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George Orwell - Mein Katalonien (1938)
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Siebtes Kapitel

Eines Nachmittags sagte uns Benjamin, er brauche fünfzehn Freiwillige. Der Angriff auf die faschistische Feldschanze, der bei einer früheren Gelegenheit abgeblasen worden war, sollte in dieser Nacht durchgeführt werden. Ich ölte meine zehn mexikanischen Patronen, beschmierte mein Bajonett mit Lehm (es verrät die Position, wenn es zuviel funkelt) und packte einen Kanten Brot, ein Stück rote Wurst und eine Zigarre zusammen, die mir meine Frau aus Barcelona geschickt und die ich lange Zeit aufbewahrt hatte. Jeder Mann erhielt drei Handgranaten. Endlich war es der spanischen Regierung gelungen, eine anständige Handgranate zu produzieren. Sie funktionierte nach dem Prinzip der Handgranate von Mills (Anm.: Sir William Mills, 1855-1932, Erfinder einer Eierhandgranate), aber sie hatte statt einem zwei Sicherungsstifte. Nachdem man die Stifte herausgezogen hatte, dauerte es sieben Sekunden, ehe die Bombe explodierte. Ihr Hauptnachteil bestand darin, dass einer der Stifte sehr fest und der andere sehr lose saß. Man hatte also entweder die Wahl, beide Stifte an ihrer Stelle zu belassen und im Notfall den festsitzenden nicht herausziehen zu können oder aber den festsitzenden Stift vorher herauszuziehen und in dauernder Angst zu schweben, ob das Ding in der Tasche explodieren würde. Aber es war eine handlich zu werfende, kleine Granate.
Kurz vor Mitternacht führte Benjamin uns fünfzehn zum Torre Fabian hinunter. Den ganzen Abend lang hatte es unentwegt geregnet. Die Bewässerungsgräben liefen über, und jedes Mal, wenn man in einen hineinstolperte, stand man bis zur Hüfte im Wasser. Im Hof der Farm wartete eine in der pechschwarzen Dunkelheit und dem strömenden Regen nur undeutlich erkennbare Gruppe von Männern. Kopp sprach zu uns erst auf spanisch, dann auf englisch und erklärte uns den Angriffsplan. Die faschistische Linie machte hier einen Bogen wie ein L, und die Brustwehr, die wir angreifen sollten, lag auf dem allmählich ansteigenden Boden an der Ecke des L. Ungefähr dreißig von uns, die eine Hälfte Engländer und die andere Hälfte Spanier, sollten unter dem Kommando unseres Bataillonskommandeurs Jorge Roca (ein Bataillon in der Miliz bestand aus ungefähr vierhundert Mann) und Benjamins hinaufkriechen und die faschistischen Stacheldrahtverhaue durchschneiden. Jorge sollte die erste Handgranate als Signal werfen, dann sollte der Rest von uns eine Serie von Handgranaten hinterherwerfen, die Faschisten aus ihrer Befestigung hinaustreiben und sie in Besitz nehmen, ehe sie sich sammeln konnten. Gleichzeitig sollten siebzig Leute der Stoßtruppe die benachbarte faschistische >Stellung< angreifen, die zweihundert Meter weiter rechts von ihr entfernt lag und durch einen Verbindungsgraben zu erreichen war. Um zu verhindern, dass wir uns in der Dunkelheit gegenseitig anschossen, sollten weiße Armbinden getragen werden. In diesem Augenblick kam ein Bote, der sagte, es gäbe keine weißen Armbinden. Aus der Dunkelheit heraus schlug jemand mit klagender Stimme vor: »Könnten wir nicht dafür sorgen, dass statt dessen die Faschisten weiße Armbinden tragen?« Wir hatten noch ein oder zwei Stunden Zeit. Die Scheune über dem Maultierstall war durch Artilleriebeschuss so zerstört worden, dass man sich in ihr ohne ein Licht nicht umherbewegen konnte. Die Hälfte des Bodens war durch eine herabstürzende Granate weggerissen worden, dort konnte man sechs Meter tief auf die Steine hinabfallen. Jemand fand einen Pickel und stemmte eine zerbrochene Bohle aus dem Boden. In ein paar Minuten hatten wir ein Feuer angezündet, und unsere durchnässten Kleider dampften. Ein an
derer holte ein Paket Spielkarten hervor. Ein Gerücht -eins der geheimnisvollen Gerüchte, die im Kriege wie ansteckende Krankheiten auftauchen - machte die Runde, wonach sofort heißer Kaffee mit Brandy ausgegeben werden sollte. Begierig stiegen wir die fast zusammenstürzende Treppe hinunter, tappten in dem dunklen Hof umher und fragten, wo wir den Kaffee erhalten könnten. Leider aber gab es keinen Kaffee! Statt dessen rief man uns zusammen, ordnete uns zu einer Linie hintereinander, und dann verschwanden Jorge und Benjamin schnell in der Dunkelheit, während der Rest von uns folgte.
Es regnete immer noch und war vollständig dunkel, aber der Wind hatte aufgehört. Der Schlamm war unbeschreiblich. Die Pfade durch die Rübenfelder bestanden nur aus einer Reihe von Klumpen, schlüpfrig, wie mit Fett eingeschmiert, dazwischen überall riesige Pfützen. Lange ehe wir an die Stelle kamen, wo wir unsere eigene Brustwehr verlassen sollten, war schon jeder mehrfach gefallen und waren unsere Gewehre mit Schlamm überzogen. An der Brustwehr wartete eine kleine Gruppe von Leuten, sie waren unsere Reserve, der Doktor und mehrere Tragbahren. Wir gingen in einer Reihe hintereinander durch die Lücke in der Brustwehr und wateten durch einen anderen Bewässerungsgraben. Platsch, glucks! Wieder standen wir bis zur Hälfte im Wasser, und der schmutzige, schleimige Schlamm ergoss sich über unsere Stiefelränder. Draußen auf dem Gras wartete Jorge, bis wir alle hindurch waren. Völlig niedergeduckt begann er dann, langsam vorwärts zu kriechen. Die faschistische Brustwehr lag etwa hundertfünfzig Meter weit entfernt. Unsere einzige Chance, dorthin zu kommen, bestand darin, uns ohne Lärm zu bewegen.
Ich war mit Jorge und Benjamin an der Spitze. Wir krochen tief gebückt, hielten aber unsere Gesichter hoch. So krochen wir, mit jedem Schritt langsamer werdend, in die vollständige Dunkelheit hinein. Leicht schlug der Regen in unsere Gesichter. Wenn ich zurückschaute, konnte ich die Männer in meiner Nähe sehen. Sie waren ein Haufen gekrümmter Schatten, die wie riesige schwarze Pilze langsam vorwärts glitten. Aber jedes Mal, wenn ich meinen Kopf hob, wisperte Benjamin dicht neben mir ungestüm in mein Ohr: »Den Kopf runterhalten! Den Kopf runterhalten!« Ich hätte ihm sagen können, er brauche sich nicht zu sorgen. Ich wusste aus Erfahrung, dass man in einer dunklen Nacht niemals einen Mann auf eine Entfernung von zwanzig Schritten sehen kann. Viel wichtiger war es, ohne einen Laut vorzugehen. Wenn sie uns einmal hörten, war es aus mit uns. Sie brauchten nur die Dunkelheit mit ihrem Maschinengewehrfeuer zu zerschneiden, und uns würde nichts anderes übrig bleiben, als wegzulaufen oder massakriert zu werden.
Es war fast unmöglich, auf dem durchweichten Boden ruhig voranzukommen. Wie man es auch anstellte, die Füße blieben im Schlamm stecken, und jeder Schritt, den man machte, war ein Platsch-Platsch, Platsch-Platsch. Das Teuflische aber war, dass der Wind nachgelassen hatte und trotz des Regens die Nacht sehr ruhig war. Geräusche konnten selbst über größere Entfernungen hinweg gehört werden. Ich erlebte einen schrecklichen Augenblick, als ich gegen eine Blechdose trat und dachte, jeder Faschist im Umkreis von Kilometern müsse es gehört haben. Aber nein, kein Ton, kein Schuss als Antwort, keine Bewegung in der faschistischen Linie. Wir krochen weiter, immer langsamer. Ich kann gar nicht beschreiben, wie heftig mein Wunsch war, dorthin, also bis auf Handgranaten-Wurfweite, heranzukommen, ehe sie uns hörten! In einem derartigen Augenblick hat man nicht einmal Furcht, nur den riesigen, hoffnungslosen Wunsch, über das dazwischenliegende Gelände zu kommen. Bei der Jagd auf wilde Tiere habe ich genau das gleiche gefühlt, den gleichen qualvollen Wunsch, auf Schussweite heranzukommen, die gleiche traumhafte Gewissheit, dass es unmöglich ist. Wie sich die Entfernung dehnte! Ich kannte das Gelände gut, es waren kaum hundertfünfzig Meter, und doch schienen es eher anderthalb Kilometer zu sein. Wenn man in diesem Tempo kriecht, hat man ein Gefühl, wie eine Ameise es von den riesigen Unterschieden des Bodens haben mag: ein herrliches Fleckchen weiches Gras hier; ein hässliches Stück klebrigen Schlammes dort; die hohen, raschelnden Gräser, die man vermeiden muss; den Haufen Steine, die einen fast die Hoffnung aufgeben lassen, weil es unmöglich erscheint, ohne Lärm über sie hinwegzukommen.
Wir waren so lange vorangekrochen, dass ich nahezu glaubte, wir hätten den falschen Weg eingeschlagen. Dann wurden in der Dunkelheit dünne, parallellaufende Linien aus etwas noch Schwärzerem gerade sichtbar. Es war der äußere Drahtverhau (die Faschisten hatten zwei Linien Drahtverhaue). Jorge kniete nieder und wühlte in seiner Tasche. Er hatte unsere einzige Drahtschere. Schnipp, schnipp. Die herumhängenden Drähte wurden vorsichtig zur Seite gehoben. Wir warteten auf die Männer am Schluss, damit sie aufschließen konnten. Sie schienen einen entsetzlichen Lärm zu machen. Es konnten noch fünfzig Meter bis zur faschistischen Brustwehr sein. Immer tief gebeugt vorwärts. Mit verstohlenem Schritt setzten wir unseren Fuß so sanft auf wie eine Katze, die sich einem Mauseloch nähert, dann eine Pause, um zu horchen, dann ein weiterer Schritt. Einmal hob ich meinen Kopf, schweigend legte Benjamin seine Hand hinter meinen Hals und zerrte mich heftig herunter.
Ich wusste, dass der innere Stacheldraht kaum zwanzig Meter von der Brustwehr entfernt war. Es schien mir undenkbar, dass dreißig Mann, ohne gehört zu werden, dort hinkommen könnten. Schon unser Atem genügte, um uns zu verraten, aber irgendwie schafften wir es. Man konnte die faschistische Brustwehr jetzt sehen, ein verschwommener schwarzer Erdhügel, der hoch über uns aufragte. Wieder kniete Jorge und hantierte herum. Schnipp, schnipp. Es gab keine Methode, den Draht geräuschlos durchzuschneiden.
Das war also der innere Drahtverhau. Wir krochen auf allen vieren hindurch, möglichst noch schneller als vorher. Wenn wir jetzt Zeit hatten, uns zu entfalten, war alles gut. Jorge und Benjamin krochen nach rechts hinüber. Aber die Männer hinter uns, die weiter auseinandergeschwärmt waren, mussten sich in einer Linie hintereinander ordnen, um durch die enge Lücke im Drahtverhau zu kommen. Genau in diesem Augenblick gab es am faschistischen Grabenrand einen Blitz und Knall. Der Wachtposten hatte uns schließlich doch gehört. Jorge balancierte auf einem Knie und schwang seinen Arm wie ein Kegler. Krach! Seine Handgranate platzte irgendwo jenseits der Brustwehr. Sofort, rascher als man es für möglich gehalten hätte, brach der Donner der Schüsse aus zehn oder zwanzig Gewehren der faschistischen Brustwehr los. So hatten sie also doch auf uns gewartet. Für einen Moment konnte man in dem gespenstischen Licht jeden Sandsack sehen. Viel zu weit zurück warfen die Leute hinter uns ihre Handgranaten, einige fielen vor der Brustwehr nieder. Jedes Schützenloch schien Flammenstrahlen auszuspucken. Es ist immer widerlich, wenn man in der Dunkelheit beschossen wird - jedes aufblitzende Gewehr scheint direkt auf einen selbst gerichtet zu sein -, aber die Handgranaten waren das schlimmste. Man kann das Grauen einer in nächster Nähe bei Dunkelheit explodierenden Handgranate nicht ermessen, ehe man nicht dabei war. Während des Tages hört man nur den Explosionskrach. In der Dunkelheit sieht man gleichzeitig den blendend roten Feuerschein. Bei der ersten Salve hatte ich mich niedergeworfen. Während dieser ganzen Zeit lag ich in dem schmierigen Schlamm auf der Seite und zerrte wild an dem Stift meiner Handgranate. Das verdammte Ding wollte nicht herauskommen. Schließlich merkte ich, dass ich ihn in die falsche Richtung drehte. Ich zog den Stift heraus, richtete mich auf meinen Knien auf, schleuderte die Handgranate und warf mich wieder hin. Die Granate zerplatzte zu meiner Rechten, außerhalb der Brustwehr. Die Furcht hatte meine Absicht vereitelt. Gerade in diesem Augenblick zerbarst eine andere Handgranate gerade vor mir, so dicht, dass ich die Hitze der Explosion fühlen konnte. Ich drückte mich flach auf den Boden und grub mein Gesicht so hart in den Schlamm, dass ich meinen Hals verrenkte und glaubte, ich sei verwundet. Durch das Getöse hindurch hörte ich eine englische Stimme hinter mir, die gelassen sagte: »Ich bin getroffen.« Die Handgranate hatte tatsächlich mehrere Leute um mich herum verwundet, ohne mich selbst zu berühren. Ich erhob mich auf mein Knie und schleuderte meine zweite Handgranate. Ich habe vergessen, wohin sie flog.
Die Faschisten schossen, unsere Leute hinter uns schossen, und ich war mir sehr genau bewusst, dass ich genau in der Mitte dazwischen lag. Ich fühlte den Luftdruck eines Schusses und begriff, dass ein Mann unmittelbar hinter mir schoss. Ich stand auf und schrie ihn an: »Schieß nicht auf mich, du verdammter Idiot!« In diesem Augenblick sah ich, wie Benjamin zehn oder fünfzehn Meter von mir entfernt mit seinem Arm zu mir herüberwinkte. Ich rannte zu ihm hinüber. Das heißt, ich musste das Gelände vor den spuckenden Schützenlöchern überqueren, und während ich lief, deckte ich meine linke Hand über meine Backe. Eine närrische Bewegung - als ob man mit der Hand eine Kugel aufhalten könnte! -, aber ich hatte Angst, im Gesicht getroffen zu werden. Benjamin hockte auf einem Knie, auf seinem Gesicht lag ein zufriedener, etwas teuflischer Ausdruck, und er schoss mit seiner automatischen Pistole sorgfältig auf das Mündungsfeuer. Jorge war bei der ersten Salve verwundet hingefallen und lag irgendwo, wo man ihn nicht sehen konnte. Ich kniete neben Benjamin, zog den Stift aus meiner dritten Handgranate und schleuderte sie fort. Ah! Dieses Mal gab es keinen Zweifel. Die Handgranate krachte in das Innere der Brustwehr, in die Ecke genau neben dem Maschinengewehrnest.
Das faschistische Gewehrfeuer schien sehr plötzlich nachgelassen zu haben. Benjamin sprang auf seine Füße und schrie: »Vorwärts! Angriff!« Wir stürzten den kurzen, steilen Hang empor, auf dem die Brustwehr lag. Ich sage »stürzen<, >poltern> wäre ein besseres Wort, denn man kann wirklich nicht schnell vorankommen, wenn man von Kopf bis Fuß durchweicht und voller Schlamm ist und von einem schweren Gewehr nebst Bajonett und hundertfünfzig Patronen niedergezogen wird. Ich erwartete selbstverständlich, dass ein Faschist oben auf mich warten würde. Wenn er auf diese Entfernung feuerte, konnte er mich nicht verfehlen. Doch irgendwie rechnete ich nicht damit, dass er auf mich schießen würde, sondern nur versuchen werde, mich mit seinem Bajonett anzugreifen. Ich schien schon vorher das Gefühl unserer sich kreuzenden Bajonette zu spüren, und ich fragte mich, ob sein Arm stärker sein werde als meiner. Aber kein Faschist wartete auf mich. Mit einem unbestimmten Gefühl der Erleichterung erkannte ich, dass es eine niedrige Brustwehr war und die Sandsäcke dem Fuß einen guten Halt gaben. Normalerweise kommt man schwer über sie hinweg. Innen war alles in Stücke zerschlagen. Überall waren Balken herumgeschleudert und lagen verstreut große Scherben Uralit. Unsere Handgranaten hatten alle Hütten und Unterstände zerstört. Dennoch war nicht eine Seele zu sehen. Ich dachte, sie lauerten irgendwo unter der Erde, und rief in Englisch (ich konnte im Moment nicht an irgendein spanisches Wort denken): »Kommt heraus! Ergebt euch!« Keine Antwort. Dann sprang ein Mann, eine schemenhafte Figur im Halblicht, über das Dach einer der zerstörten Hütten und stürzte nach links weg. Ich rannte ihm nach und stach mein Bajonett ohne Wirkung in die Dunkelheit. Als ich um die Ecke der Hütte kam, sah ich einen Mann - ich weiß nicht, ob es der gleiche Mann war, den ich vorher gesehen hatte -, der den Verbindungsgraben hinauf floh, der zu der anderen faschistischen Stellung führte. Ich muss ihm sehr nah gewesen sein, denn ich konnte ihn sehr deutlich sehen. Er war barhäuptig und schien nichts anzuhaben außer einer Decke, die er um seine Schultern gerafft hielt. Hätte ich geschossen, würde ich ihn in Stücke geblasen haben. Aber aus Furcht, dass wir einander erschießen könnten, war angeordnet worden, nur die Bajonette zu benutzen, wenn wir einmal innerhalb der Brustwehr seien, und jedenfalls dachte ich selbst niemals daran, zu schießen. Statt dessen sprang meine Erinnerung zwanzig Jahre zurück, und ich dachte an unseren Boxlehrer in der Schule, der mir mit einer anschaulichen Gebärde zeigte, wie er einen Türken bei den Dardanellen mit dem Bajonett erstochen hatte. Ich fasste mein Gewehr an der schmalen Stelle des Kolbens und stieß nach dem Rücken des Mannes. Er war außerhalb meiner Reichweite. Noch ein Stoß: immer noch außerhalb meiner Reichweite. Ein kleines Stück liefen wir so voran, er eilte den Graben hinauf, und ich rannte auf dem Boden oberhalb von ihm, zielte auf seine Schulterblätter und konnte ihn nie ganz erreichen - eine komische Erinnerung, wenn ich heute daran denke, obwohl ich annehme, dass es ihm weniger komisch erschien.
Natürlich kannte er das Gelände besser als ich und hatte sich bald von mir weggestohlen.
Als ich zurückkam, war die Stellung voller schreiender Männer. Der Lärm des Gewehrfeuers hatte etwas nachgelassen. Die Faschisten überschütteten uns immer noch mit heftigem Feuer von drei Seiten, aber es kam aus größerer Entfernung. Zur Zeit hatten wir sie vertrieben.
Ich erinnere mich, dass ich wie ein Orakel sagte: »Wir können diesen Graben eine halbe Stunde lang halten, nicht länger.« Ich weiß nicht, warum ich gerade eine halbe Stunde sagte. Wenn man über die Brustwehr nach rechts sah, konnte man unzählige grüne Mündungsfeuer sehen, die wie
Dolche in die Dunkelheit stachen. Aber sie lagen weit weg, etwa hundert oder zweihundert Meter. Unsere Aufgabe bestand nun darin, die Stellung zu durchsuchen und alles mitzunehmen, was wert war, erbeutet zu werden. Benjamin und einige andere scharrten schon in den Trümmern einer großen Hütte oder eines Unterstandes in der Mitte der Stellung. Benjamin stolperte aufgeregt durch das zerstörte Dach und zog am Seilgriff einer Munitionskiste.
»Kameraden! Munition! Viel Munition hier!«
»Wir wollen keine Munition!« sagte eine Stimme, »wir wollen Gewehre.«
Das war richtig. Die Hälfte unserer Gewehre war durch den Schlamm verklemmt und unbrauchbar. Sie konnten gereinigt werden, aber es war gefährlich, in der Dunkelheit den Bolzen aus einem Gewehr zu nehmen, denn man legt ihn irgendwo hin und verliert ihn dann. Ich hatte eine winzige elektrische Taschenlampe, die meine Frau in Barcelona auftreiben konnte, darüber hinaus hatten wir kein erwähnenswertes Licht bei uns. Einige Männer mit brauchbaren Gewehren begannen planlos auf das entfernte Mündungsfeuer zu schießen. Niemand wagte zu schnell zu feuern, denn selbst die besten Gewehre konnten sich verklemmen, wenn sie zu heiß wurden. Wir waren sechzehn Leute im Schützengraben, einschließlich ein oder zwei Verwundeter. Eine Anzahl Verwundeter, Engländer und Spanier, lagen draußen. Patrick O'Hara, ein Irländer aus Belfast, der etwas Ausbildung in Erster Hilfe gehabt hatte, ging mit Verbandspäckchen von einem zum anderen, verband die verwundeten Männer und wurde trotz seiner empörten Rufe »P.O.U.M.!« jedes Mal beschossen, wenn er zur Brustwehr zurückkehrte.
Wir begannen die Stellung zu durchsuchen. Einige tote Soldaten lagen herum, aber ich hielt mich nicht damit auf, sie zu untersuchen. Ich hatte es auf das Maschinengewehr abgesehen. Als wir draußen lagen, hatte ich mich während der ganzen Zeit etwas gewundert, warum das Maschinengewehr nicht feuerte. Ich leuchtete mit meiner Taschenlampe in das Maschinengewehrnest. Eine bittere Enttäuschung! Das Maschinengewehr war nicht dort. Sein Stativ war da und verschiedene Kästen mit Munition und Ersatzteilen, aber das Maschinengewehr war fort. Sie mussten es beim ersten Alarm abgeschraubt und weggetragen haben. Ohne Zweifel handelten sie auf Befehl, aber das war dumm und feige, denn wenn sie das Maschinengewehr an seiner Stelle gelassen hätten, wäre es möglich gewesen, uns alle abzuschlachten. Wir waren wütend. Wir hatten uns vorgenommen, ein Maschinengewehr zu erbeuten.
Wir stocherten hier und dort herum, fanden aber nichts von irgendwelchem Wert. Eine Menge faschistischer Handgranaten lag dort - ein sehr schlechtes Modell einer Handgranate, die man zündete, indem man eine Schnur losriss -, ich steckte ein paar davon als Souvenir in meine Tasche. Es war unmöglich, nicht von dem nackten Elend der faschistischen Unterstände betroffen zu sein. Hier gab es kein Durcheinander von zusätzlichen Uniformstücken, Büchern, Lebensmitteln und kleinen persönlichen Dingen wie in unseren eigenen Unterständen. Diese armen, unbezahlten Dienstpflichtigen schienen nichts zu besitzen außer Decken und einigen nassen Klumpen Brot. Am äußeren Ende lag ein kleiner Unterstand, der zum Teil über den Boden ragte und ein winziges Fenster hatte. Wir leuchteten mit der Lampe durch das Fenster und stießen sofort einen Freudenruf aus. Ein zylindrischer Gegenstand in einer Lederhülle, etwa hundertzwanzig Zentimeter hoch und fünfzehn Zentimeter im Durchmesser, lehnte an der Wand. Offensichtlich war es der Lauf des Maschinengewehres. Wir stürzten um die Ecke und kamen durch den Eingang hinein, um herauszufinden, dass das Ding in der Lederhülle nicht ein Maschinengewehr, sondern für unsere an Waffen arme Armee noch etwas Wertvolleres war. Es handelte sich um ein riesiges Fernrohr, wahrscheinlich mit mindestens sechzig- oder siebzigfacher Vergrößerung und einem zusammenklappbaren Stativ. Derartige Fernrohre gab es auf unserer Seite einfach nicht, und wir benötigten sie verzweifelt. Wir brachten es triumphierend hinaus und lehnten es an die Brustwehr, um es später wegzutragen.
In diesem Augenblick schrie jemand, die Faschisten näherten sich. Bestimmt war der Lärm des Gewehrfeuers viel lauter geworden. Aber es war offensichtlich, dass die Faschisten nicht von rechts zum Gegenangriff antreten würden, denn das hätte bedeutet, dass sie durch das Niemandsland kommen und ihre eigene Brustwehr angreifen müssten. Wenn sie überhaupt etwas Verstand hatten, würden sie uns von der Innenseite der Kampflinie her angreifen. Ich ging auf die andere Seite der Unterstände. Die Stellung hatte ungefähr die Form eines Hufeisens. Die Unterstände lagen in der Mitte, so dass wir eine zweite Brustwehr hatten, die uns auf der Linken schützte. Aus dieser Richtung kam ein heftiges Feuer, aber das machte nicht soviel aus. Der Gefahrenpunkt lag gerade vor uns, wo es überhaupt keinen Schutz gab. Ein Kugelregen flog direkt über uns hinweg. Dieser Beschuss musste von der anderen faschistischen Stellung weiter oben an der Kampflinie kommen. Anscheinend hatten die Stoßtrupps sie doch nicht erobert. Aber jetzt war der Lärm ohrenbetäubend. Es war der ununterbrochene, trommelartige Krach massierten Gewehrfeuers, den ich sonst aus einiger Entfernung gehört hatte. Jetzt war ich zum ersten Male mitten darin. Jetzt hatte sich natürlich die Schießerei kilometerweit entlang der ganzen Front ausgebreitet. Douglas Thompson, dessen verwundeter Arm an der Seite unbrauchbar herunterhing, lehnte sich an die Brustwehr und feuerte mit einer Hand auf die Mündungsblitze. Irgend jemand, dessen Gewehr klemmte, lud für ihn. Auf dieser Seite standen vier oder fünf von uns. Es war klar, dass wir etwas tun mussten. Wir mussten die Sandsäcke von der vorderen Brustwehr wegzerren und eine Barrikade über der ungeschützten Seite aufschlagen. Und wir mussten schnell sein. Noch lag das Feuer hoch, aber jeden Augenblick konnten sie tiefer gehen. An den Mündungsblitzen um uns herum konnte ich sehen, dass uns einhundert oder zweihundert Mann gegenüberlagen. Wir begannen die Sandsäcke loszuzerren, trugen sie zwanzig Meter vorwärts und warfen sie in einem unebenen Haufen zusammen. Das war eine gemeine Arbeit. Die großen Sandsäcke wogen jeweils hundert Pfund, und man brauchte das letzte Gramm der eigenen Kraft, um sie loszuzerren. Dann platzte die verfaulte Sackleinwand und die feuchte Erde stürzte wie eine Kaskade über den Hals hinunter und in die Ärmel. Ich erinnere mich an ein Gefühl tiefer Angst vor dem Chaos, der Dunkelheit, dem entsetzlichen Lärm, dem Hin- und Herschlittern im Schlamm und dem Kampf mit den berstenden Sandsäcken. Während der ganzen Zeit behinderte mich mein Gewehr, das ich nicht abzulegen wagte aus Furcht, es zu verlieren. Als wir mit einem Sack zwischen uns dahinstolperten, schrie ich sogar jemandem zu: »Das ist Krieg! Ist er nicht saumäßig?« Plötzlich sprang eine Reihe großer Figuren über die vordere Brustwehr. Als sie näher kamen, erkannten wir die Uniform der Stoßtruppen und begrüßten sie, weil wir glaubten, sie kämen zu unserer Verstärkung. Aber sie waren nur zu viert, drei Deutsche und ein Spanier. Wir hörten hinterher, was den Stoßtruppen passiert war. Sie kannten das Gelände nicht, und man hatte sie in der Dunkelheit an die falsche Stelle geführt, wo sie sich in den faschistischen Drähten verfingen und viele von ihnen niedergeschossen wurden. Diese vier hatten sich zu ihrem eigenen Glück verirrt. Die Deutschen sprachen kein Wort englisch, französisch oder spanisch. Mit Mühe und vielen Gesten erklärten wir ihnen, was wir taten, und brachten sie dazu, uns beim Bau der Barrikade zu helfen.
Die Faschisten hatten jetzt ein Maschinengewehr nach vorne gebracht, und man konnte sehen, wie es ein- oder
zweihundert Meter weiter weg wie eine Rakete spuckte. Die Kugeln flogen mit dauerndem, hartem Krachen über uns hinweg. Es dauerte nicht lange, bis wir genug Sandsäcke zusammengeworfen hatten, um eine niedrige Brustwehr zu schaffen, hinter der sich die wenigen Leute auf dieser Seite der Stellung hinlegen und schießen konnten. Ich kniete hinter ihnen. Eine Mörsergranate zischte herüber und zerkrachte irgendwo im Niemandsland. Das war eine neue Gefahr, aber es würde sie einige Minuten in Anspruch nehmen, unsere Entfernung zu finden. Nachdem wir unseren Ringkampf mit den abscheulichen Sandsäcken beendigt hatten, war es irgendwie nicht einmal ein schlechter Spaß: der Lärm, die Dunkelheit, die näher kommenden Mündungsfeuer und die Antwort unserer eigenen Leute auf diese Blitze. Man hatte sogar etwas Zeit, um nachzudenken. Ich erinnere mich, wie ich mich fragte, ob ich Angst hätte, und mich dazu entschloss, dass ich keine habe. Vor dem Schützengraben, wo ich wahrscheinlich in geringerer Gefahr geschwebt hatte, war ich halb krank vor Furcht gewesen. Plötzlich schrie wieder jemand, die Faschisten näherten sich. Dieses Mal gab es keinen Zweifel, die Mündungsfeuer kamen viel näher. Ich sah kaum zwanzig Meter weg einen Blitz. Wahrscheinlich arbeiteten sie sich den Verbindungsgraben herauf. Bei zwanzig Metern waren sie innerhalb der Entfernung, in der man Handgranaten werfen konnte. Wir waren acht oder neun, die sich zusammengedrängt hatten, und eine einzige wohlgezielte Handgranate konnte uns in Stücke reißen. Bob Smillie, dem das Blut von einer kleinen Wunde im Gesicht herabfloss, richtete sich auf seine Knie auf und schleuderte eine Handgranate. Wir duckten uns und warteten auf die Explosion. Der Zünder sprühte rot, während sie durch die Luft segelte, aber die Handgranate explodierte nicht. (Mindestens ein Viertel dieser Handgranaten waren Versager.) Ich hatte außer den faschistischen keine Handgranate mehr übrig und wusste nicht, wie sie funktionierten. Ich rief den übrigen zu, ob jemand eine Handgranate übrig habe. Douglas Moyle fasste in seine Tasche und reichte mir eine herüber. Ich schleuderte sie und warf mich auf mein Gesicht. Durch einen der Glücksfälle, die es jedes Jahr einmal gibt, war es mir gelungen, die Handgranate fast genau dort hinzuwerfen, wo das Gewehr aufblitzte. Wir hörten den Donner der Explosion und sofort danach ein grauenhaftes Aufschreien, Gebrüll und Stöhnen. Einen von ihnen hatten wir jedenfalls erwischt. Ich weiß nicht, ob er getötet wurde, aber sicherlich war er schwer verwundet. Armer Teufel, armer Teufel! Ich fühlte ein vages Mitleid, als ich ihn schreien hörte. Aber im gleichen Augenblick sah oder glaubte ich beim dünnen Licht der Mündungsfeuer zu sehen, wie eine Gestalt nahe der Stelle stand, wo das Gewehr aufgeblitzt hatte. Ich riss mein Gewehr hoch und feuerte. Noch ein Schrei, aber ich glaube, es war immer noch die Wirkung der Handgranate. Weitere Handgranaten wurden geworfen. Die nächsten Mündungsfeuer, die wir sahen, waren schon viel weiter weg, hundert Meter oder mehr. So hatten wir sie zumindest augenblicklich zurückgetrieben.
Jeder begann zu fluchen und meinte, warum man uns, zum Teufel, keine Verstärkung schicke. Mit einer Maschinenpistole oder zwanzig Mann mit sauberen Gewehren hätten wir diese Stellung gegen ein Bataillon halten können. In diesem Augenblick kletterte Paddy Donovan, nach Benjamin der stellvertretende Kommandeur, über die vordere Brustwehr. Er war zurückgeschickt worden, um Befehle zu empfangen.
»He! Kommt heraus! Alle Mann sofort zurückziehen!«
»Was?«
»Zurück! Kommt heraus!«
»Warum?«
»Befehl. So schnell wie möglich zurück zu unseren eigenen Linien.«
Die Leute kletterten schon über die vordere Brustwehr.
Einige von ihnen mühten sich mit einer schweren Munitionskiste ab. Meine Gedanken flogen zu dem Fernrohr zurück, das ich auf der anderen Seite der Stellung an die Brustwehr gelehnt zurückgelassen hatte. Aber in diesem Augenblick sah ich die vier Stoßtruppler den Verbindungsgraben hinauflaufen. Ich nahm an, sie befolgten irgendeinen unerklärlichen Befehl, den sie vorher erhalten hatten. Der Graben führte zu der anderen faschistischen Stellung und damit, sollten sie dorthin gelangen, in den sicheren Tod. Sie verschwanden in der Dunkelheit. Ich rannte ihnen nach und versuchte, mich an das spanische Wort für >zurückziehen< zu erinnern. Schließlich rief ich: »Atrás! Atrás«, das vielleicht den richtigen Sinn vermittelte. Der Spanier verstand es und brachte die anderen zurück. Paddy wartete an der Brustwehr.
»Kommt, los, beeilt euch!«
»Aber das Fernrohr!«
»Sch... auf das Fernrohr! Benjamin wartet draußen.«
Wir kletterten hinaus. Paddy hielt den Draht für mich zur Seite. Sobald wir aus dem Schutz der faschistischen Brustwehr wegkamen, lagen wir unter teuflischem Feuer, das sich von allen Seiten auf uns zu richten schien. Ich habe keinen Zweifel, dass es teilweise von unserer eigenen Seite kam, denn jetzt schoss jeder an der ganzen Front. Wohin wir uns auch wandten, schoss ein starker Kugelregen an uns vorbei. In der Dunkelheit wurden wir wie eine Schafherde hin und her getrieben. Das wurde nicht leichter dadurch, dass wir eine erbeutete Kiste mit Munition hinter uns herzogen -eine jener Kisten mit 1750 Rahmen, die ungefähr einen Zentner wiegen —, außerdem eine Kiste mit Handgranaten und mehrere faschistische Gewehre. Nach ein paar Minuten hatten wir uns vollständig verirrt, obwohl die Entfernung von Brustwehr zu Brustwehr nicht einmal zweihundert Meter betrug und die meisten von uns das Gelände kannten. Wir glitten in dem schlammigen Feld umher und wussten nur, dass die Kugeln von beiden Seiten kamen. Es gab keinen Mond, nach dem man sich richten konnte. Aber der Himmel wurde ein wenig heller. Unsere Linien lagen östlich von Huesca. Ich wollte an Ort und Stelle liegen bleiben, bis uns das erste Licht der Morgendämmerung zeigte, wo Osten und Westen waren. Aber die anderen waren dagegen. Wir rutschten weiter, änderten unsere Richtung verschiedene Male und wechselten uns ab, die Munitionskiste mitzuzerren. Schließlich sahen wir vor uns undeutlich die niedrige flache Linie einer Brustwehr. Es konnte unsere eigene, es konnte aber auch die faschistische sein. Niemand hatte die geringste Ahnung, wohin wir gingen. Benjamin kroch auf seinem Bauch durch hohes, weißes Unkraut, bis er zwanzig Meter vor der Brustwehr war, und er versuchte, den Wachtposten anzurufen. Der Schrei »Poum!« antwortete ihm. Wir sprangen auf unsere Füße, fanden unseren Weg an der Brustwehr entlang, tappten noch einmal durch den Bewässerungsgraben - platsch, glucks! - und waren in Sicherheit.
Kopp wartete zusammen mit einigen Spaniern innerhalb der Befestigung. Der Doktor und die Tragbahren waren fort. Es schien, dass alle Verwundeten hereingekommen waren, außer Jorge und einem unserer eigenen Leute, er hieß Hiddlestone, die fehlten. Kopp schritt sehr bleich auf und ab. Selbst die fetten Falten hinten an seinem Nacken waren bleich. Er achtete nicht auf die Kugeln, die über die niedrige Brustwehr flogen und in der Nähe seines Kopfes zerbarsten. Die meisten von uns kauerten sich hinter der Brustwehr in Deckung. Kopp murmelte: »Jorge! Cogno! Jorge!« Und dann in englisch: »Wenn Jorge weg ist, ist es fuurchtbar, fuurchtbar!« Jorge war sein persönlicher Freund und einer seiner besten Offiziere. Plötzlich wandte er sich zu uns und fragte nach fünf Freiwilligen, zwei Engländern und drei Spaniern, um nach den vermissten Leuten auszuschauen. Moyle und ich meldeten uns freiwillig mit drei Spaniern.
Als wir nach draußen kamen, murmelten die Spanier, es
werde gefährlich hell. Das war völlig richtig, der Himmel zeigte schon ein dünnes Blau. Von der faschistischen Befestigung schallte ein großer Lärm aufgeregter Stimmen herüber. Offensichtlich hatten sie die Stellung mit einer größeren Truppe als vorher wieder besetzt. Wir waren sechzig oder siebzig Meter von ihrer Brustwehr entfernt, als sie uns gesehen oder gehört haben müssen, denn sie feuerten eine schwere Salve zu uns herüber, so dass wir uns auf unsere Gesichter warfen. Einer von ihnen schleuderte eine Handgranate über die Brustwehr - ein sicheres Zeichen von Panik. Wir lagen im Gras und warteten auf eine Gelegenheit, um uns weiterzubewegen, als wir hörten oder zu hören glaubten, dass die faschistischen Stimmen jetzt viel näher waren. Ich habe keinen Zweifel, dass es pure Einbildung war, aber zu jener Zeit schien es tatsächlich so zu sein. Sie hatten die Brustwehr verlassen und kamen auf uns zu. »Lauf!« schrie ich Moyle zu und sprang auf meine Füße. Du lieber Himmel, wie ich rannte! Vorher, in der Nacht, hatte ich gedacht, man könne von Kopf bis Fuß durchweicht und mit Gewehr und Patronen beladen nicht laufen. Jetzt erlebte ich, dass man immer laufen kann, wenn man glaubt, fünfzig oder hundert bewaffnete Leute seien hinter einem her. Aber wenn ich schnell rennen konnte, so waren andere noch schneller. Während meiner Flucht schoss etwas wie ein Schwarm von Meteoren an mir vorbei. Das waren die drei Spanier, die vor mir gewesen waren. Sie hatten schon unsere Befestigung erreicht, bevor sie anhielten und ich sie einholen konnte. In Wahrheit waren wir vollständig mit unseren Nerven fertig. Ich wusste jedoch, dass in der Dämmerung ein Mann unsichtbar ist, während fünf deutlich zu sehen sind. So ging ich allein zurück. Es gelang mir, bis an den äußeren Stacheldraht zu kommen, und ich durchsuchte das Gelände, so gut ich konnte. Das war aber nicht sehr gründlich, denn ich musste auf meinem Bauch liegen. Von Jorge oder Hiddlestone war nichts zu sehen, und so kroch ich zurück. Später erfuhren wir, dass sowohl Jorge wie auch Hiddlestone schon früher zur Verbandstation gebracht worden waren. Jorge war an der Schulter leicht verwundet worden. Hiddlestone erhielt eine schreckliche Wunde - eine Kugel bohrte sich seinen linken Arm herauf und brach den Knochen an verschiedenen Stellen. Als er hilflos am Boden lag, explodierte eine Handgranate in der Nähe und verletzte verschiedene andere Teile seines Körpers. Es freut mich aber, sagen zu können, dass er sich erholte. Später erzählte er mir, dass er sich eine Strecke weit auf seinem Rücken liegend zurückarbeitete, dann hielt er sich an einem verwundeten Spanier fest, und sie halfen sich gegenseitig zurück.
Jetzt wurde es hell. Kilometerweit donnerte an der Front die unregelmäßige, sinnlose Schießerei wie der Regen, der auf einen Regensturm folgt. Ich erinnere mich an den trostlosen Anblick der ganzen Szenerie: an das schlammige Sumpfland, die triefenden Pappeln, das gelbe Wasser am Boden des Schützengrabens, die erschöpften Gesichter der Männer, unrasiert, mit Schlamm beschmutzt und rauchgeschwärzt bis zu den Augen. Als ich in meinen Unterstand zurückkam, schliefen die drei Männer, mit denen ich ihn teilte, schon fest. Sie hatten sich mit der ganzen Ausrüstung hingeworfen und hielten die schmutzigen Gewehre an sich geklammert. Im Inneren des Unterstandes wie auch draußen war alles durchweicht. Nach langer Suche gelang es mir, genug Stückchen trockenes Holz zu sammeln, um ein winziges Feuer anzuzünden. Dann rauchte ich die Zigarre, die ich aufbewahrt hatte und die zu meiner Überraschung während der Nacht nicht zerbrochen war.
Später hörten wir, dass der Angriff ein Erfolg gewesen war, wie das nun einmal so ist. Es war nur ein Überfall, um die Faschisten zu zwingen, Truppen von der anderen Seite von Huesca abzuziehen, wo die Anarchisten wieder angriffen. Ich schätzte, dass die Faschisten hundert oder zweihundert Mann in den Gegenangriff warfen, aber ein Deserteur erzählte uns später, es seien sechshundert gewesen. Ich vermute, er log - Deserteure versuchen oft aus einleuchtenden Gründen zu schmeicheln. Die Sache mit dem Fernrohr war ein Jammer. Der Gedanke, dieses wundervolle Beutestück verloren zu haben, ärgert mich heute noch.

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