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Georges Navel - Werktage (1945)
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STRASSENBAU IM GEBIRGE

Der Autobus rollt durch eine Berglandschaft. Heiser, als habe sie sich im Regen erkältet, stößt die Hupe ihre Warnungsrufe in die zahlreichen Kurven hinaus. Nizza 50 km. Kilometerlang nichts als nackte Felsen. Der Regen webt ein Band vom Fels zur Straße, von der Landschaft zum Wagen — alles liegt im gleichen Dunst. Dann und wann versperrt frisch herabgestürztes Geröll die Straße. In den Schluchten fährt der Wagen unter Wasserfällen dahin.
Ich habe Nizza mit zwanzig Frank verlassen, fünfzehn kostet der Autobus. Wenn es klappt, wird es da oben Kost und Logis geben und Kredit in der Kantine. An der Küste ist keine Arbeit mehr zu finden, außerdem habe ich keine Lust, mich unter den Augen von Müßiggängern abzurackern.
In der Tasche habe ich einen Einstellungsschein für eine Baustelle zur Straßenerweiterung in den Schluchten. Es wird hart werden. Man muss zupacken. Es wurden „gute Erdarbeiter" gesucht. Ein Kamerad hat mich gewarnt: Blutsauger haben den öffentlichen Auftrag mit einem Preisnachlass von 40 Prozent übernommen: zehn Stunden Arbeit, häufige Unfälle und Steinschläge.
Es regnet nicht mehr. Die Sonne prallt auf die Blätter der Feigenbäume. Der Autobus hält vor einer Gastwirtschaft im Tal, am Fuß eines Dorfes, das wie ein grünender Käfig oben am Fels klebt und mit seinen Häusern in der Farbe von Schwalbennestern auf uns herabblickt, eine Oase zwischen Kilometern nackter Felsen. Das Land lächelt im Schmuck seiner Feigenbäume und seiner blühenden Kartoffelfelder. Menschen haben sich dort angesiedelt, aber ein Käfig ist es doch, aus dem man nur auf der dem Tal zugekehrten Seite herauskommen kann.
Der Autobus fährt weiter. Nach einer Kurve biegt er aus dem Tal in die Schlucht ein. Über ihr bleibt vom Himmel nur ein sich schlängelndes Band. Die schmale Straße führt zwischen zwei schroff abstürzenden Felswänden an einem Wildbach entlang. Oh, liebliche Schöpfung, wie ist das Fleisch doch zart neben dem Felsen! Nur schnell heraus da, zurück zürn freien Horizont! Erdarbeiter schaffen auf der engen Straße; sie drücken sich an die Felswand, um den Autobus vorüberzulassen. Da irgendwo muss die Baustelle liegen; die Kantine kann nicht mehr weit sein.
Vor einer lang gestreckten Holzbaracke hält der Autobus an. Hunderte von Metern ragen vorn und hinten Felsen über sie hinaus. Es ist weit vom Dorf. Da also wird man abends leben müssen, dicht aufeinander, bei einem Liter Rotwein. Ich gehe hinein. Das könnte Argentinien sein: An die hundert Erdarbeiter, rot wie der Fels hierzulande, warten auf das Abendessen. Am anderen Ende der Baracke sehe ich die Betten in Reih und Glied. Na ja: Zwangsarbeit und abends Kaserne.
Ich habe meinen Einstellungszettel dem Kantinenwirt gegeben, der ihn in ein kleines Büro zu den Chefs hineingibt. Es riecht nach Sägespänen, nach Regen und Weinresten. Es riecht nach Resignation. Ganz gleich, welche Lebensbedingungen man ihnen bietet, die von der Krise gehetzten Burschen nehmen sie hin.
„Franzose?" fragt der Kantinenwirt. „Ja, Franzose." Schlecht, Franzose zu sein. Ich gehöre zu den Arbeitskräften, die Ansprüche stellen. Die primitiven Piemontesen sind für die Unternehmer, die 40 Prozent Preisnachlass gewähren, bequemer ... Vielleicht deshalb beschnüffelt man mich so, betrachten mich die Leute mit bedrückender Aufmerksamkeit ... Ich hatte von meinen Arbeitsbrüdern einen anderen Empfang erwartet. Die Burschen sind gegen Gefühle gepanzert: So oft gibt es Unfälle, Explosionen, Steinschläge, Tote und Verwundete. Schließlich bin ich in ihren Augen bloß ein Stück Arbeitsvieh.
„Gut. Sei morgen um sechs Uhr da", hat der Kantinenwirt gesagt.
„Und wie ist es mit dem Schlafen?"
„Bah, heute abend ist kein Platz. Ich habe keine Betten mehr, sieh zu, wo du bleibst, fahr mit dem Autobus zurück ... und sei morgen früh um sechs hier!"
Ich möchte etwas essen. Ich habe kein Geld für Gasthof und Essen. Ich schlage dem Kantinenwirt vor, auf dem Tisch zu schlafen und hier zu essen, da ich kein Geld habe. Kredit ist in den Kantinen üblich: Der Kantinenwirt bekommt sein Geld alle vierzehn Tage.
„Wenn du kein Geld hast, bekommst du nichts", antwortet der Kantinenwirt, „hilf dir selbst."
Und in der Tat, ich ziehe vor, mir „selbst zu helfen". Im Grunde bin ich froh, der Sklavenhalterbude noch für einen Abend zu entwischen.
In zahlreichen Windungen erreicht die Straße das Hochland. Gras überwuchert den roten Fels. Aus mit Argentinien, jetzt fängt die Schweiz an.
Oben tauchen aus dem Nebel die Dächer einzelner Sennhütten zwischen den Lärchen auf; dann kommt das Dorf zum Vorschein, von Weiden und grünen Haferfeldern umgeben. Von neuem erwacht das Leben in einer weiten silbrig glänzenden Landschaft.
In dieser Gegend herrscht eine andere Jahreszeit: Es ist kalt. Es ist kalt, wenn man aus dem Autobus aussteigt. Die herumlungernden Bauernburschen, die auf dem Dorfplatz Läden und Kunden angaffen, tragen Gamaschen und sind winterlich angezogen. Die Häuser sind noch grau wie dreckiger Schnee, und die Bauern sind noch winterlich.
Es ist ein kleines, düsteres und schmutziges Dorf. Ich fürchte, ich habe mich auch hier in eine ungastliche Gegend verirrt. Das Zelt in meinem Rucksack kann mir keinerlei Hilfe sein.
Ich bin in den Tabakladen gegangen. Aus meinem Rucksack habe ich eine Jacke und schwere Schuhe herausgenommen, alles, was man gegen die passive Feindschaft des Bodens und der Bauern braucht. Der kleine, verdrießliche Budiker hat mir nach ein paar Einkäufen erlaubt, meinen Rucksack unter die Bank zu stellen, und seiner angeborenen Unfreundlichkeit habe ich die Kenntnis entlockt, dass eine große Baufirma, die sich hier niedergelassen hat, im Dorfe einige Kantinen betreibt.
Alle sind Steinmetzen, Zimmerleute, ungelernte Arbeiter oder Maurer. Kurz vor dem Essen sind ungefähr zwanzig Mann in der Kantine. Sie kommen von überall her, Portugiesen sind darunter und Italiener. Der französische Akzent beim Französisch-Sprechen sollte sie eigentlich nicht verwundern, aber jeder Neuankömmling ist ein Fremder.
Niemand fragt: „Wo kommst du her?"
„Es wird niemand gebraucht", sagt der Werkmeister.
„Erdarbeiter müssen sich an Zangotti wenden, früh vor sechs Uhr, sonst ist er weg zur Baustelle."
„Und wenn ich heute abend mit ihm sprechen würde?"
„Das wäre sicherer. Aber die Kantine ist im nächsten Dorf, ein paar Kilometer von hier."
Ein Werkmeister hat mir geantwortet, aber von den Kumpels fragt keiner: „Wo wirst du schlafen?"
Ü ber eine aufgeweichte Landstraße tipple ich zum Dorf. Der Abend bricht an.
Dumpf graut es mir vor Regen, Frost, Obdachlosigkeit und vor jener kalten Indifferenz, die vom Felsen dort unten auf die Menschen hier übergreift.
Zugleich aber finde ich den grenzenlosen Horizont wieder, möchte gern hier oben arbeiten. Die Kantine ist noch weiter, aber nicht mehr sehr weit. Es ist dunkel. Unter dem endlosen Himmel scheinen die niedrigen Häuser sich wie versprengte Tiere einer Herde zusammengeschart zu haben. Aus einer anderen Gruppe von Hütten dringen Lampenlichter, verirrten Sternen gleich, in die Nacht hinaus. In den Ställen bimmeln die Kühe mit ihren Glocken wie aus weiter Ferne. Das Leben zieht in schweigendem Rauch dahin.
Vom plötzlichen Licht geblendet, kann ich nur mühsam in der verrauchten Kantine die Gesellschaft erkennen, die sich dort lärmend aufhält. Ich trete ein wie ein Mann mit Elefantenhaut, durch die keine Sorge dringt: rundlich, brav, gutmütig, der die Arbeit liebt und alle Tage frühzeitig und wohlgelaunt beim ersten Hahnenschrei aufsteht.
„Zangotti?"
„Das bin ich!"
Da sitzt ein kleiner Kerl mit negroiden Zügen und Chamäleonsaugen und antwortet mir:
„Ich habe mit den Einstellungen nichts zu tun, aber komm morgen früh ins Büro. Du bist Franzose? Du wirst eingestellt. Wenn nicht, gehe ich mit dir hin."
„Sie müssen ihn nehmen, bun diu!" sagt der kleine Portugiese.
„Du wirst eingestellt, Franzose", sagt Francois, der Korse.
„Es wäre allerhand, wenn er nicht genommen würde", sagt Martinez, der Spanier.
„Scheint ein bravo ragazzo", sagt der paduanische Steinmetz.
Ich habe das Gefühl, in der Schenke des barmherzigen Samariters zu sitzen. Martinez, der Spanier, bietet eine Zigarette an, ich spendiere eine Flasche. Meine Ankunft und die Einstellung werden endlos erörtert. Alle sind fröhlich an diesem Abend. Der kleine Portugiese mit dem langen Schnurrbart rollt die Worte, als seien es Schubkarren in nassem Lehm. Es fallen Worte, immer die gleichen, wie Steine von einem herabkippenden Lastwagen. Was gibt's? Immer noch geht es um meine Einstellung. Ich denke nicht mehr daran. Meine Hände, die nicht grob genug sind, und meine zu raschen Gedanken hemmen mich. Zangotti hört nicht auf, mich zu beobachten.
„Ach so, du bist also in der Schlucht gewesen? Warst du im voraus eingestellt? Hast du unten nicht gearbeitet? Du wärst sowieso nicht dageblieben."
Ich versichere ihm:
„Oh, ich habe schon schwerere Arbeiten gemacht."
„Das ist die Hölle", sagt Gringo und zeigt seine vom
Steinschlag aufgerissenen Unterarme. „Ich habe unten gearbeitet, aber ich wäre beinahe draufgegangen. Hier wirst du im Stroh schlafen müssen, in der Scheune, wie die Wilden, wie wir", fügt er hinzu.
„Meine Decken sind unten im Rucksack."
„Das macht nichts, ich borge dir welche, und mit meinem Mantel wirst du schon nicht frieren", sagt Martinez.
Der Radau geht wieder los in der Bude.
„Sing, bun diu, Francois!" sagt der Portugiese mit dem langen Schnauzbart.
Francois singt ein Lied:
„Ri-ki-ki, tru-la-la, morgen ist noch einmal Festtag, ri-ki-ki, tru-la-la, morgen machen wir noch blau!"
Der kleine Portugiese bricht in ein Gelächter aus, selig wie ein Kind.
„Sing, bun diu, Francois!" Und er schlägt mit der Faust auf den Tisch.
Nicht alle Abende sind so ausgelassen.
„Povere ragazzo!" sagt der paduanische Steinmetz.
„Ein junger Araber ist auf der Baustelle umgekommen", sagt Zangotti.
„Er hat nicht achtgegeben", sagt Martinez.
„Wie ist es denn passiert?"
„Er war zum Wasserholen in die Schlucht hinabgestiegen, ohne Bescheid zu sagen. Die anderen oben ahnten nicht, dass er unten war, und schoben einen Felsblock von der Straße herunter. Plötzlich ist der Block ins Rollen gekommen. Er hat ihn unten kommen sehen. Er ist in eine andere Richtung gesprungen und hat sich unter einen Felsvorsprung gestellt, aber der Block ist noch einmal abgeprallt. Wir sind alle mit Hebebäumen hinuntergegangen. Sein Kopf war eingeklemmt, aber nicht zermalmt. Er stöhnte. Es war schwer, ihn herauszubekommen, er lebte noch. Schließlich ist es gelungen. Im Spital ist er gestorben."
„Povero!" sagt der kleine Portugiese noch einmal.
Zangotti fährt sich mit der Hand über die Stirn.
„In einem Tunnel habe ich einmal einem Kameraden die Beine absägen müssen, um ihn herauszuholen. Ja; die Beine waren zerquetscht. Nur so konnten wir ihn freibekommen."
Und ich sehe den Erdarbeiter Zangotti mit seinen Chamäleonsaugen und den afrikanischen Zügen, wie er schaufelt, egal ob Erde oder Fleisch.
„Sing, bun diu, Francois!" sagt der kleine Portugiese.
„Los, sing, Francois!" sagt Gringo.
Und Francois stimmt an:
„Ri-ki-ki, tru-la-la, morgen ist noch einmal Festtag, ri-ki-ki, tru-la-la, morgen machen wir noch blau!"
Und dann:
„Sie haben mir dein Bild geklaut, dein liebes Bild, Mama, sie haben alles mir geklaut, die bösen Boches, Mama."
Es ist spät. „Gehen wir schlafen", sagt Martinez.
„Bisogno lavorare!" sagt Zangotti.
Morgen gibt's schönes Wetter, hat Gringo gesagt. Der Himmel ist hoch und hell. Ein halbes Dutzend von uns schläft in der Scheune. Martinez schläft nebenan im Erdgeschoß, Francois weiter oben in einer anderen Scheune.
Gringo steckt eine Kerze an, dann macht jeder stillschweigend sein Strohlager zurecht.
„Saluti! Buona sera!"
Gegen Mitternacht kommt ein Schatten herein und flucht: „Herrgott noch mal! Ich komm hierher, unmöglich da oben zu schlafen! Ich schlitze ihm noch den Bauch auf, diesem Gauner. Arbeiten und dann nicht schlafen können!"
Oben im Schlafraum sang Francois weiter.
Jahrhundertelang haben die wilden Einwohner dieses Landstrichs von den Erzeugnissen ihres Bodens gelebt, von ihren Weiden und ihren Kartoffeln. Ihr Dorf war durch den Mangel an Verkehrswegen von der Ebene und der Küste abgeschnitten.
Es gibt eine Kirche in diesem Eskimodorf. Auch ein paar Gasthöfe, ein paar Läden. Die Wildheit ist geschäftstüchtig geworden. Touristen kommen, Verkehrsmittel werden eingeführt, die Straße wird breiter, der Eingeborene setzt seine Erzeugnisse gut ab.
Ich bin eingestellt. Es ist Sonnabend. Zangotti hat mir gesagt, es sei besser, Montag anzufangen. Macht nichts, ich habe jetzt Kredit in der Kantine und esse dort.
Es nieselt. Von Zeit zu Zeit kommt die Sonne durch. Es ist mild. Mit all seinen Bäumen, dem sehr zarten, und grünen Gras ist das Plateau wie ein großer, verlassener Park ohne Schloss und Schlossherrin.
Die Kuhjungen erschrecken vor mir. Die Bauern, denen ich über den Weg laufe, haben die Traurigkeit von Schäferhunden, und es sieht aus, als würde unter ihrem Schnauzbart jeden Augenblick ein Hundegebell losbrechen. Mein Gruß klingt ihnen wie eine Drohung. Sie erwidern ihn nicht.
Auf meinem neuen Planeten setzt mir die Höhenluft eigentümlich zu. Ich bin eine Schlafmütze geworden und muss bei jedem Baum fünf Minuten dösen. Unter dem Idyll dieses bald lachenden, bald weinenden Himmels erwarte ich Reigen von Elfen und Sonnenschirmen, das Erscheinen melancholischer und lächelnder Mädchen aus dem Norden. Der Grasgeruch steigt mir zu Kopf. Als Begleiter habe ich ein Päckchen Zigaretten, das meinem erregten Gemütszustand zum Opfer fällt.
Am Morgen wandern wir, Martinez, Gringo, Joseph, der Kapitän, Rundhut, Marco und andere, im Gänsemarsch durch das milchige Dämmerlicht.
Ich reibe meine kalten Finger, Martinez reibt seine kalten Finger, und jeder von uns, wie ein wohlausgeruhtes Tier, bläst eine Nebelwolke vor sich her.
Ich habe meine eigenen Träume, große Träume, in der Nacht entstanden, die ich jeden Morgen weiterspinne, und die mich erwärmen. Am häufigsten träume ich, dass ich mit einem Esel und einem Sack Korn von einem Ende der Welt zum anderen ziehe und von Zeit zu Zeit arbeite, so wie hier.
Die Baustelle zieht sich an einer Schlucht entlang. Durch den Wald führt ein Weg bis zur Quelle, deren Wasser durch Kanalrohre zum Dorf geleitet wird.
Tief unten in der Schlucht verläuft der frühere Weg. Jeden Morgen kommt hier eine alte Frau auf ihrem Maulesel vorüber und strickt, als ob sie auf einem Stuhl säße.
Die Musiker eines Regiments, das zu Geländeübungen in der Gegend ist, kommen auch in die Schlucht und bringen Morgenständchen, Konzerte voll himmlischer Motive. Das Gequake der Blasinstrumente findet ein unerwartetes Echo: unsere Axtschläge an den Lärchen.
Zangotti stellt alle fünf Meter einen Mann auf, dann geht er mit seinem Hund tiefer in den Wald hinein. Der Pfad ist vorgezeichnet; es genügt, ihn zu erweitern und dabei die festgesetzte Höhe einzuhalten.
Wenn es regnet, suchen wir unter einem Baum Deckung. Schnell ist ein Feuer angezündet. Die wach bleiben, unterhalten es, die anderen schlafen, so wie die Hunde, die uns vom Dorf her nachgelaufen sind, ohne dass einer sie gerufen hätte.
Der Regen geht vorüber, der Nebel steigt auf, und die Sonne kommt wieder zum Vorschein. Wir gehen wieder an die Arbeit.
Die Tage bestehen nur noch aus dem Wetter, der körperlichen Anstrengung, der Jahreszeit, dem Licht und all den Gerüchen der Erde. Es ist ein Leben von Bäumen, ein Heiligenleben ohne Ereignisse.
Es ist schön geworden. Nach dem Essen kommt ein Mittagsschläfchen auf der Erde oder im Moos, mit einer Jacke unter dem Kopf. Die Insekten summen, die im Walde schwebenden Gerüche scheinen zu schlummern, und auch wir würden ohne das Hornsignal zur Wiederaufnahme der Arbeit stundenlang weiterschlafen.
Benommen steht man auf, herausgerissen aus der Behaglichkeit des Eidechsenlebens, zurück in die menschliche Welt der Arbeit. Alle seufzen: Sempre lavorare! Immer arbeiten!
Die Zehnstundentage sind lang. Man trinkt einen Schluck Wein aus der Feldflasche, macht ein paar Züge an der Zigarette. Die Jacke und der Wein liegen beim Nachbarn auf der Böschung. Man wechselt ein paar Worte, dann kann man wieder zur Picke greifen. Die Müdigkeit, wie eine Ausgeburt der Langeweile, ist mit dieser verflogen.
Die Gesundheit ist nicht anspruchsvoll. Tollpatschig, in meinen plumpen Arbeitsschuhen wie ein schwerfälliger Brummer, brülle ich vor lauter Ausgelassenheit wie ein junges Kalb. Aus vollem Halse rufe ich:
„Gringoo! Gringoo! Va bene? Salutti! ...", und Gringo, zwanzig Meter weiter, antwortet: „Turisto! Turistooo! ..." Und wir grinsen mit aufgerissenen Mäulern.
„Zangotti ist mit dir zufrieden, bravo ragazzo, du schwatzt nicht zu viel", hat mir der paduanische Steinmetz gesagt.
Gringo stammt aus San Remo. Ich nenne ihn so, seitdem er mir eine Geschichte erzählt hat. Er hat als italienischer Auswanderer in Argentinien gelebt und dort auf dem Lande gearbeitet. Ein Fremder also, eben ein „gringo", wie sie da drüben sagen ...: „Ich suche mit niemand Streit, aber wer mit mir anbinden will, der erlebt was. Eines Tages, als ich da in einem Cafe saß, bekam ich von einem Argentinier, der Billard spielte, eins mit dem Billardstock ins Gesicht. Es tat weh. Ich habe gesagt: ,Oh, Senor, geben Sie acht, Sie haben mir weh getan.' Der andere antwortet, ohne sich zu entschuldigen: ,Que hay, gringo?'!! An der Tür habe ich ihn abgepasst. Es war ganz finster. Der andere pinkelte an einen Baum. Ich habe den Senor übern Haufen geschossen. — ,Mama, Mama!'"
Gringo ist der Typ eines Bergarbeiters, stämmig, knochig, hartgesotten. Ich kenne ihn nur vom Ansehen, wie ein Tier das andere kennt. In der Scheune, wo wir
schlafen, habe ich meinen Strohhaufen mit ein paar Bohlen von seinem abgegrenzt. Alle machen sich lustig über meinen Luxus, aber auf diese Weise kann Gringo, der überall mit der größten Unbefangenheit Tabak kaut und spuckt, nicht mein Lager treffen.
Zangotti kommt mit seinem Jagdhund und einem Korb voll Pilzen zurück. Hinter einem Baum versteckt, hat er von weitem die Baustelle beobachtet. Um sechs wirft er wortlos einen Blick auf das geschaffte Pensum.
Während er fort ist, arbeiten wir in einem bäuerlichen Tempo, das durch zehn Stunden durchhalten und jeden Tag von neuem wieder anfangen muss. Jeder geht mit seinen Kräften sparsam um, und trotzdem sind wir abends todmüde.
Die schweren, ausgetretenen Schuhe stoßen wie Hufe von müden Tieren an die Kiesel auf dem Wege, der beim Heimgehen endlos scheint.
Martinez, der Spanier, humpelt und watschelt wie eine Ente. Seinen Stock in der Hand, sein Reisigbündel auf der Schulter, sieht er aus wie ein uralter Erdarbeiter. Marco watschelt noch mehr als er, aber er ist weniger erschöpft als wir alle und trödelt, Pilze suchend, hinterdrein.
Der Kapitän lässt einen fahren und schwingt seinen Stock voraus. Er horcht auf den hohlen Klang seiner leeren Feldflasche, und sein Kirmesgesicht runzelt sich vor Lachen.
Rundhut, der Kesse, kramt in seiner Tasche herum, findet eine Kippe und steckt sie sich an.
Milde liegt in der Luft, Müdigkeit in allen Gliedern.
Auf dem Heimweg tut es gut, von weitem die Häuser und die Kantine zu sehen.
„Grüß Gott, Francois!"
„Guten Tag, Franzose!"
Francois, der Korse, kommt von einer Baustelle in der Nähe des Dorfes zurück. Er ist Steinmetz.
Nach der Ankunft waschen wir uns an der Tränke. Kühe kommen, saufen und begeifern uns die nackten Oberkörper. Ich vertreibe sie mit einem Klaps in die Flanke, aber mit den Geizkragen, die sie hüten, tauscht man kaum ein „Guten Abend".
Nach dem Essen, dem Wein und ein paar Zigaretten löst eine angenehme Benommenheit die Erschöpfung ab. Man fühlt sich wohl darin, wie eine Zitronenscheibe im Glühwein.
Francois, der Korse, trinkt und singt nicht mehr: er hat Magenschmerzen.
„Hör mal, Franzose, schreib mir einen Brief. Meine Frau müsste mir mal ein Mittel schicken, das ich immer in solchen Fällen nehme."
Für Marco gibt es gefühlvolle Briefe zu schreiben. Ans Ende eines korrekten und schüchternen Briefes an, die Auserwählte seiner erkauften Liebschaften setze ich einen Gruß für die Madame und für die Negerin.
Martinez ruht sich in Pantoffeln aus. Wir rauchen am Straßenrand eine Zigarette miteinander. Wir alle hier sind von ein und derselben Rasse, alle sind wir eines Tages aus einem Dorf auf und davon, um durch die Welt zu streifen. Diesem Martinez aber, mit seinem Städtergesicht und dem trübseligen Aussehen einer Familienmutter, bin ich näher als den anderen. Ich behalte seinen guten Empfang vom ersten Abend im Gedächtnis.
„Dreißig Jahre, Martinez, und schon weiße Haare?"
„Ja, mein Unfall hat mich alt gemacht. Ich bin nicht mehr so stark. Drei Monate lang habe ich halb gelähmt im Spital gelegen. In den Taucherglocken kommst du dir wie ein Akrobat vor, als wärst du aus Gummi. Sechs Frank pro Stunde bekam ich, bloß riskierst du eben, gelähmt zu bleiben, wenn der Druck steigt. Marseille wird mich so bald nicht wieder sehen ..."
Auf dem Wege unterhalten wir uns über den Achtstundentag, denn hier wollen die Kollegen auch sonntags arbeiten. Wir tauschen unsere Meinungen aus.
„Weißt du, an einem Sonntag gehen wir früh um vier Uhr los und klettern auf den Gipfel da drüben", sagt Martinez zu mir.
Martinez ist der einzige hier, der zu mir sagt: wir wollen sonntags durch die Berge streifen. Aber wir werden nie losgehen ... Am Sonntag überfällt uns die Müdigkeit. Am Ende werden wir von der Gegend nichts kennen als das Dorf und den Weg von und zur Baustelle.
Der Nationalfeiertag ist nicht mehr fern. Francois feiert ihn auf Biegen oder Brechen.
Ich mache die Kantinentür auf: Francois klettert auf den Tisch und springt wieder auf den Fußboden, um den Franzosen ans Herz zu drücken. Der Franzose bin ich, und ich bin nur noch der Kumpel von Francois, der langsam verblödet.
Wenn er nicht betrunken ist, ist er ein ungeschlachter und sympathischer Brummbär. Betrunken ist er ein Scheusal im Delirium, einem Delirium, das er festen Fußes erträgt.
„Sie haben mir dein Bild geklaut, dein liebes Bild, Mama, sie haben alles mir geklaut, die bösen Boches, Mama!"
Rasend schlägt er sich an die Brust; alte Händel kommen ihm wieder in den Sinn, und er verfällt in den Ton der korsischen Ehre. Er improvisiert ein Spottlied auf die Italiener am Nebentisch.
Der kleine Portugiese, der für gewöhnlich gutmütig ist wie ein Kind, verbindlich und unterwürfig gegen Francois, steht auf und zwirbelt seinen langen Schnurrbart.
Gringo, der bei Verdun gekämpft hat, geht in die Scheune, seinen Militärpass und seine Tapferkeitsbeweise zu holen. Aber Francois lässt sich überhaupt nicht darauf ein, die Papiere anzusehen, und brüllt weiter seine Stegreifverse.
Manchmal, wenn Francois sich so heftig an die Brust schlägt und sein Maul, in dem Brot und Wein sich miteinander vermengen, zu weit aufreißt, glaube ich schon, dass mein befreundeter und französischer Schädel nicht weit davon entfernt ist, mit einer als Keule benutzten Bierflasche Bekanntschaft zu machen.
In dieser heiklen Situation erscheint der Kapitän, der auch zu singen anfängt.
Am Sonntagmorgen vergessen Martinez und ich, in die Berge zu gehen.
Ich gehe zur Schlucht, Wäsche waschen. Die Bauern sind schon in der Kirche, der Ort ist abgelegen, ich kann im Wildbach baden und dann, während die Wäsche trocknet, eine Zigarette rauchen oder schlafen.
Ich habe Blei in den Lidern und eine Schwere in den Gelenken, die ich wochentags nicht spüre.
In der Kantine sind Rundhut und der Kapitän, der Kapitän mit seiner guten Laune und Rundhut mit seinen Kainskindern, zwei oder drei rotznäsigen Galgengesichtern. Sie haben ihre Hütte verlassen, um auf der Trift nach Schnecken zu suchen, und nun kommen sie zur Weißweinmesse, in ihren Bacchus-Tempel, der schöner ist als die Wiese.
„Als ich von Chile zurückkam, haben sie mich wegen einer Schmugglergeschichte abgesetzt", sagt der bretonische Kapitän, „aber ich erwarte jetzt den Dreimaster, auf dem ich als Zweiter Offizier in See gehen werde! Stimmt nicht? ... Da, schau, sieh dir meine Papiere an!..."
Und wutschnaubend hält der Kapitän der misstrauischen Gesellschaft seine Papiere unter die Nase. Das Schiffsbuch bestätigt eindeutig, dass der Kapitän ein guter Seemann ist.
„Da siehst du es", sagt er und lacht wie alle anderen.
In der Kantine und im Dorf triumphiert die aufdringliche und großmäulige Kraftmeierei. Die Kantine ist voll von Landsern, die die hochnäsige Tochter des Kantinenwirts mit Notzuchtsträumen umlungern.
„Papa! Sie haben Hure zu mir gesagt!"
Gehen wir.
In der Scheune schlummert es sich behaglich. Ein Lichtstrahl dringt durch die Bretter des Daches, und in seiner Milchstraße tanzen die Stäubchen. Ich erwache so glücklich wie der im Sonnenlicht glänzende Staub der Scheune.
In den Wäldern und um die Seen herrscht die romantische Natur, menschenleer: Landschaften von Watteau ohne lebende Wesen. Ich gehe hin, den Berg hinauf.
Vor mir ein Lärchenhain, ruhig wie ein Friedhof, still wie eine Kapelle; im Dämmerlicht der Bäume treibt dichtes Moos. Diesen Hain habe ich anderswo gesehen ... in der Kindheit oder im Traum. Ich werde wach wie eine Katze, die einen Vogel entdeckt.
Weiter fort auf einem kleinen Hügel wachsen Champignons unter den jungen Lärchen. Schweigen herrscht, kein Vogel, kein Insekt. Ich vergesse das Dorf.
Eine Herde von Kühen biegt in einen Hohlweg. Eine von ihnen kommt heran, das Mahlen der Lefzen nähert sich, und plötzlich sehe ich das prähistorische Ungetüm, den freundlichen Schabernack der Natur, wie ein bis auf diesen Tag unbekanntes Tier.
Kuh und Herde entfernen sich; aber durch eine einfache Bewegung zur Seite, die ein neues Blickfeld freigibt, sehe ich nun zum ersten Mal, gleichsam wie in einer Sondervorstellung am ersten Tage, die Gegenwart des Menschen, meine Gegenwart auf dem Hügel, die Gegenwart des Himmels und der Erde. Weithin erstreckt sich die Erde, Bergesgipfel schließen sie ab. Hinter ihnen die Wand des Himmels. Baum, Wiese und Mensch erstehen vor meinem Blick wie eine frischfunkelnde Seifenblase auf einem Strohhalm.
Ich kann wieder hinuntergehen in die Kantine, die Soldaten schreien hören und meine Ellenbogen in verschüttetem Wein scheuern. Mit meinem unaussprechlichen ' Liebesgeheimnis in der Brust bin ich trunkener und leutseliger als sie alle.
Zwei Zivilisten kommen auf die Baustelle, bleiben stehen, gehen hin und her. Zangotti umkreist sie wie ein Hund.
Einer von beiden kommt gönnerhaft heran und fragt mich — wie ein Europäer einen Eingeborenen:
„Wo kommst du her?"
„Ich komme von X ...."
„Aber vorher, wo warst du vorher?"
„Ich war in Z ...."
„Du bist also nicht aus dem Süden?"
Der bärtige Vogel beugt sich über den Graben, den ich aushebe. Und wenn ich ihn nun auch duzte? Das entspräche wohl nicht den Spielregeln und den guten Sitten; es wäre grob. Lächelnd frage ich:
„Und Sie, wer sind Sie denn?"
„Ich? Der Direktor!"
„Ah, selbstverständlich!"
„Bist du verheiratet? Wie kommt es, dass du hier gelandet bist? Du hast wohl was ausgefressen da unten? Natürlich hat er was ausgefressen, sonst wäre er ja nicht hier, hä? Hast du was ausgefressen?"
Ich antworte mit einem Lächeln auf die Höflichkeiten, die sich über mich ergießen.
„Zangotti, ist der Mann gut? Arbeitet er? Ist er schon lange da?"
„Ja, seit einem Monat", antwortet Zangotti.
„Gut, in Ordnung, du bist ein Kerl!" Und seine Reitgerte senkt sich herab, um dem Tier unten übers Kreuz zu streicheln, aber sie wird aufgehalten.
Ich bin völlig durcheinander. Dieses Schwein hat mich geduzt. Ich arbeite: Ich habe ihn nicht geduzt, ich bin ein Sklave ... Nimm nicht alles so tragisch; es ist doch gut gemeint, dieses Duzen.
Am Abend verdaut Zangotti vor einer Flasche den Besuch des Direktors. Joseph, Marco und Martinez sitzen in ihrer Stube auf Ziegelsteinen um einen Tisch.
„Er ist kein schlechter Kerl, der Direktor", sagt Zangotti, „aber er will nicht haben, dass auf der Baustelle geraucht wird. Er hat recht: Wenn einer raucht, geht er zu seiner Jacke: macht eine Minute; er dreht sich seine Zigarette: macht zwei Minuten; zehnmal am Tage macht es zwanzig Minuten! Der Direktor will keinen auf der Baustelle mit Leinensandalen. Recht hat er. Ein Kerl in Leinensandalen ist nicht so stark, nicht so sicher. Der Direktor will nicht haben, dass man Wein trinkt. Und da hat er unrecht! Denn wer Wein trinkt, hat Kraft..."
Joseph, Marco und Martinez hören dem Wachhund Zangotti respektvoll zu.
Nachts friert es nicht mehr; kein Reif mehr des Morgens. Die verspäteten Regenfälle haben aufgehört, das Heu ist trocken. Der Bauer braucht die Scheune, in der wir schlafen, um sein Heu darin unterzubringen.
Ich arbeite auf der Baustelle, ich bin bekannt und brauche nun meine Eigenheiten nicht mehr zu verbergen. Also habe ich mein Zelt auf der Terrasse aufgeschlagen. Ich habe eine weiße Stube, in der ich schlafen gehen kann, wann ich will. Ein verspätet aus der Kantine heimkehrender Kartenspieler wird mich nicht mehr aus dem Schlaf wecken.
Gringo und die Kameraden drücken sich nebenan in einer anderen Scheune zusammen. Alle amüsieren sich, wenn sie mein Haus sehen.
Ich esse nicht mehr in der Kantine. Aber dadurch, dass ich Milch dem Wein und Pellkartoffeln den Nudeln in Tomatensauce vorziehe, bringe ich mich um meine Beliebtheit.
Der Bauer, der mir die Kartoffeln verkauft, begaunert mich offensichtlich beim Wiegen, und hinter meinem Rücken regt er sich über meine Absonderlichkeiten auf, der Pfennigfuchser; Martinez und einigen Kameraden hat er ein elendes Loch für teures Geld vermietet. Ich gehöre zur verdächtigen Rasse derer, die sich nicht prellen lassen. Über diesem Fleckchen Erde, frisch der Wildnis entrissen, herrscht die gierige Sucht, den Nächsten auszupressen. Jetzt muss ich dreimal guten Abend sagen, bis man mir antwortet.
Dem vertierten Urwaldleben, das wir hier führen, möchte ich einen wirtschaftlichen Sinn geben, um später mit goldgefülltem Beutel durch die Welt zu streifen. Noch ein Traum ...
Nach vier Uhr wird es angenehm. Die große Hitze ist vorüber. Rundhut scheint seit ein paar Tagen unruhig. Augenblicklich ist er damit beschäftigt, eine Lärche abzuästen, die er entwurzelt hat; dann kommen wir alle mit den Hebebäumen und schieben die mächtige Leiche vom Weg herunter.
Gendarmen kommen herauf.
„Ist Durand da?" fragt der Wachtmeister.
„Hier! Guten Tag, meine Herren!" antwortet Rundhut lächelnd.
„Wir nehmen Sie mit."
„Schade. Man hätte noch ein bisschen warten können, bis zum Herbst, wenn die schlechte Jahreszeit kommt."
Das ist eine undurchsichtige Geschichte. In seiner Wohnung an der Küste wurde Dynamit gefunden. Was wollte er damit? Fische fangen vielleicht, oder Bäume entwurzeln.
„Macht's gut, alle! Auf Wiedersehen, du!" Er schüttelt jedem lau die Hand und geht zwischen den beiden Gendarmen fort, mit der Miene, die er allabendlich hat.
Die Arbeit geht weiter.
„Na, Kapitän, jetzt hast du den Buddel Weißwein für dich allein!"
Die Leitungsrohre für das Wasser der Quelle sind da. Die Arbeit ist schon fortgeschritten. Wenn wir in der Frühe ankommen, nehmen zwei Mann ein Rohr auf und tragen es auf der Schulter bis oben zur Straße, jedes Mal um eine Rohrlänge weiter.
Es ist eine harte Arbeit, die man nicht den ganzen Tag über leisten kann. Indem man jeden Morgen ein paar Rohre schleppt, werden sie mit weniger Mühe gelegt.
Es ist Viertel nach sechs. Alle Kollegen sind unten in der Schlucht angekommen.
Der Kapitän zieht seine Uhr heraus:
„Noch eine Viertelstunde."
Zangottis Hund taucht auf, Zangotti ist also nicht mehr weit.
„Los! Vorwärts!" sagt er beim Kommen.
„Es ist noch nicht soweit."
„Mir wurscht, ihr könnt euch oben ausruhen. Ein paar von euch haben sich's gestern bequem gemacht. Ich bin im Bilde", sagt er und legt den Zeigefinger ans Augenlid. „Die kriegen heut noch 'ne Wucht!"
'ne Wucht?" sagt Marco und lacht.
„Ja, was denn sonst? Ein paar davon gehen mir heute aufs Büro!"
Also los! Ich nehme ein Rohr mit dem Kapitän, Martinez eins mit Joseph, und so weiter.
Ich habe genug Geld in der Kasse, um mir Gefühle leisten zu können. Indem ich beim Klettern keuche, schäume ich vor Wut. Wie einfach wäre es doch, diesem schnoddrigen Kerl, diesem Antreiber, eine Abreibung zu geben!
Außer Atem kommen wir an.
Zangotti bläst die Ruhepause, mit der jeder rechnet, gleich wieder ab.
„Los! Du, Franzose, nimm die Drahtrolle da. Du gehst zur Quelle rauf."
„Soll ich die Schaufel und die Hacke nehmen?"
„Na klar! Du gehst ja nicht zum Apotheker!"
So, jetzt kriegt er sie, seine Abreibung. Heftiger als ein Dienstmädchen, das seiner Herrschaft den Dienst aufsagt, schmeiße ich Zangotti die Drahtrolle vor die Füße: „Da, fang!"
Das Chamäleonsauge regt sich ein bisschen, das Tier bezähmt sich. Das Machtgefühl siegt über die viehische Rachsucht: „Geh aufs Büro!"
„Schön. Und du, kommandier dein Lastvieh!"
An der Biegung eines Pfades esse ich mein Frühstücksbrot und sinne über das ewige Aufbrechen nach. „O Touristo!" „O Gringo! ..."
„Ich hau ab! Was für eine bruta bestia!" „Bravo! Wir gehen zusammen hinunter."

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