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Hans Marchwitza - Schlacht vor Kohle (1931)
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XXXIII

Dränger ließ abends die Schlepper zusammenholen. Er besprach mit ihnen, dass sie des Nachts um die Zeche herum wachen sollten, weil die Streikbrecher im Dunkeln in den Betrieb und aus dem Betrieb schlüpften und auf Umwegen ihre Wohnungen aufsuchten. Stefan Mihalleks Augen leuchteten vor Eifer. »Dat gib wat Toftes!«
»Feine Sache.« Walter Smolka, ein strammer Bursche, nickte. Sie holten die ganze Rotte zusammen. Abends um zehn Uhr sammelten sie sich unterhalb der Kolonie, an einem Abhang, wo sie nicht beobachtet werden konnten.
Die Polizei hatte gegen Abend die Kolonie abgesucht und mit Scheinwerfern die Hauseingänge und Fenster abgeleuchtet.
»Es gibt Keile, wenn uns die Blauen kriegen!« erklärte Walter Smolka, der sich mit einem kurzen Hackenstiel bewehrt hatte.
Es war ein kleiner Streit entstanden, wer die Führung des Ganzen übernehmen sollte. Die Wahl fiel auf Smolka, weil er einer der Unerschrockensten war. Der verteilte nun die Trupps dorthin, wo es ihm wichtig schien. Sie begaben sich daraufhin nacheinander aus der schützenden Deckung heraus und schlichten vorsichtig den Abhang entlang. Das Herz schlug ihnen höher vor Ungeduld und Spannung. Sie mussten eine Straße überqueren. Geduckt, nach rechts einen Blick, nach links einen Blick, gelauscht, hopp, hopp, hopp, hinübergesprungen.
Jenseits der Straße, ging es in flottem Schritt weiter.
Walter Smolka ließ nach einigen hundert Metern halten, und sie berieten im Flüsterton, denn sie befanden sich in der Nähe der Zechenmauer.
»Ich weiß, wo der Muralla immer durchkriecht!« flüsterte einer.
»Sag, wo ist dat?« - »Ich geh mit!« - »Los, sag, wo das ist!« Die anderen wurden laut vor Ungeduld.
»Haltet doch die Fresse. Ihr brüllt die Feuerwehr zusammen!« schimpfte Walter Smolka. »Wenn schon einer hingeht, dann gehen ich und der Stefan Mihallek hin!«
Der Schlepper, der von dem Mauerloch wusste, übernahm die Führung. »Los, gehen wir, aber vorsichtig, sonst kriegen wir eine gebrannt!«
Die übrigen Schlepper verteilten sich im Gelände. Der kleinere Trupp mit Walter Smolka und Stefan Mihallek arbeitete sich bis an die Mauer heran und schlich im Dunkeln an der Mauer entlang, bis zu der Stelle, nach der Smolka hingedeutet hatte.
»Pst!«
»Wat is?«
Die Nachfolgenden erbebten vor Erwartung. »Ich glaub, die Feuerwehr!«
Walter Smolka schob sich mit Stefan Mihallek und dem Schlepper, der sie führte, einige Meter vorwärts. Sie nahmen Wurfsteine auf, um den Wächter, falls er einen Hund mit sich führte, nicht an sich herankommen zu lassen. Der Feuerwehrmann, der aus einem kleinen Tor in der Mauer hervorgekommen war, spähte ängstlich in das Gelände und verschwand nach einer Weile wieder.
»Hier müssen wir aufpassen!« sagte der führende Schlepper.
»Hier ist dicke Luft!« sagte Stefan Mihallek.
»Aber die Streikbrecher kommen hier durch!«
Die Schlepper warteten recht lange. Sie standen an das kleine Eisentor gepresst und lauschten fiebernd hinüber. Es kam niemand.
»Soll die Bande doch vorn rausgegangen sein?« flüsterte Walter Smolka. Stefan Mihallek wurde schon wütend.
»Es kommt jemand!« flüsterte einer der Schlepper. Sie sprangen rechts und links von dem Tor zur Seite und lauschten angestrengt hinüber.
Sie hörten Schritte, bemerkten aber nicht, dass die Schritte von außen herkamen.
Ein schriller Pfiff erschreckte sie, und ehe sie sich versahen, standen sie im grellen Lichtkegel einer Blendlaterne.
»Was suchen Sie hier?« herrschte sie jemand barsch an.
Die drei waren sprachlos.
»Wir fragen Sie, was Sie hier suchen?« brüllte sie der eine Wächter noch einmal an.
Eine Gruppe von sieben, acht Wächtern umringte sie. Sic waren mit Gummiknüppeln bewaffnet.
»Das sind Streikposten!« sagte ein anderer der Wächter und gab Stefan Mihallek einen Fußtritt. »Kein Laut, mein Junge!« schrie er aufgebracht und schlug mit dem Gummiknüppel auf den Schlepper ein.
Einer der Jungen, der zurückgeblieben war, hörte, was am Tor vorging. Er rannte zu den anderen hin, die im Gelände lagen, und berichtete, was vorgefallen.
»Los, wir müssen sie freikriegen!« Einer übernahm die Führung, und die Schar stürzte auf das Tor zu, wo die Wächter immer noch auf die drei einschlugen.
Die Wächter bemerkten es, ergriffen die drei und zerrten sie hastig in das Tor hinein.
Die Schlepper, die herangestürmt kamen, prallten gegen das jetzt verschlossene Tor und versuchten es zu sprengen.
Jenseits der Mauer ertönten Pfiffe.
Die Schlepper rissen noch immer an dem Tor, das sich schon bedenklich bog und krachte. Da knatterte auf der Straße, die rechts an der Schachtanlage vorbeiführte, der Motor eines Autos, das in rasender Fahrt heran sauste. Grelles Licht sprang aus Scheinwerfern über den Acker, sprang links hinüber nach der Mauer hin und belichtete taghell die erregte Gruppe vor dem Tor.
Ein kurzes Kommando. Polizei sprang von dem Wagen herunter und stürmte im Laufschritt vor. Die Feuerwehrleute, die gehört hatten, dass die Polizei zur Verstärkung da war, rissen das Tor auf und ließen ein Rudel Hunde los, das sich wütend auf die auseinanderstiebenden Schlepper stürzte.
Es entspann sich ein verzweifelter Kampf. Die Schlepper mussten trotz ihrer weitaus größeren Anzahl nachgeben. Über die Äcker stürzte die wilde Jagd: um sich schlagende, hastende Burschen, die sich der Hunde erwehrten, dahinter die Polizei.

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