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Willi Bredel - Maschinenfabrik N.& K. (1930)
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Der Kampf geht weiter.

Der nächste Arbeitsmorgen unterschied sich nicht von den übrigen. Im Umkleideraum wurden nur einige bekannte Parteigänger der Sozialdemokratie, weil sie so verärgert dreinblickten, gehänselt. Doch sonst ging alles seinen gewohnten Gang.
„Wo ist denn Olbracht, dein Parteigenosse?" fragte der Rotkopf höhnisch Bleckmann.
Ein rabiater Fluch war die Antwort.
„Blas dich man nicht künstlich auf!" lachte der Rote. Melmster beobachtete das geschwollene Siegesbewusstsein seines Vordermannes und hatte Angst um seinen jungen Gesinnungsgenossen. Dieser sah nur den gestrigen Wahlerfolg und ahnte nicht, dass der Kampf erst begonnen hatte und nicht etwa ausgefochten war.
„Kurt, dass unser gestriger Sieg gleich so überwältigend war, ist gar nicht gut!"
„Du bist wohl verrückt!"
„Nein, im Ernst! Sie werden die ganze Meute auf uns hetzen!"
„Aber jetzt beherrschen wir doch für ein Jahr den Betrieb, und an uns werden sie sich die Zähne ausbeißen, hoff ich!"
„Gewiss - doch wart nur ab, der Tanz beginnt erst!"
„Du bist merkwürdig!" -Melmster drehte seine Flansche. Kunstvoll pyramidisch geordnet, standen bereits Dutzende fertig auf dem Arbeitstisch. Melmster hatte nach dem missglückten Rekordversuch des Oberkalkulators neun Stunden statt siebeneinhalb Stunden bekommen. Das ging so leidlich, er verdiente seinen Höchstlohn.
Die scharfen Stähle schoben sich die beiden Flächen hinunter. Melmster starrte auf seine Arbeit. In seinen Gedanken aber war er ganz woanders. Würde die vom alten Arbeiterrat zusammengesetzte Wahlleitung den neuen Arbeiterrat bestätigen? Von den sieben Arbeiterräten hatte die Opposition fünf erobert. Selbst wenn die Angestellten zwei Reformisten oder Bürgerliche wählten, hatte die Opposition immer noch die absolute Mehrheit. Er grübelte vor sich hin. Plötzlich stand der Oberkalkulator neben ihm.
„'n Morgen!"
„Guten Morgen!"
„Sie kommen wohl ganz gut zurecht?"
„Wenn immer alles klappt!" erwiderte Melmster.
„Sagen Sie mal, wissen Sie, was mit Olbracht los ist?"
„Nein!"
„Er ist doch gestern noch in der Versammlung gewesen, nicht wahr?" „Allerdings!"
„Kam es denn da zu Zusammenstößen?" „Wieso?"
„Weil Olbracht im Krankenhaus liegt!" Melmster pfiff unmerklich durch die Zähne.
„Nein, es ging alles ruhig ab!" sagte er.
„Aber wie ist denn die Versammlung verlaufen?"
„Wissen Sie, Sie können nicht verlangen, dass ich Ihnen einen detaillierten Versammlungsbericht gebe!"
„Soso!" fauchte der „Ober" und rannte geradenwegs zur Anreißplatte.
Melmster erzählte in seiner Nachbarschaft von Olbracht, und im Nu raste die Neuigkeit durch den Betrieb, Olbracht liege im Krankenhaus.
Melmster musste an die knochigen Arme des Schmieds denken. -
Mittags kam der Hobler und verzehrte sein Mittagbrot bei Melmster an der Fensterfront.
„Was die wohl jetzt im Büro herumtoben?"
„Meinst du, dass sie bereits alles wissen?"
„Der Kühne hat sich ausgeheult. Wie ein blutlechzender Tiger stürzte der ,Ober' ins Büro!"
„Ist Dora gesichert?" fragte flüsternd Melmster.
„Ich glaube kaum, dass man ihr etwas nachweisen kann!"
„Was, meinst du, wird die Wahlleitung tun? Bestätigen oder Kladderadatsch!"
„Sie sind ganz von der Firma abhängig, und ich möchte fast glauben, sie beißen in den sauren Apfel. Die Firma hat zuviel Aufträge."
„Wen machen wir zum Obmann?"
„Drohn! - Und..."
„Was?"
„Ich---ich---habe mich verlobt!"
„Gratuliere!" lachte Melmster.
Am Nachmittag brachte Meister Westmann neue Arbeitszettel. Er kam ganz nahe an Melmster heran.
„Meinen Sie nicht auch, Ihr Bombensieg ist eine schlimme Sache?"
„Im Gegenteil!"
„Das ist damit nicht erledigt, das fängt erst an!" „Das ist ja gerade das Erfreuliche!" „Glauben Sie denn, dass Sie was erreichen können?" „Ungeheuer viel!"
„Was denn, Menschenskind?" fragte ärgerlich und ungläubig der rundliche Mann mit den misstrauischen Augen. „Sympathien!"
„Davon werden Sie aber nicht satt!"
„Nicht für mich, sondern für den Kommunismus!"
„Wissen Sie, Melmster, Ihre Gegner sind viel zu mächtig. Der Arbeiterrat im Betrieb, die Gewerkschaften, die Firma, die Polizei, alles ist gegen Sie und Ihre Genossen!"
„Das ist es ja, Meister Westmann, was alle endlich begreifen und erfahren sollen!"
„Die Menschen sind zu blöde!"
Dieser Tag war wirklich einmal schnell vorübergegangen. Melmster fühlte sich so leicht und froh wie nie zuvor. War es die Erwartung kommender Kämpfe, das Bewusstsein des Vorwärtsschreitens der Bewegung, der Gedanke an den „Roten Greifer" oder?
Hinter ihm stand die Bank leer. Er fühlte sich im Rücken freier.


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