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Alexander Fadejew - Die Neunzehn (1925)
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VII. Die Feinde

In dem ersten Brief, den Lewinsohn bereits an dem Tage nach der denkwürdigen Bauernversammlung an Staschinskij gesandt hatte, teilte er ihm seine Besorgnisse mit und schlug vor, das Lazarett allmählich abzubauen, um sich jedes überflüssigen Ballastes zu entledigen. Der Arzt überlas den Brief einige Male; in dem häufigeren Zucken der Lider, am schärferen Hervortreten der zusammengepressten Kiefer in dem gelben Gesicht äußerte sich eine Beklemmung, der sich niemand entziehen konnte. Es war, als ob aus dem kleinen grauen Briefumschlag, den Staschinskij in seinen dürren Fingern hielt, die unklare Unruhe Lewinsohns, einer Schlange gleich, fauchend hervorkroch, und als ob die heimische, gewohnte Stille von jedem Grashalm, von jeder leisen menschlichen Seelenschwingung jäh unterbrochen worden sei.
Plötzlich war das gute Wetter umgeschlagen, auf Sonnenschein folgte Regen, wehmütig rauschte der mandschurische Ahorn, der früher als alles andere den Atem des nahenden Herbstes verspürte. Der alte, schwarzgeschnäbelte Specht klopfte mit ungewöhnlichem Eifer gegen die Rinde; Pika, von schlechter Laune übermannt, wurde schweigsam und grob. Tagelang strich er durch die Taiga und kehrte müde und unbefriedigt heim. Er griff zum Nähzeug, der Zwirn verwickelte sich und riss, er setzte sich ans Damespiel, verlor, und ihn überkam ein Gefühl, als sauge er durch einen dünnen Strohhalm fauliges Sumpfwasser. Die Leute aber verstreuten sich schon über die Dörfer, schnürten ihre kärglichen Soldatenbündel und nahmen traurig lächelnd Abschied voneinander. Die »Schwester« prüfte noch einmal die Verbände, küsste ihre »Brüderchen« zum letzten Mal, und sie wanderten, mit den nagelneuen Bastschuhen im Moose versinkend, in unbekannte Fernen und in den Schmutz...
Als letzten geleitete Warja den Lahmen.
»Leb wohl, Brüderlein«, sagte sie und küsste ihn auf den Mund. »Siehst du, Gott liebt dich, hat ein gutes Wetterchen geschickt... Vergiss uns Arme nicht...«
»Wo ist denn Gott?« lächelte der Lahme. »Es gibt keinen Gott... Nein, nein, zum Teufel!...« Wie gewöhnlich wollte er einen saftigen Witz hinzufügen, doch zuckte es plötzlich in seinem Gesicht, er winkte resigniert mit der Hand ab, wandte sich um und trottete über den Pfad, unablässig von dem unheimlichen Geklapper seines Essgeschirrs begleitet.
Von den Verwundeten waren nur Frolow und Metschik zurückgeblieben, zu denen sich noch Pika gesellte, der eigentlich gar nicht krank war, sondern einfach nicht weggehen wollte. Metschik, im neuen Kittel, den ihm die Schwester genäht hatte, saß auf untergeschobenen Kissen halb aufgerichtet auf einem Feldbett. Am Kopf trug er keinen Verband mehr, die Haare waren ihm nachgewachsen, ringelten sich in dichten, gelblichen Locken, die Narbe an der Schläfe ließ sein Gesicht ernster und älter erscheinen.
»Auch du wirst dich erholen und bald weggehen...«, sagte die »Schwester« traurig.
»Wohin soll ich denn gehen?« fragte er unsicher und selbst etwas erstaunt. Die Frage entfuhr ihm zum ersten Male und war für ihn mit unbestimmten, aber ihm schon bekannten Vorstellungen verbunden, sie enthielten nichts Freudiges. Metschiks Gesicht legte sich in Falten. »Hab' nirgends hinzugehen«, sagte er rau.
»Sieh mal einer an!...« verwunderte sich Warja. »Du gehst in die Abteilung zu Lewinsohn. Kannst du reiten? Unsere Abteilung ist beritten...Tut nichts, wirst's schon lernen...« Sie setzte sich zu ihm aufs Feldbett und ergriff seine Hand. Metschik sah sie nicht an, und der Gedanke, dass er früher oder später doch fort müsse, schien ihm jetzt unangebracht und lag ihm bitter wie Schierling auf der Zunge.
»Hab nur keine Angst«, sagte Warja, als hätte sie ihn verstanden. »So hübsch und jung, aber so schüchtern... schüchtern bist du«, wiederholte sie liebevoll und küsste ihn, sich unauffällig umsehend, auf die Stirn. Etwas Mütterliches lag in ihrer Zärtlichkeit. »Bei Schaldyba ist's so, aber bei uns geht's...«, flüsterte sie ihm hastig ins Ohr, ohne die Sätze zu vollenden, »der hat alles Dörfler, bei uns aber sind's meistens Kumpels, gute Kerle, mit denen kann man auskommen...Du musst mich öfters besuchen...«
»Und Moroska, was wird der sagen?«
»Und jene auf dem Bild, was wird die sagen?« fragte sie lachend, im gleichen Augenblick zurückfahrend, da Frolow sich umdrehte.
»... denk' schon gar nicht mehr daran... Habe das Bild zerrissen«, fügte er hastig hinzu: »Hast die Schnippel damals nicht gesehen?...«
»Nun, und ich denk' erst recht nicht an Moroska, las gut sein, er ist daran gewöhnt. Er geht ja auch seine eigenen Wege... Las bloß den Kopf nicht hängen, die Hauptsache, du besuchst mich öfters. Musst keinem was nachsehen... Las dich nicht unterkriegen. Unsere Jungens braucht man nicht zu fürchten, die sehen nur so gefährlich aus: steck ihnen den Finger ins Maul, sie beißen ihn ab. Aber das ist alles halb so schlimm, nichts als Schein. Man muss nur selber die Zähne zeigen...«
»Und du, zeigst du etwa die Zähne?«
»Ich bin eine Frau, ich brauche das wohl gar nicht, ich schaff's vielleicht auch mit der Liebe. Ihr Mannsbilder aber müsst eben die Zähne zeigen... Du wirst's allerdings nicht zuwege bringen«, fügte sie nach einer kleinen Pause hinzu. Und sich wieder zu ihm neigend, flüsterte sie: »Vielleicht liebe ich dich eben deshalb... ich weiß nicht...«
,'s ist wahr, ich bin gar nicht mutig', dachte Metschik später, während er die Hände unter den Kopf schob und unbewegten Blicks in den Himmel starrte. ,Aber werde ich es denn wirklich nicht fertig bringen? Irgendwie muss man's doch, andere können's doch auch...' Die schwermütigen Gedanken von Einsamkeit und Sehnsucht waren von ihm gewichen. Er konnte die Dinge bereits unbefangener betrachten, mit anderen Augen. Dies hatte seinen Grund darin, dass in seiner Krankheit ein Umschwung eingetreten war, seine Wunden vernarbten schnell und durch seinen gesunden Körper begannen neue Säfte zu strömen. Und das kam aus der Erde, die Erde roch nach Spiritus und Ameisen, oder das kam auch von Warja, sie hatte zarte, rauchfarbene Augen, und alles, was sie redete, schien aus einem liebevollen Herzen zu quillen. So glaubte er wenigstens.
,... Und wirklich, wozu Trübsal blasen?' dachte Metschik, und es war ihm, als gäbe es jetzt keine Ursache mehr zum Verzagen. ,Man muss sich sofort auf gleichen Fuß stellen: keinem was nachsehen... sich nicht unterkriegen lassen... das hat sie ganz richtig gesagt. Die Menschen sind hier anders, auch ich muss anders werden... Und ich werde es schaffen', sagte er sich mit ungewöhnlicher Entschlossenheit, voll eines beinahe kindlichen Gefühls der Dankbarkeit für Warja, ihre Worte und ihre gütige Liebe. ,Alles wird dann anders werden... und wenn ich in die Stadt zurückkehre, wird mich keiner erkennen, ich werde nicht mehr derselbe sein
Seine Gedanken waren weit abseits geschweift, zu hellen, kommenden Tagen, und sie waren daher leicht, zergingen von selbst wie rosiges, stilles Gewölk über einer Taigalichtung. Er dachte daran, wie er mit Warja zusammen in einem leicht schaukelnden Wagen mit weitgeöffneten Fenstern in die Stadt zurückkehren und da draußen ebenso rosiges, stilles Gewölk über dem fernen, schimmernden Bergrücken schwimmen würde. Und beide werden sie am Fenster sitzen, dicht aneinandergeschmiegt, Warja sagt ihm liebe Worte, und er streichelt ihr Haar, und ihre Zöpfe werden so golden sein wie der lichte Tag... Und Warja glich in seinen Träumen gar nicht der hochschultrigen Bergarbeiterin vom Schacht Nr. 1, denn alles, was Metschik dachte, war der Wirklichkeit entrückt, verklärte sich im Lichte seiner Wünsche.
Nach einigen Tagen langte der zweite Brief aus der Abteilung an. Moroska, der diesen Brief überbrachte, stiftete tolle Verwirrung. Mit wüstem Gepfeife und Gejohle aus der Taiga hervorjagend, brachte er den Hengst zum Aufbäumen und stieß dabei unverständliche Laute hervor. Er tat dies aus überschäumender Lebenskraft und auch... ganz einfach »Spaßes halber«.
»Der Teufel führt dich her«, sagte der erschrockene Pika mit singender, vorwurfsvoller Stimme. »Hier stirbt einer«, er wies auf Frolow, »und du brüllst da...«
»Ah, ah... Vater Seraphim!« begrüßte ihn Moroska. »Habe die Ehre!...«
»Was heißt da Vater, man nennt mich F-Fedor...«, erwiderte Pika erbost. In der letzten Zeit wurde er sehr oft ungehalten, lächerlich und bemitleidenswert.
»Lass gut sein, Fedossej, plustere dich nicht so auf, davon könnten dir die Haare ausgehen... Der holden Gattin meine Hochachtung!« Moroska verneigte sich vor Warja, indem er die Mütze herunterriss und sie auf Pikas Kopf stülpte. »Lass gut sein, Fedossej, die Mütze steht dir zu Gesicht, nur die Höschen heb etwas höher, sie hängen sonst wie an einer Vogelscheuche, reichlich unintelligent!«
»Was, brechen wir unsere Zelte bald ab?« fragte Staschinskij, während er das Kuvert aufriss. »Holst dir nachher aus der Baracke die Antwort«, sagte er, den Brief vor Chartschenko verbergend, der hinter seinen Schultern geradezu lebensgefährlich den Hals reckte.
Warja stand, die Schürze glatt streichend, vor Moroska und war zum ersten Mal bei der Begegnung mit ihrem Mann verlegen.
»Warum bist du so lange nicht gekommen?« fragte sie endlich mit gespielter Gleichgültigkeit.
»Ach, dir ist wohl die Zeit sehr lang geworden?« stellte er, die unerklärliche Entfremdung zwischen ihnen fühlend, spöttisch die Gegenfrage. »Na, tut nichts, wirst dich dafür um so mehr freuen. Komm mal in den Wald...« - er schwieg und setzte dann bissig hinzu: »Holz hacken...«
»Du hast immer nur das eine im Kopf«, erwiderte sie trocken, ohne ihn anzusehen, und dachte an Metschik.
»Und du...« Moroska spielte abwartend mit der Reitgerte.
»Für mich ist's auch nicht das erste Mal, wir sind uns ja nicht fremd...«
»Also gehen wir?...« sagte er lauernd, ohne sich von der Stelle zu rühren.
Sie ließ die Schürze los und ging, die Zöpfe nach hinten werfend, mit gemacht nachlässigem Gang über den Pfad voraus; sie mußte an sich halten, um sich nicht nach Metschik umzuwenden. Sie wusste, dass er ihr mit kläglich verwirrtem Blick nachsah und nie verstehen würde, auch später nicht, dass sie nur eine langweilige Pflicht erfüllte.
Sie erwartete, dass Moroska sie gleich von hinten umfasse, aber er näherte sich ihr nicht. So gingen sie ziemlich lange, unter Wahrung eines Abstandes, schweigend dahin. Schließlich ertrug sie es nicht mehr und blieb stehen, und sah ihn erstaunt und erwartungsvoll an. Er trat näher, nahm sie aber nicht.
»Was machst du für Faxen, Mädel...«, sagte er auf einmal heiser und gedehnt. »Hast dich schon vergafft, oder was?«
»Was soll das, ein Verhör?« Sie hob den Kopf und schaute ihm ins Gesicht, trotzig, herausfordernd und mutig.
Moroska war es nichts Neues, dass sie sich in seiner Abwesenheit umhertrieb, ebenso wie sie sich in ihrer Mädchenzeit umhergetrieben hatte. Er wusste es schon vom ersten Tage ihres gemeinsamen Lebens an, als er am Morgen, betrunken und mit brummendem Schädel auf dem Boden inmitten eines Haufens von Leibern erwachend, seine ihm eben angetraute Frau in den Armen des rothaarigen Gerassim, eines Hauers vom Schacht Nr. 4, erblickte. Aber wie damals, so auch später, verhielt er sich dazu völlig gleichgültig. Im Grunde war er noch gar nicht auf den Geschmack des Familienlebens gekommen, und er hatte sich in Wahrheit niemals verheiratet gefühlt. Aber der Gedanke, dass der Liebhaber seiner Frau so ein Mensch wie Metschik sein könne, schien ihm augenblicklich besonders kränkend.
»In wen du dich verschossen hast, hätte ich gerne gewusst?« fragte er mit betont höflicher Zurückhaltung, indem er ihrem Blick mit nachlässigem und ruhigem Lächeln begegnete: er wollte nicht zeigen, dass er sich in seinem Stolz getroffen fühlte. »In dieses Muttersöhnchen etwa?«
»Und wenn in dieses Muttersöhnchen...«
»Tja, er ist nicht übel, ein geschniegeltes Bürschchen«, ergänzte Moroska. »Wird um so besser schmecken. Musst ihm Tücher nähen, den Rotz zu wischen.«
»Werd' sie ihm auch nähen und abwischen, wenn's nötig ist... werd' selber abwischen! Hörst du?« Sie schob ihr Gesicht dicht an ihn heran und begann schnell und aufgeregt zu sprechen: »Was blähst du dich so auf, was steckt denn hinter deiner ganzen Strammheit? In drei Jahren hast du mir kein Kind gemacht, große Töne spucken kannst du... aufgeblasener Frosch...«
»Dir eins machen, wenn da so 'ne ganze Kompanie mitarbeitet... Du, schrei mir bloß nicht.'« sagte er wütend, »sonst...«
»Na, was sonst?...« fragte sie herausfordernd. »Wirst mich vielleicht schlagen... Versuch's nur, möcht's mal sehen...«
Er hob erstaunt die Reitgerte, als wäre ihm dieser Gedanke eben erst gekommen, und ließ dann die Hand wieder sinken.
»Nein, schlagen werd' ich nicht...«, versetzte er unsicher und bedauernd, als überlegte er sich's, ob er sie nicht wirklich verbläuen sollte. »Verdient hättest du's ja, bin aber nicht gewohnt, euresgleichen zu prügeln.« In seiner Stimme vibrierten ganz unbekannte Töne. »Na, meinethalben, tu, was du nicht lassen kannst. Vielleicht wirst noch 'ne große Dame...« Er machte kehrt und schritt zur Baracke, während er auf dem Wege mit der Gerte die Blumenblüten abschlug.
»Hör zu, warte doch!« rief sie, plötzlich voller Mitleid. »Wanja! ... «
»Brauch' keine Brocken von der Herren Tisch«, sagte er heftig. »Sollen sich der Meinigen bedienen...«
Sie war sich nicht einig, sollte sie ihm nachlaufen oder nicht, aber dann blieb sie stehen und wartete, bis er hinter der Biegung verschwunden war. Dann folgte sie ihm, die ausgetrockneten Lippen leckend, langsam nach.
Als Metschik Moroska so schnell aus der Taiga zurückkehren sah (die Ordonnanz ging, heftig mit den Armen fuchtelnd, finster schweren, schwankenden Schritts dahin), verstand er, dass zwischen Moroska und Warja nichts »passiert« und gerade er selbst die Ursache sei. Eine verlegene Freude und das Gefühl einer grundlosen Schuld regte sich in ihm, und es begann ihm unheimlich zu werden, dem vernichtenden Blick Moroskas zu begegnen . .
Dicht am Feldbett stand, Gras rupfend, der zottige Hengst; es hatte den Anschein, als begäbe sich Moroska zu ihm, in Wirklichkeit aber zog ihn eine dunkle Gewalt zu Metschik, doch die Ordonnanz gestand sich das nicht einmal selbst ein, voll grenzenlosen Stolzes verachtete er Metschik. In diesem aber wuchs, je näher Moroska kam, das Gefühl seiner Schuld, seine Freude aber verflüchtigte sich, er schaute mit kleinmütigem, nach innen gerichtetem Blick auf die Ordonnanz und vermochte sich nicht loszureißen. Moroska packte den Hengst, der ihn mit der Schnauze beiseite stieß, am Halfter, und wandte sich wie absichtlich zu Metschik, der, von einem fremden, schweren, von Hass getrübten Blick getroffen, ein Würgen in sich aufsteigen fühlte. Er erschien sich in diesen kurzen Augenblicken so erniedrigt, so unerträglich schlecht, dass er plötzlich mit den Lippen allein zu reden begann, ohne Worte, die Worte fehlten ihm.
»Ihr hockt hier in der Etappe herum«, sagte Moroska, sich der tonlosen Erklärung Metschiks erwehrend, gehässig, im Takt seiner dunklen Gedanken. »Habt euch mit pikfeinen Kitteln ausstaffiert...« Es war ihm ärgerlich, dass Metschik glauben könnte, sein Zorn sei aus Eifersucht entstanden, aber er war sich der wahren Ursachen selber nicht bewusst und schimpfte lange und wüst.
»Was schimpfst du?« fuhr Metschik auf, der eine unbegreifliche Erleichterung empfand, nachdem Moroska sich ausgetobt hatte. »Meine Beine sind zum Teufel, aber nicht in der Etappe...« Bitterkeit und verletzte Eigenliebe erzitterten in seiner Stimme. In diesem Augenblick glaubte er selbst, dass seine Beine zum Teufel wären, und fühlte sich überhaupt so, als trüge nicht er, sondern Moroska den feinen Kittel. »Wir kennen auch solche Frontsoldaten«, fügte er, während ihm das Blut ins Gesicht schoss, hinzu: »Ich würde dir's schon geben, wenn ich dir nicht verpflichtet wäre... zu meinem Unglück.«
»Aha... frisst dich das?« schrie Moroska, der ihn wie früher geflissentlich überhörte und seinen Edelmut nicht verstehen wollte, beinahe hochspringend. »Hast vergessen, wie ich dich aus dem Höllenbrand herausgeschleppt habe?... Laden euch auf unseren Buckel!...« brüllte er so laut, als hätte er Tag für Tag Verwundete wie Kastanien aus dem »Höllenbrand« geholt, »auf unseren Buckel! Hier sitzt ihr uns!...« und er schlug sich mit unglaublicher Heftigkeit auf den Nacken.
Staschinskij und Chartschenko kamen aus der Baracke gelaufen. Frolow wandte den Kopf mit krankhaftem Erstaunen.
»Was soll das Geschrei?« fragte Staschinskij, unheimlich heftig mit dem einen Auge zuckend.
»Wo mein Gewissen ist?!...« schrie Moroska als Antwort auf die Frage Metschiks, wo sein Gewissen sei. »Da ist mein Gewissen, da, da!« hackte er wütend los, indem er unanständige Gesten machte. Aus der Taiga kamen von verschiedenen Seiten her, sich einander überschreiend, die »Schwester« und Pika herbeigeeilt. Moroska schwang sich aufs Pferd und versetzte ihm heftig eins mit der Reitgerte, was nur in Augenblicken allerhöchster Erregung geschah. Mischka bäumte sich auf und sprang zur Seite, als hätte er sich versengt.
»Wart doch, nimm den Brief mit!... Moroska...«, rief Staschinskij verwirrt, aber Moroska war schon verschwunden. Aus dem aufgestöberten Dickicht ertönte das rasende Getrappel der davoneilenden Hufe.

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