SIEBENTES KAPITEL
1
Es war Mitternacht geworden. Die Caballeros gähnten und reckten sich. Die Flaschen wurden auf die letzten Gläser, die vielleicht noch herauszuholen waren, untersucht.
Es gab für jeden noch einen gesunden Schuss für die Nacht.
Draußen vor dem Comedor hörte man die beiden Chinesen mit ihrem Schwein wirtschaften. Es machte sehr viel Arbeit, denn es gehörte zu der behaarten Sorte, der beim Schlachten das Fell abgezogen wird oder die aus dem Fell herausgeschält werden muss wenn das Abziehen nicht glatt geht, wie das meist ist.
»Hasta manana! Bis morgen, Caballeros!« sagte Don Severo, während er seinen schweren Körper faul streckte. »Ich werde mich nun auf meine Riemenmatratze legen. Verflucht noch mal, ich bin müde genug.«
»Hasta manana, Don Severo!« erwiderten die Caballeros und zogen sich schläfrig aus dem Comedor zurück, um in ihre Bungalows zu kriechen.
Ohne eingeladen zu sein, aber einem Instinkt folgend, versammelten sich alle im Bungalow des Administradors, der eine Flasche Comiteco hervorbrachte und allen riet, sich noch einen Letzten einzusippen.
»Eine feine Sorte, diese Brüder!« sagte Don Mariano. »Die werden etwas aus der Monteria machen.«
»Das kann ich Ihnen schwören«, bestätigte Don Rafael, »das kann ich Ihnen schwören, die werden sicher etwas aus der Monteria machen. Por la Madre Santisima, wo sind denn die nur hergekommen?
Die müssen sicher zu der untersten Sorte von Arrieros, der untersten Schicht von Muletreibern, gehört haben.«
»Gehört haben?« wiederholte Don Leobardo ironisch. »Nur gehört haben, Caballeros? Die gehören noch dazu und sind heute noch nichts anderes als Muletreiber und werden wohl nie etwas anderes werden, auch wenn sie Millionen verdienen sollten.«
»Ich möchte nur wissen, wie sie die drei Monterias bewirtschaften wollen ohne Contratistas?« meinte Don Rafael.
»Leicht, in der Weise, wie sie es vorhaben, und mit einem dicken Gewinn«, sagte Don Leobardo.
»Sie haben sich sechs Capataces mitgebracht, die sie gut kennen und mit denen sie die letzten beiden Jahre schon gearbeitet haben. Diese sechs Burschen müssen Sie einmal sehen.«
»Ich habe sie heute Nachmittag gesehen«, warf Don Eladio ein. »Das sind keine Aufseher, gemein und böse, wie die Capataces auch sein mögen. Das sind Henker, richtige Henker.«
»Gut gesehen, Eladio«, gab Don Leobardo zu. »Die fressen in zwölf Monaten ein jeder wenigstens dreißig Muchachos mit Haut und Haaren. Aber die schaffen Caoba heran, das ist sicher. Und mit den Capataces, die bleiben und nicht mit ihren Contratistas abreisen, haben die Montellanos einen guten und zuverlässigen Stab. Die zahlen den Capataces einen Peso fünfzig den Tag, und dann haben sie in jedem Semaneo einen Hauptcapataz, dem sie fünfzig Centavos für die Tonne gelieferter Caoba zahlen, und der zweite Capataz erhält einen Real für die Tonne. Die sorgen schon dafür, dass Caoba hereinkommt, seien Sie sicher, meine Herren. Den Contratistas hätten sie zehn Pesos für die Tonne zahlen müssen, den Capataces zahlen sie vier Reales dem ersten und einen Real dem zweiten, das sind zweiundsechzig Centavos für die Tonne, anstatt zehn Pesos. Und die Capataces küssen ihnen für diese
Dividende, die sie verdienen können, die Dreckkruste vom Nacken weg und sind untertänig und ergeben, während Contratistas ihren eigenen Willen haben und sich nicht kommandieren lassen.«
»Wie lange es aber so gehen wird, das mögen die Götter wissen«, sagte Don Rafael.
»Aber inzwischen machen die Brüder ihren Haufen Geld, und wenn es zu knacken anfängt, ziehen sie los. Aber was geht's mich an? Ich gehe Henequen pflanzen. Mal etwas anderes nach diesen Jahren im Dschungel, wo man nur verrückt werden kann und Tag und Nacht von Gespenstern umgeben ist.«
Don Leobardo hatte sich auf die Kante seines rohen Bettes gesetzt und begann, sich die Stiefel auszuziehen. »Dort habe ich nur vier Stunden zu reiten, und dann bin ich in einer Stadt. Sie ist klein und winzig, aber es ist eine Stadt. Hier habe ich drei Wochen durch den Dschungel zu reiten, ehe ich etwas vor die Augen bekomme, das eine Stadt sein könnte, wenn sich die Leute etwas Mühe geben wollten, eine Stadt daraus zu machen.«
Er wandte sich an Don Remigio.
»Nehmen Sie Ihre Muchacha, die Javiera, mit sich, Don Remigio?«
»Natürlich! Sie glauben doch nicht dass ich das Mädchen in die Hände dieser Notzüchter fallenlassen werde. Sie mag nicht viel wert sein und hat ein reiches, vollgerütteltes Leben hinter sich, das ist gewiss; aber das würde ich ihr doch nicht antun, sie der Gnade, etwa des Acacio, zu übergeben.«
»Aber vielleicht gefällt es ihr, hier zu bleiben.«
»Das ist dann ihre Sache, und ich übernehme keine Schuld. Aber wir haben uns schon über diesen Punkt geeinigt. Sie geht mit mir und bleibt dann in Jovel, wo ich ihr einen kleinen Laden zu kaufen versprochen habe. Und den Laden soll sie haben. Wo sind denn Ihre beiden Favoritas, Don Leobardo?«
»Die sind in dem kleinen Bungalow nebenan. Schlafen jetzt schon lange. Ich kaufe ihnen keinen Laden. Sie wollen auch keinen. Haben es vorgezogen, mir Henequen bauen zu helfen.«
»Das nenne ich Treue und Ergebenheit«, lachte Don Remigio. Dann gähnte er laut und sagte zu seinen Kameraden, den übrigen drei Contratistas, die mit ihm waren: »Bueno, Companeros, ich denke, wir legen uns nun auch auf unsere Betten. Es ist ein Uhr vorüber, Buenas noches, Caballeros!«
»Hasta manana, Don Remigio!«
2
Die Gebrüder Montellano hatten nur etwa die Hälfte der vorhandenen Mules von der Company angekauft, um den Preis niedrig zu halten. Sie hätten auch keine Verwendung für alle Tiere gehabt, wenigstens nicht im ersten Jahr. Es war ihre Absicht, junge Tiere von indianischen Züchtern billig aufzukaufen und die Tiere hier in der Monteria aufzuziehen, wo die Weiden nichts kosteten.
So waren für die Abreisenden reichlich Tiere vorhanden zum Reiten und zum Tragen der Packen.
Don Leobardo besaß sechs eigene gute Mules; Don Rafael und Don Mariano, die älteren der Angestellten, besaßen jeder drei eigene Tiere; von den jüngeren hatten mehrere ein gutes Reittier. Don Remigio besaß fünf, die übrigen Contratistas jeder vier. Dennoch hätten die Tiere nicht gereicht, um die große Zahl der Abreisenden zu befördern. Zu den Angestellten, den Contratistas mit je einem Capataz, der bei seinem Herrn bleiben wollte und nicht mit den Montellanos zu arbeiten gewillt war, kamen die Mädchen, die beschlossen hatten, mit den Leuten zu reisen, denen sie mehr Vertrauen schenkten als den neuen Besitzern.
Dann waren da die beiden Chinesen, die mit der großen Karawane wandern wollten. Sie dachten dabei an die größere Sicherheit, die ihnen das Reisen im großen Trupp gewährte. Dies jedoch war nicht der einzige Grund. Der andere Grund war ihnen ebenso wichtig. Reisten sie mit der Karawane, so konnten sie während der langen Reise, die drei bis vier Wochen währen mochte, für die Caballeros kochen und so ihr Geschäft ohne Unterbrechung weiterführen. Don Leobardo und Don Rafael hatten zwar ihre eigenen Muchachos oder Mozos zur Hilfe und hätten es nicht nötig gehabt, von den Chinesen das Essen zu beziehen. Aber es war bequemer, jemand zu haben, der für das
Essen verantwortlich gemacht werden konnte. Die Chinesen schleppten ihr gesamtes Küchengerät mit, und sie versprachen sogar, dass sie jeden Tag heiße Sodagebäcke liefern würden. Wie sie das zu tun gedachten, war ihr Geheimnis. Es stellte sich aber am zweiten Tage der Reise heraus, dass es ihnen wirklich gelang, heiße Sodabrötchen zum Frühstück und zum Abendessen zu liefern. Das Mittagsmahl fiel während der Reise aus.
Don Leobardo übernahm es, die Pferde und Mules sowie einige große Esel, die nicht in den Verkauf eingeschlossen waren, im Hauptquartier der Company abzuliefern, von wo aus er sie entweder mit nach Yucatan nehmen wollte oder sie den Bananenpflanzungen der Company überliefert würden.
Da aber die Tiere, die er im Auftrage der Company mit sich führte, und alle die Tiere, die Eigentum der Angestellten und Contratistas waren, immer noch nicht ausreichten, die ganze Karawane mit allen ihren Packen und Koffern zu befördern, wurde der Vorschlag des Don Severo, den Reisenden auch noch alle die Tiere zur Verfügung zu stellen, die er mit der Monteria angekauft hatte, angenommen. So großzügig, wie es auf den ersten Blick aussah, war das Angebot freilich nicht. Don Severo musste sowieso eine Karawane nach Jovel schicken, um notwendige Waren, die fehlten, heranzubringen.
Diese Karawane wurde von seinen Arrieros geführt. Die Tiere marschierten alle leer und wurden nur auf dem Rückwege beladen. So machte es nichts aus, dass er die Tiere gleich jetzt alle mitgehen ließ, und ob sie Packen trugen oder nicht, war wenig von Belang. Es war auch für seine Leute besser, mit der großen Karawane zu reisen; es war weniger gefährlich, und der Weg, der unter der tropischen Sonne so rasch zuwuchs, dass man ihn nach sechs Wochen nur fand, wenn man ihn genau kannte, wurde nun von den vielen Muchachos, die mit der Karawane gingen, geschlagen, und er war noch offen, wenn die Karawane der Montellanos auf demselben Wege zurückkam. Obgleich er also zweifellos seine Vorteile dabei hatte, dass er seine Tiere mitschickte, so unterließ er es nicht, sich zu gebärden, als bringe er ein großes Opfer aus lauter Hilfsbereitschaft für seine Mitbürger. Es machte einen wohlgefälligen Eindruck auf alle, die jetzt abreisten; und während ihres Abschiedes einen recht guten Eindruck bei allen zu hinterlassen, konnte eines Tages für ihn von Wert sein. Aber er dachte noch weiter. Die Karawane würde, einmal in Jovel angelangt, dort seine Großzügigkeit preisen, und er wünschte sehr, in jener wichtigen Stadt einen guten Namen zu gewinnen. Es war dann leichter für ihn, Kredite zu bekommen, falls er solche benötigte. Zugleich wünschte er, einen guten Ruf zu erhalten in den Dörfern der Indianer, aus denen er neue Arbeiter zu seinen Monterias heranzulocken gedachte.
Ohne seine Unterstützung mit allen Tieren der Monteria würden die Abreisenden in mancherlei Schwierigkeiten gekommen sein.
3
Der ursprüngliche Plan sah vor, dass die Karawane am zweiten Tage nach dem Eintreffen der Montellanos sehr früh am Morgen aufbrechen sollte. Dies war jedoch nicht möglich gewesen.
Beim Aufpacken stellte es sich heraus, dass sich viele Packsättel in sehr schlechtem Zustande befanden. Und als die Tiere abgezählt wurden, sahen die Arrieros, dass zahlreiche Tiere nicht eingefangen worden waren, weil sie sich zu weit von dem Centralcamp entfernt hatten. Sie mussten gesucht werden, und das kostete Zeit.
Viele Tiere, die Wochen hindurch ohne Aufsicht auf den Prärien gewesen, hatten Bisswunden von Tigern oder Schlangen, aufgebrochene Beulen, verursacht durch Insektenstiche. Diese Tiere mussten gedoktert werden, um sie marschfähig zu machen.
Die Arrieros hatten Schwierigkeiten mit der Einteilung der Tiere nach deren Arbeits- und Tragfähigkeiten, und sie hatten noch größere Mühe mit der Anordnung der Packen.
Dann wieder entdeckten sie, dass der Proviant, den sie für sich in der Tienda gekauft hatten, unzureichend war, und sie mussten weitere Einkäufe machen.
Zwei Mädchen jammerten und erklärten, sie seien krank und könnten die Reise nicht aushalten, wenn nicht drei Tage gewartet würde, bis sie sich besser fühlten.
Gegen Mitte des Reisetages war dann endlich alles so weit geschafft, dass aufgepackt werden konnte.
Don Leobardo kam heran und betrachtete sich das Feldlager. »He, Muchachos, ihr braucht wenigstens eine und eine halbe Stunde zum Aufpacken.«
»Ja, das brauchen wir wohl, Patron«, sagte einer der Arrieros. »Dann ist es gegen zwei Uhr, wenn wir abmarschieren können.«
»Das wird sicher so sein, Patron.«
»Und um fünf müssen wir Lager machen, weil die Nacht rasch herunterkommt.«
»Gewiss, Patron. Es ist dann so schwarz, dass man nichts sehen kann.«
»Nun gut«, sagte darauf Don Leobardo, »dann lohnt es nicht die Mühe, dass wir jetzt packen und abmarschieren. Nehmt euch gut Ruhe und sauft nicht. Und morgen früh um fünfeinhalb sind wir auf dem Marsch! Verstanden?«
»Das ist das Beste, Patron«, erwiderte der Arriero überzeugt.
Don Leobardo gab seine Anordnung bekannt, und alle waren damit einverstanden.
4
Wer jedoch nicht damit einverstanden war, das war Don Severo.
»Amigo, oiga; hören Sie, mein Freund!« sagte er zu dem Administrador. »Wenn Sie so früh reisen, dann habe ich meine Mühe.«
»Inwiefern, Don Severo?«
»Da rennen mir die Hälfte meiner Leute fort und gehen mit Ihrem Zuge. Allein durch den Dschungel zu gehen, fürchten sie sich. Aber nun haben sie eine Gelegenheit zu fliehen. Können Sie nicht etwa bis acht Uhr warten? Dann ist es leichter für uns, die Leute zu bewachen, und ich kann das Feld überblicken.«
Don Leobardo lachte. »Don Severo, Sie sollten das doch wahrhaftig besser wissen, wie das am ersten Tage bei, der Abreise einer so großen Patache zugeht. Ich werde froh sein, wenn wir um neun auf dem Marsch sind.«
Don Severo traf aber dennoch alle Vorbereitungen, um zu verhüten, dass Leute desertierten. Er rief Felix und Acacio. Sie nahmen die Liste zur Hand, auf der sich die Namen aller Leute befanden, die hier im Hauptcamp, im Gelände der Oficinas, arbeiteten, Handwerker und Peones.
Er ließ alle Leute antreten, las ihre Namen herunter, und er und seine beiden Brüder sahen sich die Leute genau an, um sie kennen zu lernen. Dann erhielten sie den Auftrag, morgen früh um fünf Uhr wieder anzutreten, um zur Arbeit eingeteilt zu werden. Die Zeit wurde ihnen angegeben in der Weise, dass Don Felix eine Glocke läutete, die im Portico der Hauptoficina hing.
Als die Leute dann am nächsten Morgen zur Arbeit anrückten, war das ganze Gelände in Aufruhr, verursacht durch die Vorbereitungen der Abreisenden.
Don Severo nahm alle seine Leute auf eine Seite des
Geländes, reichlich entfernt von dem wimmelnden Lager der aufbrechenden Karawane. Hier teilte er sie in zwei Gruppen. Die eine Gruppe, darunter die Handwerker, führte er in die Bodega, wo sie unter seiner Aufsicht das Lager ordneten und die Bestände aufnahmen. Hier waren sie alle gut zusammen und keiner konnte entwischen.
Die zweite Gruppe, meist Peones, gewöhnliche indianische Arbeiter, führte Don Felix weit in den Dschungel hinein, wo er sie Stämme hacken und Palmblätter schneiden ließ, die für ein neues Gebäude bestimmt waren.
5
Am Abend vorher hatten die Montellanos einen neuen und vortrefflichen Plan ausgeheckt. Sie beschlossen, das Lager von den zahlreichen kleinen Aguardientehökern zu befreien. Nicht etwa, um Moral und gute Sitten einzuführen, sondern um zu verhindern, dass die Löhne, die sie an die Arbeiter zahlten, in andere Hände übergingen als in ihre eigenen. Alles, auch der letzte kleine grünspanige Centavo, musste in ihre Taschen zurückkommen und in der Familie bleiben.
Darum sollte nun eine große Cantina, eine luxuriöse Schenke, gebaut werden, an einer Seite des Geländes, reichlich entfernt von den Oficinas. Diese Cantina verpachteten sie an einen tüchtigen Cantinero, der keine Pacht zahlte, jedoch von allen seinen Einnahmen, gleich welcher Art, vierzig Prozent an die Montellanos an Stelle der Pacht abgeben musste. Zu diesen Einnahmen gehörten auch die Verdienste der Cantina an dem aufgestellten Roulette und an den übrigen Spielen wie auch die Verdienste der Frauen, die mit den Besuchern der Cantina sich vergnügen wollten.
Der Besucher zahlte dem Cantinero für die Frau, nicht ihr selbst. Dafür erhielt der Besucher eine Gutmarke, eine so genannte Ficha, die er der Frau als Zahlung aushändigte. Die Frau händigte die Ficha später dem Cantinero aus, wofür sie fünfzig Prozent des gezahlten Preises als ihren Verdienst empfing. Auf diese Weise konnte auch dieses Geschäft so gut kontrolliert werden, dass die Montellanos ihren Anteil genau auszurechnen vermochten und der Cantinero oder die Mädchen kein Geschäft verheimlichen konnten. Wenn später, als die Montellanos das Geschäft in ihrem Sinne richtig aufgebaut hatten, es geschah, dass die Mädchen, ohne Ficha des Cantineros, auf eigene Rechnung oder aus reiner Gefälligkeit oder Freundschaft einen Besucher, der ihnen gefiel, begünstigten, so wurden sie ernstlich verwarnt. Wurden sie jedoch ein zweites Mal dabei erwischt, dass sie die Montellanos um ihren Anteil betrogen, dann wurden die Mädchen dem Capataz der Oficinas zur Auspeitschung übergeben.
In seiner Heimat, in Spanien, erschienen in den Lokalzeitungen häufig Artikel, die Don Severo als ein Musterbeispiel an Zähigkeit, Ausdauer und kaufmännischer Genialität lobten und diesen vortrefflichen Mann den ewig unzufriedenen Arbeitern Spaniens, die nichts als Anarchisten und Kommunisten waren, als Ideal eines arbeitsamen Menschen hinstellten: ein Mann, der bitter arm nach Mexiko auswanderte, mit nur zwanzig Pesetas in der Tasche in Veracruz landete und durch Fleiß und Geschicklichkeit innerhalb von zwanzig Jahren Besitzer mehrerer Monterias geworden war und ein Vermögen von ungefähr zwölf Millionen Pesetas erworben hatte.
6
Während Don Severo und Don Felix alle Arbeiter der Oficinas beschäftigt und unter persönlicher Aufsicht hielten, erfüllte Don Acacio die Aufgabe, die abreisende Karawane zu beobachten, sie einen halben Tag lang zu begleiten und dann zurückzukehren. Er ritt voraus. An einer günstigen Stelle wartete er und ließ die ganze lange Patache an sich vorüberziehen, alle Reisenden, insbesondere die Leute, die vielleicht Arbeiter der Montellanos sein könnten, gut beobachtend. Dann ritt er hinter der Karawane her. Gegen vier Uhr nachmittags galoppierte er abermals bis an die Spitze des Zuges und ließ noch mal alle an sich vorüberziehen, um gewiss zu sein, dass sich kein Deserteur in der Karawane verkrochen hatte. Darauf ritt er zurück und beobachtete den Weg sorgfältig, mit der Absicht, auch jene abzufangen, die etwa hinterher geschlichen sein sollten, um sich später der Karawane anzuschließen.
7
Ursprünglich hatte Don Leobardo mit seiner Karawane nicht nach Jovel reisen wollen, weil das für ihn einen Umweg bedeutete.
Sein Plan war gewesen, von Hucutsin aus nach Norden abzubiegen, um auf dem kürzesten Wege San Juan Bautista zu erreichen und hier bei seiner Company zum Rapport zu erscheinen. Als er jedoch in Hucutsin ankam, erhielt er die Nachricht, dass die Bachajonen, deren Dörfer und Siedlungen auf seinem Wege nach Norden lagen, wieder einmal in hellem Aufruhr seien der Ungerechtigkeiten wegen, die sie, nach ihrer Meinung, von der Regierung, insbesondere von dem Jefe Politico und den kleineren Beamten, in den letzten Monaten erduldet hatten.
Es war sicher, dass die aufständischen Indianer die Karawane anfallen würden, um sie der Waffen und der Munition zu berauben, die von den Leuten mitgeführt wurden. Es war gleichfalls wohl zu erwarten, dass sie wahrscheinlich ein hohes Lösegeld für ungehinderten Durchmarsch durch ihre Gebiete verlangen würden. Auf die Federaltruppen zu warten, die vielleicht schon auf dem Marsch zu einer Strafexpedition waren, betrachtete Don Leobardo als Zeitverlust. Außerdem gaben die Federaltruppen keine Gewähr für Sicherheit. Die Indianer hielten sich im dichten Busch versteckt. Sie waren so geschickt in ihrer Art des Kampfes, dass sie sich nach Beheben und unter den Augen der begleitenden Soldaten, Reisende und bepackte Mules aus der Karawane herausholten und mit der Beute so rasch in den Tiefen des Busches verschwanden, dass die verfolgenden Soldaten nichts dagegen auszurichten vermochten. Schweifte eine Patrouille nach links ab, dann wurde die Karawane von rechts angefallen und umgekehrt. Ein Regiment wäre notwendig gewesen, die Karawane gegen diese Kriegsart zu beschützen; die Soldaten jedoch wurden an anderen Stellen notwendiger gebraucht, um die großen Domänen in der Umgebung zu bewachen und gegen Überfälle zu verteidigen.
Don Leobardo war klug genug, sich nicht auf Abenteuer einzulassen und Menschenleben und Güter, für die er verantwortlich war, aufs Spiel zu setzen. Er beschloss, mit der ganzen Karawane nach Jovel zu reisen. Beinahe die Hälfte der Karawane marschierte auf alle Fälle nach Jovel. Dazu gehörte auch die Patache der Montellanos, die den Auftrag hatte, die bestellten Waren in Jovel einzukaufen und die darum nicht mit Don Leobardo nach Norden ziehen konnte.
In Jovel blieben alle Contratistas, einige der Angestellten, mehrere der Mädchen und alle die Leute, die sich hier von Don Leobardo trennten, entweder weil sie hier zu Hause waren oder hier ein neues Geschäft zu eröffnen gedachten oder nach neuen Stellungen suchen wollten oder die Absicht hatten, nach Tullum oder gar nach Arriaga, der Bahnstation, weiterzureisen. Der Weg nach Tullum und Arriaga lief nach Südwesten, während Don Leobardo nach Norden reiste. Jovel bot gute Hotels, zivilisierte Restaurants, reich ausgestattete Läden und genügend Unterhaltung, so dass alle Leute, die mit Don Leobardo nach Tabasco zumarschierten, ihm Dank wussten, als er den Befehl ausgab, die Karawane hier vier Tage rasten zu lassen, ehe sie weiterzöge. Für alle die Leute, die viele Monate, manche drei Jahre, im Dschungel verbracht hatten, war es, als würde ihnen durch diese Anordnung das Paradies eröffnet. |
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