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Alfred Kurella - Mussolini ohne Maske (1931)
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FASCHISTISCHE KOLONIALPOLITIK

In dem Maße, wie sich seine Industrialisierung entwickelte, ist Italien zu einem modernen imperialistischen Lande geworden. Die Tendenz zur „Verlandwirtschaftlichung", die wir als ein wichtiges Kennzeichen der faschistischen Politik kennengelernt haben, hat daran nichts geändert. Wir haben ja gesehen, dass auch der „Verlandwirtschaftlichung" das Bestreben zugrunde liegt, das Finanzkapital zu stärken. Als Platzhalter und „Exekutivkomitee" des Finanzkapitals musste die faschistische Regierung die imperialistischen Tendenzen ihrer Vorgänger nicht nur weiterführen, sondern noch verstärken. Wenn man die faschistische Politik und ihren Klasseninhalt untersuchen will, muss man die italienischen Kolonien in den Kreis der Betrachtungen mit einbeziehen.
Mir bot sich eine Gelegenheit hierzu durch den Besuch der Kolonie Tripolis. Es war in dieser Zeit besonders leicht, dorthin zu kommen, weil gerade die tripolitanische Messe stattfand, aus deren Anlass besondere Erleichterungen für den Besuch der nordafrikanischen Kolonie gewährt werden. Der Besuch erwies sich bald als ungewöhnlich lohnend, denn in den Kolonien treten die Züge der faschistischen Politik in vieler Hinsicht besonders klar und deutlich hervor. Der Faschismus rühmt sich, „ganz neue" Wege der Kolonialpolitik eingeschlagen zu haben. Und das ist richtig: Hinsichtlich der Methoden der Besitzergreifung des Landes, seiner militärischen Beherrschung und seiner Verwaltung hat die faschistische Regierung tatsächlich Wege beschritten, die von denen ihrer Vorgänger wesentlich verschieden sind. Davon konnte ich mich bei meinem Besuch in Tripolis sehr schnell überzeugen. Kolonien haben für das „Mutterland", das heißt für die herrschenden kapitalistischen Kreise des „Mutterlandes", nur dann einen
Sinn, wenn man in ihnen Geschäfte machen kann. Die ersten und größten Geschäfte, die in einer Kolonie zu machen sind, liegen auf dem Lande. Das gilt auch von Tripolis. Aber da gibt es eine Schwierigkeit: Das Land gehört dort seit Jahrhunderten den Beduinen. Wie sollen die neuen Herren von dem Land Besitz nehmen, ohne sich gleich als Kolonialräuber zu entlarven? Bei der Lösung dieses Problems hat der Faschismus eine meisterhafte Probe seiner Demagogie gegeben.
Am dritten Tage meiner Anwesenheit in Tripolis beschloss ich, eine der Oasen aufzusuchen, um die Landwirtschaft der Kolonie kennenzulernen.
Gegen sechs Uhr morgens kam ich in der Oase Tadjurah an. Sie besteht aus einem fast fünf Kilometer langen Palmenhain, in dem weitverstreut die kuppelgeschmückten weißen Steinhäuser der Marabus, der reichen Leute und Geistlichen, die Lehmwohnungen der beduinischen Bauern und die Strohhütten der Landarbeiter liegen. Hohe Lehmmauern säumen die Wege ein. Hinter ihnen sieht man das satte Grün der Felder, die mit Puffbohnen, Erbsen, Gerste, Tomaten und Kartoffeln bestellt sind. Dieses üppige Grün wirkt wie ein Wunder gegenüber dem Sand, durch den man watet.
Die Luft ist erfüllt von einem eigenartigen Gezwitscher, das von allen Seiten ertönt. Aber es sind nicht Vögel, die man da hört, sondern die Musik der zahllosen Ziehbrunnen, deren treppenförmige, weiße Mauern überall zwischen den Feldern leuchten. In der Kühle der ersten Morgenstunden schöpfen hier die Beduinen das Grundwasser herauf, um es dann dem durstigen Boden zuzuleiten. Das muss in aller Frühe geschehen, denn gegen Mittag wird auch jetzt im März schon die Hitze so arg, dass kein lebendes Wesen sich lange im Freien aufhalten kann. Die Musik begleitet mich auf Schritt und Tritt. Überall quietschen die Räder der Ziehbrunnen, ertönen die Rufe der Beduinen, die ihre Büffel antreiben, und ergießt sich plätschernd das Wasser aus dem Ledersack, der aus der kühlen Tiefe heraufsteigt, in die Sammelbecken. Auf allen Feldern sind Beduinen und Neger fleißig an der Arbeit. Während die einen das kostbare Wasser heraufholen, arbeiten die andern auf dem Acker, schütten kleine Erdwälle auf, die das Land in quadratmetergroße Vierecke einteilen, öffnen und schließen die kleinen Tore, die von den Zuleitungskanälen zu diesen Quadraten führen und lockern mit Hacke und Spaten den Boden auf. Es ist eine schwere und mühselige Arbeit. Aber sie lohnt sich. Das Land gibt die aufgewandte Mühe in Gestalt von kräftigen und gutstehenden Pflanzen zurück.
Anders ist es am Rande der Oase, wo die Palmen aufhören und die Sonne auch morgens schon unbarmherzig vom Himmel herunter strahlt. Hier sehen Gerste und Tomaten recht kümmerlich aus. Hier ist mit Ziehbrunnen, Hacke und Spaten schwer vorwärtszukommen. Und noch weiter draußen, wo die Wanderdünen beginnen, sind die Aussichten, mit den ärmlichen und primitiven Produktionsmitteln der Beduinen etwas aus dem Boden herauszuholen, sehr gering.
Aber wo sind die Italiener? Was können sie mit einer Kolonie anfangen, deren Land den Eingeborenen gehört? Sie können nichts damit anfangen: Sie müssen sich dieses Land aneignen. Wie kann das geschehen?
Nun, man kann es einfach wegnehmen. Und das tut man auch. Ein Gesetz vom 11. 4. 1923 verfügt die Beschlagnahme der Güter aller derjenigen Eingeborenen, die sich gegen die italienische Herrschaft auflehnen. Gerade an dem Tage, an dem ich in Tripolis eintraf, wurde ein Dekret über die Konfiszierung des gesamten Eigentums des Stammes der Senussi veröffentlicht. Dieser Stamm hatte die Unverschämtheit gehabt, den alten Besitz seiner Väter gegen die Italiener zu verteidigen. Der letzte Zufluchtsort der Senussi, die Oase Kufra, war im Februar 1931 durch die italienischen Truppen erobert worden.
Über die näheren Umstände dieser Eroberung habe ich später in der Stadt ungeheuerliche Dinge erfahren. Durch einen merkwürdigen Zufall gelang es mir, Eingang in das Haus eines reichen, den Italienern feindlich gesinnten Beduinen zu bekommen. Während der Dampferfahrt hatte ich einen deutschen Landsmann kennengelernt, der in Gestalt eines einfachen, beinah primitiven Touristen zum vierten- oder fünften Mal die Kolonie Tripolis aufsuchte. Was er dort eigentlich machte, weiß ich nicht. Aber er hatte gute Beziehungen in der Stadt, und ich sagte natürlich nicht nein, als er mich einlud, ihn zu einem seiner beduinischen Bekannten zu begleiten. Die Häuser in dem alten Beduinenviertel sind sonst für den Fremden unzugänglich. Die malerischen Gassen sind mit Ausnahme des Judenviertels von hohen, fensterlosen Mauern eingefasst. Nur selten kann der gewöhnliche Reisende einmal einen Blick durch eine zufällig sich öffnende Tür in das Innere dieser Häuser werfen. Mir war es, wie gesagt, vergönnt, ein solches Haus zu betreten. Von der Straße aus kann man nicht ahnen, was für einen Reichtum die weißen, kahlen Mauern verbergen. Wie die Häuser der alten Römer sind auch die Häuser der Beduinen ganz nach innen gewendet. Um mehrere, mit Wasserbassins, Bäumen und Blumen ausgestattete Höfe oder Gärten herum liegen die Zimmer, deren Eingänge unter Bogengängen verschwinden.
Die Einführung durch meinen Reisebekannten genügte, um meinen Gastwirt bei einer Schale türkischen Kaffees schnell zum Sprechen zu bringen. Und ich erfuhr folgendes: Bei der Eroberung der Oase Kufra im Februar, von der die Öffentlichkeit nur flüchtig durch die offiziellen italienischen Siegesberichte Kenntnis erhalten und darüber hinaus nur erfahren hat, dass in der eroberten Siedlung Streichholzschachteln - sowjetrussischer Herkunft - gefunden wurden, sind die Italiener außerordentlich grausam vorgegangen. Das ganze Gebiet wurde gebrandschatzt. Frauen und Mädchen, auch ganz jugendlichen Alters, vergewaltigt, und alte Leute, die um Verzeihung und um Einstellung aller dieser Schandtaten bitten wollten, ermordet. Mein Gastgeber nannte die Zahl von 50000 Eingeborenen, die dabei zugrunde gegangen sein sollen. Die große Moschee der Senussi wurde in ein Kasino verwandelt.
Er erzählte außerdem ähnliche Dinge aus der benachbarten, östlich von Tripolis liegenden Kolonie Cyrenaika. Dort haben die italienischen Behörden 80000 Araber mit ihren Familien in die Wüste der Syrte abtransportiert, weil sie angeblich mit den Aufständischen in Beziehung gestanden hätten. Das war aber frei erfunden. Diese Araber waren seit langer Zeit entwaffnet und lebten ganz friedlich als Bauern. Sie mussten zu Rebellen erklärt werden, weil sich die Italiener ihren Landbesitz aneignen wollten.
Aber die „Rebellen" werden immer weniger. Mit Flugzeugen,
Bomben, Panzerwagen und Verbannungen treiben die italienischen Zivilisatoren den unverschämten Beduinen die Lust aus, sich als Herren des Landes zu fühlen, das doch in den Italienern seine einzig wahren neuen Herren erhalten hat. Und diese neuen Herren brauchen nicht Zehntausende, sondern Hunderttausende von Hektaren Land!
Und so fand man einen anderen Ausweg. Die guten Katholiken und Verbündeten des Papstes entdeckten den Koran. In ihm fanden sie eine Sure, die besagt, dass Eigentum nicht nur Recht, sondern Pflicht ist, und dass derjenige, der das ihm von Allah geschenkte Land nicht so bearbeitet, wie es sich gehört, es herzugeben hat. Über dieses: „Wie es sich gehört", gibt es aber verschiedene Meinungen. Die Italiener haben in ihrem Lande große Fabriken, in denen Pumpen, Beton, Lastautos, künstliche Regenanlagen und Düngemittel hergestellt werden. Sie haben landwirtschaftliche Institute, in denen mit großem Geldaufwand alle möglichen Methoden des Kampfes gegen die Dürre studiert werden. Sie haben Großbanken, die sich nichts sehnlicher wünschen, als diese Segnungen der Kultur zu kreditieren. Und so können sie den Beduinen mit Recht sagen: Ihr bearbeitet das Land nicht so, wie es sich gehört! Damit verliert ihr das Recht auf seinen Besitz. Wenn ihr statt Pumpen nur Ziehbrunnen, statt Beton nur Lehm und statt Traktoren nur Büffel habt - umso schlimmer für euch!
So geht das Land in Tripolis im Namen des Korans an die neuen, italienischen Herren über.
Rund eine Million Morgen haben sich die italienischen Herren auf diese Weise ganz gesetzlich angeeignet. Und das Land bleibt nicht liegen. Es wird an italienische Kolonisten vergeben. Da kommt jeder auf seine Kosten, der sich um die Kolonien verdient gemacht hat. Ich hatte Gelegenheit, auf der Messe die Liste der Kolonisatoren zu studieren. Da ist der General Graziani, der Eroberer von Tripolis, der jetzt in der Cyrenaika sein Schreckensregiment ausübt. Er hat in Garian eine Konzession von 731 Hektar. Der frühere Gouverneur von Tripolis, Graf Volpi (derselbe, der als einer der Häupter der Faschisten sich 1924 mit dem Blute des Sozialisten Matteotti befleckt hat und, als die Sache aufkam, nach dem Süden abgeschoben wurde), „bebaut" 1000 Hektar in
Misurata. Der Ritter des Großkreuzes, Herr Chiavolini, nennt 1200 Hektar sein eigen. So marschieren sie einer nach dem anderen auf, die arbeitsamen bedürftigen Italiener, denen die faschistische Republik in den Kolonien eine neue, menschenwürdige Existenz schafft.
Und diese Existenz ist, weiß Allah, menschenwürdig! Wer seine Befähigung zur Landwirtschaft nachweist, das heißt, mindestens 10000 Lire eigenes Kapital mitbringt, bekommt vom Staate alle möglichen Zuschüsse zur Anlage von Straßen, Brunnen, Gebäuden, Kamelen, Pumphäusern usw. So kommt es, dass man am Rande der Oase plötzlich jenseits der letzten dürren Felder der Eingeborenen auf blühende Gärten trifft, die von Betonkanälen durchzogen sind. An Stelle des Quietschens der Brunnen und des Brüllens der Ochsen hört man das Puffen der Benzinmotoren. In schattigen Eukalyptushainen liegen schmucke, weiße Villen, und die von dem mechanisch gepumpten Wasser genährten Felder strecken sich in breiter Fruchtbarkeit der Wüste entgegen. Kann noch jemand daran zweifeln, wer die einzig rechtmäßigen Besitzer dieses Landes sind? Nur ein ausgemachter Bolschewist kann auf den unerhörten Gedanken kommen, dass man diese Millionen und diese Produktionsmittel auch den beduinischen Besitzern hätte zur Verfügung stellen und dass diese dann das Land ebenso hätten ausnützen können, „wie es sich gehört". Die auf den Koran gegründete Bodenpolitik der Faschisten ist begleitet von einer Verwaltungsreform. Die früheren italienischen Regierungen, die den Koran für ihre Zwecke noch nicht entdeckt hatten, beherrschten das Land mit den auch von anderen imperialistischen Regierungen angewandten Methoden: Sie kauften sich die herrschende Klasse des Landes, die sogenannten Notabeln, durch hohe Geldgeschenke. Die Notabeln übernahmen dafür ihrerseits die Verpflichtung, Ruhe und Ordnung aufrechtzuerhalten. Die Verwandten der Notabeln wurden als „Mudir", „Kadi", „Vizekadi", „Mudirsekretäre" usw. zufriedengestellt. Die ausländischen Beherrscher teilten sich auf diese Weise mit den einheimischen Ausbeutern in die Herrschaft. Die Grundlage dieser Teilung der Herrschaft bildete der Großgrundbesitz der Notabeln.
Nun hat die italienische Regierung die alten Notabeln weitgehend enteignet. Das Land gehört jetzt den Italienern. Die italienischen Großgrundbesitzer und Konzessionäre stellen die Schicht der neuen Notabeln dar. An Stelle von Beduinen sind ebenso viele regierungstreue Faschisten als „Mudir", „Kadi", „Sekretäre" usw. in den Verwaltungsapparat eingestellt worden. In den neuen Konzessionen finden zahlreiche Beduinen, Neger und Juden gegen sechs bis acht Lire Tagelohn Beschäftigung als Landarbeiter. Wozu braucht da die italienische Regierung noch beduinische Notabeln? Stolz erklärt der Gouverneur von Tripolis, Marschall Badoglio:
„Die Regierung tritt auch nicht den geringsten Teil ihrer Rechte an einzelne oder Gruppen ab. Die Regierung befiehlt, und die anderen gehorchen. Die Regierung befiehlt und hat die Macht, ihre Befehle durchzuführen. Sie braucht deshalb (und das ist meine Antwort auf die Klagen der Notabeln) nicht zum Paktieren, Konzessionen machen und anderen speziellen Künsten zu greifen ... So endet eine Art Epidemie; die Methode, das Volk vermittels eines nur zu oft unsauberen Filters zu regieren. An die Stelle der alten Formel ,Weder mit den Häuptlingen noch gegen sie' habe ich eine andere gesetzt: ,Das Wohl der Kollektivität und nicht das der einzelnen direkt zu suchen.' Die Häuptlinge existieren nicht mehr."
Die zahlreichen Faschisten, die in dem so reformierten Verwaltungsapparat viele und fette Posten gefunden haben, sind damit natürlich sehr einverstanden. Und die faschistische Jugend wird zum Hüter und Vorkämpfer dieser neuen Ordnung. Der faschistische Jugendverband gibt in Tripolis eine eigene Zeitung mit dem Titel „Die schwarze Patrouille" heraus. Das ist ein sehr kämpferisches Blatt. Es riskiert gegenüber der Regierung eine scharfe Sprache. Und wofür kämpft es?
In seiner Nummer vom 16. März steht ein Leitartikel, der die Regierung angreift, weil im letzten Jahre - die Regierungszuschüsse zu den Konzessionen nicht voll ausgezahlt worden sind: „Wenn die Dinge so stehen und wenn aus formalen Gründen eine so wertvolle Unterstützung des Landes eingestellt wird, so können wir gewissen Systemen gegenüber nicht schweigen, sondern müssen unsere Meinung sagen ... Wir wollen hoffen, dass man in dieser Hinsicht bald zur Einsicht kommt, und wir werden gern auf diese Frage zurückkommen, da wir wissen, dass wir damit der allernobelsten Sache dienen."
Wirklich, was kann es für diese jungen Herren Faschisten Nobleres geben, als dafür zu sorgen, dass die den hungernden Arbeitern und Bauern Italiens ausgepressten Steuergelder rechtzeitig und ohne Abzug den Herren Generälen, Grafen und sonstigen Konzessionären zugesteckt werden? Die dritte „große Reform" der Kolonialpolitik des Faschismus liegt auf militärischem Gebiet.
Der Faschismus hat den nordafrikanischen Kolonien „Ruhe und Ordnung" gebracht. Gibt es einen besseren Beweis hierfür als den, dass die faschistische Regierung die Zahl der Besatzungstruppen herabgesetzt hat? Mit dieser Behauptung geht sie nämlich besonders gern hausieren. Und sie ist keine faschistische Lügenmeldung, sondern beruht auf Wahrheit. Die Besatzungsarmee ist zahlenmäßig tatsächlich reduziert. Wie das zustande kam, darauf gibt der Militärpavillon Antwort, der eine der Hauptsehenswürdigkeiten der großen Kolonialmesse von Tripolis ist.
Früher unterhielt die Regierung in Tripolis nach altem Muster ein großes Netz von Forts mit starken, hinter Stacheldraht und Gräben sitzenden Garnisonen. Das war eine kostspielige Angelegenheit. Diese Forts sind jetzt zum großen Teil aufgegeben. Statt ihrer wurde - auch das ein herrliches Geschäft für das Finanzkapital - ein ebenso dichtes Netz von erstklassigen Automobilstraßen angelegt. Sie sind dazu bestimmt, die mit modernsten Motorfahrzeugen (Truppentransportwagen, Lastautos mit Gebirgsgeschützen und zwei oder vier MGs, Panzerwagen) ausgerüstete Kolonialarmee schnell an jeden Punkt des Landes bringen zu können, wo die Eingeborenen sich etwa gegen die orthodoxe Anwendung des Korans auflehnen könnten. Ein ausgezeichneter Flugzeugpark ergänzt diese Armee, die nun natürlich mit wenigen Truppen auskommt. In jeder Siedlung sind darüber hinaus verstärkte Gendarmeriestationen eingerichtet (mit einheimischen Polizeimannschaften unter italienischen Offizieren), die dem Gouverneur als Horchposten und Thermometer der Stimmung dienen.
Und alles das ist nicht zum Scherz eingerichtet. Im Militärpavillon der Kolonialausstellung bekommt der Besucher handgreiflich vordemonstriert, worum es sich handelt: kleine, plastische Modelle, wahre Militärpuppenstuben, zeigen uns Szenen, in denen Schützenlinien, gedeckt durch Panzerwagen, gegen Beduinen vorgehen, die hinter Sanddünen ihr Unrecht verteidigen. Reizende Fliegeraufnahmen, die das Herz jedes modernen Photographen erfreuen würden, zeigen den neckischen Effekt, den platzende Flugzeugbomben in der Beduinenstadt Bu-Ngen hervorrufen. Nicht umsonst hat man auf dem letzten großen Flugtag in Rom am Ufer des Tiber ein kleines Araberdorf aufgebaut, um daran das Einschlagen von Fliegerbomben zu demonstrieren. Sicher findet sich auch im Koran eine Sure, die dem Bibelspruch entspricht:
„Aller Segen kommt von oben!"

 

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