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Hans Marchwitza - Schlacht vor Kohle (1931)
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III

Krause verunglückte im achten Revier. Er hatte eine schlechte Stelle durchzubauen und verlangte vom Steiger, dass ihm der einen Hilfsmann hinschicken sollte; wenigstens so lange, bis er die schlechte Stelle ausgebaut hatte. Der Steiger wollte ihm keinen Mann schicken, denn der Betriebsführer Böß hatte am Letzten des Monats wieder einen Teil »Unproduktive« entlassen.
Ein schwerer Brocken, der Krause schon einige Schichten beunruhigte, zerbrach die Hölzer, schlug herunter, traf Krause in den Rücken und brach ihm das Rückgrat.
Balasz arbeitete in der vierten Rutsche. Der Steiger schickte ihn an Krauses Stelle. »Ich muss aber einen zweiten Mann dabei haben, sonst tu ich's nicht!« protestierte Balasz.
Der Steiger gab ihm einen Hilfsmann hinzu, befahl aber, dass einer von den beiden Hauern sofort verschwinden sollte, wenn sich Böß in der Rutsche blicken ließ. Aber schon in der dritten Schicht kam der Steiger selbst und holte den zweiten Mann fort, weil ihm welche vor Kohle fehlten. Balasz warf die Brocken hin und drohte, nicht eine Minute länger allein weiterzubauen.
»Dann fahren Sie aus!« wurde der Steiger grob.
Balasz wollte nicht vor der Wahl hinausfliegen; er gab nach. Mit großer Mühe und Gefahr hatte er sich durch die schlechte Stelle hindurchgearbeitet.
Eine Schicht kam der Betriebsführer in seine Arbeit, erkannte ihn und legte sich in seiner Nähe hin.
»Wie lange sind Sie Hauer?« fragte Böß nach einer Weile.
»Zwölf Jahre!« erwiderte Balasz, der von der Frage unangenehm berührt war.
»Zwölf Jahre!« wiederholte Böß spitzfindig.
»Warum fragen Sie danach?« fragte Balasz.
»Ein Invalide macht mir mehr!« erwiderte Böß.
Balasz unterdrückte eine scharfe Antwort.
»Sie leisten zu wenig!« sagte Böß. »Halten Sie sich ja besser ran!« - Das besagte genug. Balasz sah sich vor, denn Böß wollte ihn irgendwie loswerden.
»Was hast du denn ausgefressen?« fragte zwei Tage später der alte Ragnitzki Balasz, dem er beim Schichtwechsel im Querschlag begegnete. »Du bist ja gekündigt!«
»Was? Gekündigt? Wer sagt das?« erschrak Balasz.
»Jau, jau, du hängst drauf!« nickte Ragnitzki energisch. »Dat weißt du nicht?«
»Mann, die Geschichte stinkt!« meinte Balasz und suchte am Schacht den langen Dränger auf. »Weißt du schon? Ich bin gekündigt!« erzählte er hastig.
Dränger nickte. »Ich weiß Bescheid, wegen Betriebseinschränkung !«
Als Balasz hinausgefahren war und sich gewaschen hatte, begab er sich in schnellem Tempo zum Büro. An der Markenbude hingen fast alle Kandidaten der roten Vorschlagsliste - wegen Betriebseinschränkung gekündigt.
Böß war im Büro. »Sie haben mir gekündigt?« fragte Balasz erregt.
»Ja«, sagte der Betriebsführer kurz. »Weshalb denn?«
»Ich muss Leute entlassen, der Betrieb wird eingeschränkt!« erklärte der Betriebsführer.
»Und darum haben Sie unserer gesamten Liste gekündigt?«
Das Gesicht des Betriebsführers verzog sich. »Ich entlasse die Leute, wie ich es für nötig erachte. Oder glauben Sie, dass ich Sie danach fragen muss?«
In Balasz kochte es. Böß begann zu schreiben und ließ ihn unbeachtet stehen. Es blieb Balasz nichts anderes übrig, als hinauszugehen, wenn er sich nicht an Böß vergreifen wollte. Draußen besann er sich und begab sich ins Betriebsratszimmer, das hinter dem Schachtgebäude lag. Reger, der Obmann, war da.
»Weißt du schon um die Kündigung?« fragte Balasz.
Reger nickte. »Bist du damit einverstanden?«
»Was kann ich tun? Böß kündigt euch wegen Betriebseinschränkung!«
»Alle unsere Leute stehen auf der Liste!«
Reger zog die Schultern hoch. »Es tut mir leid! Tanzt ein anderes Mal nicht aus der Reihe!«
Balasz verließ erbittert das Betriebsratszimmer. Er wusste, Reger war froh, dass Böß ihm und den anderen Kumpels der Opposition gekündigt hatte; nur so war es Reger möglich, sich noch länger im Betriebsrat zu halten.
Die Opposition berief eine Belegschaftsversammlung ein, um gegen die Kündigung zu protestieren. Dors Reger machte einen Gegenanschlag. Er warnte die Kumpels, an der Versammlung teilzunehmen, mit der Begründung, Böß keinen Anlass zu geben, noch mehr Leuten zu kündigen. Die Kumpels wurden dadurch eingeschüchtert. Nur ein ganz geringer Teil besuchte die Versammlung, in die Böß seine Späher geschickt hatte, um die nächsten für eine Kündigung vorzumerken.

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