zu sagen?« rief da El Gusano zwischen die Burschen.
El Gusano war, ungesehen von den Arbeitern, angeritten gekommen, und weil der Boden weich war, so hatte auch niemand die Hufe des Pferdes vernommen.
Fidel trat hervor und sagte frech: »Ich habe Cabron gesagt, ich! Und wir haben heute gerade genug geschuftet.« Während er vorgetreten war, hatte er seinen Machete fest in die Hand genommen und hielt ihn jetzt so, als ob er bei der geringsten Bewegung, die El Gusano gegen ihn unternehmen würde, auf ihn loszuschlagen beabsichtige.
El Gusano sah diese Geste. Er hob den Arm mit der Peitsche. Es war nicht gewiss, ob er das Pferd peitschen oder ob er mit dem Pferde dicht auf Fidel zuspringen wollte, um dem Burschen eins überzureißen.
Aber in dieser selben Sekunde bemerkte er, dass alle Burschen, bereits für den Heimweg gerüstet, in einem Haufen zusammenstanden, alle ihre Machetes in den Händen, und alle ihn anblickend. Er wusste nicht, ob die Burschen nur einen herausfordernden Eindruck zu erwecken oder ob sie ihn ernsthaft zu bedrohen gedachten. Er hielt es für klüger, diese
Frage nicht mit Bestimmtheit jetzt und hier zu entscheiden. Lässig ließ er den Arm mit der Peitsche sinken und sagte: »Etwas mehr hättet ihr tun können heute, damit die Gasse rascher fertig wird. Vielleicht habt ihr recht, ihr seid müde. Aber um zwölf Uhr alle 'raus! Ich komme euch rufen. Die Trozas von drüben müssen morgen alle am Tumbo sein. Don Severo hat das ausdrücklich so angeordnet.«
Ohne auf Antwort zu warten, wendete er sein Pferd und ritt
weg. |
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