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Max Hoelz - Vom »Weißen Kreuz« zur roten Fahne (1929)
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Kritiker der »Märzaktion«

Die aufgeriebenen Arbeiterkampftruppen bestanden ausnahmslos aus begeisterten Genossen, die mit beispielloser Tapferkeit und selbstloser Hingabe sich dem übermächtigen Gegner entgegenwarfen und nur durch dessen Artillerie-Kampfmittel geschlagen wurden.
Otto Rühle, der während der Märzaktion auf dem Gut Wolfsthal bei Freiberg weilte, schrieb nach dem Aufstand im Dresdner »Kommunist« und in der »Aktion« eine vernichtende Kritik über die Märztage. Aber er setzte wenigstens seinen Namen darunter. Die Thesen, welche Otto Rühle aufstellte, sind nichts als schöne Gehirnkombinationen, die, auf Papier gemalt, unter Umständen Effekt machen können, in der Praxis angewandt aber hellste Verwirrung und Schaden anrichten würden.
Ich will nur eine seiner famosen Äußerungen zur Märzaktion anführen. Er verficht darin den Gedanken, die Arbeiter müssen bei Aufständen die Fabrik, ihren Betrieb, besetzen und sich darin verteidigen. Ich empfehle ihm, einmal eine solche Besetzung und Verteidigung praktisch mitzumachen. Er würde seinen superklugen Kritikerschädel nur in ganz defektem Zustande aus den Trümmern des Betriebes retten können. Mit einem einzigen Minenwerfer oder einem einzigen Geschütz bricht der Gegner den Widerstand der Arbeiter in der Fabrik. (Der Genosse Kempin-Ützelmann vom Leunawerk scheint sich die Thesen Otto Rühles zu eigen gemacht zu haben. Der Verbleib der bewaffneten Arbeiter im Leunawerk war, gelinde gesagt, ein unverantwortlicher Fehler, der sich auch bitter gerächt hat.)
Unter dem Titel »Leunawerk« gab die Brandler-Thalheimer-Zentrale kurz nach den Märzkämpfen eine kleine Broschüre heraus, in der ein ungenannter Schreibkrampfkranker eine so unsinnige Kritik verzapfte, dass sie um der wahren Tatsachen willen nicht unwiderlegt bleiben darf.
Ist es schon an und für sich bezeichnend, dass dieser Held seinen Namen verschweigt, so bildet der Inhalt eine Musterkollektion von allem möglichen und unmöglichen Blödsinn, Lügen und Entstellungen. Ich bin es den revolutionären Kämpfern, die am Märzaufstand teilgenommen haben, schuldig, ein paar der handgreiflichsten Verdrehungen und Fälschungen festzunageln. Es gibt nur zwei Möglichkeiten: er kann - was ich allerdings kaum glaube - direkt oder indirekt an den Märzkämpfen teilgenommen haben; in diesem Fall hat der Mann während der Kämpfe geschlafen, oder er hat bewusst geschwindelt. Die andre Möglichkeit ist die, dass er »weit vom Schuss« in Berlin plötzlich ein Kribbeln in seinen Fingern spürte und auf Grund seiner durch Hörensagen erworbenen Kenntnisse Kritik übte an einer Aktion, über die er faktisch nichts wusste. Dieser Anonymus glaubte mit einem bisschen zusammengelesener militärischer Theorie einen Kampf und Aufstand kritisieren zu dürfen, von dem er tatsächlich nicht einmal die wesentlichsten Zusammenhänge und Einzelheiten kannte.
Ich greife nur einige Sätze aus der Leunawerk-Broschüre heraus. Auf Seite 5 heißt es:
»Der Märzaufstand aber musste schon deshalb zu Fall kommen, weil er militärisch auch nicht einen Augenblick eine einheitliche Organisation, eine einheitliche Leitung zustandezubringen vermochte, und weil die vielen militärischen Leitungen auch nicht einen Augenblick im Einklang mit der politischen Leitung der Bewegung standen.«
Die erste Behauptung widerspricht vollkommen den Tatsachen. Die Gruppen Hoelz, Schneider, Lembke, Thiemann standen unter einer einheitlichen militärischen Leitung. In ihr arbeiteten KPD-, KAPD- und AAU-Genossen - unter Beiseitelassen ihrer Parteidifferenz - gemeinsam miteinander. Sie vereinigten unter sich alle bewaffneten revolutionären Arbeiter.
Die zweite Behauptung fällt auf die politische Leitung zurück. Wo befanden sich denn die politischen Leitungen? Vielleicht, wie Otto Rühle, in irgendeiner »Frühjahrsfrische«? Waren sie vielleicht auf der Rabeninsel in Halle oder im Grunewald bei Berlin? Ich habe sie krampfhaft gesucht. Ich habe mich täglich bemüht, mit der politischen Leitung Verbindung zu bekommen. Gehört der Verfasser der Leuna-Broschüre vielleicht gar zur politischen Leitung? Dann wäre er am ehesten in der Lage, meine Fragen zu beantworten.
So beschränkt war keiner der militärischen Führer im Märzaufstand, dass er nicht wusste, wie unbedingt notwendig es ist, die militärische Leitung in Einklang mit der politischen Leitung zu bringen. Unsere militärischen Aktionen hatten nur Wert, wenn sie sich den politischen Möglichkeiten anpassten.
Auf Seite 4 heißt es:
»Wir sahen verschiedene kleine Truppen der Leunawerke, die Lembke-Gruppe, die Hoelz-Gruppe, die voneinander isoliert kämpften und weder miteinander noch mit der politischen Leitung eine Verbindung hatten. Nirgends zeigt sich auch nur für einen Augenblick eine einheitliche Leitung. Nirgends denkt man an ein Zusammenfassen der Kräfte, an die Formierung der Reserven, an die Befreiung der bedrängten Orte, daran, die vereinigten Kräfte an einem Punkt ins Treffen zu führen, die Entscheidung zu erzwingen, den Gegner zu zerschlagen und zu vernichten. In allen diesen Kämpfen finden wir nicht einmal die Spur der elementarsten militärischen Erwägungen«
Du liebe, heilige Einfalt! Soviel Weisheit in fünf Sätzen! Der Pseudo-Moltke schlägt den Tatsachen mit einer Unverfrorenheit ins Gesicht, die einfach klassisch ist. Gerade mein Gefechtstagebuch beweist unzweideutig, dass jede Behauptung dieses anonymen Kritikers durch keine Sachkenntnis getrübt wird. Ich richtete von Anfang an mein Hauptaugenmerk darauf, meine Truppe mit anderen Arbeitertruppen zu vereinigen, was mir auch in vielen Fällen gelang. Ich war immer bestrebt, mit anderen Gruppen Verbindung zu halten, und habe diese auch immer erreicht. Der Märzaufstand brach nicht an der militärischen Unfähigkeit der kämpfenden Arbeiter zusammen, sondern aus Gründen, auf die ich hier nicht eingehen will.
Persönlich freut es mich, wenn an Aktionen und Maßnahmen, für die ich mich verantwortlich fühle, Kritik geübt wird, gesunde, sachliche, auf wirklicher Kenntnis der Zusammenhänge beruhende Kritik. Daran kann ich lernen und meine Fehler erkennen. Der Leunawerk-Broschüre fehlen alle diese Voraussetzungen, und es ist deshalb tief bedauerlich, dass die Partei diese anonyme Schrift herausgab.

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