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Willi Bredel - Maschinenfabrik N.& K. (1930)
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Die Reichsbannerkolonne.

Die Betriebsleitung der Maschinenfabrik von N. & K. hatte wiederholt mit dem Vorstand des freigewerkschaftlichen Metallarbeiterverbandes Fühlung aufgenommen, um gemeinsam Mittel und Wege zu finden, den Streik der Belegschaft beziehungsweise die Aussperrung der Firma zu liquidieren. Riesenhafte Konventionalstrafen drohten, und der Unternehmerverband machte die Gewerkschaft als Vertragskontrahenten beim Tarifabschluss der beiden Verbände für den Streik moralisch verantwortlich. Die Gewerkschaften wieder schreckten vor keinem Mittel zurück, um den Streik so schnell wie möglich abzuwürgen. Sie veranlassten die polizeiliche Besetzung des Betriebes, sie organisierten den - allerdings bislang vereitelten - Streikbruch, sie forderten und erreichten die Verhaftung der Streikleitung, sie waren unermüdlich am Werk, den Streik, auf dessen Führung sie keinen Einfluss hatten, zu zerschlagen.
Heimlich warben die Vertrauensleute der reformistischen Gewerkschaftsbürokratie auf dem Arbeitsnachweis der Metallarbeiter unter den erwerbslosen Reichsbannermitgliedern Streikbrecher. Jeder Erwerbslose mit dem Firmenschild der Republik an der Mütze wurde, wenn er Dreher, Schlosser, Schmied oder Schweißer war, angehalten und bearbeitet. Es gab manchen, der trotz allen Zuredens derartige Schurkereien glatt ablehnte, es gab aber auch viele, denen jede Gelegenheit recht war, wieder zu Arbeit zu kommen, und in deren Augen jeder Streik, wenn er nicht vom Verband organisiert und geführt wurde, ein Verbrechen war, das man bekämpfen musste.
So hatten die Gewerkschaftsinstanzen für den entscheidenden Schlag, den sie gemeinsam mit der Firma gegen die streikende Belegschaft planten, alles im geheimen vorbereitet.
Am Tag nach der Verhaftung der Streikleitung führten die Gewerkschaften ihren planmäßig organisierten Streikbruch durch. In aller Stille wurde die Polizeibesetzung der Fabrik verstärkt und rund um das Werk eine Postenkette gezogen, die strikte Anweisung hatten, rücksichtslos gegen Ansammlungen streikender Arbeiter vorzugehen.
Am nächsten Morgen waren sämtliche Zugangsstraßen zur
Fabrik polizeilich besetzt. Unmittelbar vor dem Fabriktor standen zwei Ketten Sipo, die ihre Gewehre schussbereit im Arm trugen.
Kurz vor sieben Uhr kamen dann einzeln die angeworbenen Streikbrecher und betrachteten erstaunt den kriegerischen Schutz vor der Fabrik.
„Sollen wir etwa unter polizeilichem Schutz arbeiten?" rief plötzlich einer im Umkleideraum. „Wer ist hier der Betriebsratsobmann?"
Alle horchten gespannt auf.
„Hier!" rief Kühne und reckte sich auf, denn er wechselte gerade sein Schuhzeug.
„Das hat man uns nicht gesagt, dass die Fabrik von Polizei besetzt ist!" wandte sich der Arbeiter an ihn. „Was hat das zu bedeuten?"
„Kollege, hast du denn keine Zeitung gelesen?"
„Nein."
„Gestern haben doch einige Kommunisten auf uns geschossen und einen Jungarbeiter getötet!" Kühne suchte in seiner Rocktasche nach der Zeitung.
„Wir müssen uns doch gegen diesen Terror schützen!" rief einer aus der Ecke.
„Das mit der Polizei ist schließlich nur heute!" meinte ein anderer.
„Davon weiß ich gar nichts", erwiderte nun der Arbeiter, der die Frage gestellt hatte, etwas verlegen. „Immerhin - eine verflucht dreckige Geschichte. Ich arbeite nicht gern unter Polizeiaufsicht."
„Sieht ja auch dumm aus", meinte nun auch Kühne, „aber muss sein!"
Ein Gemurmel war die Antwort, und das dumpfe Schweigen, das sich dann über die Streikbrecher legte, wurde nur durch die schrille Stimme des alten Platzarbeiters unterbrochen, der den neueingestellten Arbeitern Plätze und Kleiderhaken anwies, wo sie sich umziehen und ihre Kleider lassen konnten.
Noch hing die Mehrzahl der „Blutplakate" an den Mauern der Fabrik, noch war der ermordete Tischler nicht bestattet, noch stand die übergroße Mehrzahl der gewerkschaftlich organisierten Arbeiter von N. & K. im Streik, als etwa siebzig Arbeiter der Belegschaft, meistens Tischler - die noch immer sich selber einredeten, mit dem Streik nichts zu tun zu haben -, und zirka hundert auf dem Arbeitsnachweis angeworbene erwerbslose Reichsbannerarbeiter unter dem Schutz der Polizei die Arbeit im Betrieb wieder aufnahmen.
Als am Morgen um sieben Uhr die Fabriksirene heulte, ratterten seit langem wieder die Transmissionen durch die Maschinenhalle, kreischten die Sägen und pfiffen die elektrischen Blasebälge.


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