III. Mann und Weib und Weib und Mann...
So furchtbar und ekelhaft nun die Auflösung des alten Familienwesens innerhalb des kapitalistischen Systems erscheint, so schafft nichtsdestoweniger die große Industrie mit der entscheidenden Rolle, die sie den Weibern, jungen Personen und Kindern beiderlei Geschlechts im gesellschaftlich organisierten Produktionsprozesse jenseits der Sphäre des Hauswesens zuweist, die neue ökonomische Grundlage für eine höhere Form der Familie und des Verhältnisses beider Geschlechter.
Karl Marx.
Konrad und Emil nahmen nach Weihnachten die Agitation unter den Unaarbeitern mit einer Anzahl Parteigenossen planmäßig auf. Am Sonntag hatte die Partei Aufträge für sie. Emil arbeitete mit übermenschlicher Anstrengung. Konrad warnte: „Nicht zu toll, Emil!"
„Macht nischt, Konrad!! Diesmal müssen wirs schaffen! Nur einmal im Reichstag eine Arbeitermehrheit — und die andern sollen sehen, wo sie bleiben!!!"
„Wer versorgt die kranke Mutter, Emil?"
„Ich helf ihr, so gut ich kann. Die Nachbarin kommt auch. Sie schimpfen natürlich alle beide auf die Agitationsarbeit. Aber die Partei geht vor!"
Die andern Freunde sahen sie selten. Auch sie waren durch Wahlagitation in Anspruch genommen. Nur Walter Stamm hatte hie und da Gründe, ihr auszuweichen. „Er ist eben kein richtiger Prolet", sagte Emil. „Es gibt viele aus seinem Beruf, die mit größter Energie in der Bewegung arbeiten." „Mag sein."
Auch Else nahm an der Agitationsarbeit teil. Ihr Eifer setzte Franz in Erstaunen. Sie hatte sich bisher nur als Mitglied der Kinderfreunde in der Arbeiterbewegung betätigt. Gefühlsmäßig dem Ganzen verbunden, war sie dem Politischen fremd geblieben. Franz hatte manchmal ihren Mangel an Interesse mit leiser Sorge empfunden. Schon einmal hatte er ein Mädel verloren, weil es auf seine Parteiarbeit eifersüchtig war. Er konnte es lange nicht verwinden. Dann war Else in sein Leben getreten. Ihre glückliche Sinnlichkeit hatte den Bann gebrochen. Er wusste sich eins mit ihr in dem großen Ganzen des proletarischen Kampfes — mochten sie dann getrost jeder seinen Weg gehen. Nur hie und da nagte leise der alte Wurm. Um so mehr beglückte ihn jetzt ihre Wendung auf seinen eignen Interessenkreis. Sie half ihm Flugblätter tragen; sie spielte mit ihm des nachts den „Grünen" Streiche; sie half Plakate ankleben; sie begleitete ihn auf die Landagitation. Bisweilen überfielen sie dann abends beim Heimkehren Konrad in seiner Wohnung, um zu berichten. Übermütig erzählte Else von ihren Taten, und das herbe Antlitz des Schlossers leuchtete fröhlicher als sonst. Franz saß glückstrahlend dabei, stolz auf sein Mädel, stolz auf den Freund, dessen Anerkennung ihm mehr galt, als alle äußeren Erfolge.
Am Sonntag, den 29. April, fand die Wahl statt. Für den Abend des Tages war Treffen bei Konrad verabredet. Bis 6 Uhr hatte jeder noch in seinem Bezirk mit der Wahl selbst zu tun; dann waren Ordnungs und Aufräumungsarbeiten zu erledigen. Zwischen 9 und 10 Uhr trafen sie bei Konrad ein. Sie wollten bis nach Mitternacht zusammen-
bleiben, um die ersten Rundfunktelegramme aus dem Reich zu hören. Burschen und Mädels waren zahlreicher als sonst gekommen. Es drängte sich in der engen Bude, dass kein Apfel zur Erde fiel. Jeder erzählte, was er auf den Agitationsfahrten alles ausgerichtet hatte. „Diesmal muss es klappen!" „Die Deutschnationalen haben wir in unseren Dörfern überall rausgekloppt." „Es gibt sicher en großen Sieg für uns!" „Aber dann!!!-----------" Dazwischen wurden Klampfen angeschlagen. Kampflieder und Liebeslieder schwirrten durch die Luft. Die Paare verkehrten vertraulicher als sonst. Adolf verdoppelte seine Bemühungen um Marta.
Um 1 Uhr war das erste Telegramm zu erwarten. Konrad hatte den Hörer seines Apparates angelegt. Der Kreis wurde stiller; man sah gespannt zu ihm hin — „Achtung! Achtung!" rief er plötzlich. Lautlose Stille trat ein. Ein paar Augenblicke — dann sprang er auf: „Genossen! Von allen Seiten dasselbe! Soweit bisher ausgezählt: Eine große Zunahme unsrer Partei und der Kommunisten!! Eine Niederlage aller übrigen Parteien!!"
Lauter Jubel brach los. Die Sitzenden schnellten in die Höhe. Man schrie durcheinander; man fasste sich an den Händen; man lachte; man rief sich zu. Auch Else war aufgesprungen, und in jähem Überschwang legte sie beide Hände auf die Schultern des Schlossers. „Konrad! Konrad!" Übermütig nahm er sie in seine Arme und drückte einen herzhaften Kuss auf ihre Lippen. Die Mädchen kreischten auf. Die Burschen lachten und schrieen Halloh! Auch Franz lachte, doch ein purpurnes Rot legte sich über sein Antlitz. Die Klampfen wurden herumgerissen, und im nächsten Augenblick brauste das Lied:
„Brüder, zur Sonne, zur Freiheit! Brüder, zum Licht empor!" durch den engen Raum in die Frühjahrsnacht hinaus. Bursch stand bei Mädel — Else zwischen Konrad und Franz.
Sie beschlossen, den Sieg am nächsten Sonntag draußen in der „Aue" zu feiern. Nach den langen Monaten angestrengter Arbeit war ein Tag im Freien mit Lied und Spiel das schönste Fest. —
Franz meldete sich ab. „Ich muss heim. Mei Schwester macht Hochzeit. Se habet 's schon wege mir 'nausgschobe bis nach der Wahl. Ich hab Urlaub für länger, weil's im Geschäft nix z' tun gibt und bleib a Weil drunte."
„Geht Else nich mit?"
„Sie hat keinen Urlaub bekommen."
Um dieselbe Stunde saß ein Arbeiterführer mit seiner Freundin in einem Berliner Cafe. Sie waren beide in der Partei tätig. Seit Jahren teilten sie Freud und Leid des gemeinsamen Kampfes. Diese Waffenbruderschaft hatte sie fester verbunden, als die bürgerliche Trauung es vermocht hätte. Um 1 Uhr gab der Lautsprecher das Wahlergebnis bekannt. Der Mann sah die Frau an. Sie bedurften keiner Worte.
„Also doch!", sagte er endlich bedrückt.
„Schlimm", erwiderte sie und blies den Rauch ihrer Zigarette in blauen Ringeln durch die Luft.--------
Auch der Großindustrielle und Parteiführer Hagenthal war noch auf. Er hatte die Nacht hindurch angestrengt gearbeitet. Jetzt trat der Privatsekretär in das Kabinett.
„Nun, Bülow, ist das Wahlergebnis raus?"
„SPD. und KPD. haben mit fünf Stimmen die Mehrheit im Reichstag."
„Donnerwetter! Genau das, was wir brauchen!!" Er hob den Hörer seines Tischapparates und wählte.
„Hier Hagenthal. Guten Abend Knobeisdorf. Haben Sie
schon gehört?--------— Ja--------Jawohl! — Ganz meine
Meinung!-------Knobeisdorf, da müssen wir doch 'ne Pulle
drauf trinken. Kommen Sie rüber? — — Gut. — — Bringen Sie Rothschild mit. Wir besprechen dann gleich den Arbeitsplan für die nächsten Tage." Eine halbe Stunde später saßen die Herren bei französischem Sekt in dem vornehmen Herrenzimmer.
„Also auf gutes Gelingen!"
„Unter Ihrer Führung, Hagenthal!"------------
Der nächste Sonntag brach mit aller Schönheit eines warmen Maienmorgens an. Konrads Kreis hatte um 6 Uhr Treffen auf dem Bahnhof verabredet. Eine große Schar fand sich zusammen. Jeder hatte Bekannte und Freunde eingeladen. Manch einer war ungeladen dazugekommen. Man legte Beschlag auf ein großes Abteil, das bald bis zum Bersten voll gestopft war. Schwatzen und Lachen, Lieder und Klampfen, Leben und Lieben.
Doch trug der Kreis heute nicht den einheitlichen Charakter proletarischer Jugend. Parteigenössische Studenten mit ihren Damen hatten sich angeschlossen. Auch jüngere Frauen und Männer aus den Organisationen waren gekommen. Diese bürgerlich bestimmten Teilnehmer gruppierten sich um eine Frau von etwa 30 Jahren, deren große, schlanke Gestalt im eleganten Frühjahrskostüm von den derbgebauten Mädels in ihren Wanderkitteln seltsam abstach. Sie war unter dem Pseudonym Alexa Brand als Agitatorin in der Partei tätig. Zwar legte sich die allgemeine Anrede „Genosse" wie ein einigendes Band um alle. Gleichwohl konnten die proletarischen Formen das Auseinanderfallen des Kreises in zwei verschiedenartige Gruppen nur notdürftig verhüllen.
So schied man sich auch, als das Ziel der Fahrt erreicht war. Die große Mehrheit, um Konrad und seine Freunde geschart, marschierte mit Sang und Spiel in flottem Tempo los, während die Intellektuellen mit Alexa Brand an der Spitze gemächlicher ausschritten. „Wir kommen euch nach!" Zwei studentische Paare, Wandervögel, stießen zu dem größeren Haufen. Desgleichen zwei Mädchen, ein älteres und ein jüngeres, Schülerinnen einer sozialen Frauenschule. Sie machten soeben einen Kursus für praktische Sozialpsychologie mit. Dagegen blieben einige jüngere Arbeiter, in Alexas Bannkreis befangen, bei ihr zurück.
Die Wandernden hatten zunächst das Städtchen zu passieren, um ins Freie zu gelangen.
„Genossen", schlug Alexa vor, „nach dieser Nervenprobe in der Eisenbahn" — und sie rümpfte vielsagend die feine Nase — „sollten wir uns erst an einem guten Kaffee stärken. Drüben sehe ich ein verheißungsvolles Schild." Der Kreis stimmte zu. Sie betraten den Garten eines kleinstädtischen Cafes.
„Es ist noch so früh", sagte Alexa beim Eintreten, „dass man fast fürchten könnte, indiskret zu sein. Man könnte irgendeine zarte Szene stören." Alles lachte. Ein hagerer jüdischer Student mit vogelartig geschnittnem Profil flüsterte seiner Dame etwas ins Ohr, worauf sie ihm mit dem Schirm einen Schlag gab.
„Es scheint, die Luft ist rein", sagte Alexa, nachdem sie Umschau gehalten. „Ja, Kinderchen, in eurer Harmlosigkeit glaubt ihr gar nicht, was ich auf meinen Agitationsreisen in dieser Beziehung gelegentlich erlebe."
„In welcher Rolle?" witzelte ein Student.
„Empörende Frage", erwiderte Alexa mit gespielter Entrüstung, an die niemand glaubte.
Sie nahmen um einen Gartentisch Platz. Zigarettenetuis flogen aus den Taschen. Alexa und die andern Damen wählten mit Kennermiene. Auch die Arbeiter nahmen mit leichter Verbeugung aus den dargebotenen Schachteln. Der Kellner kam. Alexa prüfte mit einem kurzen Blick seine Erscheinung als Mann; er interessierte sie nicht. Einer der Arbeiter hatte ihren Blick aufgefangen. Er verzog einen Augenblick sein Gesicht zu einem vielsagenden Lächeln, um dann gedankenvoll den Dampf seiner Zigarette in die Luft zu blasen. Der Kaffee war bestellt, die Unterhaltung begann.
„Wie war euer gestriger Abend", fragte Alexa einen Arbeiter.
„Bodenloser Kitsch!"
„Wieso?"
„Es handelte sich um die Ausgestaltung eines Frauenabends in der Partei. Eine Ortsgruppe hatte ihn übernommen. Aber mit den Kerls ist ja gar nicht zu reden. Die
kleben immer noch an so sentimentalen Dingen wie Tolstois Volkserzählungen."
,Um Gottes willen, Genosse. Warum nicht gar den Großinquisitor von Dostojewski!?"
„Is auch schon dagewesen,"
„Diese Russen sind verheerend", sagte Alexa. „Wenn man noch die modernen nehmen wollte, Kollontay, Gladkow! Das gibt wenigstens der Spießermoral des Arbeiters einen gesunden Stoß."
Indem sie so sprachen, kam von der Straße her ein größerer Trupp Männer jeden Alters. Die zerfurchten Gesichter, die verarbeiteten Hände und die kleinbürgerliche Kleidung ließen den Arbeiterverein erkennen.
„Seht diese Biederen", spöttelte Alexa. Die jüngeren Mitglieder des Kreises begannen sich über die Ankömmlinge vernehmlich lustig zu machen.
„Um Gottes willen, Kinder! Es könnten Genossen sein! Man kann nie wissen." —
Die neuen Gäste scharten sich um mehrere Tische. Ehe sie sich setzten, gab ihnen der Leiter ein Zeichen. „Ein Gesangverein", flüsterte Alexa. Im nächsten Augenblick erklang die Internationale:
„Völker, hört die Signale! Auf zum letzten Gefecht!" Alex biss die Lippen zusammen; mit ihr hielt die ganze Tafelrunde nur mühselig die Fassung aufrecht.
Der Gesang war beendet:
„Und nu, Genossen", sagte der Dirigent und sein freundliches Kleinbürgergesicht glänzte: „Es lebe die Gemitlichkeit!"
Eine Lachsalve brach im Kreise der Intellektuellen los. Man schüttelte sich. Die andern blickten fröhlich und unbefangen zu ihnen hinüber.
Auf einmal erkannte der Dirigent Alexa. „Herrjeh! Das is ja unsre gute Genossin Dr. Brand. Nu da." Und er eilte zu Alexa hinüber. „Nee heren Se, wie mich das freit! Genossin Dr. Brand! Herrjeh!" Treuherzig bot er der Frau die Hand. Alexa hatte sofort die Fassung zurückgewonnen. Mit der Haltung des distinguierten leutseligen Parteimitgliedes schlug sie in die dargebotene Rechte ein.
„Guten Tag, Genosse! Ich freue mich, Sie zu sehen. Wo sind Sie doch her? — Aus Greuna? Natürlich, wo ich neulich sprach. Ich entsinne mich Ihrer auch. Ihr Chor ist ja ausgezeichnet geschult! Wir waren alle begeistert." Der Dirigent strahlte.
„Wenn's der Genossin Dr. Brand gefällig is, singen wir hinterher noch'n paar Lieder."
Unterdessen stürmte die andere Schar ihren Weg vorwärts. Nach dem Austritt aus dem Städtchen öffnete sich eine weite Ebene. Der Fluss, der sie durchzog, brachte eine schnelle Strömung aus den nahen Bergen mit. Von seinem Hauptarm gliederten sich zahlreiche Gräben und Rinnsale ab, mit denen er das ganze Land rundum bewässerte. Grünende und blühende Wiesen dehnten sich endlos, hier und da durch Baumgruppen oder Gehölz unterbrochen. Meilenlange Dämme waren kreuz und quer durch die Wiesen gezogen. Sie dienten den Wandernden als Heerstraße. Ihre geringe Höhe genügte, um den Blick frei ins Land schweifen zu lassen. Das war der besondere Reiz dieser weiten Ebenen: Sie boten einer wandernden Schar alle Möglichkeiten zu Spiel und Sport — zugleich aber ließ die unendliche Weite von Himmel und Erde das Gefühl ins Unermessliche schweifen.
Der Schar voran schritt ein Bannerträger. Blutrot wehte seine Fahne im Winde. Konrad ging in der Mitte, an Rede und Sang mit vollem Herzen beteiligt. In einiger Entfernung folgte Else. Sie war ein wenig vereinsamt. Mit der Innigkeit des sehnsüchtigen Herzens gab sie sich aller Schönheit hin, die sie umfing. Als das Lied angestimmt wurde: „Wann wir schreiten Seit an Seite" sang sie erhobenen Hauptes und strahlenden Auges den Vers:
„Mann und Weib und Weib und Mann
Sind nicht Wasser mehr und Feuer,
Um die Leiber legt ein neuer
Frieden sich, wir blicken freier,
Mann und Weib, uns freier an."
War es Zufall, dass Konrad den Blick rückwärts wandte und sein Auge dem ihren begegnete? Er blieb stehen und ließ sie herankommen. Eine Weile gingen sie schweigend Hand in Hand, den Blick in die Ferne verloren.
Das Ziel der Wanderung, ein kleines Gehölz, war erreicht. Man vertauschte die Kleider mit dem knappen Badeanzug. Und es begann ein Spiel im Wasser und auf der Wiese, wie nur kraftvolle, erwachsene Jugend es zu spielen vermag — von Liebe durchflutet, aber zugleich frank und frei. Kein schielender Blick traf das andere Geschlecht; kein zweideutiges Wort fiel. Die Maiensonne prallte vom Himmel hernieder, trocknete die nassen Körper, wenn sie aus dem Wasser kamen, und bräunte wärmend die Rücken der Mädchen, wenn sie einem derben Ringkampf der Burschen zusahen. Der Meister in allen Spielen war Konrad. Die Burschen neckten und plagten ihn und waren stolz auf seine Kameradschaft. Die Mädels bewunderten ihn in stiller Verliebtheit.
Abseits von der großen Schar saßen die beiden Frauenschülerinnen. Sie waren anfangs fröhlich mitgewandert. Seit aber die andern im Gehölz ihre Kleider abgelegt hatten, hielten sie sich fern.
„Es geht wirklich zu weit, Erika", sagte die Ältere dringlich.
„Ich bin mir doch nicht klar, Erna", entgegnete die Jüngere. „Schließlich — im Familienbad ist's doch auch nicht viel anders, und das ist doch jetzt allgemein gestattet."
„Erlaube. Erstens ist das Familienbad eine geschlossene Anlage. Das ist ganz was anderes. Hier kann jeder zukucken. — Und zweitens haben sie im Familienbad doch alle wenigstens Anzüge an. Zwei von den Jungens haben
nichts als Schnupftücher vorgebunden; ich habe es deutlich gesehen. Und dann diese ungenierte Art des Verkehrs! Das muss ja zu allen möglichen Laxheiten führen. Wie soll da die Moral der Arbeiterklasse wiederhergestellt werden?"
„Ja, Erna, ... gewiss, aber ..." Sie seufzte und sah die Freundin mit einem zweideutigen Lächeln an.
„Du bist immer noch so unklar, Erika! Das ist das Schlimmste! Wir müssen in diesen Dingen fest sein! Was soll sonst aus den andern werden? Ich werde hernach mal mit dem großen Kerl drüber reden. Er scheint sie alle am Bändel zu haben."
Gegen Mittag fand man sich zum Rastplatz zurück. Nun traf auch Alexas Gruppe ein. Sie waren langsam geschlendert, häufig rastend und ruhend. Eine Erbswurstsuppe wurde auf dem Reisigfeuer gekocht. Brot und Obst dienten als Zukost. Und dann kam die wohlige Stunde, da man sich auf dem Erdboden oder auf mitgebrachten Decken behaglich ahlte — hier ein Bursch und ein Mädel zusammen, verliebt aneinander geschmiegt — dort ein Einsamer — an andern Stellen Gruppen.
Adolf zog Marta abseits. „Komm Martl!"
„Och Adolf!"
Aber der schnippische Ton war verschwunden. Ein Gebüsch verbarg sie vor den Augen der andern. Er zog sie zu sich ins Gras. „Martl!!" Sein Mund brannte auf dem ihren.
Emil blieb allein. Er hatte kein Mädel. Zwar stammten fast alle Mädels des Kreises aus Arbeiterfamilien, aber sie waren zumeist als Angestellte tätig. Emils derbe Art entsprach ihnen nicht.
Konrad hatte sich, müde von der ungewohnten Frühlingsluft, lang ins Gras gestreckt. Er lag auf dem Bauch, den Kopf in die Arme vergraben. Plötzlich knackte ein Zweig. Er sah auf. Alexa Brand stand neben ihm. Gleichgültig ließ Konrad den Kopf wieder zwischen die Arme sinken.
„Störe ich?"
„Bitte Genossin, machen Sie sichs bequem, wies Ihnen beliebt. Wir werden alle müde sein." Und er schloss die Augen. Die Frau setzte sich einige Schritte von ihm entfernt ins Heidekraut. Konrad beachtete sie nicht. Überwältigt von Sonne, Frühlingsluft und körperlicher anstrengung schlief er ein. Doch sein Schlaf dauerte nicht lange. Als er erwachte, war er allein. Der Zauber des lauen Maientages legte sich um seine Sinne. Sie begannen zu spielen. Elses volle und doch geschmeidige Gestalt stand vor seinem Auge. Er sah ihren runden Busen, ihr heißes Erröten. Er kämpfte-----------und kämpfte doch nicht.-------Aber nein,
nein! Hier nicht spielen und sich treiben lassen, wo das Glück seines Freundes auf dem Spiele stand, den er liebte wie keinen andern. Er warf sich herum, zog einen Band Balzac aus der Tasche und begann zu lesen. Aber die erregten Sinne durchbrachen immer wieder die Schranke des Willens.
Zwei von den Mädels hatten sich plaudernd weiter von der Schar entfernt. Mit ihnen waren einige größere Knaben. Am Rande eines Wasserarmes lagerten sie sich. Sie achteten nicht darauf, dass einige fremde junge Arbeiter unweit vorbeigingen. Die Burschen waren ihrer äußeren Erscheinung nach sonntägliche Kleinbürger: billiger Herrenanzug, Stehkragen, Krawatte, Strohhut, in der Hand Spazierstöckchen.
„Nu kuck doch mal die flotten Käfer da im Grase", rief der eine. „Donnerwetter, da lässt sich was machen". Sie steuerten auf die Mädchen zu.
„Guten Tag, Kleene, scheen hier, was?" — „Solche fesche Bubiköpfe!!" — „Da möchte man gleich mal durchfahren!!"
Und sie ließen sich im Grase nieder. Die Mädchen gingen auf das Gespräch ein. Es dauerte nicht lange, so versuchten die Burschen, die Knaben abzuschieben.
„Die gehören zu uns", riefen die Mädchen.
„Na, das wern Se uns doch nich weiß machen, Fräulein! Solche patente Damen wie Sie sind! Was woll'n Se denn
mit solch Grünlingen?" Die Mädchen protestierten. Doch die Burschen setzten ihren Willen durch. Die Knaben wurden weggeschickt.
Nun war die Bahn frei. Der ältere der Burschen drängte sich nahe an das nächste Mädchen heran, dessen roter Trikot im Grase leuchtete.
„Na, scheene Rote", und er versuchte sie um die Taille zu nehmen. Ein derber Puff war die Antwort.
„Allerdings bin ich rot, innen und außen."
Verdrossen stand der Bursch auf. Jetzt versuchte der andere sein Heil bei dem zweiten Mädchen im blauen Trikot. Er zwinkerte mit den Augen.
„Was meensten, kleene Blaue? Heute Abend gehn wir in' weißen Hirsch nach Zwerchau, nich?" Er legte ihr vertraulich die Hand auf die Schulter. „Verstehste mich denn nich?"
„Nee!!" Sie sah ihn freimütig an und schob die Hand zurück.
„Laß doch", sagte der erste verdrießlich, „die gehn lieber stempeln, als dass se sich mal 'nen vergnügten Abend machen. Da lob ich mir meine Braut!"
„Was, du hast 'ne Braut und bändelst so mit andern an?"
„Och, meine Braut, die macht sich da nischt draus, wenn ich mal 'ne andre bestelle! Die is verhaun! Wir sind alle für Abwechslung."
„Hübsche Kleene", begann der zweite wieder, „weeßte denn nich, was 'ne Bestellung is?"
„Nee, wissen mer nich, und woll'n mer ooch nich wissen."
„Aber kleene Blaue, liebste denn nich die Abwechslung? Je verhauner es is, um so scheener. Solche zakschen Mädchen mit'n Bubikopf wie Ihr! Touren werden bezahlt, spendiert wird ordentlich und um 12 Uhr im Auto nach Hause gebracht, ja?" und er schob sich näher.
Das Mädchen stand auf. Nun sprang auch der Bursch in die Höhe. In seinen wässrigen blauen Augen lag tierisches Begehren. Doch das Mädchen blieb gelassen.
„Mach keene Dummheiten", sagte sie und sah ihn ruhig
an. Einen Augenblick währte der stumme Kampf. Dann wich er zurück.
„Lasst den ganzen Zimt", sagte jetzt das rote Mädel. „Setzt euch und singt lieber mit uns ein paar Lieder." Der Friede war geschlossen.
„Was singen wir denn?"
Die Burschen schlugen Turnerlieder vor, die Mädchen proletarische Kampflieder. Man fand keine gemeinsamen. Beim Abschied gaben sie sich kameradschaftlich die Hand.
„Schade, hübsche Blaue!"
„Auf Wiedersehen, kleene Rote."
Noch aus der Ferne winkten sie sich zu.
„Man hätt's ihnen viel besser sagen müssen", sagte das ältere Mädchen. „Sie kennen eben nichts anders!"
Nach einer Stunde begann es wieder lebendig zu werden. Die Mädchen hatten Tee gekocht. Man schmauste und plauderte und wartete zugleich, dass Konrad etwas vorlesen sollte. Endlich schlug er sein Buch auf. Es war „Schuld und Sühne" von Dostojewski.
„Genosse, ich protestiere dagegen, dass wir dieses unmarxistische Buch mit unsern Genossen und Genossinnen lesen", sagte der hagere Student mit dem Vogelprofil.
„Protestiere, so viel du willst, aber erwarte nicht, dass ich mich dran kehre!" Und Konrad begann. Er las die Geschichte von Sonja und Raskolnikow. Sorgfältig hatte er die Abschnitte ausgesucht, dass das Ganze eine Einheit bildete. Tiefe Stille herrschte, als er geendet. Dann kamen Fragen. Das Verhältnis der Liebenden zueinander war den meisten das Wichtigste. Zuletzt wandte sich das Gespräch der Frage von Schuld und Sühne zu. Ob man von Schuld und Sühne überhaupt reden könne? Ob nicht der Mensch ein Produkt seiner Verhältnisse sei? Ob der Sozialismus eine Antwort auf die Frage von Schuld und Sühne gebe? Bei der letzten Frage blieb man hängen,
„Was meinst du, Konrad? Sagt unsre sozialistische Weltanschauung uns was über Schuld und Sühne?"
„Ich glaube nicht."
Die Gruppe Alexas hatte sich bis dahin im Hintergrund gehalten, ohne eine störende Zwischenrede zu wagen. Aber auf den Gesichtern lag unverhohlene Ironie. Jetzt war der Augenblick zum Eingreifen gekommen.
„Ich möchte auf meinen Einwand von vorhin nochmals zurückkommen", nahm der Hagere das Wort. „Genossen und Genossinnen! Ich stelle die These auf, dass die vorliegende Dichtung wesensmäßig eine unmarxistische, ideologische Konstruktion ist, auch den Prinzipien des historischen Materialismus insofern völlig unkongruent, als ein geistiger Überbau als existent vorausgesetzt wird, ohne dass das Prinzip der kausalen Verknüpfung zwischen dem ideellen Überbau und seinem materiellen Unterbau unter Wahrung der Priorität des Materiellen eindeutig in Erscheinung tritt. In Konsequenz dieser unmarxistischen Ideologie ..."
Die Mädchen begannen zu kichern.
„Genossinnen und Genossen! Es ist tiefbedauerlich, wenn Sie für die theoretischen Voraussetzungen des proletarischen Befreiungskampfes ein so geringes Verständnis haben. Ich wiederhole: In Konsequenz dieser unmarxistischen Ideologie ..."
„Als Burlala geboren war
Do was hei noch so lütt", stimmten drei Burschen mit kräftigen Stimmen an. Die übrigen fielen im Chore ein, und das lustige Lied wirbelte in der Frühlingssonne mit hellen Klängen auf. Der Hagere zog sich achselzuckend zurück.
„Ich sage es ja, Dostojewski wirkt verheerend", sagte Alexa. „Die Partei wird gut tun, diesen Schlosser etwas unter Kontrolle zu nehmen." Der Hagere zog sein Notizbuch aus der Tasche und trug etwas ein.
Zum zweiten Mal brach die Schar auf, um das Flussufer zu erreichen. Die Spiele des Vormittags begannen von neuem. Während einer Spielpause traten die Frauenschülerinnen zu Konrad.
„Gestatten Sie, dass wir uns vorstellen", sagte die Ältere, „Erna Schulze und Erika Schottmann".
„Ich heiße Konrad Amthor", sagte der Schlosser belustigt.
Erna Schulze war ein wenig aus dem Gleichgewicht gekommen. Die unmittelbare Nähe des großen nackten Mannes übte einen ungewohnten Druck auf ihre Großstadtnerven aus. Das jüngere Mädchen musterte Konrads Gesicht mit naiver Neugier.
„Ich finde es hier eigentlich himmlisch!" platzte sie heraus.
„Das freut mich", lachte Konrad.
„Ja, Erika, gewiss! Du vergisst aber, dass wir deswegen nicht kommen." — Erna Schulze stockte wieder und errötete vor Verzweiflung über die eigene Ungeschicklichkeit.
„Weswegen kommen Sie denn?" fragte Konrad unbefangen. „Kann ich Ihnen in irgendeiner Sache aus der Verlegenheit helfen?"
Seine Augen ruhten nicht ohne Wohlgefallen auf dem hübschen Gesicht der Jüngeren. In ihren Mundwinkeln sah er ein Lachen zucken. Erna Schulze hatte ihre Ruhe wiedergewonnen.
„Kennen Sie das Buch von Gertrud Bäumer: Die Frau in der Krisis der Kultur?"
„Nein."
Die Unterhaltung kam wieder ins Stocken. Es blieb Erna nichts übrig, als geraden Wegs auf ihr Ziel loszugehen.
„Finden Sie nicht", begann sie, „dass diese Freiheit-----------
im Verkehr der Geschlechter------------ihre Bedenken hat?"
Konrad warf einen schnellen Blick auf die Jüngere. Ihre Augen trafen sich. Ein Schalk sah den andern.
„Zweifellos", entgegnete er ernsthaft.
„Es können doch die notwendigen Grenzen bei------- bei
bei dieser — — Art des Beisammenseins der Geschlechter sehr leicht überschritten werden."
„Sicherlich."
„Warum gestatten Sie das denn?"
„Ich habe hier gar nichts zu gestatten."
„Aber Sie könnten doch Ihren Einfluss dagegen geltend machen."
„Ich denke nicht im Traum daran!"
„Also bejahen Sie diese wahllose Vermischung der Geschlechter? Sind Ihnen denn nicht die moralstatistischen Erhebungen über unsere Großstadtbevölkerung bekannt? Die ungeheure Zunahme der unehelichen Geburten, der Sittlichkeitsverbrechen, der Ehescheidungen ..."
Konrad sah sie noch einen Augenblick mit verhaltnem Lachen an. Dann nahm er die Jüngere bei der Hand.
„Komm Mädle", sagte er, „ich muss mich warm laufen! Wir machen zusammen einen Dauerlauf."
Sie sträubte sich nicht. In langsamem Laufschritt trabten sie von dannen. Nach einigen hundert Metern hielt er an.
„Sag bloß, was wollte sie von mir?"
„Sie findet es eben unmoralisch", sagte die Kleine.
Da lachten sie beide aus vollem Halse, dass die Vögel erschreckt aufflogen.
„Wir setzen uns hier noch ein bisschen", schlug er vor, „und du erzählst mir von eurer Schule."
Sie ließ sich nicht bitten. Ins Gras gestreckt, sprachen sie lange und ernsthaft von den Berufsaufgaben der Frau im öffentlichen Leben.
„Ich finde dein Benehmen geradezu empörend", sagte Erna Schulze, als ihre Freundin wieder bei ihr war. „Hand in Hand mit einem nackten Arbeiter öffentlich davonzulaufen."
„Er ist entzückend", gab die Kleine strahlend zurück.
„Erika!!"
„Ich liefe mit ihm bis ans Ende der Welt." Und sie lachte in tollem Übermut.
„Bis — ans — Ende — der — Welt, mein Schulzchen!" Damit gab sie der Freundin den Versöhnungskuss.
Mit sinkender Sonne traten sie den Heimweg an. Wiederum ging es durch die meilenweite stille Ebene, alle Herzen geschwellt vor Freude, viele lustig der Stunde lebend, andere
träumerisch und sehnsüchtig in unbekannte Fernen schauend, manche befriedet, Hand in Hand schreitend im Gefühl gesicherten Liebesglücks. Als die Sonne versinkend ihre letzten Strahlen versandte, machten sie unwillkürlich Halt. Der Lärm legte sich. Schweigend blickten sie in den untergehenden Feuerball. Else stand an Konrad gelehnt. Sie blickte zu ihm auf; Auge ruhte in Auge. Dann senkte sie den Blick. Große Tropfen rannen über ihr Gesicht. Da war es, als ob der Mann langsam zurückwiche. Noch einmal sah Else einen Augenblick scheu zu ihm empor. Eine kühle Strenge stand auf seinem Antlitz und legte eine tiefe Kluft zwischen sie beide. Krampfhaft zog sich ihr Herz zusammen. Ihre Augen wurden groß und starr, die Tränen versiegten ...
Die Sonne war versunken. Einer stimmte das Lied an: „Wenn alle Brünnlein fließen, So muss man trinken."
Unter seinen Klängen ging es der Heimat zu. Nach lärmender Fahrt in überfülltem Zuge erreichte man die Großstadt. Wie der Vogel in seinen Käfig, so kehrten sie in ihren Dunstkreis zurück. Vor der Bahnhofshalle trennten sie sich unter Zuruf und Winken. Die Freunde sahen sich nach Adolf um. Er war nicht zu sehen.
„Und wo is Marta?"
„Die beiden werden wohl wissen, wo sie sind", lachte Otto.
„Sei nich so gemein", fuhr ihm Rudolf an.
Walter und Rudolf begleiteten Konrad. Sie wollten auf seiner Bude noch einiges mit ihm besprechen.
„Komm", sagten sie zu Else und nahmen sie in ihre Mitte. Halb willig, halb widerstrebend ging sie mit. Oben angelangt, kam man ins Plaudern über die Ereignisse des Tages. Else fragte nach dem Buch Schuld und Sühne. Sie kannte von Dostojewski nichts und bat Konrad, ihr die Brüder Karamasoff zu leihen. Konrad wandte sich zum Fenster, um die Bände herauszunehmen. Sie standen nicht an dem gewohnten Platz. Er begann zu suchen. In diesem Augenblick ertönte von der Straße her ein schriller Pfiff.
„Das ist Otto", riefen die beiden Burschen, „er will uns abholen! Lebt wohl!"
Mit großen Sätzen flogen sie die Treppe hinunter. Langsam wandte sich Konrad um. In der herben Schönheit seines Gesichts glühte das Rot der heißen Maisonne und der jäh aufgesprungenen Leidenschaft. Seine Lippen schlossen sich fester.
„Ich finde das Buch nicht", sagte er mit erkünstelter Reserve. „Wir suchen ein anderes." Sie trat neben ihn an das Bücherregal. Die Enge des Raumes drängte ihre Leiber zusammen; sie standen Schulter an Schulter. Else vermochte ihre Gedanken nicht mehr zu ordnen. Sie wandte sich ab.
„Ich werde ein andermal wiederkommen", sagte sie mit zitternder Stimme. Konrad nickte, ohne sie anzusehen, Sekundenlang standen sie einander regungslos gegenüber. Plötzlich schrie das Mädchen laut auf. Es schlug beide Hände vors Gesicht und barg seinen Kopf an der Schulter des Mannes. „Konrad! Ist es wirklich wahr, dass du Frau und Kind hast?"
„Ja", sagte er heiser.
Einen Augenblick noch kämpfte er.
„Geh, Else", bat er tonlos. Aber es waren nur noch seine Lippen, die Widerstand leisteten. Seine Arme gehorchten seinem Willen nicht mehr. Sie schlangen sich in rasender Leidenschaft um das warme, junge Leben an seinem Herzen.
Wirren Sinnes fuhr Konrad am nächsten Morgen in das Werk. In der Frühstückspause saß er mit einigen Arbeitern zusammen, die aus derselben Kleinstadt kamen — Männer, Burschen und zwei Lehrbuben.
Einer biss in sein mit Ei belegtes Brot. Die andern stießen sich an und grinsten.
„Fängste schon am Montag mit 'ner Eierbemme an?" hänselte sein Nachbar. Alles feixte.
„Warum nich? Eier geben Druck!"
„Haste wohl gestern nötig gehabt, was?"
„Natürlich! So enen Sonntag wie gestern hab'ch lang
nich erlebt. Erst war'n mer zum Schwoofen im Wildpark. Weiber war'n da, Weiber, kann ich euch sagen, Arme hatten se und Beene und was in der Brust — zum Anbeißen. Hinterher — na —" Ein grunzendes Lachen ging durch die Runde.
„Den Heinrich hättste sehen sollen", sagte ein anderer. „Der zog mit der Hilde los. Ich hab se gesehen im Park; 's war schon ganz dunkel. —"
„Was?! Die Hilde? Die bei Wolfs Verkäuferin is?" riefen alle zusammen. „Na, da haste unsern Segen, Heinrich!"
„Was ich mir für euern Segen koofe! Was is denn dabei, wenn ich mit der Hilde losschiebe? Ich kann mir schon denken, dass es euch nich passt. Euch hat se e Korb gegeben. E duftes Mädel is das! E paar Stempel hat die, — na ich kann euch sagen! ... Ich hab se mer aber ooch vorgenomm. Die is de längste Zeit Jungfer gewesen."
Ein schallendes Gelächter brach los. „Weeßte nich, dass die Hilde jeden Sonntag mit 'nem andern geht und ihre Unschuld verliert?"
„Macht ooch nischt! Heute woll'n ja de Männer gar keene Jungfern mehr! Hauptsache is, dass es schnell geht."
„Stimmt."
Einer der Arbeiter war Temperänzler. „Schämste dich nich, Max", sagte er, „über de Weiber so zu reden. Hast doch selbst 'ne Tochter, die Ostern aus der Schule kommt. Was würdste sagen, wenn die so durch'n Dreck gezogen würde?"
„Was sich der Selterwasserjüngling schon wieder uffregt. Natürlich! Mit so 'nem Schlappschwanz wie du wird se sich wohl nich abgeben."
So begann die Unterhaltung. Dann ging sie weiter--------
Konrad stand auf. Er trat aus der Kantine in einen Korridor. Er kam gerade zurecht, um zu sehen, wie ein Oberingenieur eins der Tippmädchen in sein Zimmer einlud. Die Gebärde, mit der er sie hineinnahm, war eindeutig. Dann riegelte er die Tür ab. |
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